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Kooperationsvereinbarung Gemeinsam Gegen Sexuelle

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Stadt Karlsruhe Sozial- und Jugendbehörde KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT er zial t o S ens Di Städ t Klin ische iku s m Fachb Aller eratu leiR ng au h ische log n ho gsstelle yc Ps atun r Be Ps yc ho D ie s o zia le r nst d un . V. er ass f e W il d w o t r u N Frauen st äd tis che Kin d er ric ta g esein htu e ng n 2 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT INHALT 1. Vorwort 3 2. Einführung 4 3. Unser Verständnis von sexueller Gewalt 4 3.1 Begriffsklärung: Opfer, Betroffene, Beteiligte, Täterinnen/Täter5 3.2 Dynamik bei sexueller Gewalt – „Kein Fall gleicht dem anderen“ 3.2.1 5 Tatdynamik und Täterstrategien 5 3.2.2 Erlebnisweise des Opfers  6 3.2.3 Familiäre Risikofaktoren 7 3.2.4 Situation der Familienmitglieder 7 4. Aufgaben der kooperierenden Einrichtungen zum Schutz des Kindeswohls vor sexueller Gewalt 8 8 4.2 Fachberatungsstellen gegen sexuelle Gewalt 8 4.2.1 Fachberatungsstelle AllerleiRauh 8 4.2.2 Fachberatungsstelle Wildwasser und FrauenNotruf e. V. 8 4.3.1 4.3.2 9 Die Psychologischen Beratungsstellen Ost und West der Stadt Karlsruhe 9 Der Psychosoziale Dienst (PSD) 9 4.4 Klinik für Kinder- und Jugendmedizin/Klinik für Kinderchirurgie9 4.5 Abteilung Kindertageseinrichtungen 5. Arbeitsprinzipien 9 9 5.1 Arbeitsprinzipien des Sozialen Dienstes 10 5.2 Arbeitsprinzipien der Fachberatungsstellen 10 5.2.1 Grundhaltung 10 5.2.2 Arbeitsweise 10 5.2.3 Strafanzeige 11 5.3 Arbeitsprinzipien der Psychologischen Beratungsstellen Ost und West der Stadt Karlsruhe 11 5.4 Arbeitsprinzipien der Kliniken 11 5.5 Arbeitsprinzipien der Abteilung Kindertageseinrichtungen11 6. Vorgehen bei Hinweisen auf sexuelle Gewalt 12 6.1 Allgemeine fachliche Grundsätze der Intervention 12 6.2 Vorgehen auf der Prozessebene 13 6.3 Hilfen zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos und zur Entwicklung und Umsetzung von Schutzkonzepten 13 6.3.1 Die Anonyme Fallberatung 13 6.3.2 Die Beratung durch die insoweit erfahrenen Fachkraft (ieF)  14 6.3.3 Die Hilfekonferenz (HK) 14 6.3.4 Hilfeprozessmoderation (HPM) 15 17 7.1 Umgang mit Informationen der Kinder/Jugendlichen17 8. Konfrontationsgespräche 18 8.1 Sicherstellung des Opferschutzes vor Konfrontationen der Täterin/des Täters und Informationen an nicht missbrauchende Elternteile 18 8.2 Gespräch mit dem/den nicht missbrauchenden Elternteil/en18 8.3 Konfrontationsgespräch mit dem Täter/der Täterin 9. Kooperation und Hilfeangebote  9.1 Angebote und Hilfen zum Schutz von Opfern 4.1 Sozialer Dienst der Sozial- und Jugendbehörde 4.3 Hauptabteilung Beratung der Stadt Karlsruhe 7. Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt 18 19 19 9.1.1 Zeitnah einzuleitende Hilfen und akute Schutzkonzepte19 9.1.2 Beteiligung des Familiengerichtes 20 9.1.3 Hilfen zur Erziehung 20 9.1.4 Betreuter Umgang nach § 18 Absatz 3 Sozialgesetzbuch VIII, beaufsichtigter und begleiteter Umgang gemäß § 1684 Absatz 4 BGB 20 9.1.5 Weitergehende Maßnahmen und Angebote zum Opferschutz 21 9.2 Hilfeangebote für Täterinnen und Täter und Beschuldigte 21 10. Ausblick 22 11. Anhang – Arbeitshilfen und weiterführende Texte und Informationen 22 11.1 Hinweise zur Gesprächsführung mit Kindern (und Jugendlichen), die sexuelle Gewalt erlebt haben 22 11.2 Verfügung Direktion SJB zur Strafanzeige 23 11.3 Mögliche Form für eine Mitteilung im Rahmen von § 8a SGB VIII an den Sozialen Dienst 25 11.4 Vorgehensweise bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch in den städtischen Einrichtungen zur Kinder- und Schülertagesbetreuung  26 11.5 Leitfaden Klinikum Karlsruhe 27 11.6 Gesetzestexte 33 11.6.1 § 8a SGB VIII (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung)33 11.6.2 Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls 33 11.7 Literaturverzeichnis 34 11.8 Internetlinks 35 12. Impressum 36 SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 3 1. VORWORT Das Thema „Sexuelle Gewalt“ ist nach wie vor hochaktuell und stellt spezielle Anforderungen an die Jugendhilfe. Um den Kinderschutz zu gewährleisten, erfordert das gemeinsame Vorgehen der beteiligten Einrichtungen, neben fachlichem Wissen, klare Absprachen. Seit Erscheinen der ersten Auflage der Kooperationsvereinbarung zur Zusammenarbeit bei sexueller Gewalt gab es mittlerweile mehrere gesetzliche Änderungen, die auch diese dritte Überarbeitung und Aktualisierung unserer Broschüre notwendig gemacht haben. Zudem haben sich Arbeitsinhalte und Zusammenarbeitsstrukturen weiter entwickelt. Auch diese Aktualisierung hat davon profitiert, dass die Mitarbeitenden der Redaktionsgruppe unterschiedliche fachliche Kompetenzen mitbringen. Bereits gesammelte Erfahrungen schärften zudem den Blick für das Wesentliche. „Gemeinsam gegen sexuelle Gewalt“ setzt den Rahmen für die fachlich fundierte Kooperation zwischen den fallbeteiligten Kolleginnen und Kollegen. Sie ist somit Handlungsorientierung und Leitfaden. Die institutionelle Zusammenarbeit bekommt eine aktualisierte, sichere Basis für eine einfühlsame und wirksame Hilfe für Jungen und Mädchen, die von sexueller Gewalt betroffen sind. Im Ergebnis ist die aktualisierte Kooperationsvereinbarung für alle Kooperationspartner eine verlässliche Arbeitsgrundlage. Ich danke allen Mitwirkenden für ihr Engagement. Josef Seekircher Direktor der Sozial- und Jugendbehörde www.karlsruhe.de 4 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT 2. EINFÜHRUNG Unter der gemeinsamen Projektleitung der Leitenden des Sozialen Dienstes und des Psychosozialen Dienstes der Stadt Karlsruhe hatte bereits 2003 ein interdisziplinärer Arbeitskreis die Erstauflage dieser Kooperationsvereinbarung bei sexueller Gewalt zur Wahrung verbindlicher Konzepte und Qualitätsstandards erarbeitet. 2009 wurde eine Aktualisierung der Erstauflage veranlasst. Das 2012 eingeführte Bundeskinderschutzgesetz machte die hier vorgelegte, erneute Aktualisierung der Kooperationsvereinbarung gegen sexuelle Gewalt notwendig. Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer insoweit erfahrenen Fachkraft, und die Möglichkeit, Kinderschutz durch beaufsichtigten Umgang zu gewährleisten. Wiederum hat eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Fachkräften des Sozialen Dienstes, der Fachberatungsstelle „AllerleiRauh“ der Stadt Karlsruhe und „Wildwasser und FrauenNotruf e. V.“, die Überarbeitung bezüglich gesetzlicher Veränderungen sowie Einarbeitung weiterentwickelter Standards und Kooperationsstrukturen übernommen. Die Fachkräfte haben die Aufgabe, einen wirksamen Schutz für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sicherzustellen und die Nachsorge kompetent zu regeln. Jeder einzelne Handlungsschritt erfordert in einer häufig akuten Situation eine zeitnahe intensive Kooperation der beteiligen Fachkräfte der verschiedenen Einrichtungen und Abteilungen. Es gilt, die Zusammenarbeit qualitativ abzusichern und dabei die Handlungsräume für die jeweilige fachliche Einschätzung oder Aufgabe zu erhalten. Hierzu gibt die Vereinbarung viele konkrete Anregungen. Diese Kooperationsvereinbarung ist konkrete Arbeitsgrundlage für die beteiligten Kooperationspartner: In der Neuauflage wurde besonderer Wert darauf gelegt, die gesetzlichen Neuerungen in Bezug auf Kinder- und Opferschutz einzuarbeiten, zum Beispiel den § 8b, SGB VIII. Außerdem werden zwei zunehmend bedeutungsvolle Instrumente des Kinderschutzes genauer dargestellt: Die Der Schwerpunkt dieser Vereinbarung liegt auf sexueller Gewalt im Nahbereich der Opfer. Grund dafür ist, dass hauptsächlich in diesen Fällen eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Sozialen Dienst und den Beratungsstellen erforderlich ist, zum Beispiel wegen Sorgerechtsfragen. Bei Fremdtäterinnen und Fremdtätern ist das weniger der Fall. „„ „„ Sozialer Dienst, Stadt Karlsruhe, „AllerleiRauh“ Fachberatungsstelle bei sexueller Gewalt, Stadt Karlsruhe, „„ „Wildwasser und FrauenNotruf e. V.“, „„ Psychosozialer Dienst, Stadt Karlsruhe „„ Abteilung Kindertageseinrichtungen, Stadt Karlsruhe „„ Psychologische Beratungsstellen Ost und West, Stadt Karlsruhe, „„ Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Stadt Karlsruhe, „„ Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Stadt Karlsruhe „„ Kinderchirurgie, Stadt Karlsruhe. 3. UNSER VERSTÄNDNIS VON SEXUELLER GEWALT Der Definition von Sgroi (1982) folgend ist „sexuelle Ausbeutung von Kindern durch Erwachsene (oder ältere Jugendliche) eine Handlung eines Erwachsenen mit einem Kind, das aufgrund seiner emotionalen und intellektuellen Entwicklung und aufgrund des ungleichen Machtverhältnisses zwischen Erwachsenen und Kindern nicht in der Lage ist, dieser sexuellen Handlung informiert und frei zuzustimmen. Dabei nutzt der Erwachsene seine Autorität und die Abhängigkeit des Kindes aus, um das Kind zur Kooperation zu überreden oder zu zwingen. Zentral ist dabei die Verpflichtung zur Geheimhaltung, die das Kind zur Sprachlosigkeit, Wehrlosigkeit und Hilflosigkeit verurteilt.“1 Wir verwenden hier folgende Definition: „Ein sexueller Übergriff unter Kindern liegt dann vor, wenn sexuelle Handlungen durch das übergriffige Kind erzwungen werden beziehungsweise das betroffene Kind sie unfreiwillig duldet oder sich unfreiwillig daran beteiligt. Häufig wird dabei ein Machtgefälle zwischen den beteiligten übergriffigen und betroffenen Kindern ausgenutzt, indem zum Beispiel durch Versprechungen, Anerkennung, Drohung oder körperliche Gewalt Druck ausgeübt wird. Die zentralen Merkmale von sexuellen Übergriffen sind demnach Unfreiwilligkeit und Machtgefälle. Beide Merkmale können in vielfältigen Erscheinungsformen auftreten.“2 Von sexueller Gewalt durch Erwachsene oder ältere Jugendliche abzugrenzen sind sexuelle Übergriffe unter Kindern: Bei Kindern im Vor- und Grundschulalter ist normalerweise noch kein solches Maß an Planung und Bewusstheit gegeben wie es bei Erwachsenen und älteren Jugendlichen vorauszusetzen ist. Das Thema der sexuellen Gewalt an Mädchen und Jungen wurde unter dem Stichwort „sexueller Missbrauch“ im deutschen Sprachraum eingeführt. Wir verwenden die Bezeichnungen „sexueller Missbrauch“, „sexuelle Misshandlung“, „sexuelle Ausbeutung“ und „sexuelle oder sexualisierte Gewalt an Mädchen und Jungen“ synonym. 1 Sgroi, S. M. (Hrsg.) (1982). Handbook of Clinical Intervention in Child Sexual Abuse. Lexington, Massachusetts: Lexington Books. 2 Freund, U. & Riedel-Breidenstein, D. (2004). Sexuelle Übergriffe unter Kindern. Köln: Mebes & Noack. SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 5 3.1 BEGRIFFSKLÄRUNG: OPFER, BETROFFENE, BETEILIGTE, TÄTERINNEN/TÄTER Die dem jeweiligen Einzelfall anzupassenden, flexiblen Vorgaben dieser Kooperationsvereinbarung wirken diesen Gefahren entgegen. 3.2.1 Opfer: Opfer sind im Sinne der Definition direkt durch sexuelle Gewalt geschädigte Personen.Die Bezeichnung zielt nicht darauf, Betroffenen eine passive Opferrolle zuzuweisen, es soll vielmehr die besondere Schutzbedürftigkeit Betroffener nach einem sexuellen Missbrauch im Vordergrund stehen.3 „„ „„ „„ Betroffene: Alle Personen innerhalb der Familiensysteme, auf die die Tat Folgewirkungen hat; das sind der nicht-missbrauchende Elternteil, Geschwister und weitere enge Bezugspersonen im Familiensystem. (Mutmaßliche) Täterinnen und Täter: Wir verwenden den Begriff Täterin/Täter, wenn Kinder oder Jugendliche konkrete, plausible Aussagen über sexuelle Handlungen machen und die Person als Täterin/Täter benennen. Der von uns benutzte Begriff „Täterin/Täter“ ist nicht deckungsgleich mit dem strafrechtlichen Begriff. Folglich kann sich die Problematik ergeben, dass ein fachlich belegter sexueller Missbrauch strafrechtlich nicht nachweisbar ist. Beteiligte: Wir verwenden in dieser Vereinbarung den Begriff nach der gesetzlichen Definition „Beteiligter“. Der öffentlich rechtliche Auftrag zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen (entsprechend ihrem Entwicklungsstand), Sorgeberechtigten und allen zum Verfahren Hinzugezogenen (Fachberatungsstellen, Sozialer Dienst und ähnliche) findet sich im SGB VIII. 3.2 DYNAMIK BEI SEXUELLER GEWALT – „KEIN FALL GLEICHT DEM ANDEREN“ Bei sexueller Gewalt sind subjektive Problemsichten und Lösungsvorstellungen eher die Regel als die Ausnahme. Neben standardisierten Vorgehensweisen sind deshalb der Blick auf die Dynamik des Einzelfalls und die Wahrung von Ermessensspielräumen wichtig. Die Intervention ist eine notwendige öffentliche Einmischung in die familiäre Selbstbestimmung, die sich in dem Dilemma bewegt, zu früh, zu spät, zu viel oder zu wenig zu sein. Jeder Eingriff von außen birgt die Gefahr einer sekundären Schädigung für ein Kind. Forschungsergebnisse weisen Tabuisierung, Geheimhaltung und Angst als gängige Themen in den Familien, aber auch bei den befassten Institutionen nach. Die fachlichen Interventionen greifen häufig in Systeme ein, die intransparent und mit hoher Eigendynamik funktionieren. Gleichzeitig sind die Kenntnisse der Professionellen über die betreffenden Familiensysteme häufig lücken- oder sogar fehlerhaft. Die Folge dieser komplizierten Ausgangssituation kann fachliche Überforderung sein. Damit verbunden sind dann Gefahren wie Problemverlagerung, Entstehung von Stellvertreterkonflikten oder das Risiko, das eigene fachliche Handeln in erster Linie auf den professionellen Selbstschutz auszurichten. 3 Bundesministerium für Justiz (2012). Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch in einer Einrichtung – Was ist zu tun? Frankfurt: Zarbock. „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ TATDYNAMIK UND TÄTERSTRATEGIEN Täter und Täterinnen sind meist Vertrauenspersonen. Der sexuelle Missbrauch wird stets vom Täter/von der Täterin initiiert. In der Regel planen Täter und Täterinnen die sexuellen Übergriffe. Täter und Täterinnen schenken den Kindern und Jugendlichen zunächst besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung. In Alltagssituationen kommt es zu den ersten sexuellen Übergriffen. Oftmals stellen die Täter und Täterinnen sie als zufällig dar und testen somit die Reaktion des Kindes darauf. Häufig erfolgt danach eine Isolierung des Kindes. Meist ist eine auferlegte Verpflichtung zur Geheimhaltung zu beobachten. Zusätzliche extreme körperliche Gewalt ist eher selten. Man kann zwischen einmaligen Übergriffen und länger dauernden Missbrauchserfahrungen betroffener Kinder und Jugendlicher unterscheiden. Täter und Täterinnen missbrauchen in der Regel wiederholt. Täter und Täterinnen sondieren nach ihrer ersten Kontaktaufnahme und entscheiden sich für die möglichst widerstandsunfähigen Kinder beziehungsweise Jugendlichen. Um das Opfer zu binden, werden von Tätern und Täterinnen oft „Tricks“ angewandt (zum Beispiel Geschenke, Bevorzugung, Hofieren, Mitgefühl wecken und so weiter), welche beim Opfer ein Gefühl von Mitschuld erzeugen und es erschweren, sich zu offenbaren.4 Situation bei innerfamiliären Tätern und Täterinnen Bei innerfamiliärem Missbrauch besteht zwischen Kind und Täter/Täterin bereits ein emotionales Verhältnis. Die Bedürfnisse des Kindes nach Liebe und Nähe werden für eigene sexuelle und Machtbedürfnisse umgedeutet. Täter und Täterinnen nutzen die Abhängigkeit des Kindes aus, weil sie wissen, dass die betroffenen Kinder emotional abhängig sind und sie deshalb ein leichtes Spiel haben. Ganz bewusst versuchen Täter und Täterinnen die Wahrnehmung der Kinder zu verschleiern: „Du fandest es doch auch schön“. Ein Teil der innerfamiliären Täter findet sich in der Gruppe der „Stiefväter“. Sie suchen sich gezielt alleinerziehende Partnerinnen, um dadurch leichter einen Zugang zu ihrem Opfer zu bekommen. 4 a.j.s. Information Dezember 97, Dokumentation einer Fachtagung, Zusammenfassung von Ursula Enders 6 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT Innerfamiliäre Täter und Täterinnen nutzen ihre Machtstellung und treiben einen Keil nicht nur in die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil, sondern verhindern auch häufig, dass ein solidarisches Verhalten zwischen den Geschwistern entsteht. Missbrauchende Väter und Mütter spielen ihre Kinder mit System gegeneinander aus, säen Eifersucht und Streit und beugen so einer Aufdeckung ihres Verhaltens vor. Situation bei außerfamiliären Tätern und Täterinnen Bei außerfamiliärem Missbrauch ist meist von einer Unterstützungsbereitschaft der Eltern im Hilfeprozess auszugehen. Es gibt aber auch Situationen, in denen Eltern auf unterschiedliche Weise in das Missbrauchsgeschehen verstrickt sind. Manchmal bestehen zum Beispiel sehr enge nachbarschaftliche Beziehungen, freundschaftliche oder finanzielle Abhängigkeiten, die dazu beitragen, dass sich Eltern nicht schützend vor ihre Kinder stellen. Wenn Eltern eigene schwerwiegende soziale und psychische Probleme haben, ist ihnen häufig der Blick auf Notlagen ihrer Kinder verstellt. Es kann aber auch sein, dass die Kinder, die Opfer von außerfamiliärem sexuellen Missbrauch geworden sind, schon Missbrauchserfahrungen in der eigenen Familie machen mussten und das Problem in der Familie stark tabuisiert ist. Wenn der Täter oder die Täterin eine nahe Bezugsperson ist, von der das Kind auch Aufmerksamkeit und Zuwendung erfährt, fühlen sich Mädchen und Jungen dieser Person oft auch verbunden. Sie wollen, dass der Missbrauch aufhört, dass die Familie aber zusammenbleibt. Einer Bestrafung des Täters/der Täterin stehen sie oft ambivalent gegenüber. Auf den unerträglichen Druck der Situation reagieren sie häufig mit einer Vielzahl von Verhaltensauffälligkeiten. 3.2.2 1. Kinder denken anders als Erwachsene: „„ Link: w  ww.karlsruhe.de/b3/soziales/hilfsangebote/ kinderschutz/infomaterial Insbesondere Opfer, aber auch das Team, brauchen besondere Hilfestellung bei der Verarbeitung eines entsprechenden Vorfalls. Klare Richtlinien und Positionierungen, ein Beschwerdemanagement für Kinder/Jugendliche und ihre Bezugspersonen sowie Raum und Gelegenheiten für Fachkräfte, eigene ungute Gefühle hinsichtlich Umgangsformen mit Kindern und Jugendlichen offen anzusprechen, sind hierbei wichtig. Gibt es Hinweise auf sexuelle Gewalt durch Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen, umfasst das rechtliche Handlungsrepertoire der Einrichtungsträger arbeitsrechtliche, verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Interventionen. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sollten über geplante Schritte und deren Zeiträume informiert werden und alle Unterstützung erhalten. Die Frage einer Strafanzeige sollte immer im Einzelfall geprüft werden. Kindlicher Zentrismus (bis etwa sieben Jahre): Je jünger Kinder sind, desto eher konstruieren sie Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, wobei sie Ereignisse ursächlich auf sich beziehen. Sie denken, dass ihnen sexuelle Gewalt geschieht, weil sie etwas Bestimmtes getan oder unterlassen haben. 2. Kinder erleben Erwachsene als übermächtig: „„ „„ „„ „„ Erwachsene kontrollieren und definieren die Realität von Kindern. Kinder orientieren sich an den (Wert-)Urteilen Erwachsener und versuchen, ihre eigene Welt danach zu organisieren. Aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrung können Kinder die Fähigkeiten und Möglichkeiten Erwachsener nicht realitätsgerecht einschätzen. Hinsichtlich sexueller Gewalt bedeutet dies, dass ein betroffenes Kind einer Täterin/einem Täter ausgesetzt ist, der tatsächlich über einen oder mehrere Lebensbereiche des Kindes bestimmt. 3. Kinder sind auf Erwachsene angewiesen: „„ „„ Täter und Täterinnen in Institutionen: Diese Tätergruppe stellt einen Sonderfall dar, auf den an anderer Stelle eingegangen wird. Bei Anhaltspunkten für sexuelle Gewalt durch Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen der Stadt regelt die Städtische Vereinbarung „Sexuelle Gewalt in Institutionen – Standards zur Prävention und Intervention“ das weitere Vorgehen. ERLEBNISWEISE DES OPFERS5 6 7 8 „„ Kinder brauchen Zuwendung und Aufmerksamkeit von ihren Bezugspersonen, um ein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein aufbauen zu können. Je weniger Zuwendung und Aufmerksamkeit Kinder in ihrer Familie oder ihrem sozialen Umfeld erhalten, umso eher kann sich eine missbrauchende Person Zugang zu ihnen verschaffen, indem sie genau diese Defizite des Kindes für ihre Zwecke ausnutzt. Kinder sind aufgrund ihrer strukturellen Abhängigkeit auf die Fürsorge und den Schutz durch Erwachsene angewiesen. Durch einen sexuellen Übergriff nutzen Täterinnen und Täter diese Angewiesenheit der Kinder auf Erwachsene aus. Situation sexuell missbrauchter Kinder und Jugendlicher Betroffene Kinder und Jugendliche fühlen sich einem Täter/einer Täterin oft restlos ausgeliefert. Sie können die Fähigkeiten und Möglichkeiten eines Erwachsenen nicht realistisch einschätzen und schreiben ihnen unbegrenzte Macht zu. Eine Hilfe von außen liegt dann außerhalb ihres Vorstellungsvermögens. Sie sind oft isoliert und glauben, die Einzigen zu sein, denen so etwas passiert. Täter und Täterinnen erzeugen zudem oft Schuld- und Schamgefühle beim Kind beziehungsweise dem/der Jugendlichen, die es eine Aufdeckung der sexuellen Übergriffe fürchten lassen. Die Ambivalenz und die Belastung für die Kinder und Jugendlichen dauern oft noch über die Aufdeckung hinaus an. 5 Brange, D. & Deegener, G. (1996). Sexueller Missbrauch an Kindern, Ausmaß, Hintergründe, Folgen. Weinheim Psychologie Verlags Union. 6 Becker, M. & Selg, H. (1998). Lehrer/innen als Multiplikator/innen elternzentrierter Prävention sexueller Misshandlung. Forschungsbericht. 7 Bullens, R. (1995): Der Grooming Prozeß – oder das Planen des Missbrauchs. In B. Marquardt-Mau (Hrsg.), Schulische Prävention gegen sexuelle Kindesmißhandlung. Weinheim: Juventa, Seite 55 – 67. 8 Deegener, G. (1995). Sexueller Missbrauch: Die Täter. Weinheim: Psychologie Verlags Union. SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 7 Alter der Opfer bei Beginn länger andauernder sexueller Misshandlung 3.2.3 FAMILIÄRE RISIKOFAKTOREN Isolation Familien ohne Außenkontakte sind stärker gefährdet. Abhängigkeit Durch fehlende Außenkontakte werden Familienmitglieder stark voneinander abhängig. Auch betroffene Kinder und Jugendliche sind sich über ihre völlige Abhängigkeit im Klaren und haben Angst, die Familie zu verlieren. Grenzenlosigkeit Isolation und Abhängigkeit verwischen die Grenzen zwischen einzelnen Personen und Generationen. Sonderrollen Missbrauchte Kinder und Jugendliche haben oft Sonderrollen innerhalb der Familie, zum Beispiel „Lieblingskind“ oder auch „Sündenbock“. Bekanntschaftsgrad zwischen Täter und Opfer Vorstellungen eine Rolle spielen, wie die einer „allmächtigen und allwissenden Mutter“. Oft wollen und können Eltern die Aussage ihres Kindes (zunächst) nicht glauben und stellen sie in Frage. Sie können die sexuelle Ausbeutung ihrer Tochter oder ihres Sohnes oft kaum als Realität akzeptieren. Gleichzeitig werfen sie sich vor, in ihrer wichtigsten Elternpflicht, ihr Kind zu schützen, versagt zu haben. Sobald sie nach und nach die Tat realisieren, entwickeln viele Eltern eine große Wut auf den Täter oder die Täterin. Wenn sie diese Wut im Beisein des Opfers äußern, kann dies zusätzliche Ängste beim betroffenen Mädchen oder Jungen auslösen. In den ersten Wochen konzentrieren sich viele Eltern, oft gerade die Väter darauf, die äußere Situation zu managen und nehmen dabei die eigenen Gefühle wenig wahr. Oft beginnen sie erst nach einigen Wochen, neben ihrer Wut auch die Trauer zu fühlen. Einfühlsame und behutsame Begleitung kann helfen, alle mit der Belastung verbundenen Gefühle anzuerkennen. Eine besondere Gefahr liegt darin, wenn Eltern in ihrer Not auch wütend auf das Opfer reagieren. Auch weil sie damit bei allen Familienmitgliedern die weitere Auseinandersetzung mit dem Problem blockieren. Extrem belastend ist es, wenn ein Elternteil, meist die Mutter erfährt, dass das Kind vom eigenen Partner missbraucht wurde. Es ist schwer zu realisieren, dass der eigene Partner, zu dem bis dahin eine intime und vertrauensvolle Beziehung bestand, dem eigenen Kind so schaden konnte. Der Schutz des eigenen Kindes ist plötzlich unvereinbar geworden mit dem Fortbestehen der eigenen Paarbeziehung und der Identität als „heile“ Familie. Eigene Bedürfnisse nach Fortbestehen der Partnerschaft können die betroffenen Elternteile in tiefe Konflikte stürzen. Diese sind umso gravierender, je stärker die Abhängigkeit vom missbrauchenden Partner ist. Auch finanzielle Aspekte können dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Sicherheit der Kinder (der Jugendlichen) muss auch unabhängig von der psychischen Belastung der Eltern immer Priorität haben. Kann die dafür nötige räumliche Trennung zwischen Opfer und Täter oder Täterin nicht anders gewährleistet werden, müssen betroffene Kinder und Jugendliche außerhalb der Familie in Obhut genommen werden. 3.2.4 SITUATION DER FAMILIENMITGLIEDER Situation der nicht-missbrauchenden Eltern(teile) Wenn Eltern vom Missbrauch ihres Kindes erfahren, fallen sie meist in eine tiefe Krise und reagieren schockiert. Häufig stellen sie ihre eigene Wahrnehmung grundsätzlich in Frage: Wie konnte ihre eigene Realität so fern der Wirklichkeit sein? Die Annahme, sie hätten etwas bemerken und ihr Kind schützen müssen, geht einher mit Schuld-, Schamund Hilflosigkeitsgefühlen. Hier können auch kulturelle Situation der Geschwister 9 Kommt es zum innerfamiliären Missbrauch, sind auch die Geschwister mitbetroffen, zum Beispiel dadurch, dass mehrere Kinder missbraucht werden, dass die Geschwister etwas wissen oder der sexuelle Missbrauch ihnen verborgen bleibt. Dadurch verändert sich die Beziehung zwischen den Geschwistern. Geschwister spüren die Veränderung, Gewalt und Sexualisierung in der Beziehung zwischen Täter und Opfer und sind oft mit schwierigen Gefühlen in der Geschwisterbeziehung konfrontiert, zum Beispiel: „„ „„ Eifersucht auf das vermeintliche „Lieblingskind“, das mit Geschenken und Aufmerksamkeit überhäuft wird Schuldgefühle, weil sie die Schwester oder den Bruder nicht schützen konnten 9 Enders, U. (1995). Zart war ich, bitter war’s. Köln: Kiepenheuer & Witsch. 8 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT „„ Distanz gegenüber dem Opfer aus Angst vor dem Täter und Abhängigkeit. Wie schon beschrieben, nutzen Täter und Täterinnen innerhalb der Familie ihre Machtstellung auch, um solidarisches Verhalten zwischen Geschwistern zu unterdrücken. Sie spielen die Kinder gegeneinander aus. Auch wenn Geschwister nicht selbst missbraucht werden, sondern den Missbrauch von Schwester oder Bruder beobachten oder erahnen, verhindern oft Scham und Angst den Austausch über den Missbrauch. Auch das Miterleben von (sexueller) Gewalt in der Familie kann traumatisierend wirken. Daher benötigen auch Geschwister Unterstützung und gegebenenfalls Beratung. 4. AUFGABEN DER KOOPERIERENDEN EINRICHTUNGEN ZUM SCHUTZ DES KINDESWOHLS VOR SEXUELLER GEWALT Der gemeinsame Auftrag, auf einen wirksamen Schutz der betroffenen Mädchen und Jungen hinzuwirken, soll in unterschiedlichen institutionellen und konzeptionellen Zuständigkeiten verwirklicht werden. 4.1 SOZIALER DIENST DER SOZIALUND JUGENDBEHÖRDE Die Zuständigkeit des Sozialen Dienstes der Sozial- und Jugendbehörde, Stadt Karlsruhe, richtet sich nach den §§ 85, 86 und 87 ff. SGB VIII. Der Auftrag der Jugendhilfe wird in § 1, Absatz 3, Satz 2 und 3 SGB VIII definiert: Danach sollen Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützt sowie Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl geschützt werden. § 8 Absatz 3 SGB VIII sichert zu, dass Kinder und Jugendliche auch ohne Kenntnis der Personensorgeberechtigten beraten werden, wenn die Beratung aufgrund einer Not- und Konfliktlage erforderlich ist und durch die Mitteilung der Beratungszweck vereitelt würde. 4.2 Die Angebote der Fachberatungsstellen unterstützen im Umgang mit Vermutungen und bei der Bewertung von Hinweisen auf sexuelle Gewalt sowie bei der Entwicklung eines wirksamen Schutzkonzeptes für betroffene Kinder und Jugendliche. Sie bieten unter anderem: „„ „„ „„ „„ „„ Daraus ergeben sich im Falle eines Verdachts bis hin zu einem belegten Fall von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen unter anderem folgende Pflichten und Aufgaben für den Sozialen Dienst: „„ Beratungsangebote für Betroffene und deren Familien; „„ Vermittlung an andere geeignete Fachberatungsstellen; „„ Beratung und Weitervermittlung von Tätern; „„ „„ „„ „„ Gewährung von Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII sowie Hilfeplanung und Durchführung; bei gewichtigen Anhaltspunkten erfolgt ein KWG Überprüfungsverfahren nach den geltenden Standards des Sozialen Dienstes; Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII bei Bedarf; Anrufung des Familiengerichts nach § 8 a Absatz 3 SGB VIII (vergleiche 12.7.1.), falls zum Schutz des Kindeswohls erforderlich. Im Rahmen der Abwägung des Gefährdungsrisikos nach § 8 a SGB VIII ist zu prüfen, ob eine Anzeige zum Schutz der Opfer notwendig ist. Soll nach Meinung der Fallverantwortlichen eine Strafanzeige erstattet werden, wird der Vorgang mit entsprechender Begründung zu Prüfung der Notwendigkeit einer Strafanzeige dem Leiter des Sozialen Dienstes vorgelegt (Verfügung der Direktion von 2013) FACHBERATUNGSSTELLEN GEGEN SEXUELLE GEWALT „„ ganzheitliche entwicklungspsychologische Diagnostik nach sorgfältiger Abwägung der Rahmenbedingungen, Beratung und Therapie für Mädchen und Jungen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, Beratung für unterstützende Familienangehörige und andere Bezugspersonen, Prozessbegleitung, Beratung für Fachkräfte (auch Beratung als „insoweit erfahrene Fachkräfte“ (ieF) nach § 8a SGBVIII), anonyme Beratung – in beiden Fachstellen möglich. 4.2.1 FACHBERATUNGSSTELLE ALLERLEIRAUH Die Fachberatungsstelle AllerleiRauh der Sozial- und Jugendbehörde Karlsruhe arbeitet auf der Grundlage der §§ 8 Absatz 3, 8a Absatz 1+2, 9, 14 und 28 des SGB VIII. Sie ist zuständig für Mädchen und Jungen, Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahre, die von sexueller Gewalt/ Übergriffen betroffen sind, sowie deren Bezugspersonen und Fachkräfte, die mit der Thematik konfrontiert sind. Der Zuständigkeitsbereich erstreckt sich auf die Stadt Karlsruhe. 4.2.2 FACHBERATUNGSSTELLE WILDWASSER UND FRAUENNOTRUF E. V. Die Fachberatungsstelle Wildwasser und FrauenNotruf e. V. wird auf der gesetzlichen Grundlage nach §§ 8 Absatz 3, 8a Absatz 1+2, 9 und 14 SGB VIII tätig. Wildwasser und FrauenNotruf e. V. ist zuständig für Mädchen und Frauen, die von sexueller Gewalt betroffen sind, sowie deren Bezugspersonen und Fachkräfte, die mit dem Problem sexueller Gewalt konfrontiert sind. Der Zuständigkeitsbereich erstreckt sich auf Stadt- und Landkreis Karlsruhe. SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 9 4.3 HAUPTABTEILUNG BERATUNG DER STADT KARLSRUHE 4.3.1 DIE PSYCHOLOGISCHEN BERATUNGSSTELLEN OST UND WEST DER STADT KARLSRUHE Die Psychologischen Beratungsstellen Ost und West bieten Beratung und Therapie an auf Grundlage der §§ 28, 16, 17, 35a und 41 des SGB VIII. Die zwei regional arbeitenden Beratungsstellen sind multidisziplinär (Fachrichtungen: Psychologie, Sozialpädagogik, Heilpädagogik, Erziehungswissenschaften) zusammengesetzt. Opfer vor weiteren Übergriffen. Sie beziehen bei Bedarf weitere Fachstellen wie AllerleiRauh hinzu und wirken bei der Hilfeplanung mit. Ziel ist neben dem vorrangigen Schutz des Kindes die Unterstützung der Familie, mit dieser bedrohlichen Situation umgehen zu können. 4.4 KLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN/KLINIK FÜR KINDERCHIRURGIE Der Zuständigkeitsbereich erstreckt sich auf die Stadt Karlsruhe. Die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin sowie die Klinik für Kinderchirurgie werden bei Patientinnen und Patienten, bei denen der (Verdacht auf) sexuellen Missbrauch besteht, gemäß § 8a, Absatz 2 SGB VIII tätig. Neben der Diagnosesicherung stehen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen im Vordergrund. Der Einzugsbereich der Kliniken ist überregional. Für Patientinnen und Patienten aus dem Stadtgebiet besteht eine Kooperationsvereinbarung mit dem Sozialen Dienst der Stadt Karlsruhe. Je nach Bedarf bestehen darüber hinaus Kooperationen mit den Fachberatungsstellen. 4.3.2 4.5 Gibt es während einer Beratung/Therapie Hinweise auf sexuellen Missbrauch, wird in Zusammenarbeit mit der Fachstelle AllerleiRauh eine fallbezogene Absprache für die weitere Arbeit mit den Klienten getroffen. Ein Mitarbeiter ist besonders qualifiziert, mit männlichen Jugendlichen, die sexuell übergriffig waren, Therapiegespräche zu führen. DER PSYCHOSOZIALE DIENST (PSD) Der Psychosoziale Dienst ist eine Abteilung der Psychologischen Fachdienste der Hauptabteilung Beratung der Sozial- und Jugendbehörde der Stadt Karlsruhe mit dem besonderen Arbeitsauftrag, auf Vermittlung des Sozialen Dienstes und anderer Abteilungen des Jugendamtes Karlsruher Klientinnen und Klienten in besonders schwierigen sozialen Lebenslagen Beratung und Unterstützung anzubieten. Der PSD tut dies regionalisiert und aufsuchend auf den rechtlichen Grundlagen des SGB VIII und des Kinderschutzgesetzes. Das Team besteht aus Dipl.-Psychologinnen und -Psychologen verschiedener therapeutischer Ausrichtung und mit Erfahrungen im Umgang mit unterschiedlichen Formen der Kindeswohlgefährdung. Sie sind deshalb auch als „Insoweit erfahrene Fachkräfte“ nach § 8a und 8b des SGB VIII tätig. Sie sind regional den Bezirksgruppen des Sozialen Dienstes zugeordnet. Die enge Vernetzung mit anderen sozialen Einrichtungen ist wesentlicher Bestandteil der Arbeit. In Fällen von (Verdacht auf) sexuelle Gewalt in Familien beraten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst selbst die Betroffenen und arbeiten mit am Schutz der (möglichen) ABTEILUNG KINDERTAGESEINRICHTUNGEN Die Kindertageseinrichtungen (Kindergärten, Kindertagesstätten und Schülerhorte) arbeiten auf der Grundlage des § 22 SGB VIII, in Bezug auf sexuelle Gewalt nach § 8a SGB VIII. So ist laut § 8a Absatz 2 Satz 1 SGB VIII, durch „Vereinbarungen mit den Trägern und Einrichtungen, die Leistungen nach diesem Buch erbringen (…) sicher zu stellen, dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag (…) in entsprechender Weise wahrnehmen und bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen“. Daraus ergibt sich, dass es im Falle eines Verdachtes Aufgabe der Erzieherinnen und Erzieher ist, diesen mit dem Team und der Einrichtungsleitung zu besprechen. Die Verdachtsmomente sind zu dokumentieren. Die zuständige Fachberaterin ist zu informieren, gegebenenfalls wird eine Mitarbeiterin der Fachberatungsstelle AllerleiRauh als insoweit erfahrene Fachkraft hinzugezogen. Mit ihr wird die weitere Vorgehensweise abgesprochen, unter Beachtung der SJBinternen Vorschrift vom 10. Februar 2006. 5. ARBEITSPRINZIPIEN Für alle Beteiligten gilt es zunächst bei Anhaltspunkten für sexuelle Gewalt „Ruhe zu bewahren“ um planvoll vorzugehen. Überhastetes Eingreifen schadet nur, denn oft ist nicht das Kind beziehungsweise der/die Jugendliche in einer akuten Krise, sondern es sind die Personen, die den Missbrauch vermuten beziehungsweise davon erfahren. Die Kontaktpersonen möchten häufig schnellstens den Missbrauch beenden, um dem Kind zu helfen und selbst (!) wieder in Ruhe schlafen zu können. Doch jede zu frühe Konfrontation liefert das Mädchen/den Jungen erneuter Gewalt aus. Unterschiedliche und abgestufte Handlungsempfehlungen je nach Art der vorliegenden Hinweise werden im Kapitel 6.2. differenziert beschrieben. Um auf der Prozessebene fachlich planvoll und mit der notwendigen Ruhe vorzugehen, ist es für Professionelle und die Bezugspersonen oft hilfreich, sich klarzumachen, dass eine mögliche Missbrauchssituation vielleicht schon über einen längeren Zeitraum besteht und nur mit einer fachlich solide geplanten Intervention beendet werden kann. Es bedarf einer guten Kooperation aller Beteiligten und einer Schritt für Schritt zu erarbeitenden Strategie, um den Kindern/Jugendlichen zu helfen (Enders, 1995, Seite 122f). 10 10 Enders, U. (1995). Zart war ich, bitter war’s. Köln: Kiepenheuer & Wietsch. 10 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT 5.1 ARBEITSPRINZIPIEN DES SOZIALEN DIENSTES Beim Sozialen Dienst besteht eine den Betroffenen zugewandte Haltung. Es wird mit dem gesamten Bezugssystem unter ressourcen- und schutzorientierten Aspekten gearbeitet. Nach dem SGB VIII sind Kinder/ Jugendliche sowie die Sorgeberechtigten und weitere Bezugspersonen Adressaten der Hilfeangebote und der Interventionen. Das heißt, im Hilfesystem bietet der Soziale Dienst in allparteilicher Funktion Leistungen sowohl für Betroffene als auch deren Familien an. Hinsichtlich der Leistungen im Rahmen eines Hilfeplanverfahrens nach § 36 SGB VIII übernimmt der Soziale Dienst die Fallverantwortung und ist für die Prozesssteuerung zuständig. Der Soziale Dienst arbeitet im Kinderschutz nach folgenden Standards und Grundsätzen: „„ Beteiligung von Betroffenen und deren Familien „„ Beteiligung von Fachkräften „„ „„ „„ Einhaltung von Qualitätsstandards bezüglich der Bearbeitung und des Informationsaustauschs Kooperation mit dem Familiengericht Einsatz von verschiedenen Instrumenten der Kooperation Diese Standards sind auch als Broschüre abrufbar unter: www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/sodi/infomaterial 5.2 ARBEITSPRINZIPIEN DER FACHBERATUNGSSTELLEN 5.2.1 GRUNDHALTUNG Die parteiliche Grundhaltung der Beratenden schreibt die Verantwortung für die sexuelle Gewalt eindeutig der Täterin/ dem Täter zu. Das Unrecht wird benannt und das Verhalten der Täterinnen und Täter wird als falsch und schädigend eingestuft. Parteiliche Arbeit bedeutet, das Machtungleichgewicht zwischen Täterin/Täter und Opfer wahrzunehmen und den Betroffenen deutlich zu machen. Opfer sexueller Gewalt erleben sich in den meisten Fällen als hilflos, ohnmächtig und ausgeliefert. Um dieser Dynamik im Hilfeprozess bewusst eine andere entgegen zu setzen, orientiert sich beim parteilichen Ansatz das fachliche Handeln an den Bedürfnissen, Wünschen und Interessen des Opfers. Im Beratungskontakt werden die von sexueller Gewalt betroffenen oder bedrohten Mädchen und Jungen ganzheitlich mit all ihren Gefühlen, Fähigkeiten und Ressourcen wahrgenommen und nicht auf ihre sexuelle Gewalterfahrung reduziert. Ziel von Beratung ist die Stärkung der betroffenen Mädchen und Jungen in ihrer Gesamtpersönlichkeit. Im Hilfeprozess stehen die betroffenen Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt. Die Beratung basiert auf dem Recht betroffener Mädchen und Jungen auf Schutz und Hilfe. Die Beendigung der Gewalt hat dabei immer oberste Priorität, nicht die Aufrechterhaltung beziehungsweise Wiederherstellung der Familie. Die Fachberatungsstellen verstehen sich als Interessenvertretung der von sexueller Gewalt betroffenen Mädchen und Jungen und artikulieren deren Bedürfnisse und Sichtweisen in der institutionellen Zusammenarbeit. 5.2.2 ARBEITSWEISE Die eigene Arbeitsweise wird den betroffenen Mädchen und Jungen unter Berücksichtigung ihres Alters und Entwicklungsstandes transparent gemacht und die jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche der verschiedenen Helfenden werden ihnen erklärt. Gerade in Gefährdungssituationen ist es von besonderer Bedeutung, die Opfer in die Hilfeplanung einzubeziehen. Die notwendigen Handlungsschritte werden frühestmöglich mit Ihnen besprochen, und es wird altersentsprechend darauf geachtet, dass sie die geplanten Angebote annehmen und Entscheidungen mittragen können, die zu ihrem Schutz erforderlich sind. Die sorgeberechtigten Eltern der Opfer haben ein Recht auf angemessene Beteiligung und Beratung. Zu beachten ist, dass eine zu frühe Beteiligung der Eltern im Hilfeprozess den Schutz und die Sicherheit des betroffenen Kindes und damit den Zweck der Hilfe gefährden kann (siehe § 8, Absatz 3 SGB VIII, Anlage 12.7.1.) Die Einbeziehung erfordert daher sorgfältige Prüfung und Planung. Liegen Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt vor, werden wissenschaftliche Vorgehensweisen der Hypothesenbildung berücksichtigt, das heißt verschiedene Erklärungsmöglichkeiten für auffällige Verhaltensweisen oder für kindliche Aussagen werden gesucht und überprüft. Um die Opfer bestmöglich vor weiteren Manipulationen oder Drohungen zu schützen und betroffenen Kindern und Jugendlichen einen sicheren und geschützten Beratungsraum zu gewährleisten, werden Täterinnen/Täter und in Verdacht stehende Personen in den Fachberatungsstellen nicht beraten. Unterstützenden Familienmitgliedern und/oder Vertrauenspersonen der Betroffenen wird bei Bedarf eine eigene Beraterin/ein eigener Berater zur Seite gestellt. Für die Beratungsstelle in städtischer Trägerschaft, AllerleiRauh, sind die Standards der städtischen Hauptabteilung Beratung (HAB) zum Umgang mit Kindeswohlgefährdung (§ 8a Absatz 4 SGB VIII) verpflichtend. Entsprechend gilt bei Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt das „Mehraugen-Prinzip“: Sobald ein Hinweis bekannt wird, erfolgt eine Einschätzung der Gefährdung innerhalb des Fachteams. Diese Besprechung ersetzt das in § 8a (4) SGB VIII vorgesehene Einschalten einer insoweit erfahrenen Fachkraft (i.e.F), da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HAB als ieF anzusehen sind. Die Vorgesetzten werden unverzüglich informiert. Die Gefährdungseinschätzung ist durch die fallverantwortliche Fachkraft zu dokumentieren. Die Dokumentation (Anlage 1 des Standards) wird auch nach Beendigung des Beratungsprozesses, den gesetzlichen Verjährungsfristen entsprechend (Eintritt der Volljährigkeit einschließlich der zehn darauffolgenden Jahre), in einem gesicherten Behältnis aufbewahrt. SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 11 Wird im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung eine akute Gefährdung des Kindeswohles festgestellt, erfolgt auch hier eine schriftliche Dokumentation und unmittelbar danach die Meldung an den Sozialen Dienst durch die fallverantwortliche Fachkraft. Hier werden die Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls weitergegeben. Zeitgleich werden die Vorgesetzten einschließlich Leitung der Hauptabteilung Beratung informiert. Die Erziehungsberechtigten werden über die Datenweitergabe informiert, soweit dies den Schutzzweck nicht gefährdet (4 Absatz 3 KKG).11 In Einzelfällen kommt es vor, dass im Rahmen einer gerichtsnahen Beratung von Eltern, die in Trennung leben und die miteinander auf einem hohen Konfliktlevel streiten, der Vorwurf erhoben wird, ein Elternteil habe das gemeinsame Kind sexuell missbraucht. Dieser Vorwurf wird im Rahmen einer Beratung nach dem Elternkonsens-Modell bearbeitet. Gegebenenfalls werden die Eltern an entsprechende Fachberatungsstellen oder das Familiengericht verwiesen. 5.2.3 Die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin und die Klinik für Kinderchirurgie richten sich bei (Verdacht auf) sexuellem Missbrauch nach ihrem internen Interventionsleitfaden. Der Schutz der Kinder und Jugendlichen ist vorrangig. Je nach Verdachtsmomenten erfolgt die Einschaltung des Sozialen Dienstes/Jugendamtes. Es findet eine geplante Hilfekonferenz in der Klinik statt. Weitergehende Hilfs- und Sicherungsmaßnahmen werden mit dem Sozialen Dienst/ Jugendamt abgesprochen. Die Fallverantwortung liegt dann beim Sozialen Dienst/Jugendamt. STRAFANZEIGE Die Fachberatungsstellen erstatten keine Strafanzeige. Opfer und Bezugspersonen werden über Opferrechte informiert und in ihrem Entscheidungsprozess für oder gegen eine Strafanzeige unterstützt. Als oberster Grundsatz gilt, dass die Entscheidung der Ratsuchenden respektiert wird. Wenn Opfer oder Betroffene rechtliche Beratung möchten oder eine Strafanzeige erstatten wollen, wird ihnen dabei Unterstützung und Begleitung angeboten. 5.3 ARBEITSPRINZIPIEN DER PSYCHOLOGISCHEN BERATUNGSSTELLEN OST UND WEST DER STADT KARLSRUHE Die PBSts arbeiten grundsätzlich nach den Prinzipien der Freiwilligkeit, Verschwiegenheit und Selbstbestimmung der Ratsuchenden. In Fällen sexueller Gewalt gegen Kinder oder Jugendliche (beziehungsweise dem Verdacht darauf) geraten diese Prinzipien möglicherweise in Konflikt mit Erfordernissen zum Schutz des Kindeswohls. Nach § 8a SGB VIII und den Handlungsempfehlungen der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung können die PBSts zunächst versuchen, den Schutz des Kindes beziehungsweise der/ dem Jugendlichen durch Beratung und gegebenenfalls Empfehlung weiterer Hilfen sicherzustellen. Gelingt dies nicht, sind die Mitarbeitenden verpflichtet, den Sozialen Dienst des Jugendamtes zu informieren, nach Möglichkeit mit Wissen und Zustimmung der Betroffenen, solange dies den Schutzzweck nicht gefährdet. In der Beratung stehen die betroffenen Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt. Es erfolgt eine klare Positionierung zum Wohl und zum Schutz der Kinder/ Jugendlichen. Die eigene Arbeitsweise und die erforderlichen Schritte zu ihrem Schutz werden mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen besprochen. Bei Bedarf erfolgen Interventionen zur psychischen Stabilisierung. Die sorgeberechtigten Eltern der Opfer werden am Hilfeprozess beteiligt, sofern dies nicht den Schutz der betroffenen Kinder und Jugendlichen gefährdet. Die Bedeutung des Missbrauchs wird erarbeitet, Ressourcen werden gesucht und Bedingungen für ein Ende des Missbrauchs und einen respektvollen Umgang miteinander erörtert. In der Regel erfolgt eine Weitervermittlung der Eltern und Kinder/Jugendlichen an entsprechende Fachberatungsstellen oder an niedergelassene Therapeutinnen und Therapeuten. 11 Standards zum Umgang mit Kindeswohlgefährdung in den Abteilungen der Hauptabteilung Beratung, Stadt Karlsruhe, 2013 5.4 5.5 ARBEITSPRINZIPIEN DER KLINIKEN ARBEITSPRINZIPIEN DER ABTEILUNG KINDERTAGESEINRICHTUNGEN Die Kindertageseinrichtungen arbeiten grundsätzlich zum Schutz des Kindeswohls. Im Mittelpunkt stehen das Kind und seine Entwicklung. Um den Schutzauftrag bezüglich sexuellen Missbrauchs erfüllen zu können, bedarf es des Wissens um entsprechende Anzeichen (körperliche und psychische Auffälligkeiten, sexualisiertes Verhalten, entsprechende Zeichnungen und so weiter). Bedeutung hat hierbei auch das Thema „Prävention“ (wie zum Beispiel Gefühle verbalisieren, „Nein“ sagen, Kinder stärken). Um das fachliche Basiswissen sicherzustellen, nehmen die Erzieherinnen und Erzieher an von der Fachberatungsstelle AllerleiRauh oder Abteilung Kindertageseinrichtungen organisierten Fortbildungen teil. In allen städtischen Einrichtungen liegt ein verbindliches Ablaufschema (siehe Anhang) zum Vorgehen bei Hinweisen auf sexuellen Missbrauch vor, für deren Einhaltung die Leitung der Kindertageseinrichtung verantwortlich ist. Da die Informationen, die die Kindertageseinrichtungen über die häuslichen Verhältnisse der betroffenen Kinder erhalten, hochsensibel sind, findet der Sozialdatenschutz besondere Beachtung. 12 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT 6. VORGEHEN BEI HINWEISEN AUF SEXUELLE GEWALT Der fachliche Umgang mit ersten Anhaltspunkten auf sexuelle Gewalt stellt eine Herausforderung für das professionelle Bezugsumfeld dar. Die Vermutung, ein Kind oder eine Jugendliche/ein Jugendlicher könne sexuelle Gewalt12 erleben, entsteht durch Verhaltensauffälligkeiten, Beobachtungen 12 Wir haben uns in der Neuauflage entschieden, den Begriffen „Anhaltspunkte“, „Vermutung“ beziehungsweise „Hinweise auf sexuelle Gewalt“ Vorzug zu geben vor dem Begriff „Verdacht“, um auch in der Terminologie deutlich zu machen, dass sich unser Vorgehen in erster Linie am Kindeswohl orientiert (und Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung überprüft), während der Begriff „Verdacht“ mit anderer Bedeutung in der Strafverfolgung gebräuchlich ist. 6.1 von Betreuungspersonen und/oder durch Äußerungen von Mädchen und Jungen. In einem ergebnisoffenen Prozess soll die Bedeutung dieser Hinweise im Zusammenwirken der beteiligten Fachkräfte geklärt werden. In dem im Jahr 2012 verabschiedeten Bundeskinderschutzgesetz, § 8a SGB VIII, ist das konkrete Vorgehen bei Kindeswohlgefährdung formuliert. Im nachfolgenden Kapitel werden allgemeine fachliche Grundsätze und die gesetzlichen Hilfsinstrumente erläutert. ALLGEMEINE FACHLICHE GRUNDSÄTZE DER INTERVENTION13 13 Bange, D. (2000). Die Regeln der Kunst. Sozialmagazin 25/10, Seite 24 – 32. 1. Ruhe bewahren Ein koordiniertes Vorgehen organisieren. 2. Flexibilität bewahren Vorgegebene Verfahrensweisen auf den Einzelfall hin nutzen, gegebenenfalls nach anderen/weiteren Handlungsmöglichkeiten suchen. 3. Teamarbeit Verschiedene Sichtweisen einholen, fachlich qualifizierte Entscheidungsprozesse herleiten, emotionale Entlastung verschaffen. 4. Raum für Intuition Die eigenen Gefühle, Fantasien und Irritationen (auch im Team) ernst nehmen als möglichen Hinweis auf die Situation der Familie. 5. Sorgfältige Dokumentation Alle Informationen und Beobachtungen sollen nachvollziehbar und erkennbar nach Fakten, Vermutungen, eigener Wahrnehmung und Interpretation dokumentiert werden. 6. Wahrhaftigkeit der Kinder/Jugendlichen unterstellen Nicht jede Silbe ist als objektive Wahrheit zu bewerten, sondern im Beratungsprozess (Persönliche- und Metaebene) erfolgt die gemeinsame Suche nach Realität, dabei Korrekturen zulassen, nach der Bedeutung fragen. 7. Alternativhypothesen überprüfen In jeder Prozessphase sollen auch Alternativen zugelassen und überprüft werden. 8. Einbeziehen der Vorgesetzten Wichtig (Dienst- und Fachaufsicht) ist eine gemeinsam getragene Interventionsstrategie; bei Dissens empfiehlt sich zur Konfliktbearbeitung eine Moderation hinzuzuziehen oder den Vorgesetzten-Entscheidungsweg sorgfältig zu dokumentieren. 9. Datenschutz beachten Vertrauen und Schweigepflicht sind konstituierende Elemente der Beratung. Es ist abzuwägen und gesetzlich zu prüfen, welche Informationen weitergegeben werden. Selbst zur kollegialen Beratung ist in der Regel eine anonymisierte Form ausreichend. 10. Spezialwissen einholen Anonymisierte Fallbesprechungen mit Fachberatungsstellen, Ärzten, “Insofern erfahrener Fachkraft“ (vergleiche 6.3.2). 11. Hilfekonferenz Sie ist nach erster Einschätzung und Rücksprache mit der vorgesetzten Person, möglichst vor einer Intervention zu initiieren. Beteiligt werden alle mit der Familie befassten Professionellen und gegebenenfalls Experten, zwecks gemeinsamer Einschätzung und Strategie sowie Aufgabenverteilung siehe Punkt 6.3. Wichtig sind klare Absprachen darüber, wer was wann unternimmt. 12. Hilfeprozessmoderation Es empfiehlt sich für die Übernahme der Hilfekoordination, eine Person ohne Dienst- und Fachaufsicht mit Steuerungskompetenz auszustatten  siehe 6.3.4 13. Ressourcen der Kinder/ Jugendlichen beachten Die Kompetenzen und Stärken sowie Reserven im Bezugssystem in die Hilfeplanung einbeziehen. 14. Wünsche der Kinder/ Jugendlichen beachten Die Interventionsschritte sollen altersgerecht erklärt werden, dabei auf die Empfindungen, Widerstände und eigenen Vorstellungen eingehen. 15. Jeder „Partei“ einen Ansprechpartner Alle betroffenen Personen – Opfer, Beschuldigte, nicht missbrauchende Elternteile, Geschwisterkinder – sollten ein eigenständiges, möglichst geschlechterdifferenziertes Beratungs- und Hilfeangebot bekommen. Rollenkonfusionen sollten durch verschiedene Helferpersonen vermieden werden. 16. Auswertung Eingeleitete Aktionen werden in ihrer Wirkung analysiert, das Miteinander und der Prozess ausgewertet, gegebenenfalls die Hilfeprozessmoderation beendet. Ergebnisse dieser Selbstevaluation können in interdisziplinäre Arbeitskreise transportiert werden. 17. Supervision Sie kann hilfreich sein wegen der Tendenz von Beginn an, dem Konsens Vorrang einzuräumen und einen konstruktiven Streit um die richtigen Interventionen zu vermeiden, da alle Abweichungen das Gruppenideal gefährden könnten. SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 13 6.2 VORGEHEN AUF DER PROZESSEBENE 1. Uneindeutige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt Verhaltensauffälligkeiten oder Äußerungen eines Kindes, die auf sexuelle Gewalt hindeuten können, für die es aber auch andere mögliche Erklärungen gibt. Vorgehen mit: Kind Eltern Fachliche Kooperation Vertrauensbeziehung ausbauen Über Verhaltensauffälligkeiten des Kindes informieren Austausch mit Kolleginnen und Kollegen suchen, alternative Erklärungen für Verhalten überlegen Beobachtungen dokumentieren, suggestive Befragung vermeiden Im Gespräch Erklärungen für Verhalten suchen Leitung informieren Präventive Angebote für die ganze Gruppe in Kindertageseinrichtung, Schule Keine vorschnelle Konfrontation mit Verdacht Anonyme Beratung bei den Fachberatungsstellen 2. Gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt Es liegen konkrete Hinweise auf sexuelle Gewalt vor, beziehungsweise vage Hinweise auf sexuelle Gewalt verdichten und/oder konkretisieren sich. Vorgehen mit: Kind Eltern Fachliche Kooperation Vorgehen wie oben Auf Auffälligkeiten bezogene Angebote in Absprache mit Fachberatungsstelle Information an den Sozialen Dienst, gem. § 8 a SGB VIII In Absprache mit der ieF Gespräch mit den Eltern, um einzuschätzen, wie sie für den Schutz des Kindes aktivierbar sind (keine vorschnelle Konfrontation mit Verdacht) Einbeziehen der insoweit erfahrenen Fachkraft/ Hilfekonferenz (siehe 6.3.2 und 6.3.3): Informationsaustausch, Planung, Absprache, Hypothesenprüfung 3. Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt Ein Kind benennt konkret mindestens eine sexuelle Handlung und die Person, die diese Handlung am Kind vorgenommen oder das Kind zu dieser veranlasst hat, oder andere Fakten belegen sexuelle Gewalt. Vorgehen mit: Kind Eltern Fachliche Kooperation Äußerungen des Kindes ernst nehmen und seinen Mut anerkennen, sich mitzuteilen Nach Absprache mit erfahrener Fachkraft/Hilfekonferenz: Eltern werden informiert über Aussage des Kindes. Mit ihnen wird geklärt, ob sie den Schutz des Kindes gewährleisten können Planung und Überprüfung des Schutzes mit Unterstützung der erfahrenen Fachkraft/ Hilfekonferenz (siehe 6.3.3). Gegebenenfalls stellt der Soziale Dienst den Schutz sicher durch Inobhutnahme und Anrufung des Familiengerichts Aussage des Kindes und seine emotionale Befindlichkeit sorgfältig dokumentieren Einleitung weiterer Hilfen bei Bedarf und in Absprache Kind informieren, welche Schritte zu seinem Schutz eingeleitet werden Strafanzeige nur in Absprache und nach sorgfältiger Abwägung des Kindeswohls (Haltung der Kooperationspartner zur Strafanzeige vergleiche Kapitel 5.2.3 und 11.2) 6.3 HILFEN ZUR ABSCHÄTZUNG DES GEFÄHRDUNGSRISIKOS UND ZUR ENTWICKLUNG UND UMSETZUNG VON SCHUTZKONZEPTEN Um die einzelnen Fachkräfte dabei zu unterstützen, komplexe und vieldeutige Gefährdungssituationen einzuschätzen und um zum Schutz betroffener Kinder und Jugendlicher wirkungsvoll zusammenzuarbeiten, stehen verschiedene Hilfen zu Verfügung: 6.3.1 DIE ANONYME FALLBERATUNG Die Fachberatungsstellen AllerleiRauh und Wildwasser & FrauenNotruf e. V. bieten Institutionsberatung in einer Vielzahl von Fragestellungen an, die im Zusammenhang mit einer möglichen Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt auftauchen können. Schon bei diffusen Signalen gibt es für Professionelle die Möglichkeit, sich in anonymer Fallberatung zum weiteren Vorgehen zu orientieren. Darüber hinaus bieten AllerleiRauh und Wildwasser & FrauenNotruf e. V. eine weitere, im Rahmen von § 8a und b des SGB VIII beschriebene Hilfe an: 14 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT 6.3.2 DIE BERATUNG DURCH DIE INSOWEIT ERFAHRENE FACHKRAFT (ieF) Aufgabe der ieF: IeF unterstützen fallverantwortliche Fachkräfte dabei, Signale für Kindeswohlgefährdung zu erkennen und fachlich qualifiziert einzuschätzen. Die insoweit erfahrene Fachkraft unterstützt und berät auf der Basis einer pseudonymisierten Falldarstellung der ratsuchenden Fachkraft bei der Einschätzung des Gefährdungsrisikos und bei der Planung der notwendigen nächsten Handlungsschritte. Für Mitarbeitende in der Jugendhilfe erfolgt die Einschaltung einer ieF auf Grundlage des § 8a, SGB VIII. Auch andere Personen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und in ihrer beruflichen Tätigkeit mit gewichtigen Anhaltspunkten für Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt konfrontiert sind, können die Beratung durch eine ieF in Anspruch nehmen. (§ 8b, SGB VIII, § 4, KKG) Was bei der Hinzuziehung einer ieF zu beachten ist: Vorgesetzte beziehungsweise Träger der Einrichtung müssen über das Hinzuziehen der ieF informiert werden 6.3.3 DIE HILFEKONFERENZ (HK) „Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen.“ (§ 8a Absatz 1 SGB VIII). Bei der HK kann diese gemeinsame Einschätzung der fallbeteiligten Fachkräfte vorgenommen werden. Damit ist sie zentraler Bestandteil des Hilfeprozesses. Außerdem erfüllt sie folgende weitere Aufgaben: „„ „„ „„ „„ gegenseitige Konsultation und Koordination der Beteiligten an einem Fall Informationssammlung über die Familie als Ganzes und einzelne Mitglieder gemeinsame Problemdefinition und Gefahren- sowie Gefährdungseinschätzung Entwicklung von Hilfemöglichkeiten „„ „„ „„ Gegenüber der ieF bleibt die Anonymität des Kindes und seiner Familie gewahrt. „„ Verantwortung der ieF „„ Sie prüft kritisch Hypothesen und Fakten, die für und gegen Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt sprechen. „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ Sie benennt offene Fragen und Unklarheiten und sorgt so für größtmögliche Vollständigkeit und mehr Eindeutigkeit bei Gewichtungen und Entscheidungen. Sie bringt Fachkenntnisse ein, die die anfragenden Fachleute bei der Vervollständigung und Bewertung von Beobachtungen unterstützen. Sie achtet darauf, dass die Beobachtungsdokumentation fachlichen Standards entspricht. Sie achtet darauf, dass alle Vereinbarungen präzise festgehalten sind und soweit möglich terminiert werden. Sie weist auf die Notwendigkeit eines unterschriftsfähigen Protokolls hin, das von allen am Beratungsgespräch mit der ieF Beteiligten unterschrieben wird. „„ Sie macht gegebenenfalls die Meldung an den Sozialen Dienst. Sie dokumentiert den Fall inklusive der Beratung durch die ieF gemäß ihrer eigenen Richtlinien. Dokumentation fachlichen Vorgehens und gemeinsame Zielvereinbarungen Folgende Kooperationsbasis ist für die HK erforderlich: Gemeinsames Ziel ist es, die Handlungsmöglichkeiten zum Schutz der Kinder/Jugendlichen auszuschöpfen. „„ „„ Transparenzwahrung der Arbeit für alle Beteiligten „„ Sie dokumentiert ihre Beratung, so wie es ihrem fachlichen Standard entspricht. Verantwortung der fallverantwortlichen Fachkraft „„ Sie behält die Fallverantwortung und entscheidet letztlich, ob sie das Kindeswohl gefährdet sieht und entsprechende Schritte unternimmt. Entscheidung hinsichtlich Übernahme der Fallverantwortung (dies wird in der Regel der Soziale Dienst sein) Als Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen alle mit der Familie retro- und prospektiv befassten Professionellen infrage, sowie geladene externe Fachkräfte beziehungsweise ieF. Eigene Themen für die HK sind die Einbeziehung nichtmissbrauchender Elternteile sowie die Konfrontation der Beschuldigten. Grundsätzlich sind die Sorgeberechtigten und die betroffenen Kinder beziehungsweise Jugendlichen über den Verlauf des Hilfeprozesses zu informieren, soweit nicht deren Schutz und der Erfolg des Hilfeprozesses gefährdet werden. „„ „„ Aufgabenverteilung und Klärung der Verantwortungsübernahmen/Verbindlichkeiten, so dass der Schutzauftrag nach § 8a gewährleistet ist „„ „„ Die fachliche Selbstverantwortlichkeit der Teilnehmenden bleibt bestehen. Auftrags- beziehungsweise institutionsbezogene Grenzen werden respektiert. Fortbestehende Diskrepanz/Dissenz bezüglich des Vorgehens wird dokumentiert. Therapie, Beratung und Kontrolle werden als gleichwertige Prozessleistungen angesehen. Indikationen für die Notwendigkeit einer HK können sein: Mehrere Institutionen und Einzelbezugspersonen sind an der Familie retro- und/oder prospektiv beteiligt. „„ „„ Die Gefährdungseinschätzung ist nicht eindeutig. SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 15 „„ „„ „„ „„ Es gibt Diskrepanzen in der Bewertung der Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung. Es steht eine Entscheidung bezüglich des weiteren Vorgehens an. Es gibt Störungen in der Kooperation. Der Bezugsrahmen der betroffenen Kinder/Jugendlichen hat sich verändert. „„ „„ Eine am Fall beteiligte Person hat das Bedürfnis gegenseitiger Konsultation angemeldet. Aufgrund des Ungleichgewichts der Beteiligten gibt es Rollen- und neuen Zielklärungsbedarf. Aufwand, zeitnahe Umsetzbarkeit und das zu erwartende Ergebnis müssen beim Einsatz der HK und einer Hilfeprozessmoderation (HPM) überprüft werden. Empfehlung für einen strukturierten Ablauf der HK: 1. Informationsphase „„ „„ „„ „„ „„ „„ Informationssammlung Problemdefinition Ressourcenerhebung Zielbeschreibung Beziehungskontakt-Reflexion Hilfemöglichkeiten 2. Beurteilungsphase vergleiche Kapitel 7 3. Koordinierungsphase „„ „„ „„ „„ 4. Abschlussrunde „„ „„ „„ 6.3.4 Vorgehen/Aufgabenverteilung offene Reste in Bezug auf Gefährdungsrisiko einschätzen Entscheidung bezüglich der Informationswege Kontrolltermin vereinbaren Befindlichkeit bezüglich Ablauf und Ergebnis eruieren inhaltliche Reste und weiterer Umgang damit klären Protokollverteiler festlegen HILFEPROZESSMODERATION (HPM) Zur Qualitätssicherung des Hilfeprozesses kann von jeder am Hilfeprozess beteiligten Fachkraft aus einer Pool-Liste14 eine Hilfeprozessmoderation gesucht werden, die dann folgende Aufgaben übernimmt: „„ Einladung der Teilnehmenden zu einer HK „„ Moderation der HK „„ Kontrolle der Einhaltung der Absprachen aus de Hilfekonferenzen Insbesondere achtet der/die HPM auf: Beteiligung aller, die mit dem Kind beziehungsweise der/ dem Jugendlichen in professionellem Kontakt stehen Zur Beendigung des Hilfeprozesses soll die HPM eine Abschlusskonferenz einberufen, in der eine gemeinsame Auswertung des Verlaufs und der Ergebnisse stattfindet. Der Hilfeprozess in dem Sinne endet, wenn ein Hilfekonzept umgesetzt wird, welches den realisierbaren Schutz des Kindes beziehungsweise der/des Jugendlichen herstellt. Profilvoraussetzungen für HPM: Erforderlich sind durch Fortbildung und/oder Arbeitskreise und Praxis erworbene fachliche und juristische Grundkenntnisse des Problembereichs „Sexuelle Gewalt“ sowie praktische Erfahrungen im Umgang mit Opfern und Betroffenen. Die HPM soll in keiner direkten Vorgesetztenfunktion (Fachaufsicht) zu den fallbearbeitenden Professionellen stehen und möglichst nicht im selben Team arbeiten. „„ „„ „„ „„ „„ „„ Einhaltung datenschutzrechtlicher Bedingungen Reihenfolge von Faktensammlung, auch möglichst konkrete Benennung der bekannten Missbrauchshandlungen, dann Interpretation und Bewertung Betroffenenrepräsentanz zur Vermeidung von Stellvertreterkonflikten Vorrangigkeit des Kinderschutzes Erstellung eines Ergebnisprotokolls (anonymisierte Falldaten, Zielvereinbarung, Festlegung des Verteilers) 14 Siehe Anhang 11.1 Eine aktuelle Liste der Fachkräfte, die bereit sind eine HPM zu übernehmen, ist im Sekretariat der Psychologischen Fachdienste unter 133-5012 und bei der Beratungsstelle Wildwasser und FrauenNotruf unter 859173 telefonisch zu erfragen. 16 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT Hinweise auf Kindeswohlgefährung (KWG) durch sexuelle Gewalt zum Beispiel: Schulen Kindertageseinrichtungen Beratungsstellen Ärztinnen und Ärzte Verbände Fachberatung („insoweit erfahrene Fachkraft“) JA Gefährdung im Sinne von § 8a, b, SGB VIII besteht NEIN Sozialer Dienst Hilfekonferenz: Schutzauftragserfüllung der Fallbeteiligten im Sinne von § 8 a, SGB VIII. Bei Bedarf Hilfeprozessmoderation (HPM) hinzuziehen Konsens im Fallverstehen anstreben, Festlegen der jeweiligen Aufgaben, Konsens mit Familie anstreben, Planung von 1. Konfrontationsgespräch mit Eltern (einzeln), 2. Schutzkonzept für das Opfer (zum Beispiel Inobhutnahme), 3. Hilfekonzept für das gesamte Familiensystem (möglichst unter Beteiligung aller Familienmitglieder) bei größtmöglicher Transparenz. Ziel: Schutz des Opfers, das heißt Trennung von Täterin/Täter und Opfer Sozialer Dienst und fallbeteiligte Fachkraft Konfrontationsgespräch mit den Sorgeberechtigten/Eltern NEIN Eltern gewährleisten Opferschutz Sozialer Dienst Inobhutname Familiengericht Ablaufdiagramm der Kooperation bei sexueller Gewalt nach Isele (2002) JA SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 17 7. VORLIEGEN EINER KINDESWOHLGEFÄHRDUNG DURCH SEXUELLE GEWALT Sobald eine Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt vorliegt, sind konkrete Schritte zum Schutz eines Opfers sexueller Gewalt einzuleiten. Einen besonders hohen Stellenwert bei der Gesamtbewertung haben Aussagen von Kindern/Jugendlichen, die sowohl eine oder mehrere sexuelle Handlungen benennen als auch die Person, die diese mit ihnen oder an ihnen initiiert hat. Die Aussage eines Kindes ist dabei auf dem Hintergrund seines Alters, Entwicklungsstandes und des Kontextes, in dem die Aussage entstanden ist, zu beurteilen. Die Beurteilung der kindlichen Aussage kann in kollegialer Beratung oder in der Hilfekonferenz erfolgen. Unter Umständen sind hierfür auch zusätzliche Informationen des Opfers erforderlich, die durch die Person, der sich das Opfer anvertraut hat, eingeholt werden können. Suggestive Fragen sind dabei sorgfältig zu vermeiden. Hilfreich für die Gesamtwertung, in der Praxis aber selten, sind darüber hinaus: „„ ein Geständnis der Täterin/des Täters (dabei ist zu berücksichtigen, dass ein außergerichtliches Geständnis nicht gleichzusetzen ist mit einem Geständnis vor Gericht im Rahmen eines Strafverfahrens „„ „„ eine eindeutige ärztliche Bewertung eines körperlichen Befundes, dass sexuelle Gewalt vorliegt (dies allein lässt in der Regel keine Aussagen über die Täterin/den Täter zu)) Fotos, Filme oder gegebenenfalls Texte die sexuelle Übergriffe dokumentieren Betroffene Kinder/Jugendliche äußern sich sowohl gegenüber professionellen Helferinnen und Helfern (zum Beispiel Lehrkräfte und Fachkräfte im Erziehungsdienst und so weiter) als auch gegenüber engen Bezugspersonen (zum Beispiel gegenüber der Mutter, den Geschwistern, einer Freundin). Es kommt gelegentlich auch vor, dass Bezugspersonen den Missbrauch direkt beobachten und diese Beobachtung an den Sozialen Dienst oder an die Fachberatungsstellen weiterleiten. In allen Fällen wird die Einberufung einer Hilfekonferenz empfohlen, um die Aussagen der berichtenden Personen einzuschätzen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz des Opfers einzuleiten 7.1 UMGANG MIT INFORMATIONEN DER KINDER/JUGENDLICHEN Liegt die Aussage eines Mädchen oder Jungen vor, ist es wichtig, diese so wortgenau wie möglich zu dokumentieren. Die Entstehungsbedingungen der Aussage sind hierbei zu berücksichtigen und möglichst auch zu dokumentieren. Sowohl Eltern als auch Fachleute sind darauf hinzuweisen, dass es wichtig ist, die Kinder und Jugendlichen nicht zu bedrängen und Suggestivfragen zu vermeiden. Außerdem sollte ihnen nichts versprochen werden, was später nicht gehalten werden kann. Die Fachberatungsstellen unterstützen bei der Bewertung von Äußerungen eines Kindes oder Jugendlichen, falls hier noch Unsicherheiten bestehen. Falls Strafanzeige bereits erstattet wurde oder geplant ist, sollte abgewartet werden, ob von Seiten der Ermittlungsbehörde oder des Gerichts ein Glaubwürdigkeitsgutachten in Auftrag gegeben wird. In diesen Fällen wäre von einer Diagnostik in Fachberatungsstellen und anderen intensiven Befragungen der Kinder/Jugendlichen Abstand zu nehmen. Bei Bekanntwerden von Anhaltspunkten für sexuelle Gewalt in strittigen Trennungs- und Scheidungssituationen kann im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens ein psychologisches Sachverständigengutachten zur Klärung des Missbrauchsvorwurfs beantragt werden. Da bis zur Gutachtenerstellung oft Monate vergehen, sollte für das Opfer möglichst umgehend ein stabilisierendes Angebot gemacht werden. Dieses sollte den Schwerpunkt zunächst auf Stabilisierung des Kindes/Jugendlichen und nicht auf Traumabearbeitung legen, um die gutachterliche Beurteilung der kindlichen Aussage nicht zu erschweren. Es ist hilfreich, das therapeutische Angebot mit den Gutachterinnen und Gutachtern abzustimmen. 18 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT 8. KONFRONTATIONSGESPRÄCHE 8.1 SICHERSTELLUNG DES OPFERSCHUTZES VOR KONFRONTATIONEN DER TÄTERIN/DES TÄTERS UND INFORMATIONEN AN NICHT MISSBRAUCHENDE ELTERNTEILE Täterinnen- beziehungsweise Täterkonfrontationen sollten nur stattfinden, wenn fachlich abgesicherte Fakten die sexuelle Gewalt belegen. Der Schutz der Kinder/ Jugendlichen vor weiterer Gefährdung muss vor dem Gespräch sichergestellt sein. Es muss damit gerechnet werden, dass nicht missbrauchende Eltern(teile) den Missbrauch (zunächst) nicht glauben (können), besonders wenn es sich bei der Täterin/dem Täter um eine wichtige Bezugsperson handelt. Gravierend ist diese Gefahr einzuschätzen, wenn ein Elternteil über den Missbrauch eines Kindes durch den derzeitigen Lebenspartner/ anderen Elternteil des Kindes informiert wird. Ähnlich schwierig kann sich die Situation darstellen, wenn nicht missbrauchende Eltern über den Missbrauch des Kindes durch ein anderes Familienmitglied (zum Beispiel Geschwisterkind, Großelternteil, Onkel) unterrichtet werden. Deshalb ist es wichtig, den Zeitpunkt für die Information von nicht missbrauchenden Eltern(teilen) über einen innerfamiliären Missbrauch so zu wählen, dass durch die Informationen eines Elternteils/der Eltern der Zweck der Beratung – Schutz des Kindes vor sexueller Gewalt – nicht vereitelt wird (vergleiche § 8a, Absatz 1 SGB VIII). Bei einem familienexternen Missbrauch sind die Eltern in Absprache mit dem Opfer so schnell wie möglich zu informieren. 8.2 GESPRÄCH MIT DEM/DEN NICHT MISSBRAUCHENDEN ELTERNTEIL/EN Bei der Planung des Gespräches sollten folgende Punkte berücksichtigt werden: „„ „„ „„ Falls Opfer und Betroffene bei dem Gespräch anwesend sein möchten, sollte dies respektiert werden. Die Personen, die das Gespräch führen, sollten ausreichendes Wissen über das konkrete Missbrauchsgeschehen haben. 1. Glauben die Eltern den Aussagen des Kindes? Lässt sich eine gemeinsame Sicht der Gefährdung des Kindeswohls erarbeiten? 2. Wer tritt für den Schutz des Kindes ein? Der Schutz des Kindes umfasst die räumliche Trennung von der Täterin/dem Täter und den Schutz vor evtl. Bedrohungen und Manipulationen und Kontaktaufnahme der Täterin/des Täters. Kommt es zu einer vollständigen Kooperation mit der (Rest-)Familie und kann der Schutz des Kindes durch diese gewährleistet werden? Falls das nicht der Fall ist, muss der Soziale Dienst entsprechende Maßnahmen einleiten. 3. Bei allen weiteren Schritten ist die Perspektive des Opfers zu berücksichtigen. Insbesondere bezüglich einer Strafanzeige ist die Haltung des Opfers von entscheidender Bedeutung. Diese sollte nicht gegen seinen Willen erstattet werden. 4. Es ist wichtig, Eltern Hinweise für eine einfühlsame Gesprächsführung mit dem Kind zu geben und ihnen von einer Konfrontation des Opfers mit der Täterin/dem Täter dringend abzuraten. 5. Nach Bekanntwerden von sexueller Gewalt sollten immer weiterführende Beratungsangebote gemacht werden, sowohl für das Opfer, als auch für die Eltern und die Geschwister. Auch wenn Mutter oder Vater erst einmal den Missbrauchsvorwürfen keinen Glauben schenken können, sollten weitere Gesprächsangebote erfolgen mit dem Ziel, dem missbrauchten Kind Unterstützung durch die Eltern zu ermöglichen. Um Loyalitätskonflikte zu vermeiden, ist es günstig, wenn Eltern und Opfer Angebote bei unterschiedlichen Beraterinnen und Beratern gemacht werden. 6. Zweifeln Eltern an einer Aussage ihres Kindes, kann es hilfreich sein, ihnen zu verdeutlichen, was ihr Kind davon abhalten kann, sich den Eltern mitzuteilen. Sinnvoll ist auch zu besprechen, weshalb es für die Eltern schwer war, den Missbrauch zu bemerken. 8.3 Im Sinne des Opferschutzes sind beim Konfrontationsgespräch mit der Täterin/dem Täter folgende Ziele zu berücksichtigen: „„ Wenn möglich, sollte eine der Personen, die das Gespräch führen, der Mutter beziehungsweise dem Vater bekannt sein. „„ „„ Geeignete weiterführende Beratungsangebote für Eltern und Opfer sollten eruiert sein. Folgendes sollte im Verlauf eines oder mehrerer Gespräche geklärt beziehungsweise berücksichtigt werden: KONFRONTATIONSGESPRÄCH MIT DEM TÄTER/DER TÄTERIN „„ Falls der Täter/die Täterin sorgeberechtigt ist, sollte die Zustimmung zur Übertragung der Alleinsorge auf den anderen Elternteil verlangt werden. die Übertragung der Alleinsorge kann nur durch das Familiengericht erfolgen und muss gegebenenfalls. beantragt werden Die Zustimmung des Täters/der Täterin zur räumlichen Trennung vom Opfer und zu einer Unterbrechung des Kontaktes sollte angestrebt werden. Vermittlung des Täters/der Täterin an eine Hilfeinstitution (siehe Anlage 9.2). SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 19 „„ Das Geständnis des Täters/der Täterin ist vor allem auch aus der Perspektive des Opfers ein wichtiges Ziel. Es stellt den nachhaltigsten Schutz vor Beschuldigungen der Verleumdung oder Falschaussage dar. „„ Vor dem Konfrontationsgespräch muss geklärt sein, wie der Schutz des Kindes sichergestellt wird. Gesprächsleitfaden: Der Täter/die Täterin wird in groben Zügen über die Missbrauchsvorwürfe informiert. „„ Vorüberlegungen: Wer führt das Konfrontationsgespräch? „„ „„ „„ „„ „„ Altersgemäße Einbeziehung des Opfers Das Gespräch sollte nicht von einer Person alleine durchgeführt werden. Möglichst sollte eine Person anwesend sein, die das Kind gut kennt. „„ Konsequenzen der Aufdeckung werden aufgezeigt und die Forderung bezüglich des zukünftigen Verhaltens gegenüber dem Opfer klar benannt. Auch die Konsequenzen der Nichteinhaltung dieser Forderungen werden benannt. Der Täter/die Täterin wird auf ein weiterführendes Hilfeangebot hingewiesen. Notwendig ist ein genaues Wissen über das Missbrauchsgeschehen, um einer Verunsicherung durch die Täterin/den Täter vorzubeugen. 9. KOOPERATION UND HILFEANGEBOTE Im Verlauf der Beratung und bei der Einleitung von weiteren Hilfen arbeiten alle beteiligten Fachkräfte in enger Absprache miteinander, um möglichst passgenaue Hilfekonzepte für Betroffene, deren Familien und Täter oder Täterinnen zu erarbeiten. Bei außerfamiliärem Missbrauch wird in der Regel von der Unterstützungsbereitschaft der Sorgeberechtigten ausgegangen. Es bleibt einzuschätzen, inwieweit sie in der Lage sind den Schutz ausreichend zu gewährleisten und welche Unterstützung sie und das Opfer dazu benötigen. Instrumente der Kooperation können dabei sein: Folgende Möglichkeiten zum Schutz der Opfer stehen Betroffenen und Fachkräften zur Verfügung: „„ Hilfekonferenzen „„ Runde Tische „„ NIU-Konferenzen 9.1.1 „„ Im Rahmen dieser Prozesse werden die Absprachen über weiteres Vorgehen, Aufgabenverteilung, weitere Kommunikation und den Informationsfluss schriftlich festgehalten und allen Beteiligten zur Verfügung gestellt. In die Hilfeplanung des Sozialen Dienstes nach § 36 SGB VIII werden alle relevanten Beteiligten mit einbezogen. 9.1 ANGEBOTE UND HILFEN ZUM SCHUTZ VON OPFERN Der Schutz der Opfer hat in Fällen von sexueller Gewalt oberste Priorität, dazu kann es notwendig werden, akute Schutzkonzepte umzusetzen und parallel dazu eine Perspektive zur Unterstützung der Betroffenen, ihren Familien und Tätern oder Täterinnen zu erarbeiten. Bei Fällen von sexueller Gewalt innerhalb der Familie wird in der Regel von der Erfordernis einer räumlichen Trennung zwischen Opfer und Täter oder Täterin ab Zeitpunkt der Aufdeckung ausgegangen. Es bleibt einzuschätzen, ob dies mit dem Opferinteresse übereinstimmt. freiwillige Vereinbarungen zwischen den Sorgeberechtigten und den relevanten Fachkräften „„ Die Koordination des Prozesses wird im Allgemeinen vom Sozialen Dienst übernommen, sollte der Soziale Dienst nicht involviert sein, klären die Beteiligten die Prozesskoordination untereinander. „„ „„ „„ „„ „„ „„ ZEITNAH EINZULEITENDE HILFEN UND AKUTE SCHUTZKONZEPTE über eine Aussetzung des Umgangsrechtes zwischen Opfer und Täterin/Täter beziehungsweise die Festlegung auf die Durchführung betreuten Umgangsrechtes und/ oder bezüglich einer fachlichen/fachärztlichen Diagnostik und der therapeutischen Versorgung beziehungsweise Bearbeitung der Ereignisse Ressourcennutzung des sozialen Umfeldes im Sinne eines Kontakt- und sozialen Kontrollnetzes bis hin zu Unterbringungsalternativen Gerichtliche Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz, §§ 1,2 GewSchG (Kontakt- und Näherungsverbot; Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung an den schützenden Elternteil einstweilige gerichtliche Anordnung zur Aussetzung des Umgangsrechts oder einstweilige Regelungen zum Sorgerecht bei Kindeswohlgefährdung nach § 1666, 1666a BGB iVm §§ 155, 157 FamFG Aufnahme von Mutter und Opfer im Frauen- und Kinderschutzhaus Kinder- und jugendpsychiatrische-/kinderklinische Versorgung ambulant und/oder stationär 20 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT „„ „„ „„ Hinzuziehung der Klinisch-forensischen Gewaltambulanz Universitätsklinikum Heidelberg15 Opferschutz im Strafverfahren Mögliche Ansätze für Täterarbeit, die zur Entlastung des Opfers beitragen können: „„ „„ „„ „„ „Deutsche Standards zum begleiteten Umgang“ (BMFSFJ, 2008) legen die Form des betreuten Umgangs fest. Hierbei wird zwischen drei Möglichkeiten unterschieden: Einbeziehung von Bewährungshilfe oder Jugendgerichtshilfe Täterberatung oder -therapie Prüfung zur Erstattung einer Strafanzeige Inobhutnahme nach §§ 42 SGB VIII als unmittelbare Intervention 9.1.2 BETEILIGUNG DES FAMILIENGERICHTES Wenn beabsichtigte Hilfen und notwendige Schutzkonzepte nicht umgesetzt werden können, ist das Familiengericht wegen Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII anzurufen. Ebenso ist zu verfahren, wenn einer notwendigen Inobhutname durch die Personensorgeberechtigten widersprochen wird. Bei Gefahr im Verzug kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Familiengericht zur akuten Sicherung des Kindeswohls nötig werden. 9.1.3 HILFEN ZUR ERZIEHUNG In individueller Absprache und in enger Beteiligung der Betroffenen, kann der Soziale Dienst zur Unterstützung der Familien Hilfen zur Erziehung gewähren. Die Art der Hilfe, deren Beginn, Ausgestaltung und Intensität werden im Einzelfall mit allen relevanten Beteiligten vereinbart. 9.1.4 BETREUTER UMGANG NACH § 18 ABSATZ 3 SOZIALGESETZBUCH VIII, BEAUFSICHTIGTER UND BEGLEITETER UMGANG GEMÄSS § 1684 ABSATZ 4 BGB Das Recht der Kinder/Jugendlichen auf Umgang mit jedem Elternteil ist im § 1684 BGB verankert und wurde mit § 1685 BGB ausgeweitet auf andere Personen, zu denen eine Bindung besteht. Nach § 18 Absatz 3 SGB VIII haben Kinder, Jugendliche und Eltern Anspruch (gegenüber der Jugendhilfe) auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts. „„ Unterstützter Umgang „„ Begleiteter Umgang „„ Beaufsichtigter Umgang Je nach der im Einzelfall ermittelten Indikation wird entschieden, in welcher Form die Umgangskontakte zu begleiten sind (BMFSFJ, 2008; siehe auch Karlsruher Standards für den begleitenden Umgang, 2009). Bei gewichtigen Anhaltspunkten für sexuelle Gewalt/ sexuellen Missbrauch ist dabei Folgendes zu berücksichtigen: Abhängig vom Alter des Kindes und der Gesamtsituation kann zur weiteren Klärung das Familiengericht hinzugezogen werden. In einem familienrechtlichen Verfahren kann ein aussagepsychologisches oder familienpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt werden. Darüber fasst das Gericht einen Beschluss. Es kann für das Kind ein Verfahrensbeistand bestellt werden. Das Gericht kann Weisungen und Auflagen beschließen, zum Beispiel Beratung anordnen. Das Gericht kann bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung von sich aus ein Verfahren nach §§ 1666, 1666 a BGB einleiten Solange die Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung nicht mit ausreichender Sicherheit geklärt werden konnten, müssen bei der Entscheidung über künftige Umgangskontakte mit der Person die möglicherweise Gewalt ausgeübt hat, die Risiken hinsichtlich zweier konkurrierender Hypothesen eingeschätzt werden: Hat der oder die Verdächtige keine sexuelle Gewalt ausgeübt, bedeutet eine langfristige Aussetzung des Umgangs den Verlust einer möglicherweise für das Kind wichtigen Bezugsperson. Dieses Risiko gewinnt besonderes Gewicht, wenn sich der Eindruck verfestigt, dass das Vorbringen einer Vermutung einen instrumentalisierenden Hintergrund hat und die vorgebrachten Beobachtungen nicht der Realität entsprechen. Hat dagegen die betreffende Person tatsächlich sexuelle Gewalt ausgeübt, bringen Umgangskontakte, auch wenn sie begleitet werden, unter anderem folgende Gefahren mit sich: „„ „„ 15 Untersucht werden können Personen, die nach gewaltsamen Ereignissen, auch Unfällen, Verletzungen erlitten haben oder bei denen Spuren (zum Beispiel DNA-Spuren) zur Klärung beitragen könnten. Auch bietet die klinisch-forensische Ambulanz eine Sicherung von biologischem Material zum Nachweis von Vergiftungen, etwa bei Gabe von KO-Tropfen, an. Eine frühzeitige Untersuchung sollte vor allem nach häuslicher Gewalt, bei Verdacht auf Kindsmisshandlung, Kindsmissbrauch, Vergewaltigung, Gewalt an älteren Menschen oder nach sonstigen gewaltsamen Übergriffen wie Schlägereien oder Angriffen mit gefährlichen Gegenständen erfolgen. Für Betroffene ist die Untersuchung kostenlos, für Ärzte besteht die Möglichkeit einer konsiliarischen Beiziehung. Im Allgemeinen ist bei der Untersuchung Minderjähriger eine Einverständniserklärung der Sorgeberechtigten nötig, außer es handelt sich um einen rechtfertigenden Notstand. Die rechtsmedizinischen BereitschaftsärztInnen können nach Absprache auch nach Karlsruhe kommen, zum Beispiel in eine kindergynäkologische Praxis oder Klinik. Es können sich die Betroffenen selbst oder Fachdienste an die Ambulanz wenden. http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Gewaltambulanz.131103.0.html Ärztlichen Bereitschaftsdienst: Telefon: 0152 / 54648393 rund um die Uhr erreichbar „„ „„ „„ „„ Das Kind kann durch die Täterin oder den Täter beeinflusst, bedroht oder instrumentalisiert werden. Er oder sie kann (auch unausgesprochen) das Schweigegebot erneuern. Der vorhandene Loyalitätskonflikt wird verstärkt. Das Kind kann in dem Erleben bestärkt werden, dass es vor weiteren Übergriffen nicht geschützt wird. Schädliche Annahmen des Kindes können untermauert werden, zum Beispiel dass es selbst nicht schützenswert ist oder das Erlebte „normal“ war. Solange nicht für reale Sicherheit gesorgt ist, können traumatische Erfahrungen nicht verarbeitet werden. SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 21 Sollen im weiteren Verlauf nach Abwägen aller Risiken Umgangskontakte stattfinden, kommt allenfalls ein beaufsichtigter Umgang in Frage. Fortlaufend muss dann darauf geachtet werden, dass die Umgangskontakte dem Kindeswohl dienen: Dabei darf nicht nur das beobachtete Verhalten des Kindes während der Umgangssituation ausgewertet werden. Vielmehr muss darüber hinaus genau beobachtet werden, wie sich das Kind vor und nach den Umgangskontakten verhält. Das liegt daran, dass Kinder auf die erlebte Gewalt oft so reagieren, dass sie ihr Verhalten an die Erwartungen der schädigenden Person extrem anpassen. Die erlebte Belastung der Kinder wird deshalb häufig nicht in der eigentlichen Umgangssituation sondern eher davor und danach deutlich (vergleiche Weinberg & Korrittko, Info für Erziehungsberatungsstellen, Februar 2013). Nach Feststellung einer Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt: Wenn eine Kindeswohlgefährdung festgestellt wurde, weil eine umgangsberechtigte Person sexuelle Gewalt ausgeübt hat, ist es erforderlich, weitere Umgangskontakte mit dieser Person zu unterbinden. Nur in seltenen „Ausnahmefällen“ und unter eng abgesteckten Bedingungen kann nach einiger Zeit und unter sorgfältiger Abwägung der Risiken (siehe oben) ein beaufsichtigter Umgang in Betracht kommen. Voraussetzung ist, dass sowohl das Kind als auch der gewalttätige Elternteil jeweils an therapeutischen Maßnahmen teilnehmen, die von unabhängigen Einrichtungen beziehungsweise niedergelassenen TherapeutInnen angeboten werden müssen. Die Teilnahme des gewalttätigen Elternteils durch gerichtliche Beratungsauflagen sicherzustellen, wird stets erforderlich sein. Darüber hinaus ist fortdauernd darauf zu achten, dass ein Einverständnis mit der Durchführung von beaufsichtigtem Umgang seitens des Kindes und des betreuenden Elternteils vorliegt und der Umgang dem Kindeswohl nicht schadet; bei Bedarf ist die Therapeutin beziehungsweise der Therapeut des Kindes hierzu anzuhören (BMFSFJ, 2008, Seite 73). Voraussetzung hierbei ist, dass die Täterin oder der Täter im Rahmen des therapeutischen Prozesses bereits sichere Einsicht in sein Problemverhalten hat, die volle Verantwortung für das Geschehene übernimmt und nicht dem Kind (indirekt) die Schuld zuweist. Zudem sollte er sich in einem vorher mit der Therapeutin beziehungsweise dem Therapeuten des Kindes besprochenen Setting bei dem Kind und den anderen Familienmitgliedern für seine sexuellen Übergriffe entschuldigt haben. 9.1.5 „„ „„ WEITERGEHENDE MASSNAHMEN UND ANGEBOTE ZUM OPFERSCHUTZ Opferschutz im Strafverfahren durch Erhebung einer Nebenklage und Bestellung einer opferanwaltlichen Vertretung als Nebenklagevertretung, Bestellung eines Zeugen oder Verletztenbeistandes. Mögliche Ansätze für Täterarbeit, die zur Entlastung des Opfers beitragen können: „„ „„ Einbeziehung von Bewährungshilfe oder Jugendgerichtshilfe Täterberatung oder -therapie Um die Kooperation der Täterin/des Täters zu sichern, kann eine Strafanzeige oder deren Androhung hilfreich sein. 9.2 HILFEANGEBOTE FÜR TÄTERINNEN UND TÄTER UND BESCHULDIGTE Forensische Ambulanz Baden (FAB) Schlossplatz 23 Telefon: 0721 47043933, Fax: 0721 47043939 (Montag bis Freitag 8 bis 16 Uhr) Psychotherapeutisches Notfalltelefon: 0173 510 71 71 (täglich 6 bis 24 Uhr) E-Mail: [email protected] Internet: www.fab-ka.de Durch die Forensische Ambulanz Baden (FAB) – in Trägerschaft der Behandlungsinitiative Opferschutz (BIOS-BW) e. V. – soll eine Lücke im Opferschutz geschlossen werden. Die FAB bietet zum einen deliktorientierte Einzelpsychotherapie im Rahmen von Bewährungsauflagen an. Zum anderen ist sie aber auch Anlaufstelle für Personen, die polizeilich oder behördlich erstmals auffällig geworden sind. Die psychotherapeutische Behandlung von Tatgeneigten im Rahmen des Programmes „Keine Gewalt- oder Sexualstraftat begehen“ bietet Hilfe für Personen, die befürchten, eine Gewalt- oder Sexualstraftat zu begehen. Dieses Programm ist für einkommensschwache Personen vollkommen kostenfrei. Die Kontaktaufnahme ist nicht nur den Betroffenen selbst möglich, sondern auch Behörden oder Sozialträgern. brücke – Gespräche, Information, Lebensberatung Kronenstraße 23, 76133 Karlsruhe Telefon: 0721 385038 Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag 10 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr, Mittwoch 16 bis 20 Uhr Internet: www.bruecke-karlsruhe.de Die Brücke bietet Beratung für Menschen in Krisen und Konfliktsituationen Ehe-, Familien- und Partnerschaftsberatung e. V. Karlsruhe Nelkenstraße 17, 76135 Karlsruhe (am Gutenbergplatz) Telefon: 0721 842288 Montag bis Freitag 9 bis 12 Uhr, Dienstag bis Donnerstag 14 bis 17 Uhr Internet: www.eheberatung-karlsruhe.de Stadt Karlsruhe, Psychologische Beratungsstelle West Otto-Sachs-Straße 6, 76137 Karlsruhe Telefon: 0721 133-5360 In der Psychologischen Beratungsstelle der Stadt Karlsruhe gibt es einen Mitarbeiter, der in Einzelfällen Therapiegespräche mit sexuell übergriffigen Jugendlichen führt (nur Stadt Karlsruhe). 22 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT 10. AUSBLICK Diese Kooperationsvereinbarung stellt den angestrebten Handlungsrahmen für die Kooperation der beteiligten Einrichtungen bei Fällen sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Karlsruhe dar. Sie belässt den Einrichtungen und Diensten Spielraum für individuell angepasste Entscheidungen in eigener Verantwortung. Die strukturell und fachlich bedingten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten werden nicht verändert. Es ist notwendig, im Sozialen Dienst und in den Einrichtungen der Jugendhilfe regelmäßig Fortbildungen zum Thema „Fachlicher Umgang mit sexueller Gewalt“ anzubieten. Die Teilnahme der Kooperationspartner am Interdisziplinären Arbeitskreis gegen Sexuelle Gewalt von AllerleiRauh ist sinnvoll für die notwendige kontinuierliche Vernetzung. Die Kooperation mit den Gerichten, der Staatsanwaltschaft, der Polizei und den Rechtsanwälten zu pflegen und weiter auszubauen ist ein weiteres Handlungsfeld, um den Schutz der Opfer sicherzustellen und zu gewährleisten. Gerade wenn es um die Einschätzung der Gefahr geht, die Täter und Täterinnen für andere Kinder darstellen können und um Reduzierung der Wiederholungsgefahr, die von ihnen ausgeht, ist die Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz wichtig. 11. ANHANG – ARBEITSHILFEN UND WEITERFÜHRENDE TEXTE UND INFORMATIONEN Diese Arbeitshilfen und Texte können ebenso wie die gesamte Broschüre im Internet heruntergeladen werden: www.karlsruhe.de/b3/soziales/hilfsangebote/kinderschutz/ infomaterial oder www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/allerleirauh/ beratung/angebote/fachkraftangebot 11.1 HINWEISE ZUR GESPRÄCHSFÜHRUNG MIT KINDERN (UND JUGENDLICHEN), DIE SEXUELLE GEWALT ERLEBT HABEN 1. Da sein für das Mädchen oder für den Jungen, sicheren Ort schaffen, Ruhe und Zeit haben. 2. Zuhören. In den meisten Fällen haben Kinder schon mehrfach versucht sich mitzuteilen, aber keine Aufmerksamkeit bei den Erwachsenen erlangt. Meistens fangen Kinder bei ihren Erzählungen mit dem Harmlosen an, um zu testen, ob sie eine angemessene Reaktion von den Erwachsenen bekommen. Sie achten darauf, ob die Erwachsenen sich unwohl fühlen und schonen sie dann. Deshalb sollte die zuhörende Person nicht ausweichen, wenn ein Kind über seine Missbrauchserfahrungen spricht. Wichtig ist aber auch, das Kind nicht zu bedrängen, alles erzählen zu müssen. 3. Die Sprache des Kindes benutzen. Es sollten Worte gewählt werden, bei denen sich das Kind wohl und verstanden fühlt. Nachfragen hilft, Worte zu finden. 4. Sich auf die Seite des Kindes stellen. Es ist wichtig das Kind ernst zu nehmen und nach seinen Anliegen zu fragen. Äußerungen, denen Schuldzuweisungen oder sogar Vorwürfe zu entnehmen sind, sollten unbedingt vermieden werden. 5. Ruhig bleiben. Durch eine panische Reaktion vermittelt man dem Kind, dass seine Erfahrungen viel furchtbarer sind als das Kind ahnte. 6. Stärken. Es ist gut für die Mädchen oder Jungen auch ein Lob zu hören, dass sie jetzt den Mut gefunden haben, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Im Gespräch sollte ein Schwerpunkt auf die Dinge gelegt werden, die das Kind auch gut gemacht hat, zum Beispiel dass es sinnvolle und kluge Schutzmechanismen entwickelt hat, Hilfe gesucht hat und dass es nicht das einzige Kind ist, dem so etwas passiert ist. 7. Mit dem Kind zusammen nach Lösungen suchen. Helfende Personen sollen nie über den Kopf des Kindes hinweg handeln, sondern das Kind über alle Schritte informieren, die sie unternehmen möchten. Uneinlösbare Versprechungen sollten vermieden werden. 8. Hilfe suchen. Die eigene emotionale Betroffenheit sollte nicht gegenüber dem Kind, sondern gegen über unbeteiligten Dritten ausgedrückt werden. Achten Sie dabei zum Schutz des Kindes auf Vertraulichkeit ihrer Mitteilungen. Weitere Ansprechpartner können natürlich auch die Fachberatungsstellen sein. SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 23 11.2 VERFÜGUNG DIREKTION SJB ZUR STRAFANZEIGE Anzeigen/Einleitung von Strafverfahren durch den Sozialen Dienst 24 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 25 11.3 MÖGLICHE FORM FÜR EINE MITTEILUNG IM RAHMEN VON § 8A SGB VIII AN DEN SOZIALEN DIENST Einschätzung über das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt Datum: ____________________________________________ Institution: ____________________________________________ Name: ____________________________________________ Telefon: ____________________________________________ Name der minderjährigen Person: ________________________________________________________________________ Alter: ________________________________________________________________________ Lebensort der minderjährigen Person: ________________________________________________________________________ Informationsquelle: ________________________________________________________________________ deren Beziehung zum betroffenen Kind: ________________________________________________________________________ geschilderter Sachverhalt: ______________________________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________________________ Beschuldigte Person: ________________________________________________________________________ Welche Maßnahmen wurden zur Gefährdungseinschätzung getroffen? ______________________________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________________________ Welche Hilfen wurden zur Abwendung der Gefährdung angeboten? ______________________________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________________________ Einschätzung der „Insofern Erfahrenen Fachkraft“: ______________________________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________________________ Einschätzung des Handlungsbedarfs: ______________________________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________________________ Unterschrift: ____________________________________________ 26 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT 11.4 VORGEHENSWEISE BEI VERDACHT AUF SEXUELLEN MISSBRAUCH IN DEN STÄDTISCHEN EINRICHTUNGEN ZUR KINDER- UND SCHÜLERTAGESBETREUUNG Einrichtung Einer Erzieherin oder einem Erzieher fällt Kind auf (verbal, nonverbal, Spielverhalten) Besprechung im Gruppenteam/mit Leitung Keine Konfrontation mit Eltern! KT-Fachberatung* Fallbesprechung – Klärung der Situation in der Gruppe – Entscheidung Einbindung Fachdienste Einbindung der Fachberatungsstelle AllerleiRauh als insoweit erfahrene Fachkraft (§ 8a SGB VIII), Fall bleibt anonym; Ziel: Beratung der Erzieherin beziehungsweise des Erziehers, Einschätzung der Situation des Kindes in der Familie, Entscheidung weiterer Schritte beziehungsweise Vorgehensweisen (zeitlicher Verlauf, Gefährdung des Kindes). Erhärtet sich der Verdacht, das heißt Kind hat Tat und Täter benannt oder es ist konkret absehbar, dass Maßnahmen zum Schutz des Kindes erforderlich werden: KT – Fachdienst – Einrichtung „„ „„ „„ Kontaktaufnahme SoDi (Sozialer Dienst) (ohne Konfrontation der Eltern), Erörterung der Hilfemaßnahmen; Teilnahme der Erzieherin/des Erziehers/Kindertageseinrichtung-Leitung an der SoDi-Teamsitzung – Notizen (Kindbeobachtungen) können dem SoDi durch die Einrichtung zur Verfügung gestellt werden (Rückgabe an KT). Berichte werden von den Einrichtungen nicht erstellt. Zeugenaussagen von Erziehenden vor dem Familiengericht nur auf Antrag des Gerichtes und nach Genehmigung durch die Direktion Sozial- und Jugendbehörde. Sozial- und Jugendbehörde | Jugendamt – Kindertageseinrichtungen (KT) – Februar 2013 * KT-Fachberatung: Ilona Simon Telefon: 133-5141 Fax: 133-5149 E-Mail: [email protected] Tanja Riffel Telefon: 133-5142 Fax: 133-5149 E-Mail: [email protected] Sabine Herkt Telefon: 133-5517 Fax: 133-5149 E-Mail: [email protected] 1. Ausführliche Anamnese mit detaillierter Erfassung der Entwicklungs- & Sozialanamnese Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen - Vernachlässigung, körperliche und sexuelle Gewalt- Der diensthabende Arzt/Ärztin (in der KINA, der Ambulanz oder auf Station) erhebt beim vorgestellten/ aufzunehmenden Kind die Anamnese in möglichst ruhiger Umgebung. Dabei sollte beachtet und dokumentiert werden: - Spielen die Bezugspersonen den Vorstellungsgrund auffällig herunter? Wollen die Bezugspersonen ihr Kind gleich wieder mitnehmen? Wirkt das Kind verhaltensauffällig (z.B. erstarrt, verängstigt, distanzlos, hysterisch)? Ist das Kind ansprechbar? 2. Stationäre Aufnahme In der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin und in der Klinik für Kinderchirurgie Karlsruhe werden Kinder und Jugendliche wegen körperlicher oder psychischer Misshandlung, Vernachlässigung, sexuellem Missbrauch oder des Verdachts auf Misshandlung oder Missbrauch vorgestellt – entweder von Bezugspersonen, niedergelassenen Kinderärzten/innen oder anderen Institutionen (Kindergärten, Schulen etc.). In evidenzbasierten Studien konnte nachgewiesen werden, dass bis zu 3 % aller in einer Kinderklinik stationär aufgenommenen Kinder aktuelle Misshandlungs- oder Missbrauchserfahrungen haben (zur Begriffsbestimmung siehe Anlage 6). Bei jedem Verdacht ist eine stationäre Aufnahme herbeizuführen, auch wenn sich der Verdacht später nicht bestätigen lässt. - Begründen Sie die stationäre Aufnahme mit den Symptomen, welche zur Vorstellung führten (Abklärung Gerinnungsstörung, Knochenerkrankung, Beobachtung Schädelverletzung, Stoffwechselerkrankung etc.) Versuchen Sie stets, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Bezugspersonen herzustellen. Wichtig: Ruhe bewahren und sachlich bleiben! Bei dringendem Verdacht und der Weigerung der Bezugspersonen, ihr Kind stationär aufnehmen zu lassen unverzüglich den/die Oberarzt/ärztin einschalten (ggf. müssen das Jugendamt und/ oder die Polizei einbezogen werden - immer dann, wenn Gefahr im Verzug ist). Um eine angemessene Betreuung dieser Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien zu ermöglichen, wurde ein Interventionsteam gegründet und dieser Leitfaden erstellt. 11.5 LEITFADEN KLINIKUM KARLSRUHE Vorgehen im Einzelnen (Stand Juni 2012) Städtisches Klinikum Karlsruhe 3. Benachrichtigung des Interventionsteams Das Problem von Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch kann nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Vertretern/innen der Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, der Jugendhilfe und Rechtsprechung bewältigt werden. Eine Vernetzung der genannten Disziplinen ist deshalb unbedingt erforderlich. Ziele des Leitfadens: - frühzeitiges Erkennen der Schädigung durch Vernachlässigung, Misshandlung oder sexuellem Missbrauch - Diagnosesicherung - Einleitung geeigneter Maßnahmen zum Schutz und zur optimalen Behandlung des Kindes Bei jedem Verdacht sollte so früh wie möglich ein/e Kollege/in des Interventionsteams hinzugezogen werden (Vertretung in Klammern). Es sollte immer ein Vertreter des ärztlichen Teams mit einbezogen werden. Äußern Sie auf keinen Fall einen Verdacht – auch bei offensichtlichen Hinweisen – gegenüber den Bezugspersonen! OA Dr. Vöhringer (OÄ Dr. V. Prietsch) Dr. A. Krauth OA Dr. Kosch Dr. S. Oehmichen Dipl. Psych. B. Siegrist Dipl. Psych. H. Demant Dipl. Soz-Arb. R. Ohambele (Dipl. Soz-Päd. E. Mehler) 3206 3400 3280 3105 3717 3226 3226 1375 1378 Piepser 3206 Piepser 3400 Piepser 3651 Piepser 3105 Piepser 3717 Piepser 3226 Piepser 3211 Piepser 1375 Piepser 1378 4. Ausführliche Anamnese und Untersuchung mit differenzierter Dokumentation Der/die zuständige/r Arzt/Ärztin (möglichst nur eine vertraute Kontaktperson) untersucht das Kind ausführlich und dokumentiert sorgfältig (Dokumentationsbogen siehe Anlage 1). Dabei ist zu beachten: - Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 1 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH Die Bezugspersonen sollten bei der Untersuchung anwesend sein. Auffälligkeiten der Bezugspersonen-KindInteraktion werden vermerkt. Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 2 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 27 Alle Kinder und Jugendlichen, die wegen körperlicher oder psychischer Misshandlung, Vernachlässigung, sexuellen Missbrauchs oder des Verdachtes auf Misshandlung oder Missbrauch in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin vorgestellt werden, sollen wenn möglich – zum Schutz des Kindes und der Entlastung der Familie stationär aufgenommen werden. T T T T T T T T T - Ausführliche Dokumentation der von den Bezugspersonen berichteten Krankheitsgeschichte; auch unglaubwürdige Darstellungen möglichst wortgetreu notieren, die Bezugspersonen damit aber nicht konfrontieren. Auch divergierende Angaben werden ohne Kommentar notiert. Die Untersuchung erfolgt bei vollständig entkleidetem Kind, Verletzungen werden auf dem Befundbogen (Anlage 1) eingetragen. Respektieren Sie, wenn sich das Kind zunächst verweigert (z. B. bei Untersuchungen im Genitalbereich). Alle Verletzungen werden fotodokumentiert (Digital-Kamera ist auf der Intensivstation; Einverständniserklärung der Bezugspersonen siehe Anlage 4). bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch in Absprache mit dem zuständigen Oberarzt gynäkologisches Konsil (bei Anmeldung direktes vorbereitendes Gespräch mit der untersuchenden Oberärztin; diese Untersuchung muss in sehr ruhiger Umgebung, ohne jeglichen Druck für das Kind stattfinden (u. U. Narkose-Untersuchung); Begleitung des Kindes durch Frau Siegrist oder durch eine ärztliche Mitarbeiterin. Ein Sperma-Nachweis gelingt innerhalb eines Zeitraumes von 8 Stunden. Die ausführliche körperliche Untersuchung beinhaltet Neurostatus (bei Misshandlung im frühen Kindesalter Augenhintergrund, ggfs. augenärztliches Konsil anfordern), Entwicklungsstand, Dokumentation Pflege- und Allgemeinzustand, Einsicht in U-Heft und Impfbuch, Entwicklungs- und Sozialanamnese. Während des stationären Aufenthaltes erfolgt eine Beobachtung und Dokumentation des Verhaltens von Kind und Bezugspersonen, insbesondere durch das pflegerische und pädagogische Personal. Anlage 1: Dokumentationsbogen Aufnahme Dokumentationsbogen (nach Frank) 1) Personalien des Kindes Name geb.: 2) Aktuelle Anamnese (ggf. Rückseite) Skizze zum Markieren der Befunde Vorstellungsgrund (Begleitperson): 3) Untersuchungsbefunde 3.1Körperliche Untersuchung 5. Veranlassung weiterer diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen 3.1.1. Allgemeinzustand Für die Veranlassung weiterer Untersuchungen bitte die Checkliste (siehe Anlage 2) ausfüllen und die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen einleiten. Zusätzlich zur sofortigen Fotodokumentation ist in manchen Fällen die Einschaltung der Rechtsmedizin nötig (kommen aus Heidelberg akut zu uns ins Haus). Die Einschaltung der Rechtsmedizin erfolgt entweder über uns oder im Wege einer strafrechtlichen Anzeige über die Kriminalpolizei – bitte unbedingt früh mit dem Interventionsteam und dem jeweiligen Chefarzt klären. Größe: 6. Management kritischer Situationen Geschlecht: m / w Nationalität Gewicht: Kopfumfang: Ernährungszustand: Das Interventionsteam entscheidet im Einzelfall, wie und wann eine Konfrontation der Misshandler/innen und evtl. Mitwisser/innen erfolgt. Weitergehende Hilfsund Sicherungsmaßnahmen werden mit dem Interventionsteam abgesprochen. Zurückhaltung und Sensibilität sind notwendig! Juristisch relevante Entscheidungen können nur von Institutionen der Jugendhilfe (Jugendamt) und dem Familiengericht getroffen werden. Gespräche mit Bezugspersonen finden geplant und immer unter Beteiligung von mindestens zwei Kollegen/innen des Interventionsteams statt. Pflegezustand: 7. Kooperation mit anderen Institutionen Kratzspuren: Hämatome: Schwellungen: Schleimhautläsionen: Abschürfungen: Verbrühung: Schnittwunden: Verbrennung: Das Interventionsteam bezieht Vertreter/innen anderer Institutionen (Jugendamt, Kinder- und Jugendpsychiatrie, FachberaterInnen für sexuellen Missbrauch) ein und initiiert eine Helferkonferenz. Bereits in die Betreuung der Familie involvierte Dienste sowie der betreuende Kinderarzt/ärztin werden zur Helferkonferenz eingeladen bzw. informiert (Entbindung von der Schweigepflicht durch Bezugspersonen ist anzustreben; siehe Anlage 4). Korrespondenz mit anderen Institutionen erfolgt ausschließlich über das Interventionsteam. 8. Fallverantwortung Die Hauptverantwortung liegt bei der aufnehmenden Station (Oberarzt, Stationsarzt) Fallmanagement, Krisengespräche sowie Entlassplanung erfolgt in enger Absprache mit dem Interventionsteam. Wenn das Jugendamt einbezogen ist, erfolgt die Helferkonferenz in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. In der Helferkonferenz wird das weitere Vorgehen festgelegt. Die juristische Fallverantwortung liegt beim Jugendamt. Überprüfung der beschlossenen Maßnahmen sowie eine katamnestische Bewertung ist von den Teilnehmern/innen der Helferkonferenz terminlich festzulegen. Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 3 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH Bekleidung: Auffälligkeiten: 3.1.2. Hautzeichen (Lokalisation) Bisswunden: 3.1.3. Innere Verletzungen (klinische Hinweise) Stumpfes Bauchtrauma: Subdurale Hämatome: Vergiftungen: Innere Blutungen: Augenhintergrundsblutungen: Frakturen: Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 4 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH 28 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT - 3.1.4 Ano/genitale Befunde (ggf. gynäkologisches Konsil) Frische Verletzungen: Abstriche: Narben: Bakteriologie: Entzündungszeichen Anlage 2: Checkliste der Untersuchungen und therapeutischen Maßnahmen (bitte vorne in die Akte) Einträge von Station: Interventionsteam benachrichtigt: Name: Labor: Drogenscreening Datum: Uhrzeit: Gerinnung Bakterologie: Bildgebung: Fotos: Röntgen: Szintigrafie: Sonografie: NMR/CT: Augenarzt/ärztin: HNO: Kinderchirurgie: 3.2. Psychischer Befund des Kindes 3.2.1. Orientierender Entwicklungsstand (Motorik, Sprache, Kognition, Sozialverhalten): Altersentsprechend: Defizite: 3.2.2. Störung des Sozialverhaltens (Aufnahme) Gesteigerte Aktivität: Aggressivität: Asservation: Kleider: Sperma: Einträge des Interventionsteams: Kinder- und Jugendpsychiatrie: (OÄ Frau Dr. Pelz; T 3912/ Station T 3920) Jugendamt: Name: Informiert am/um (Uhrzeit): Helferkonferenz: Datum: Uhrzeit: Auffälliges Kontaktverhalten: „Frozen watchfullness“ Teilnehmer/innen: Getroffene Vereinbarungen: Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 5 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 6 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 29 Aufmerksamkeitsstörung: Gynäkologie (immer in Begleitung von Ärztin aus KKJM): [OÄ Dr. Ruf-Dördelmann (Piepser 2403); OÄ Baumgärtel-Föry (Piepser 2404); Zuständige Jugendämter - Für die Landkreise über die entsprechenden Landratsämter - Für den Stadtkreis Karlsruhe ist das Jugendamt nach Wohnbezirken strukturiert, die auch eine/n zugeordnete/n Psychologen/in haben. Die Kontaktaufnahme erfolgt über das Interventionsteam. Anlage 4: Entbindung von der Schweigepflicht/ Einverständnis für Foto- oder Digitaldokumentation Entbindung von der Schweigepflicht Kriminalpolizei T 939-5555 Bei einer als gesichert anzusehenden Vergewaltigung: Dezernat 1.3; Herr Melcher (T 939-5500) Familiengericht T 926-6730 Hiermit entbinde ich ___________________________________________ von der Schweigepflicht gegenüber der Wildwasser T 859 173 Beratungsstelle für sexuellen Missbrauch an Mädchen/Frauen Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Karlsruhe Klinik für Kinderchirurgie Karlsruhe Allerleirauh T 133-5381 Beratungsstelle für sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen Kinderschutzbund T 842208 Frauenhaus T 567824 Karlsruhe, den________________________________________________ (Unterschrift der/des Erziehungsberechtigten) Name und Anschrift des/der Patienten/in: Frauen- und Kinderschutzhaus T 824466 ____________________________________________________________ Rechtsmedizin Heidelberg (kostenlose Beratung vor Ort) T 0152-54648393 Im Rahmen der Untersuchung und Behandlung meines Kindes in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin erkläre ich mich einverstanden, dass Befunde zu meinem Kind per Foto oder digital dokumentiert werden. __________ _____________________ (Unterschrift der/des Erziehungsberechtigten) Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 7 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 8 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH 30 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT Anlage 3: Relevante Schnittstellen und Institutionen Anlage 5: Therapeutisch medizinische Maßnahmen - sexueller Missbrauch - 1. Impfstatus überprüfen (v. a. Tetanus). 2. Sanierung des Scheidenmilieus bei Infektionen (wenn möglich lokal behandeln!) - Soor: z.B. Canesten  Trichomonaden: z.B. Clont  Bakterielle Vaginitis: z.B. Clont , Fluomycin ®; in leichten Fällen Sitzbäder mit Betaisodonna Lösung möglich. 3. Gonorrhoe- und Lues-Prophylaxe: Da bei Kindern meist davon auszugehen ist, dass kein sexueller Verkehr stattgefunden hat und das Ereignis meist schon länger zurückliegt, ist diese Prophylaxe je nach klinischem Fall zu erwägen. 4. Prophylaxe einer ungewollten Schwangerschaft: Für die Prophylaxe einer ungewollten Schwangerschaft bleibt ein Zeitraum von 48 Stunden, um gemeinsam mit der Jugendlichen, den Bezugspersonen und der Gynäkologie das Vorgehen abzusprechen. Die Wirksamkeit der Methode ist um so höher, je frühzeitiger die Behandlung nach Stattfinden des ungeschützten Geschlechtverkehrs eingeleitet wird. Daher muss die Tablette so bald wie möglich – vorzugsweise innerhalb von 12 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr – eingenommen werden, keinesfalls später als 72 Stunden (drei Tage) danach. Unofem® Anlage 6: Begriffsbestimmungen (Leitlinien Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie & Jugendmedizin, Okt.2002) Sowohl bei der emotionalen als auch bei der körperlichen Kindesmisshandlung, bei der emotionalen und der körperlichen Vernachlässigung sowie der sexuellen Misshandlung, werden intra- und extrafamiliäre Formen unterschieden. Formen extrafamiliärer Gewalt gegen Kinder und Jugendliche:  Kinder und Jugendliche als Kriegsteilnehmer  Kinderhandel einschließlich illegaler Adoption  Prostitution von Kindern und Jugendlichen  Pornographie unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen  Ausnützung durch Pädophile  Sexuelle Belästigung durch Nicht-Familienmitglieder, Exhibitionismus  Vergewaltigung und Tötung von Kindern  Kindesentführung  Gewalt gegen Kinder in Institutionen  Vorenthalten von Erziehung und Bildung  Vorenthaltung von gesundheitlicher Fürsorge. Der Schwerpunkt dieser Leitlinie liegt im Bereich der intrafamiliären Formen von Gewalt gegen Kinder. Diese beschreiben eine Störung der Eltern-Kind-Beziehung, die zu erkennbaren gesundheitlichen, d.h. seelischen oder körperlichen Folgen beim Kind führt. Misshandlung als aktive Form und Vernachlässigung als passive Form schädigenden elterlichen Verhaltens kommen häufig gleichzeitig vor. Formen intrafamiliärer Gewalt gegen Kinder und Jugendliche körperliche Misshandlung wie Schläge, Stöße, Schütteln, Verbrennungen, Stiche usw. spezifische Syndrome sind  "battered child-Syndrom"  Schütteltrauma des Säuglings ("shaking infant syndrome")  Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom (in der englischsprachigen Literatur MeadowSyndrom), fälschlich "Munchausen by proxy" oder "Polle-Syndrome"  nicht akzidentelle Vergiftungen ♦ Seelische Misshandlung: Hierunter versteht man alle Handlungen oder Unterlassungen von Eltern oder Betreuungspersonen, die Kinder ängstigen, überfordern, ihnen das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit vermitteln und sie in ihrer seelischen Entwicklung beeinträchtigen können. ♦ Körperliche und seelische Vernachlässigung: Kinder werden vernachlässigt, wenn ihre grundlegenden Bedürfnisse nicht gewährleistet sind, sie von Eltern oder Betreuungspersonen unzureichend ernährt, gepflegt, gefördert, gesundheitlich versorgt, beaufsichtigt und/oder vor Gefahren geschützt werden. Zum Beispiel:  alimentär bedingte Dystrophie ("non organic failure of thrive")  vermeidbare Gesundheitsschäden durch mangelnde Fürsorge, z.B. fehlende Impfungen, Vitamin-D-Mangel-Rachitis, unzureichende Unterkunft und Kleidung  frühkindliches Deprivationssyndrom  emotionale intrafamiliäre Verwahrlosung  psychosozialer Minderwuchs ("psychosocial dwarfism") 1,5 mg Tablette einmalig ♦ Sexueller Missbrauch: Hierunter versteht man die aktive und/oder passive Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sexuellen Aktivitäten, denen sie auf rund ihres Entwicklungsstandes oder anderen Gründen nicht frei oder verantwortlich zustimmen können. Dabei wird die Unterlegenheit und Abhängigkeit der Kinder und Jugendlichen zur Befriedigung der Bedürfnisse von Erwachsenen ausgenutzt. Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 9 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 10 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 31 ♦ - direktes Trauma durch Stoß, Quetschung (gegen Wirbelsäule), Riss, Blutung Mesenterialwurzelabrisse durch Scherkräfte Verkehrsunfälle 7,5 Jahre 81 % < 3 Stunden Anamnese Hauptsächlich betroffene Organe Letalität fast immer klar Milz, Niere, rechter Leberlappen 21 % (selten isoliertes Trauma) Misshandlungen 2,5 Jahre 100% > 3 Stunden, im Schnitt nach 13 Stunden fehlend, vage, unklar, wechselnd Linker Leberlappen, Hohlorgane 53 % meist isoliertes Trauma Städtisches Klinikum Karlsruhe Thorax: meist asymptomatische Herz/Lungenkontusion gelegentlich Pneumo- oder Hämatothorax selten Bronchial/Gefäßabrisse Abdomen: •- Verhalten beim ersten Arztkontakt intramurales Duodenalhämatom (pathognomonisch ohne überzeugendes akzidentelle Eigenamnese) •- verspätete Vorstellung des Kindes gravierenden Verletzungen Dünndarmperforation ( 60 % Ileum, 30% bei Duodenum, 10 % Ileum) Magenperforation selten bei geringfügig erscheinenden Problemen •- dringliche Vorstellung Leber: Verdachtsmomente für Kindesmisshandlung An die Sozial- und Jugendbehörde der Stadt Karlsruhe Leitung des Sozialen Dienstes häufige Arztbesuche auch bei wechselnden Ärzten/Kliniken das Kind wird trotz deutlicher Verletzungsspuren wegen anderer, oft geringfügiger Beschwerden Am häufigsten betroffenes Organ, meist linker Leberlappen vorgestellt Je nach Schweregrad variable Symptomatik bis zum hypovolämischen Schock •- es gibt keine plausible für%Verletzungen GOT > 200 + GPT > 100 + Erklärung AP normal: 61 Wahrscheinlichkeit einer Leberverletzung im CT GOT> + GPT > 250 + APErklärungen normal 100 % durch Wahrscheinlichkeit einer Personen Leberverletzung im CT •- es gibt400 unterschiedliche verschiedene Nieren: • es besteht eine Diskrepanz der geschilderten Verletzungen, Vergiftungserscheinungen oder 2 häufigstes viszerales Organ, variable Ausprägung, Ausmaß der Hämaturie Verhaltensweisen zum Entwicklungsstand des Kindes. korreliert nicht mit dem Schweregrad • • Zur Weiterleitung an die zuständige Bezirksgruppe Sekretariat Christa Blümle Tel. 0721 974-3201 Fax -3209 [email protected] Ihr Zeichen, Ihre Nachricht Unser Zeichen, unsere Nachricht Nachmeldung/Fall bereits bei Datum in Arbeit! Sehr geehrte Damen und Herren, Anlage 7: Schriftliche Mitteilung an das Jugendamt (nebenstehende Seite) Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 11 von 15 Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH Klinikdirektor Prof. Dr. Joachim Kühr Tel. 0721 974-3200 Fax -3209 [email protected] Per Fax: 0721/ 133 – 5389 Pankreas: traumatische Pankreatitis und unerklärte Pseudozysten sind hochverdächtig auf Kindesmisshandlung Misshandlungstypische Milz ist im Gegensatz zu akzendentiellenVerletzungen Trauma bei Kindesmisshandlung eher Hauterscheinungen und Verbrennungen betroffen finden sich bei 90 % der missbrauchen Kinder -Sexueller es finden sich zwei Hauptmanifestationen : Hämatome und Verbrennungen Missbrauch Hämatome:   Schleimhauteinblutungen -  eine exakte Altersbestimmung nach der Hämatomfarbe ist nicht möglich  Nachweis von Spermien - Hämatome gleichen Alters  verschiedenfarbige Gonorrhoe, Syphilis und HIV können bei Kindern jenseits dessein Neugeborenenalters -  gesichert ist,Befunde dass rot-blau-schwarz jederzeit auftreten Hämatome frühestensoder nacheines 18-24 Stunden  Auffällige im Genital - oder Analbereich bei Fehlenkann; einergelbe schlüssigen Vorgeschichte Unfallgeschehens Lokalisation:   Gesicherte Infektion mit Chlamydien, Herpes genitales, Trichomonaden oder Hepatitis B beim präpubertären Kind (nur möglicher -Hinweis) die Missbrauchswahrscheinlichkeit ist abhängig von Lokalisation! Akzidentell: bei einem weniger als 16 Jahre alten Mädchen Verdächtig auf Misshandlung:   Schwangerschaft Stirn Thorax  . Eventuell unspezifische körperliche Symptome und Befunde wie Bauchschmerzen, Schläfe Nase Rücken Kopfschmerzen, Schwindel. Kinn Abdomen Hüfte Po Becken Genitale Knie Oberschenkel dorsal Schienbeine Ohren (Ohrfeige, Ohr ziehen, Ohr reißen) Ellenbogen Kieferwinkel, Mastoid, Wangen Unterarm dorsal Oberlippe, Frenulum (Zwangsfüttern) Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Stand Juni 2012 Hände palmar Hals, Nacken (Würgemale) Frau B. Siegrist, Kinder- und Jugendmedizin, SKK 14 vonUnterarm 15 und Version siehe Eintrag QOH ventralGültigkeit ( Schutz vor Schlägen) Schulter, Oberarme symmetrisch Handrücken wir möchten Sie hiermit über folgenden Sachverhalt informieren. Da aus unserer Sicht eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, ist zur Verhinderung der Kindeswohlgefährdung ein Bruch der Schweigepflicht gerechtfertigt (§ 34 StGB, § 1 Abs. 3 KJHG). Name des Kindes: Geburtstag: Straße & Wohnort: Vorstellungsgrund in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin: Vorläufige Diagnose(n): z. B. V. a. Kindesmisshandlung, Vernachlässigung, sexueller Missbrauch Begründung: SKK; Fachl. Zuständigkeit, Gültigkeit und Version siehe Eintrag QOH Leitfaden zum Vorgehen bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen Hämatom Muster: multiple Hämatome verschiedenen Alters an verschiedenen und ungewöhnlichen Lokalisationen sind sehr verdächtig -Handabdrücke: Kneif, Griffmarken, geschwollene Ohrläppchen Abdrücke von Gegenständen: Gürtel, Riemen, Schlaufen, Schlingen, Stöcke Bissmarken: Erwachsene haben > 3 cm interkaninen Durchmesser, Menschenbisse haben Quetschcharakter und sind hufeisenförmig, Tierbisse sind punktförmig, lazeriert, enger, nach vorne Spitz zulaufend Traumatische Alopezie Verbrennungen: 10 % der Misshandlungen sind Verbrennungen 10- 20 % pädiatrischer Verbrennungen sind Misshandlungen Kinder meist etwas Älter als sonst ( 2- 3 Jahre) am häufigsten Verbrühungen ( 80 % heißes Wasser ) Immersionsverbrühungen (Eintauchverbrühungen) glatte scharf demarkierte Begrenzungen, uniforme Verteilung Handschuh, Strumpfmuster oft im Rahmen von „Toilettentraining“-> Hände Füsse, Po Körperfaltenaussparung bei gebeugter Extremität Aussparung meist am Po durch Kontakt zum kühleren Wannenboden Akzidentell: Unregelmäßige Begrenzung, unregelmäßige Verteilung, unregelmäßige Tiefe: reflektiert Zappeln, Schreck, Rückzug, Schmerz, Schutzversuch und spricht für akzidentelle Genese Gesicht,/ Schulter /Arm / vorderer Thorax spricht für akzidentelle Genese Kontaktverbrennungen: scharf begrenzt, geometrisches Muster, die oft den beteiligten Gegenstand abbilden pathognomonisch sind multiple Verbrennungen verschiedenen Alters an verschiedenen Körperstellen ungewöhnliche Lokalisationen akzidentelle Verbrennungen haben meist streifigen verwischten Charakter und betreffen meist die Erforschungswerkzeuge des Kindes ( Hand palmar, Fingerspitzen) oder die „leading edges“ Bügeleisen Misshandlung: geometrisches Muster, (akzidentell: gestreift verwischt) Zigarettenmisshandlung: tief 3 gradig, ausgestanzt, ca. 8 mm (akzidentell: Finger palmar, verwischt) Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Bitte nehmen Sie so bald als möglich mit uns Kontakt auf, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Die Mitteilung an die Eltern bitte ohne Namensnennung der Melder/innen. Die Eltern sind noch nicht informiert/sind informiert. Mit freundlichen Grüßen (Dr. P. Vöhringer) Oberarzt (Dipl. Psych. B. Siegrist) Interventionsteam Gewalt Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH • Moltkestraße 90 • 76133 Karlsruhe Telefonzentrale: 0721 974–0 • www.klinikum-karlsruhe.de Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Freiburg Aufsichtsratsvorsitzender: Bürgermeister Klaus Stapf Geschäftsführer: Dipl.-Betriebswirt Markus Heming, Prof. Dr. Hans-Jürgen Hennes Sitz der Gesellschaft: Karlsruhe; Registergericht Mannheim, HRB 106805 S1, S11 und Tram 2 Haltestellen: Moltkestraße und Kußmaulstraße 32 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT Alter Inanspruchnahme med.Hilfe SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 33 11.6 GESETZESTEXTE 11.6.1 § 8A SGB VIII (SCHUTZAUFTRAG BEI KINDESWOHLGEFÄHRDUNG) 1. Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, 2. Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, (1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Dabei sind die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit hier- durch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten anzubieten. (2) In Vereinbarungen mit den Trägern und Einrichtungen, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag nach Absatz 1 in entsprechender Weise wahrnehmen und bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen. Insbesondere ist die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten und das Jugendamt informieren, falls die angenommenen Hilfen nicht ausreichend erscheinen, um die Gefährdung abzuwenden. (3) Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Erziehungs- oder Personensorgeberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen. 3. Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, 4. Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, 5. die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, 6. die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge. (4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen. § 155 FamFG – Vorrang- und Beschleunigungsgebot (1) Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen. (2) Das Gericht erörtert in Verfahren nach Absatz 1 die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Der Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Das Gericht hört in diesem Termin das Jugendamt an. Eine Verlegung des Termins ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Der Verlegungsgrund ist mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen. (4) Soweit zur Abwendung der Gefährdung das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei notwendig ist, hat das Jugendamt auf die Inanspruchnahme durch die Personensorgeberechtigten hinzuwirken. Ist ein sofortiges Tätigwerden erforderlich und wirken die Personensorgeberechtigten nicht mit, so schaltet das Jugendamt die anderen zur Abwendung der Gefährdung zuständigen Stellen selbst ein. (3) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten zu dem Termin anordnen. 11.6.2 FAMILIENGERICHTLICHE MASSNAHMEN BEI GEFÄHRDUNG DES KINDESWOHLS § 156 FamFG – Hinwirken auf Einvernehmen (3) Kann in Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, eine einvernehmliche Regelung im Termin nach § 155 Absatz 2 nicht erreicht werden, hat das Gericht mit den Beteiligten und dem Jugendamt den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erörtern. Wird die Teilnahme an einer Beratung, an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder einer sonstigen Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung oder eine schriftliche Begutachtung angeordnet, soll das Gericht in Kindschaftssachen, die das Umgangsrecht betreffen, den Umgang durch einstweilige Anordnung regeln oder ausschließen. Das Gericht soll das Kind vor dem Erlass einer einstweiligen Anordnung persönlich anhören. Geändertes Recht ab Juli 2008 – folgende Gesetze sind unter anderem betroffen: § 1666 BGB. Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. (2) bezieht sich auf die Vermögenssorge (3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere (4) Hat das Gericht ein Verfahren nach Absatz 1 zur Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ausgesetzt, nimmt es das Verfahren in der Regel nach drei Monaten wieder auf, wenn die Beteiligten keine einvernehmliche Regelung erzielen. 34 | KOOPERATIONSVEREINBARUNG GEMEINSAM GEGEN SEXUELLE GEWALT § 157 FamFG – Erörterung der Kindeswohlgefährdung; einstweilige Anordnung (1) In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs soll das Gericht mit den Eltern und in geeigneten Fällen auch mit dem Kind erörtern, wie einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls, insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden und welche Folgen die Nichtannahme notwendiger Hilfen haben kann. Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt (BIG) (2002). Begleiteter Umgang bei häuslicher Gewalt – Handlungsleitlinien. (2) Das Gericht hat das persönliche Erscheinen der Eltern zu dem Termin nach Absatz 1 anzuordnen. Das Gericht führt die Erörterung in Abwesenheit eines Elternteils durch, wenn dies zum Schutz eines Beteiligten oder aus anderen Gründen erforderlich ist. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (2008). Deutsche Standards zum begleiteten Umgang. Empfehlungen für die Praxis. München: C.H.Beck. (3) In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat das Gericht unverzüglich den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen. Schulgesetz Baden-Württemberg § 85 In der Folge der Änderung des Familienrechts wurde der § 85 wie folgt geändert: a) Die Überschrift erhält folgende Fassung: „Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Schul- und Teilnahmepflicht, Informierung des Jugendamtes, verpflichtendes Elterngespräch“. b) Es werden folgende Absätze 3 und 4 angefügt: (3) Die Schule soll das Jugendamt unterrichten, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Wohl eines Schülers ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt ist; in der Regel werden die Eltern vorher angehört. Zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung arbeiten Schule und Jugendamt zusammen. (4) Nimmt bei einem dringenden Aussprachebedarf kein Elternteil eine Einladung des Klassenlehrers oder Schulleiters zum Gespräch wahr und stellt die Klassenkonferenz unter Vorsitz des Schulleiters gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls des Schülers fest, kann die weitere Einladung zum Gespräch mit dem Hinweis verbunden werden, dass bei Nichtbefolgen das Jugendamt unterrichtet wird. 11.7 LITERATURVERZEICHNIS Aktion Jugendschutz (a.j.s.) (1997). Dokumentation einer Fachtagung: Zusammenfassung von Ursula Enders. Bullens, R. (1995). Der Grooming-Prozess – oder das Planen des Missbrauchs. In B. Marquardt-Mau (Hrsg.), Schulische Prävention gegen sexuelle Kindesmisshandlung. München: Juventa. Bundesvernetzungsstelle autonomer FrauenNotrufe (BaF) (2000). Infobrief Februar. Deegener, G. (1995). Sexueller Missbrauch: Die Täter. Weinheim: Psychologie Verlags Union. Enders, U. (Hrsg.). (2008). Zart war ich, bitter war´s: Handbuch gegen sexuellen Missbrauch. Köln: Kiepenheuer & Witsch. Enders, U. & Bange, D. (2002). Väter. In: D. Bange und W. Körner (Hrsg.), Handwörterbuch sexueller Missbrauch (Seite 682 – 685). Göttingen: Hogrefe. Freund, U. & Riedel-Breidenstein, D. (2004). Sexuelle Übergriffe unter Kindern. Köln: Mebes & Noack. Isele, M. (2002). Koordination und Kooperation bei sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen in der Stadt Karlsruhe. Nicht veröffentlichte Diplomarbeit/Universität Koblenz-Landau, Abteilung Landau. Informationszentrum Kindesmisshandlung/ Kindesvernachlässigung (IzKK) (2008). IzKK Nachrichten: Sexuelle Gewalterfahrungen im Jugendalter. München: Druck + Medien. Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) (2002). Opferfibel: Rechtswegweiser für Opfer einer Straftat. Frankfurt: Zarbock. Sgroi, S. M. (Hrsg.). (1982). Handbook of Clinical Intervention in Child Sexual Abuse. Lexington, Massachusetts: Lexington Books. Wegner, W. (1997). Misshandelte Kinder. Weinheim und Basel: Beltz. Bange, D. (2000). Die Regeln der Kunst. Sozialmagazin, 10(25), Seiten 24 – 32. Weinberg, D. & Korritko, A. (2013). Instinktive Täuschung: die verborgene Traumareaktion. Informationen für Erziehungsberatungsstellen Fürth, 2, Seiten 21 – 25. Bange, D. & Deegener, G. (1996). Sexueller Missbrauch an Kindern: Ausmaß, Hintergründe, Folgen. Weinheim: Psychologie Verlags Union. Wetzels, P. (1997). Gewalterfahrungen in der Kindheit, sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung und deren langfristige Konsequenzen. Baden-Baden: Nomos. Becker, M. & Selg, H. (1998). Lehrer/innen als Multiplikatoren/ innen elternzentrierter Prävention sexueller Misshandlung. Bamberg: Forschungsbericht. Bundesverband Frauenberatungsstellen und FrauenNotrufe – Frauen gegen Gewalt e. V. (BFF). (2007). Beratung und Begleitung von Mädchen und Frauen im Strafverfahren (2. Auflage). SOZIAL- UND JUGENDBEHÖRDE | 35 11.8 INTERNETLINKS „„ www.ajs-bw.de Broschüren: sexuelle Übergriffe unter Kindern und Jugendlichen, Computerspiele, Sexualität von Jungen und von Mädchen und so weiter Internetadressen der an der Redaktion dieser Broschüre beteiligten Institutionen: „„ „„ „„ www.bios-bw.de Therapieangebot in Karlsruhe für Tatgeneigte und Täter „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ „„ www.bzga.de Broschüren/Medien: Sexualaufklärung und Grenzverletzungen für Kinder, Jugendliche und Eltern www.dgfpi.de Deutsche Gesellschaft zu Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung www.dijuf.de Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V.: Bearbeitet juristische Fragestellungen kompetent, Sitz in Heidelberg www.dji.de/izkk Informationen, Praxiserfahrungen, Forschungsergebnisse zum Schutz von Kindern vor Gewalt www.donnavita.de Literatur, Medien und Materialien www.frauen-gegen-gewalt.de Informationen, Beratung, Soforthilfe, Kontakte, Projekte www.fonds-missbrauch.de Fonds für Betroffene www.hilfeportal-missbrauch.de Hilfeportal für Betroffene www.jugendschutz.net kontrolliert das Internet und sorgt für die Einhaltung des Jugendschutzes. www.kein-raum-fuer-missbrauch.de Kampagne – Kein Raum für Missbrauch www.kein-taeter-werden.de Präventionsnetzwerk: Behandlungsangebot für Tatgeneigte www.kinderschutzzentren.org Informationen zu rechtlichen Veränderungen beim Kinderschutz, Fortbildungsangebote, Literatur www.beauftragter-missbrauch.de Unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Missbrauchs www.schulische-praevention.de Für Pädagogische Fachkräfte: Bundesweite Präventionsangebote zu sexueller Gewalt www.zartbitter.de Bietet vielfältige Informationen zur Prävention und Intervention bei sexueller Gewalt „„ www.karlsruhe.de/sodi Sozialer Dienst www.karlsruhe.de/allerleirauh AllerleiRauh www.wildwasser-frauennotruf.de Wildwasser und FrauenNotruf www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/psd Psychosozialer Dienst 12. IMPRESSUM Herausgeber Stadt Karlsruhe, Sozial- und Jugendbehörde Bei der 1. Auflage 2003 haben mitgewirkt: Sozialer Dienst: Eckhard Barth, Karin Hengst, Karin Weber AllerleiRauh: Renate Fiedler, Margot Isele Psychosozialer Dienst: Georg Rammer, Siegfried Mutschler-Firl Wildwasser und FrauenNotruf e. V.: Christel Krista Bei der 2. Auflage 2009 haben mitgewirkt: Sozialer Dienst: Sabine Herkt, Karin Weber AllerleiRauh: Renate Fiedler, Margot Isele Wildwasser und FrauenNotruf e. V.: Christel Krista, Anka Krug Psychosozialer Dienst: Siegfried Mutschler-Firl Bei der 3. Auflage 2015 haben mitgewirkt: Sozialer Dienst: Sandra Greiner, Michael Petermann AllerleiRauh: Ralph Bölzner, Renate Fiedler, Margot Isele, Barbara Müller Wildwasser und FrauenNotruf e. V.: Anka Krug, Iris Tischler Titelbild Felix Vorreiter, Sozial- und Jugendbehörde, nach einer Idee von Karin Weber Foto: © Rainer Sturm www.pixelio.de Layout: Felix Vorreiter, Sozial- und Jugendbehörde Druck Gedruckt in der Rathausdruckerei auf 100 Prozent Recyclingpapier Auflage 250 Download www.karlsruhe.de/b3/soziales/hilfsangebote/kinderschutz/infomaterial oder: www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/allerleirauh/beratung/ angebote/fachkraftangebot Stand 3. überarbeitete Auflage September 2015 Bezugsadresse Stadt Karlsruhe Sozial- und Jugendbehörde Sekretariat Psychosozialer Dienst (PSD) Otto-Sachs-Straße 6 76133 Karlsruhe Telefon: 0721 133-5012