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JAN/FEB 2017 www.blix.info
DAS MAGAZIN FÜR OBERSCHWABEN
Künstliche Intelligenz Was uns erwartet!
BAUEN & WOHNEN
BILDUNG
PURE AHNUNGSLOSIGKEIT
mit Vergnügen Seite 56
ohne Ende Seite 6
von der Zukunft Seite 34
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is Grat
INHALT & EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser! Öfter mal was anderes! Das erste BLIX beginnt in diesem neuen Jahr so - also anders. Bitte lassen Sie sich davon nicht irritieren. Es ist halt so! Wir haben ganz sicher nicht am Inhalt gespart, sondern nur am Verzeichnis. Und das ist ein Versehen. Tschuldigung! Aber bitte versichern Sie sich, dass wir Ihnen wieder hoch interessante Inhalte und Themen liefern, indem Sie sich in Ruhe unsere Doppelausgabe für Januar/Februar anschauen. Ja, es ist wieder ein Heft für zwei Monate, so dass Sie auch die Zeit dazu haben, während wir uns erholen. Und dass wir Erholung dringend nötig haben, zeigt das fehlende Inhaltsverzeichnis, das Platz für dieses Editorial machen musste. Kennen Sie „2001 - Odyssee im Weltraum“? Ich muss gestehen, es war mir nicht geläufig, dass dieses Science-Fiction-Epos bereits 1968 in die Kinos kam und schon damals, als ein Computer noch einen ganzen Raume füllte, die künstliche Intelligenz thematisierte. HAL 9000 hieß das Maschinenwesen, das Stanley Kubrick in seinem Film zum Leben erweckte. Dargestellt als ein rotes Kameraauge. Warum ich das erkläre? Weil Sie sich vielleicht nicht erst über das Editorial an diesem Platz gewundert haben, sondern sich bereits bei unserem Titel gefragt haben, was BLIX Ihnen damit sagen möchte. Wir brechen auch dabei eine Regel. Nämlich die, dass man Titel genauso wenig wie Witze erklären (müssen) sollte.
Nun denn: Die abgewandelte Fingerberührung aus dem weltberühmten Fresko von Michelangelo, das die Erschaffung Adams zeigt, soll einen Vorgang illustrieren, der aktueller denn je ist: Der Mensch Adam ist im Begriff, seinen Nachfolger zu erschaffen. Und der Begriff dafür heißt „Künstliche Intelligenz“, kurz KI. Nicht im Kino, nein, ganz real in den Forschungslaboren unserer Hochschulen - zum Beispiel in Weingarten. Das rote Kameraauge von HAL 9000 ist dabei Symbol für etwas, was bisher nur als Science-Fiction wahrgenommen wurde, aber nun im Begriff ist, unser Leben von Grund auf zu verändern. Wissenschaftler, die selbst dazu forschen wie Prof. Wolfgang Ertel, Leiter des KI-Forschungsinstituts an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, halten eine Diskussion über die gesellschaftlichen Folgen „seiner“ Forschung für dringend notwendig. Mehr noch: Er hält tiefgreifende Reformen für zwingend, um diese technische Revolution, die sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Bahn brechen wird, politisch steuerbar und damit gesellschaftlich akzeptabel zu gestalten. Natürlich sieht er vor allen Dingen die Chancen der KI, aber warnt auch vor den Risiken. Damit übernimmt er Verantwortung für sein Tun. Es ist somit das richtige Thema zum Jahresbeginn. Selten hat mich ein Thema so elektrisiert und ich hoffe, damit auch Ihr Interesse zu finden.
viel SpaSS mit BLIX
Dr. Roland Reck, Chefredakteur
Das nächste BLIX erscheint Anfang März 2017
IMPRESSUM Verlag: BLIX-Verlag GmbH & Co. KG 88326 Aulendorf, Hauptstraße 93/1 Geschäftsführung: Dr. Roland Reck, Tel. 07525-9212-12 Assistenz: Angelika Friedrich -0 Fax 07525- 9212-22
[email protected] Anzeigen: Dr. Roland Reck 07525-9212-0 Caroline Rothe 07525-9212-17 Stefan Zieglowski 07583-5399977 Anton Hänsler 07525-922184
[email protected] Redaktion: Dr. Roland Reck V.i.S.P., Guy Pascal Dorner, Horst Hacker, Jacqueline Kirsch, Tobias Köhler, Sascha Müller, Alexander Koschny, Andrea Reck
Layout: Büro für Gestaltung MEDIA GROUP, www.bfg-mediagroup.com David Hinderberger, Jacqueline Kirsch Illustration: Michael Weißhaupt, www.monsterdisein.de Druckerei: HÖHN GmbH Hohnerstraße 6-8 89079 Ulm Vertrieb: Angelika Friedrich Erscheinungsweise: monatlich Druckauflage: 20.000 (IVW 1. Quartal 2015) www.blix.info
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Pure Ahnungslosigkeit Die Gummipuppe ist tot. Es lebe die Robotergespielin! Vielleicht noch nicht heute, aber morgen ganz gewiss. Das lässt sich so sicher behaupten, wie dass in wenigen Jahren Robotertaxis in Oberschwaben den Individualverkehr erobern und den öffentlichen Nahverkehr platt machen werden. Letzteres prognostiziert Prof. Dr. Wolfgang Ertel von der Hochschule Ravensburg-Weingarten im BLIX-Interview. Und die Sache mit dem Sex war kurz vor Weihnachten ein Thema an der Goldsmiths University London, wo sich Wissenschaftler bei einem Kongress über „Love and Sex with Robots“ austauschten. Und was haben die beiden Verkehrsarten gemeinsam? Künstliche Intelligenz. „Make love not war!“ Der Appell der Hippies in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts war Protest gegen den Vietnamkrieg einerseits und war zugleich Wiegenlied des Robotersoldaten, der inzwischen kampffähig ist, andererseits. Denn vor rund 60 Jahren begann die Entwicklung dessen, was heute technisch möglich ist: das vollautomatisierte Robotertaxi, die interagierende Sexpuppe und der autonome Kriegsroboter, vor dessen Einsatz Wissenschaftler wie der Physiker Wolfgang Ertel warnen. Der Experte für Künstliche Intelligenz (KI) ist treibende Kraft und Mahner zugleich, was die weitere Entwicklung und den vielfältigen Einsatz von Robotern anbelangt.
trieroboter, die in einer menschenleeren Halle Autos zusammen bauen, sind von gestern. Und so wie die Elektromobilität vor dem Masseneinsatz steht, sind es auch fahrerlose Autos. „Robotertaxis“ revolutionieren in Kürze auch die Mobilität in Oberschwaben, behauptet der Professor und hält deshalb die kostspielige Instandsetzung der Tiefgarage am Marienplatz in Ravensburg für rausgeschmissenes Geld. Denn: „Robotertaxis parken nie!“ Sie kommen auf Anruf und kosten – nichts! So die Theorie. Denn finanzieren soll sich der Verkehr per Auto wie das Surfen im Netz: über Werbung. Man steigt ein und der Roboter weiß exakt, wer man ist und welche Werbung zu einem passt. So
Trendforscher Sven Gábor Jánszky glaubt zu wissen, wo die Zukunft liegt. An seiner Hochschule in Weingarten lässt sich dazu allerlei lernen. Meist gelangen technische Spielereien wie fußballspielende Kleinroboter an die Öffentlichkeit oder auch Roboter für den guten Zweck, die Behinderten helfen, ihren Alltag zu bewältigen. In Nischen wird ausprobiert, was die künstliche Intelligenz zu leisten in der Lage ist. Die vollautomatisierten Indus34
dass man noch rechtzeitig abbiegen kann, um einzukaufen. Schöne neue Welt! „Die Künstliche Intelligenz erforscht, ob und wie Computer Dinge tun können, die wir Menschen heute noch besser können.“ Diese Zielsetzung formulierte die Informatikerin Elaine Rich 1983. Das war noch digitales Mittelalter. Aber schon 14 Jahre später, nämlich 1997
schlug „Deep Blue“ von IBM den Schachgroßmeister Garri Kasparow. Zockende Software gehört freilich schon längst zur „schwachen KI“ wie auch Suchmaschinen, Handschriften- oder Spracherkennung. Die „starke KI“ hat einen ganz anderen Anspruch: Maschinen zu schaffen, die zu Selbsterkenntnis und Bewusstsein fähig sind und autonom handeln, jenseits konkreter Problemstellungen. Und darum geht es in Zukunft. In spektakulärer Vorausschau zeigte Stanley Kubrik bereits 1968 in seinem Epos „2001: Odyssee im Weltraum“ mit seinem Supercomputer HAL 9000 den dramatischen Einsatz künstlicher Intelligenz, die nicht nur autonom das Raumschiff steuert, sondern mit eigenem Bewusstsein ausgestattet ein Menschen gefährdendes Eigenleben entfaltet. Die Mutter aller Science-Fiction-Filme war der finanziell erfolgreichste des Filmjahrs 1968 und spielte in den Kinos weltweit über 190 Millionen USDollar ein. 15 Jahre nach 2001 haben wir zwar immer noch nicht den Jupiter betreten, aber stehen an der Schwelle zum massenkompatiblen Jedermannsroboter, wie der KI-Forscher an der Hochschule Ravensburg-Weingarten behauptet. Wolfgang Ertel: „Der Durchbruch der KI findet gerade statt. Die Auswirkungen werden wir in fünf Jahren erleben, wenn die Robotertaxis hier in Oberschwaben endlich einen superkomfortablen öffentlichen Nahverkehr entstehen lassen. Und im nächsten Schritt wird es in den Elektronik-Discountern für 5000 Euro die Serviceroboter geben, die in der Nacht nach der Party die Sauerei aufräumen.“ Da lässt sich geil feiern. Doch wie groß der Kater ausfällt, darüber streiten sich die Geister. Denn selbstfahrende Autos und massenhaft Roboter im arbeitskräfteintensiven Service- und Dienstleistungsbereich wird die gewohnte Arbeits- und Lebenswelt auf den Kopf stellen. Das ist sicher. Gestritten wird, wie schon in der Vergangenheit: Schafft diese technische Revolution mehr Arbeitsplätze als sie vernichtet? Optimisten wie der Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky (43), Chairman des größten deutschen Zukunftsinstituts „2b AHEAD ThinkTank“, sehen im technologischen Fortschritt nur Chancen. Das ist nicht neu. Die Gefahren steckten nicht in der Technik, sondern im falschen Umgang der Menschen mit dieser Technik, behauptet der Autor mehrerer Trendbücher. Jánszky preist die Technologie als globalen Problemlöser einerseits: „Technologie schenkt den Menschen also einige der wichtigsten Dinge: Gesundheit, Zeit und die Lösung der größten Menschheitsprobleme wie Energie, Hunger und Wasser. All diese Entwicklungen sind möglich, weil wir intelligente Computer bekommen werden. Diese werden in etwa 30 bis 40 Jahren Fortsetzung auf Seite 36
TITELTHEMA A kademietage
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Wissen ist Macht BIBERACH. „Das, was im Menschen am besten entwickelt ist, das ist sein Wille zur Macht“. Diese Beobachtung hat der Philosoph Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 -1900) gemacht. Doch was ist Macht? Warum ordnen sich Menschen anderen Menschen unter? „Macht“: Unter diesem Thema stehen die Akademietage 2017, die vom 31. Januar bis zum 2. Februar in der Hochschule Biberach stattfinden. Renommierte Wissenschaftler verschiedener Disziplinen beleuchten das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die Akademietage Landkreis Biberach bieten seit 1995 mit ihrer thematischen Ausrichtung und zeitlichen Struktur die Gelegenheit zu wissenschaftlicher Weiterbildung vor Ort. In der Regel dient der erste Akademietag der Einführung, an den weiteren Tagen werden abgeleitete Einzelaspekte untersucht und dargestellt. Ziel des letzten Tages ist, ein konkretes Anwendungsgebiet mit regionalem Bezug in den Blick zu nehmen. In den Pausen können die Besucher sich austauschen und diskutieren. Jeder Dozent lässt zudem in der Regel am Schluss seines Vortrages gezielte Fragen zu. Es ist Ziel der Akademietage, Kompetenzen zu zentralen und aktuellen gesellschaftlichen Fragen zu erweitern und Anregungen zur
Gestaltung unserer Lebenswelten zu vermitteln. Wenn daraus Impulse für gesellschaftliches Engagement entstehen, begrüßen es die Veranstalter. Willkommen sind alle, die sich mit zentralen Fragestellungen auseinandersetzen und den Stand wissenschaftlicher Diskussionen aus unterschiedlichen Forschungsrichtungen erfahren möchten. Alle wissenschaftlichen Vorträge finden im großen Hörsaal der Hochschule Biberach statt. Das Dezernat Arbeit – Jugend – Soziales des Landratsamtes Biberach organisiert zusammen mit der Caritas Biberach-Saulgau, der Diakonie Biberach, der kath. Erwachsenenbildung Dekanate Biberach und Saulgau e. V. und der Volkshochschule Stadt Biberach diese Akademietage. www.biberach.de/akademietage2017.html
VORTRÄGE Dienstag, 31. Januar 2017 • 9.30 bis 12 Uhr: „Was ist Macht?“ Prof. Dr. Andreas Anter, Universität Erfurt • 14 bis 16.30 Uhr: „Die Macht der Ideologie – Zur Notwendigkeit der Ideologiekritik bei der Politischen Bildung“ Univ. Prof.i.R. Dr.phil. Kurt Salamun, Universität Graz Mittwoch, 1. Februar 2017 • 9.30 bis 12 Uhr: „Macht der Sprache – Sprache der Macht“ Prof. Dr. Josef Klein, FU Berlin • 14 bis 16.30 Uhr: „Die Macht der Algorithmen“ Prof. Dr. Katharina Anna Zweig, TU Kaiserslautern Donnerstag, 2. Februar 2017 • 9.30 bis 12 Uhr: „Die Macht der Lobbyisten – wie die Demokratie ausgehöhlt wird“ Prof. Dr. Kim Otto, Universität Würzburg • 14 bis 16.30 Uhr: „Die Macht der Musik – Musik und Emotionen im Gehirn“ Univ. Prof. Dr. Stefan Koelsch, Universität in Bergen
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TITELTHEMA sogar die menschliche Durchschnittsintelligenz erreichen und übertreffen.“ Andererseits beschreibt er eine übermenschliche Herausforderung durch die Technik, denn die wirklich wichtige Frage sei: „Wie werden wir und unsere Kinder in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts als ‚zweitintelligenteste Spezies der Welt‘ leben?“ Und der Wissenschaftler stellt nüchtern fest: „In der Menschheitsgeschichte hat es bisher noch nie solch eine riesige Herausforderung wie die Entstehung einer übermenschlich intelligenten Spezies gegeben.“ Gemessen an dieser Feststellung fällt sein Rat für den geneigten Leser ernüchternd aus: „Sie müssen vermeiden, sich als Opfer zu fühlen. Wenn man sich als Opfer von Digitalisierung fühlt, wenn man nur darauf schaut, dass Arbeitsplätze wegfallen, hat man ein echtes Problem. Aber wenn man das ganze Bild anschaut, auf der einen Seite fallen Arbeitsplätze weg an Maschinen, auf der anderen Seite entstehen welche. Und es entstehen wahrscheinlich mehr als wegfallen, dann hat man die Chance in der Sache begriffen.“ Auf die Frage „Was ist der wichtigste Trend für Deutschland im Jahr 2017?“ stellt der Trendforscher hingegen fest: „Es ist die digitale Spaltung unserer Gesellschaft.“ In Verlierer und Gewinner. Und die Wahl in den USA weist darauf hin, dass die Verlierer die Mehreren sind. Trump ist für Jánzky dennoch kein Problem. Denn: „Im Vergleich zu den wirklich großen Entwicklungen in den Technologiebranchen, schrumpft die Macht des angeblich mächtigsten Mannes der Welt auf Zwergenniveau.“ Was aber, wenn die „großen Entwicklungen in den Technologiebranchen“ Trump erst möglich gemacht haben? Der ehemalige Wirtschaftsminister KarlTheodor zu Guttenberg (CSU) hat es kürzlich in seinem Vortrag vor dem oberschwäbischen Mittelstand mit Blick auf die politischen Entwicklungen nicht nur in den USA, sondern auch in Europa nüchtern auf den Punkt gebracht. Die Digitalisierung sei im Kern „eine Jobdiskussion“. Im Land der unbegrenzten Möglichkei-
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ten grassiere die „Globalisierungs- und Überforderungsangst“, meinte der Baron, der seit fünf Jahren in New York lebt und arbeitet, und mahnte seine oberschwäbischen Zuhörer in der Kongresshalle in Weingarten: „Wir sind nicht grundsätzlich gefeit gegen diese Entwicklung.“ Wie auch? Denn wenn es in der Automobilbranche rund geht, dann wackeln die Fundamente auch im Ländle. Eine Studie des Ökonomen Jeremy Bowles von der London School of Economics zu den Auswirkungen der Digitalisierung kommt für Europa und Deutschland zu dramatischen Ergebnissen: In der Europäischen Union seien im Durchschnitt 54 Prozent der Arbeitsplätze in den kommenden zwanzig Jahren gefährdet, in Deutschland immer noch über 51 Prozent. Und Bowles ist mit seinen düsteren Prognosen wahrlich nicht alleine in seiner Zunft. Das weiß auch der Technikfreak Wolfgang Ertel von der Hochschule Ravensburg-Weingarten, der zwar Jánzkys (Zweck-) Optimismus grundsätzlich teilt, aber die kommende Roboterzeit nur für gesellschaftlich akzeptabel hält, wenn die technische Revolution von einer politischen Revolution begleitet und gesteuert wird. So fordert er das bedingungslose Grundeinkommen als Voraussetzung für eine Verteilungsgerechtigkeit des Wohlstands sowie eine Energiesteuer, die den Grenzen des Wachstums und des Ressourcenverbrauchs Rechnung trägt. Dass es höchste Zeit ist darüber zu diskutieren und zu handeln, macht auch Jánzkys Hilferuf deutlich, der geradezu wider seiner Natur ist: „Aber ich will auch klar zugeben, dass ich durchaus Ängste habe. Nicht wegen der technologischen Entwicklung, sondern wegen der aktuellen Ahnungslosigkeit und Untätigkeit unserer Politik und Gesellschaft.“ Und obwohl er Trump als machtlosen Zwerg betrachtet, appelliert er geradezu verzweifelt an die Politik: „Wir Zukunftsforscher haben diese aus unserer Sicht größten zu lösenden Zukunftsfragen schon vor vielen Jahren an die deutsche Politik geschickt. Es gab bisher nie eine Antwort. Wenn wir aber nicht jetzt anfangen,
Wolfgang Ertel, Professor an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, ist Leiter des Instituts für künstliche Intelligenz.
die anstehenden Fragen und entsprechende Regulierungen zu debattieren, dann wird es irgendwann zu spät sein. Denn die Menschheit wird nur in den frühen Entstehungsphasen der übermenschlich intelligenten Computer einen Einfluss auf deren Zukunft nehmen können. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird es zu spät sein. Ich habe Angst, dass die Politik aus purer Ahnungslosigkeit und Nichtkenntnis diese größte Verantwortung nicht wahrnimmt. Diese Angst habe ich schon lange. Sie wird jedes Jahr größer, in dem diese entscheidenden Fragen nicht von den wahlkämpfenden Parteien gestellt werden. Ich habe sie weder von Donald Trump oder Hillary Clinton gehört, noch von irgendeiner deutschen Partei für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf 2017.“
TITELTHEMA J oachim
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„Robotertaxis parken nie” WEINGARTEN. Er gilt als Experte für Künstliche Intelligenz. Der Physiker und Mathematiker Prof. Dr. Wolfgang Ertel forscht dazu an der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Der 57jährige Wissenschaftler schaut dabei nicht nur auf das technisch Mögliche, sondern denkt auch intensiv über die gesellschaftlichen Folgen seiner Forschung nach. Mit BLIX sprach er über Chancen und Risiken. Herr Prof. Ertel, stehen wir erneut vor einer Zeitenwende: nach der Automatisierung und der Digitalisierung nun also der Durchbruch bei der Künstlichen Intelligenz (KI), die die Singularität des Menschen als intelligenteste und empathiefähigste Spezies dieses Planeten in Frage stellt?
an dem die Roboter uns überholen, das heißt, ab dem sie klüger sind als wir. Aber bis jetzt ist diese Singularität reine Science Fiction. Wir haben derzeit ganz andere Probleme auf dem Planeten Erde.
die besten Menschen. Ein anderes Beispiel ist das Navigationsgerät im Auto, das uns in einer fremden Stadt viel schneller, sicherer und stressfreier zum Ziel führt als dies der Fahrer oder Beifahrer könnte. Wo liegen die Einsatzbereiche der KI? Diese sind sehr vielfältig. In der Industrie gibt es heute schon viele Anwendungen, wo lernfähige KI-Programme Fehler in Maschinen diagnostizieren. Auch in der Medizin machen zum Beispiel Computer die Krebsdiagnose aufgrund von MRTBildern besser als die besten Ärzte. Auch die Servicerobotik wird bald reif für den Markt sein. Das heißt, Roboter, die uns im Haushalt helfen, werden unser Leben noch bequemer machen. Was hat sich getan, seit den ersten Ansätzen der KI? Die KI hat sich in 60 Jahren stark gewandelt von einer rein logikbasierten Wissenschaft zu einem breiten Feld mit vielen Techniken. Aktuell sehr erfolgreich und auch in den Medien präsent ist “Deep Learning”. Dies sind sehr komplexe neuronale Netze, die, ähnlich wie menschliche Gehirne, lernen können, Bilder zu klassifizieren, was in der Bildverarbeitung eine Revolution darstellt. Damit werden Serviceroboter und auch Roboterautos deutlich leistungsfähiger und intelligenter. Wie verändert die KI unseren Alltag, zum Beispiel beim Autofahren? In etwa fünf Jahren werden Robotertaxis auf deutschen Straßen fahren. Das Geschäftsmodell im Personennahverkehr wird sich im Laufe der Zeit dramatisch verändern. Wir werden keine Privatautos mehr besitzen, sondern nur noch ganz bequem per Handy bei Bedarf Robotertaxis buchen. Der öffentliche Nahverkehr wird durch diesen sehr komfortablen, günstigen und umweltfreundlichen Service komplett ersetzt werden.
Ganz freundlich: Prof. Dr. Wolfgang Ertel lässt sich von seinem Hightech-Butler Marvin den Kaffee reichen. Foto: Fessler Oder befinden wir uns womöglich schon mitten drin in dieser Zeitenwende? Der Durchbruch der KI findet gerade statt. Die Auswirkungen werden wir in fünf Jahren erleben, wenn die Robotertaxis hier in Oberschwaben endlich einen superkomfortablen öffentlichen Nahverkehr entstehen lassen. Und im nächsten Schritt wird es in den Elektronik-Discountern für 5000 Euro die Serviceroboter geben, die in der Nacht nach der Party die Sauerei aufräumen. Übrigens geht es nicht um die Singularität des Menschen, sondern darum, ob in vielleicht 50 Jahren die Singularität stattfinden wird. Die ‘Singularität’ ist nämlich definiert als der Punkt,
Warum brauchen wir die Künstliche Intelligenz (KI) überhaupt, sind die Menschen zu dumm? Wie in vielen anderen Forschungsgebieten auch, sind wir Forscher einfach neugierig. Wir wollen verstehen, wie Intelligenz ‘funktioniert’. Das heißt, wir erforschen zuerst mal zweckfrei, wie wir Roboter intelligent machen können. Und hier stellt sich zum Beispiel heraus, dass viele für uns Menschen ganz einfache Aufgaben, wie etwa das Finden eines Objekts in einem Raum oder das Finden und öffnen einer Türe für Roboter (noch) sehr große Herausforderungen darstellen. Andererseits spielen Computer mit KI-Programmen heute viel besser Schach oder auch Go als
Brauchen wir dann überhaupt noch solche Projekte wie die Marienplatz-Tiefgarage in Ravensburg? Nein, dieses 15 Millionen Euro teure Projekt ist überflüssig, denn etwa ein bis zwei Jahre nach Fertigstellung 2020 wird sie nicht mehr gebraucht werden. Robotertaxis werden nämlich nie parken, denn sie sind immer unterwegs. Big Data und KI - sind wir bald komplett gläserne Menschen für große Internetkonzerne? Wenn wir bei Facebook und Co. alle unsere persönlichen Daten und Fotos online stellen, dann ist die Antwort klar. Aber auch alle, die ein Handy oder Google Maps benutzen, bezahlen diese Dienste mit der Weitergabe ihrer Daten. Und die sind wertvoll. Die Konzerne verdienen damit viel Geld. Wir hier in Deutschland haben zumindest noch Datenschutzgesetze. Und diese müssen 37
TITELTHEMA wir auch weiter pflegen. Und wir müssen unsere Netze sicher machen. Dazu werden in Zukunft viele IT-Sicherheitsexperten benötigt. Übrigens kann man an unserer Hochschule in Weingarten neben Künstlicher Intelligenz auch diese so wichtige IT-Sicherheit studieren. Ist ein Szenario realistisch, dass wir bald Robotersoldaten haben? Obwohl ich eine internationale Petition von Wissenschaftlern gegen Kampfroboter unterzeichnet habe, bin ich nicht sehr optimistisch. Schon im Irakkrieg hatten die USA autonome Panzer im Einsatz. Im Völkerrecht sollten entsprechende Gesetze hinzugefügt werden, in der Hoffnung, dass diese dann auch eingehalten werden. Können intelligente Maschinen der Menschheit gefährlich werden, wenn sie sich irgendwann selber reproduzieren? Ja. Es gibt zwei ganz kritische und gefährliche Punkte. Erstens wenn wir Schwärme von Robotern haben, die sich reproduzieren können. Diese können sich dann eventuell explosionsartig verbreiten, schlimmer als die schlimmsten Seuchen. Zweitens wird es kritisch, wenn die ersten Roboter klüger sein sollten als wir Menschen. Wenn dieser Punkt erreicht wird, ist es allerdings schon zu spät. Denn dann werden die Roboter entscheiden, was sie mit uns Menschen machen wollen. Aber diese Gefahren sind, wenn überhaupt, noch in sehr weiter Ferne. Jedenfalls gibt es heute noch keine konkreten Ideen in dieser Richtung. Also: Noch kein Grund zur Panik. Wie muss man sich das vorstellen: Roboter, die sich seuchenartig vermehren? Ja, genau so muss man sich das vorstellen. Wichtig ist einfach, dass die Wissenschaftler, die an so etwas arbeiten, wie Biologen und Mediziner auch, höchste Vorsicht walten lassen und entsprechende Ethikkommissionen entscheiden, was erlaubt ist und was nicht. Noch sind wir weit von solchen Roboterseuchen entfernt. Das ist auch gut so. Denn wir müssen handeln, bevor wir solche Seuchen haben. Was sind die Auswirkungen der KI für unsere Arbeitsplätze und wen wird es besonders treffen? Die Roboter werden immer mehr Arbeiten erledigen können. Das heißt, wir Menschen werden immer weniger arbeiten müssen und ein immer besseres und bequemeres Leben haben. Wir können uns dann mit den Dingen beschäftigen, die uns wirklich interessieren und die uns Freude bereiten. Das klingt fast schon paradiesisch, nicht? Allerdings können wir diesen Weg in Richtung Paradies nur dann gehen, wenn wir Bürger bereit sind, das wirtschaftliche Hamsterrad des dauernden Wachstums zu verlassen. Das Ende des Wachstums ist außerdem immens wichtig, damit wir nicht durch Umweltverschmutzung unsere Lebensgrundlagen zerstören. Denn dann ist es zu spät fürs Paradies. Wie wird sich unser Gesellschaftssystem verändern. Das hängt von uns und den zukünftigen Entscheidungen in der Politik ab. Wir können, 38
wenn wir und unsere demokratisch gewählten Volksvertreter dies wollen, zu einer Gesellschaft kommen, in der wir eine Verteilungsgerechtigkeit beim Wohlstand haben und in der wir, wie gesagt, viel weniger arbeiten müssen als heute. Dies hätte übrigens den - durchaus positiven Nebeneffekt, dass das Rad des Fortschritts sich nicht mehr dauernd noch mehr beschleunigt. Das klingt paradox: Sie als Wissenschaftler treiben diesen Fortschritt doch massiv voran? Ja, es mag paradox klingen. Um es klar auszudrücken, wir haben die Wahl: Wir könnten den Forschern ein Berufsverbot erteilen, um den Wachstumstreiber Technologie auszuschalten. Das wollen wir sicher nicht, denn das wäre der Untergang von Wissenschaft und Kultur. Wenn wir also weiter forschen, dann haben wir das Problem, dass jede neue Technologie, insbesondere in der Automatisierung und der Informatik Arbeitsplätze von Menschen durch Maschinen ersetzt. Und diese Maschinen leisten viel mehr als wir Menschen, verbrauchen dabei aber zusätzliche Energie und Ressourcen und pro Arbeiter werfen wir noch mehr Konsumgüter auf den Markt, die gekauft werden müssen. Und die Werbung bringt uns dann schon zum Kaufen … Was wir stattdessen brauchen, das ist heute in dieser Zeit, in der wir die natürlichen Ressourcen schon viel zu viel ausbeuten und die Umwelt zerstören, das ist eine Bremse für das Wachstum. Dazu gibt es ein paar einfache konkrete Vorschläge an unsere Politiker: Wir müssen die Lohnsteuer abschaffen und durch eine drastische Energiesteuer ersetzen. Dies würde sofort zu einem deutlichen Strukturwandel in der Wirtschaft führen. Es würde viel mehr lokal produziert und viel weniger Güter würden rund um den Globus transportiert. Und wir brauchen eine Ver teilungs gerechtigkeit, die verhindert, dass sich die großen Kapitalberge der Superreichen weiter aufbauen und die Gruppe der Verlierer immer größer wird. Denn diese Ungleichheit ist auch eine Triebfeder des Wachstums und des sozialen Unfriedens. Bedingungsloses Grundeinkommen, eine echte Erbschaftssteuer und Vermö-
genssteuer sind Optionen zur Lösung dieses Problems, um nur einige zu nennen. Wir reden über Jedermanns-Roboter, die in ihrer harmlosen, dienlichen Variante in Kürze unser Leben paradiesisch erscheinen lassen. Mit unseren Navigationssystemen kommen wir heute schon überall hin ohne zu wissen, wo der Ort ist und wie wir dorthin gekommen sind. Heute fahren wir noch selbst, in wenigen Jahren steigen wir in Roboterautos, die auch das noch für uns erledigen. Ist es nicht paradox, dass wir am Anfang dieses Jahrtausends so viel wissen wie noch nie, aber - wenn man den Zustand der Welt betrachtet - anscheinend völlig die Orientierung verloren haben? Wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Also lassen Sie uns doch ganz bequem und übrigens sehr umweltfreundlich mit den Robotertaxis fahren und uns dabei entspannen. Und wenn wir dann am Ziel sind, steigen wir auf die Berge und finden den Gipfel hoffentlich ohne Navigationssystem. Es wird in der Zukunft von Jahr zu Jahr weniger Erwerbsarbeit geben und wir haben immer mehr Zeit, den Dingen nachzugehen, die wir selbstbestimmt und mit viel Spaß machen wollen. Das kann Forschung sein oder soziale Arbeit oder Kunst oder … Ich glaube nicht, dass wir im Paradies verblöden werden. Ich glaube, dass die Putzfrau, wenn sie weniger oder nicht mehr arbeiten muss, in die Volkshochschule geht um Englisch und Yoga zu lernen. Vielleicht will sie sich aber auch an Diskussionen über nachhaltige Wirtschaftssysteme beteiligen, wer weiß. Denn dann hat sie endlich mal wieder Zeit, sich über solche Dinge Gedanken zu machen. Roboter im sozialen Einsatz können Behinderte im Alltag unterstützen.