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Hofjagd, Weidwerk, Wilderei
Carl Alexander Krethlow (Hg.)
Hofjagd, Weidwerk, Wilderei Kulturgeschichte der Jagd im 19. Jahrhundert
Ferdinand Schöningh
Umschlagabbildung: Details aus der Druckgrafik »Full Cry« von Charles Bentley, nach einem Gemälde von Henry Alken (1828)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. © 2015 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Einbandgestaltung: Nora Krull, Bielefeld Printed in Germany Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 978-3-506-78258-8
Inhalt
Zur Einführung: Seit wann jagen wir, wie wir jagen? . . . . . . . . . . . . .
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1. Das Goldene Zeitalter? Die europäische Jagd im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Die Jagd in Frankreich und Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Vielfalt in der Autokratie: Die Jagd in Russland
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4. Revolution, Milieu und Motivation: die mitteleuropäische Jagd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Kaiserliche Jagdpassion: Franz Joseph I. und Wilhelm II. . . . . . .
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6. Die Wissenschaft hält Einzug: Hege und Pflege . . . . . . . . . . . . . 104 7. Vom Sozialrebellen zum illegalen Fleischlieferanten: Wilderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 8. Status und Weiblichkeit: Jägerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 9. Jägertruppe, Scharfschützen, Jagdflieger: Jagd und Militär . . . . 148 10. Selbstdarstellung und Uniformierung: Jagd und Mode . . . . . . . . 176 11. Werkzeug und Kunsthandwerk: Jagdwaffen
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12. Die Jagd als Ursprung moderner Sportarten . . . . . . . . . . . . . . . . 205 13. Zwischen »Schund« und »Kolportage«: Die Jagd in der Trivialliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Bildteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Zur Einführung: Seit wann jagen wir, wie wir jagen? CARL A LE XA NDE R KRE THLOW
it der Jagd im 19. Jahrhundert nimmt sich dieses Buch eines Themas an, dem bisher nur geringe Aufmerksamkeit zuteil wurde.1 Bis weit in die 1980er Jahre galt die Jagd als Freizeitbeschäftigung des Adels, und da dieser insbesondere von den sozialwissenschaftlich ausgerichteten Historikern nicht nur überaus kritisch beurteilt wurde, sondern sich zudem am Rande von deren Interesse befand, erfolgte eine Auseinandersetzung mit jagdlichen Themen kaum.2 Wissenschaftliche Impulse aus Frankreich und Großbritannien führten Ende der 1990er Jahre im deutschen Historikerfeld zu einer Neubewertung der Jagd als Gegenstand der Forschung, wobei die Jagd im Mittelalter und in der Neuzeit sowie die damit verbundenen rechtlichen Fragen in das Zentrum rückten.3 Die Entwicklung des Jagdwesens im 19. Jahrhundert wurde überaus stiefmütterlich behandelt. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt die meist durch die ländlichen Unterschichten betriebene Wilderei dar. Zu neuen Gestaden brachen Hubertus Hiller und Wolfram Theilemann auf, deren bahnbrechende Arbeiten die Entwicklung des Jagdwesens in Deutschland nach 1848 sowie die Beziehung des preußischen Landadels und der Forstbeamtenschaft zur Jagd in den Jahren von 1866 bis 1914 untersuchten.4 Die Jagd zeichnete sich im 19. Jahrhundert durch einen tiefgreifenden Wandlungsprozess aus. Neuartige Praktiken traten neben ältere Traditionen und verdrängten oder ergänzten diese. Nach und nach entstand aus dem höfischen Fürstenspektakel des Ancien Régime eine durch wissenschaftliche Erkenntnisse untermauerte Freizeitbeschäftigung. Die Jagd im 19. Jahrhundert lässt sich also ohne Verständnis für die vorangehende Epoche nicht begreifen. Marcel Berni führt deshalb in die Jagdformen des 18. Jahrhunderts ein. Dann zeichnet Beatrice Kaufmann die Charakterzüge der Jagd in Frankreich und Großbritannien nach, während Hannes Theinhardt die herausragende soziale und wirtschaftliche Bedeutung der Jagd in Russland darstellt. Carl Alexander Krethlow beschreibt anschließend die säkularen Brüche, welche die Jagd in Mitteleuropa als Folge der Revolutionen von 1848 in Deutschland und Österreich sowie der Französischen Besetzung der Schweiz (1798-1814) erlebte. Das Bürgertum drängte in das bis 1848 ausgeprägt adlige Reservat der Jagd, ein gemischtes Jagdmilieu mit vielfältigen Motiva-
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tionen bildete sich. Aus dem Beitrag von Ramona Brügger geht hervor, dass trotz der starken Verbürgerlichung des Weidwerks in Deutschland und Österreich die Fürstenjagd nicht nur weiterbestehen blieb, sondern sich im letzten Drittel des Jahrhunderts sogar zu einem die europäische Jagdkultur anhaltend prägenden Element entwickelte. Dem neuen Wissen in der Jagd widmet sich abermals Marcel Berni. Hier treten die Erkenntnisse in Wildbiologie und Forstwesen mittels Forstakademien und das jagdliche Vereinswesen in den Vordergrund. Ein geradezu klassisches Jagdthema bringt uns Marchet Notegen näher, der in seinem Beitrag zur Wilderei verschiedene Motivationen und die breitgefächerte Herkunft der Wilderer aufzeigt. Der Rolle der Frau in der Jagd wendet sich Judith Cormier zu. Den vielfältigen Beziehungen von Jagd und Militär widmet sich Tobias Haudenschild. Er legt den Fokus auf die Jägertruppen, die Scharfschützen und die Jagdflieger. Mit der Jagdmode setzt sich Mauro Bolzern auseinander. Er zeigt, wie deutlich gerade im äußeren Erscheinungsbild Elemente der klassischen Hofjagd bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weiter gepflegt wurden. Unter anderem anhand des Luxuswaffen-Herstellers »Suhler Waffenwerke« informiert Ralph Jöhl über die Entwicklung der Jagdwaffe im 19. Jahrhundert. Tobias Neuhaus belegt, wie stark sich seinerzeit Sport und Jagd gegenseitig beeinflussten. Zuletzt präsentiert Dario Caliandro die Aufnahme des Jagdmotivs in der mitunter skurrilen Trivialliteratur. Möge dieser Band eine breite interessierte Leserschaft nicht weniger als die Historikerzunft für die vielfältigen Aspekte der Jagd in vergangenen Zeiten begeistern. Dem aktiven Jäger möge er dazu dienen, die heutige Jagdpraxis in Mitteleuropa, die vornehmlich auf den Entwicklungen des 19. Jahrhunderts beruht, vor ihrem historischen Hintergrund besser zu verstehen.
1. Das Goldene Zeitalter? Die europäische Jagd im 18. Jahrhundert MA RCE L B E RNI
»Der Fleischner tödtet die Thiere nicht zum Vergnügen, sondern nur, weil die Gesellschaft ihrer bedarf; der Jäger aber tödtet sie nur zum Vergnügen und das ist abscheulich. Man muß deshalb den Jäger noch unter den Fleischner in der bürgerlichen Gesellschaft stellen.«1
ieser Kommentar zur zeitgenössischen Jagd wird Friedrich II. von Preußen (1712-1786) zugeschrieben. Damit erwies sich der aufgeklärte Monarch als eine Ausnahmeerscheinung unter den europäischen Fürsten des 18. Jahrhunderts, denn die Jagd stellte im Zeitalter des Absolutismus eine der zentralen Beschäftigungen des Adels dar.2 Damals prägten erhebliche Wildstrecken die spektakulären Jagden, die an den zahlreichen kleineren und größeren Höfen veranstaltet wurden. Kein Aufwand wurde gescheut, sie als Ausdruck landesherrlicher Prachtentfaltung und repräsentativer Lebenslust zu inszenieren, weshalb auch vom »Goldenen Zeitalter« der europäischen Jagd gesprochen wird.3
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Jagd und Recht m frühneuzeitlichen Europa stellte die Jagd einen Bestandteil der landesherrlichen Regalien und somit ein fürstliches Sonderrecht dar. Dieses Recht spiegelte auf besonders eindrückliche Art die Souveränität des Herrschers wider.4 Die Jagd als Privileg trat vor allem dort spürbar in Erscheinung, wo sich ein starker Adel herausgebildet hatte. Weniger prägnant machte sie sich in geringer feudalisierten Gebieten wie in Holland, der Schweiz und den nördlichen Regionen Skandinaviens sowie in einigen Teilen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation – in Hessen, Tirol, Schwaben und den bayerischen Alpen – bemerkbar; überall dort jagten auch Bürger. Der Historiker Hans Wilhelm Eckardt sieht in diesem auf Gunst und Gnade des Landesherrn beruhenden Privileg die Möglichkeit des Herrschers, wichtige Gruppen an sich zu binden, während Martin Knoll den damit einherge-
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henden Ausschluss der bürgerlichen und bäuerlichen Bevölkerung betont.5 Der landsässige Adel wurde mit der Niederen Jagd belehnt, während die Hohe Jagd den Landesfürsten vorbehalten blieb.6 In diesen Kontext fällt die Aufteilung des Wildes in die betreffenden Kategorien. So zählten insbesondere Rot-, Dam- und Schwarzwild zur Hohen Jagd, während Fuchs, Fischotter, Hase, Marder, Eichhörnchen, Rebhuhn, Wildente, Wildtaube und andere meist kleinere Vogelarten zur Niederen Jagd gehörten. In einzelnen Gebieten wurde zusätzlich eine Mittlere Jagd eingefügt, so zum Beispiel ab 1717 in Sachsen. Diese galt insbesondere dem Reh-, Birk- und Haselwild sowie Brachvögeln und Wölfen.7 Dem jeweiligen Landesherrn kam die Jagdhoheit zu. Darunter fielen »die oberste Aufsicht über alle Jagdberechtigungen im Staatsgebiete, sowie die Gesetzgebung und die Ausübung der obersten Polizei und Gerichtsbarkeit« in sämtlichen jagdlichen Belangen.8 Auf diese Weise agierte der Landesherr als quasi absoluter Akteur im gesamten Jagdgeschehen.9 Da das Jagdrecht an den sozialen Status des Inhabers gekoppelt war, bildete es soziale Höherstellung ab, noch dadurch verstärkt, dass der Landesherr einzelne Jagdrechte verleihen konnte. Solche Gnadenjagden erlaubten ausgewählten Persönlichkeiten die Ausübung der Jagd oder einzelner Jagdformen. Dazu zählte zum Beispiel die Stille Jagd, also das Jagen mit Fallen und Netzen ohne Treiber, Schusswaffen, Hunden oder anderen Hilfsmitteln. Auch die Mitjagd, die Berechtigung zur Jagd parallel zum Landesherrn, oder die Klapperjagd, die Erlaubnis, dem Wild mit Gelärm und Treibern nachzustellen, waren Sonderjagdformen, mit denen verdienstvolle Persönlichkeiten vom Landesfürsten ausgezeichnet werden konnten. Eine andere Form der Abtretung von Jagdrechten war die vertragliche Verpachtung.10 Die Hauptlasten der herrschaftlichen Jagd trugen die Untertanen. Die als Jagdfronen bezeichneten Dienste fielen nicht unter das Jagdrecht, sondern gehörten zum herrschaftlichen Fronrecht. Sie betrafen die bäuerliche Bevölkerung in ganz unmittelbarer Weise, während Wild- und Flurschäden, welche das oftmals in unnatürlicher Weise herangehegte Wild und die herrschaftliche Jagdausübung verursachten, nur indirekt spürbar waren. Die Jagdfronen machten in einzelnen Regionen den größten Teil der bäuerlichen Frondienste überhaupt aus. Zu ihnen gehörten beispielsweise die Jägeratzung, also die Verpflichtung ganzer Dörfer zur Beherbergung und Verpflegung der adligen Jagdgesellschaft. Letztere setzte sich nicht nur aus dem Jagdherrn und den Jägern zusammen, sondern umfasste zudem den Jagdtross aus Personal, Gästen und Hunden. Weiter gehörten die Hundsaufstockung und Hundelege dazu, worunter die unentgeltliche Aufzucht sowie der Unterhalt von Jagdhunden verstanden wurden. Fronarbeiten galt es auch bei den Vorbereitungen zur Jagd zu leisten, da Tribünen und weitere Objekte zu den wesent-
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lichen Elementen der großen Prunkjagden im 18. Jahrhundert zählten. Ihre Errichtung wäre ohne Frondienste nicht realisierbar gewesen. Wie intensiv diese Fronen sein konnten, berechnete Hans Wilhelm Eckardt für das Herzogtum Württemberg. 1769 wurden dort 40.270 Mann, rund 12.000 Ochsengespanne und 7.300 Pferde fronpflichtig gemeldet. Zum Ärger der Bauern fielen die herrschaftlichen Jagden häufig mit der Erntezeit im Sommer oder Herbst zusammen, fanden also genau dann statt, wenn auf den eigenen Feldern genug zu leisten war. Besonders unbeliebt jedoch waren die vor allem im östlichen Reichsgebiet durchgeführten Winterjagden auf Wildschwein und Wolf, die zu Unfällen und auch zu Erfrierungen führten, was den Unmut der Fronenden steigerte und sich in Beschwerden bei der Obrigkeit manifestierte.11 Die fürstlichen Prunkjagden nahmen Tage, manchmal gar mehrere Wochen in Anspruch. Demnach gestalteten sich auch die Vorbereitungsmaßnahmen überaus zeit-, arbeits- und ressourcenintensiv. Die Vorarbeiten für eine solche Jagd in Degerloch bei Stuttgart dauerten bspw. rund sechs Monate. Dabei wurden 33 Bauten errichtet und ein künstlicher See für die herzogliche Wasserjagd angelegt. Insgesamt fing man über 5.000 Tiere und hegte sie in der Nähe des vorgesehenen Jagdplatzes ein. Ganze sechs Tage dauerte 1781 eine Treibjagd im schwäbischen Fürstenberg, wobei 7.447 frondienstleistende Untertanen zum Einsatz kamen, die für Verpflegung und Ausrüstung selbst aufzukommen hatten.12
Vogelfang als Volksjagd ährend des 18. Jahrhunderts jagten in Europa nicht nur Adel und Klerus, auch der »kleine Mann« fand sein Betätigungsfeld, und zwar im Vogelfang. So behauptete sich der Vogelfang als einzige Jagdform, die »immer dem Volke offen stand« und eine willkommene Einnahmequelle darstellte. Diese Jagd wurde insbesondere im Herbst ausgeübt, wenn viele Zugvögel in den Süden flogen.13 Die Fangmethoden waren vielfältig, wie die zahlreichen Anleitungen deutlich machen, die sich in zeitgenössischen Jagdhandbüchern finden lassen. Zum Fangen von Kleinvögeln verwendete der Jäger Kasten, Netz, Leimrute, Schlinge, Schleife und bisweilen auch Gift. Häufig wurde die Beute mit einem Köder oder Lockvogel angelockt oder die Vögel wurden aufgeschreckt und in aufgespannte Netze getrieben. Indes gibt es kein einheitliches Bild von den Fangeinrichtungen; zu pragmatisch passte man die Jagdmethoden den lokalen Gegebenheiten und der Beute an.14 Im Winter bestand eine Jagdmethode darin, eine ebene Wiese oder einen flachen Platz vom Schnee zu räumen und mit Hirse oder anderen
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Vogelfanggeräte nach Ch. L. Brehm: Der vollständige Vogelfang, Weimar 1855
Körnern zu bestreuen. Der Platz wurde mit einem Garn umlegt, das im Idealfall von Schnee bedeckt war; optional stellte man Lockvögel auf. Am Rand des Platzes musste der Jäger eine »fünff Elen lange Stange von einem Castanien- oder Nuß- oder anderen Baum« in den Boden stecken, die mit spitzigen eisernen Stacheln versehen war. Zum Boden hin wurde eine Latte mit einer Schnur an die Stange angebracht und so die Stange aufgestellt. Der Jäger selbst versteckte sich und riss, sobald die Vögel sich auf dem Platz einfanden, an der Schnur. Dadurch zog sich die Garnschlinge am Boden zusammen und die Stange begann sich im Kreis zu drehen. Die aufgescheuchten Vögel wurden an den Stacheln der sich drehenden Stange aufgespießt.15 Eine weitere Methode des Vogelfangs war, bei Nacht einen Kamm auf eine Stange zu stecken und diesen mit feinen, in Leim getauchten Schnüren zu bespannen. In der Mitte des Kamms wurde eine hakenförmige Halterung mit einem in Öl getauchten Lappen angebracht. Entzündete der Jäger diesen Lappen, zog das entstehende Licht bei vollständiger Dunkelheit die Vögel an. Wurden diese auf einem Baum vermutet, stellte sich der Jäger mit seinem langen Fanggerät vor den Baum und blieb dort stehen, während sich von der
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anderen Seite ein Gefährte dem Baum näherte. Dieser schlug mit einer Stange gegen den Baum, schreckte die Vögel aus dem Schlaf und ließ sie gegen das Licht fliehen. Dabei blieben einige von ihnen an den leimbeschmierten Fäden hängen und konnten gefangen werden.16 In bestimmten Fällen gestattete, ja befahl die Obrigkeit den Untertanen die Jagd, bspw. wenn Krähen oder Sperlinge sich stark vermehrten und so die Ernte bedrohten. Dieser »Zwang zur Jagd« beschränkte sich aber nicht nur auf Kleinwild, auch Nieder- und sogar Hochwild wurde auf Befehl gejagt, wenn es vom Landesherren zu »Schadtieren deklariert worden waren«.17 So fing man Füchse, Hasen oder Dachse mit Sacknetzen, die in oder unmittelbar vor den Bau gespannt wurden. Auch die Jagd auf Enten und andere Wasservögel konnte vom Volk ausgeübt werden. Dazu wurden Netze oder Köder eingesetzt. Letztere versah man mit einem Haken, der an einen Stein gebunden oder am Ufer befestigt war. Schluckte das Tier den Köder, wurde es ins Wasser gezogen und ertrank. Anschließend konnte es der Jäger aus dem Wasser ziehen.18 Beim Tyrassieren ging es darum, die am Boden befindlichen Vögel mit einem langen Netz – dem Tyraß – zu überziehen und so zu fangen. Dabei bediente man sich einiger Vorstehhunde, die durch ihr regungsloses Verharren vor dem Wild dem Jäger die Stellung der Beute anzeigten. Bewegte sich das Wild, verfolgten es die Hunde vorsichtig, ohne es zu erbeuten. Von entgegengesetzter Seite näherten sich die Jäger mit dem Tyraß und zogen es über das Wild. Um einzelne, schneller wegfliegende Vögel am Aufsteigen zu hindern, positionierte man in der Nähe eine lange Stange, auf der ein Habicht angebunden war. So wurde die Verwendung von Netzen und anderen Hilfsmitteln zum Vogelfang geradezu ein Charakteristikum der Jagdkultur im 18. Jahrhundert.
Beizjagd etrieb der gemeine Mann den Vogelfang, so frönte man am oberen Ende der sozialen Pyramide der Jagd mit dem Falken. Die Beizjagd, die mindestens seit dem 11. Jahrhundert in Europa bekannt war, erlebte im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts eine letzte Blütezeit. Die jagdrechtlichen Grundlagen, die hohen Kosten und die Integration dieser Jagd in das höfische Zeremoniell trugen dazu bei, dass diese Jagdform quasi ausnahmslos dem Hochadel vorbehalten blieb. Das Ziel der Beizjagd bestand darin, mit abgerichteten Greifvögeln vorwiegend Kleinvögel und Hasen zu erbeuten. Sobald der Falke oder der Habicht seine Beute nach meist aufregender Verfolgung gepackt und auf die Erde gebracht hatte, wurde sie ihm vom Jäger abgenom-
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Edelleute bei der Beizjagd. Historisierender englischer Stich um 1830.
men. Zu den Herrschern, die ganz besonders der Beizjagd zugetan waren, zählten insbesondere die Deutschen Kaiser Joseph I. (1678-1711) und Karl VI. (1685-1740) sowie Kurfürst Clemens August I. von Bayern, Erzbischof von Köln (1700-1761) und Markgraf Karl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach (1712-1757).19 Am Beispiel der Beizjagd wird das Bedürfnis nach sozialer Abgrenzung innerhalb des Adels erneut deutlich. So blieb die Hohe Beize mit dem Falken dem Hochadel vorbehalten, während die Niedere Beize mit dem Habicht vom Landadel betrieben wurde. Der Habicht verfolgt seine Beute, indem er in Bodennähe »hinter dem Wild her streicht«; der Falke hingegen steigt in die Luft, um mit hoher Geschwindigkeit auf das Wild herunterzustürzen und es zu »schlagen«.20 Diese beiden Greifvögel waren zwar die am weitesten verbreiteten, nicht jedoch die einzigen Tiere, die zur Beize eingesetzt wurden. Auch Adler, Milane und Sperber, selbst Eulen hielt man sich an den Fürstenhöfen. Bei der Beizjagd spielte die erlegte Strecke eine völlig untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt stand das theatralische Jagderlebnis einer sehr auf das Spektakuläre des äußeren Scheins ausgerichteten Gesellschaft.21
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Die Kosten der Beizjagd waren exorbitant, denn zur Falknerei bedurfte es nicht nur verschiedenster Vogelarten, die aus Ländern an der Peripherie Europas sowie aus Asien oder Afrika eingeführt, in Käfiganlagen gehalten und von professionellen, oftmals im Ausland rekrutierten Falknern ausgebildet und besonders ernährt wurden. Hinzu kam der große Aufwand während der Jagd, mit dem sich der Fürst möglichst glanzvoll in Szene zu setzen suchte. Dazu eignete sich vor allem die Reiherbeize, die als Höhepunkt der fürstlichen Falknerei galt. Bei dieser Jagd wurden zwei sogenannte Koppelfalken eingesetzt, die gemeinsam jagten. Es galt als besonders reizvoll, wenn sich ein Reiher im Flug gleich gegen zwei Verfolger zur Wehr setzen musste. Solche für unsere Begriffe tierquälerischen Kämpfe erfreuten sich bei der Adelselite größter Beliebtheit. Es erstaunt daher nicht, dass im Bayern des ausgehenden 17. Jahrhunderts die Reiherjagd zum ausschließlichen Privileg des Landesherrn erklärt wurde.22 Als Beleg für die Renaissance der Falknerei im 18. Jahrhundert dient nicht zuletzt die Übersetzung des Werkes De arte venandi cum avibus des Stauferkaisers Friedrich II. (1194-1250) ins Deutsche im Jahre 1756. Den Auftrag dazu erhielt der Geistliche Johann Erhard Pacius von Marktgraf Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach. Der Markgraf erbeizte zwischen 1730-1755 sage und schreibe 34.429 Stück Wild – also fast vier Tiere täglich während 26 Jahren. Zudem setzte er sich das ambitionierte Ziel, den größten Falkenhof Europas aufzubauen. Zusammen mit den hohen Ausgaben seines Sohnes für die Parforcejagd führte dies zum finanziellen Ruin des Hofes. Er stand damit nicht alleine da. Tatsächlich führte die übermäßige Jagdausübung mehrere adlige Häuser in den finanziellen Ruin. Insofern konnte die Jagd als prestigeträchtiges adeliges Must auch für Teile der Aristokratie eine Last bedeuten.23
Parforcejagd m Verlauf des 17. Jahrhunderts bildete sich am Hof von Versailles die Parforcejagd, die Hetzjagd, als zentraler Bestandteil eines ausgedehnten Jagdzeremoniells mit umfassendem Regelwerk heraus. Die Bezeichnung par force war im französischen Sprachraum allerdings nicht gebräuchlich; man sprach von vénérie oder von der chasse à courre. Der kursächsische Oberforst- und Wildmeister Johann Friedrich von Flemming beschreibt die Parforcejagd als »ein höchst Leib- und Lebens-gefährliches [Werck]«. Die Perfektionierung der Hetzjagd, an der die französischen Monarchen maßgeblich mitwirkten, vollzog sich über eine Zeitspanne von knapp einem Jahrhundert. Im ausgehenden 18. Jahrhundert stellte die Parforcejagd die
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Johann Elias Riedinger: Die Par-Force Jagd. Radierung und Kupferstich, 1729.
beliebteste Jagdform dar. Sie war eine Hetzjagd auf Hirsch, Wolf und Wildschwein durch berittene Jägergruppen mit Hundemeuten. Der betriebene Aufwand war enorm. So verweist Werner Rösener darauf, dass im Jahr 1748 die Hundemeute von Ernst August II., Herzog von Sachsen-Weimar (17371758), 1.100 Jagdhunde zählte.24 Der wichtigste Unterschied zur älteren Hetzjagd lag im Wandel des Ziels. In der Parforcejagd waren nicht mehr Quantität und Qualität der Beute ausschlaggebend, sondern die Jagdausübung als sportlicher Selbstzweck. Dies machte sich auch in der Auswahl der Hunde bemerkbar. So setzte man nicht mehr schnelle, sondern verhältnismäßig langsame, aber dafür ausdauernde Tiere ein.25 Die Jagd nahm deutliche Züge eines Zeitvertreibs zu Repräsentationszwecken an. Besonders Ludwig XV. (1710-1774) liebte es, auf galoppierenden Pferden der bellenden Hundemeute hinterherzujagen, um einen kapitalen Hirsch zu stellen; er soll über 5.200 Kilometer im Sattel eines Parforcepferdes gejagt haben. Von Frankreich aus verbreitete sich diese Jagdart über England nach Mitteleuropa. Im Jahr 1680 wurde nachweislich die erste Parforcejagd im Heiligen Römischen Reich durchgeführt. In den österreichischen Erblanden setzte sie sich indes nur zögerlich durch und wurde 1701 sogar verboten, allerdings ohne Erfolg.26 Einzig in Skandinavien hielt
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man die Tradition der Pirsch auf Rotwild hoch und bediente sich dabei der Armbrust als Waffe.27 Wie für das 17. und 18. Jahrhundert charakteristisch, wurden die bei der höfischen Jagd verwendeten Ausdrücke vielfach aus dem Französischen übernommen. Der zeitgenössische deutsche Jagdschriftsteller Heinrich Wilhelm Döbel verfasste dazu ein Glossar mit entsprechenden Erklärungen.28 Die Parforcejagden wurden von März bis April durchgeführt. Im Mai wurde nicht gejagt, da die Tiere ihre Jungen zur Welt brachten. Im Juli wurde weiter gejagt, bis mit dem Hubertustag, dem 3. November, die Parforcejagdsaison endete.29 Eine Parforcejagd, diese »lustige und angenehme Jagd für diejenigen, [die] so gerne reiten, den Laut der Hunde hoeren wollen, und das Blasen aestimieren«, vollzog sich vorzugsweise in Waldabschnitten, in denen »Alleen und Schneisen« vorhanden waren, »damit man in das Kreutze und die Quere fortkommen kan«. Der Wald von Compiègne beispielsweise war mit Gängen für die Parforcejagd des französischen Königs ausgestattet.30 Vor Wasserhindernissen wurden »Floß-Brücken, auch Fehren und große Kähne gehalten, damit man beduerffenden Falls gleich über und fortkommen kann«.31 Nachdem der Befehl des Jagdherrn – also des Landesherrn oder des höchsten anwesenden Adeligen – zur Parforcejagd an den Oberjäger ergangen war, zogen dieser und alle Jagdbeamten frühmorgens aus. Sie hatten mit Leithunden die Spuren von passendem Wild zu finden und es aufzuspüren. Gelang dies, wurde das Wild bestätigt und die Jäger zogen sich zu einem zuvor bestimmten Ort zum Rendezvous zurück. Dort rapportierte man dem Jagdherrn alle Einzelheiten. Dieser bestimmte den zu bejagenden Hirsch, worauf das Tier nochmals bestätigt werden musste. Inzwischen erfreute sich die Jagdgesellschaft beim Rendezvous eines ausgiebigen Frühstücks mit Braten, Wein und Bier, woran auch die Jäger teilnehmen durften, »damit sie bey ihren harten Strapazen aushalten können«. Die Equipage einer Parforcejagd war auch personell sehr aufwändig; Heinrich Wilhelm Döbel nennt allein 17 verschiedene Funktionen, die meist in mehrfacher Ausführung besetzt werden mussten.32 War nun der Hirsch ein zweites Mal bestätigt worden, saßen die Jagdgehilfen auf und nahmen die Meute zwischen sich. Während das Gros der Hunde den Hirsch zu stellen hatte, ließ man einige von ihnen sowie einzelne Pferde bei vermuteten Wildwechseln als Relais zurück. Vom Relais aus konnten von den vorbeireitenden Jägern Hunde und Pferde zur Unterstützung in Anspruch genommen, Hunde ergänzt oder frische Pferde bezogen werden. Die Jagdknechte, die sich aus den Pikeuren und den Knechten der Eingeladenen zusammensetzten, zogen mit der Meute voraus, während der Jagdherr mit den Gästen folgte. Die Pikeure und Besuchsknechte untersuchten die frische Fährte des Hirsches und versuchten, diesen mit den Hunden zu lan-
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cieren, also ihn aus seinem Einstand zu treiben, um sein Geweih begutachten zu können. Wenn mehrere Hirsche zusammen standen, musste der zu bejagende Hirsch durch die Jäger und deren Hunde separiert werden. Fand man nur die Fährte des Hirsches, ertönte der Ruf »volez«; wenn aber der Hirsch gesichtet wurde, erschallte »Tajo« und die Hundemeute wurde auf die Fährte angesetzt. In vollem Galopp ging es den Hunden hinterher. Gelang es auch nach mehrmaligen Versuchen nicht, den Hirsch zu separieren, konnte es passieren, dass die gesamte Meute auf die zusammengebliebenen Hirsche gehetzt und gejagt wurde, bis eine Trennung erfolgte.33 Scheuchte man andere Tiere auf, konnte es vorkommen, dass die Meute die Fährte des zu bejagenden Hirsches verlor und einer neuen Spur folgte. Um einen solchen Change zu vermeiden, setzte man ältere, eingejagte Hunde ein, die lieber dem bereits warmen Hirsch folgten, als auf einen neuen umzuschwenken. Die Changes waren »sauerste Arbeit für die Jaeger«, da nun die Hunde auf verschiedenen Orten jagten. Zudem neigten junge Hunde zum Überschießen der Fährte, also im Falle einer Kehrtwendung oder einer Umdrehung des Hirsches zu lange geradeaus weiterzulaufen.34
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Prospect eines eingerichteten Hauptjagens nebst dem Lauft, aus Heinrich Wilhelm Döbel: Jaeger Practica oder der wohlgeuebte und erfahrene Jaeger (1764), Nachdruck von 1910.
Sobald Augenkontakt zum Hirsch bestand, wurde wiederholt das »Tajo« gerufen oder ein entsprechendes Signal geblasen, um den anderen Jägern den Standort zu vermelden. Kamen die Hunde auf kurze Distanz an das Tier heran, wurde »le Vu« geblasen. Der Hirsch wurde nun so lange weitergejagt, bis er sich der Hundemeute stellte. Das Privileg, den Hirsch zu erlegen, kam einzig dem Jagdherrn zu. Das Signal, der Fürstenruf, verkündete, dass der Hirsch zum Abfangen durch den Jagdherrn bereit war. Wollte sich der Hirsch nicht stellen und tötete im Nahkampf gar die Hunde, wurden ihm von einem der Pikeure die Hessen, also die Sehnen der Hinterbeine, durchtrennt. Sobald der Fürst an der Stelle eintraf, wurde der so gehesste Hirsch vorzugsweise mit dem Hirschfänger, einer dolchartigen Stichwaffe, die für den tödlichen Stoß beim meist verwundeten Wild genutzt wurde, erlegt. Stellte sich der Hirsch im Wasser, erlegte ihn der Fürst mit einer »Bley-Kugel auf den Kopf«. Bei der Parforcejagd wurde die Hauptarbeit folglich nicht vom Fürsten, sondern von seinen Untertanen ausgeführt; ihm selbst kamen ausschließlich zwei Aufgaben zu: Er bestimmte den zu bejagenden Hirsch und versetzte diesem am Ende den Todesstoß. Natürlich musste er den Hunden und den
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Jägern nachreiten, dies tat er aber in sicherem Abstand und minimierte so sein persönliches Risiko.35 War der Hirsch erlegt, wurde er nach strengen Regeln zerlegt und der Jagdherr oder dessen Gäste erhielten den rechten Vorderlauf als Trophäe – nicht das Geweih. Bei der Curée wurde das Wildbret aufgeteilt, wobei auch die Pikeure und Besuchsknechte ihren Teil erhielten; der Großteil wurde aber an die Hunde verfüttert. Die Jagd endete mit dem Pfundgeben, wo jeder Jäger, der eine Jagdregel verletzt hatte, bestraft wurde. Dabei züchtigte man jeden Schuldigen mit Schlägen auf den Hintern; anschließend hatte sich der Bestrafte für die Schläge zu bedanken. Aus heutiger Sicht eine kaum nachvollziehbare Praxis, die aber einen festen Bestandteil des Zeremoniells ausmachte und zudem maßgeblich zur Durchsetzung der Regeln beitrug.36 Eine Parforcejagd dauerte rund zwei Stunden, konnte sich aber leicht bis zu neun Stunden in die Länge ziehen, wenn der Hirsch wiederholt verlorenging. Fehljagen, also das Entkommen des Hirsches, blieb indes eine Seltenheit. Ein übler Auswuchs der Parforcejagd war das sogenannte Bilbaudieren. Dabei wurde das zu jagende Tier zuerst angeschossen, um dann die Hunde auf den heißen Schweiß – in der Jägersprache das aus dem Wildkörper frisch ausgetretene Blut – hetzen zu können. Auf der Parforcejagd wurden nicht nur Hirsche bejagt, sondern auch Reh- und Schwarzwild. Die Sauhatz wurde zuweilen auch mit gepanzerten, an einigen Stellen ihrer Rüstung mit brennenden kleinen Fackeln versehenen Hunden durchgeführt; auch Bären und Wölfe wurden auf diese Weise gejagt.37
Eingestellte Jagd ie in Mitteleuropa weitverbreiteten Eingestellten Jagden verfolgten ein anderes Ziel als die Parforcejagd. Zwar wollte man sich ebenfalls vergnügen, zugleich sollte aber möglichst viel Wild in kurzer Zeit erlegt werden. Große Strecken mit kapitalem Wild waren das Hauptmerkmal, und damit unterschied sich die Eingestellte Jagd deutlich von anderen Jagdformen des 18. Jahrhunderts. Ein weiteres Kennzeichen waren die umfangreichen Vorbereitungs- und Planungsmaßnahmen. Zudem beschränkte sich die Rolle des Schützen fast ausschließlich auf das Schießen sowie das anschließende Begutachten der Strecke. Die Zeitgenossen unterschieden zwei Varianten der Eingestellten Jagd: Bei der Bestätigungsjagd dauerten die Vorbereitungen rund vier Tage. Dabei musste zunächst das Wild vom Jagdpersonal gesichtet und bestimmt werden. Anschließend wurden die entsprechenden Einstände weiträumig mit Tüchern, Seilen und Netzen »eingestellt«, also eingezäunt.38 Es wurden ein-
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zelne Kammern gebildet, die das abgesteckte Rechteck weiter unterteilten. Bei besonders aufwendigen Jagden konnte auf der einen Seite der Tücher oder Lappen das landesherrliche Wappen prangen. Die dem Wild zugewandte Seite dekorierten oftmals Türkenköpfe, die mit ihren »gebleckten Zähnen, dicken Schnauzbart und großem Turban mit Federbusch« die Tiere erschrecken und am Ausbrechen, am »durch die Lappen gehen« hindern sollten. Um das Wild auf diese Weise einzuzäunen, waren neben dem fürstlichen Jagdpersonal über 100 Bauern erforderlich, die das Umzäunungsmaterial auch nachts kontrollierten, damit es keinen Schaden nahm.39 Während der Jagd wurde das Wild von Kammer zu Kammer getrieben, allenfalls separiert, bis es sich im Lauf, der letzten Kammer befand. Dort lag der eigentliche Abschussplatz, von diesem Schirm aus – einer Art Tribüne – waren die Tiere zu erlegen. Lauf und Schirm befanden sich idealerweise auf einer Lichtung oder einem Feld, da zu viel Vegetation die freie Schussbahn einschränkte. Im überdachten Schirm befand sich die prächtig gekleidete Gesellschaft, auf die nun das Wild zugetrieben wurde. Einmal in Schussweite, konnten die aufgeschreckten Tiere leicht erlegt werden. Anstrengung, Leistung oder gar Gefahr konnten vermieden werden – es kam »nurmehr auf die Lustbarkeit« an.40 Die zweite Variante, die Hauptjagd, versprach eine noch größere Strecke. Dabei steigerte sich die gesamte Organisation geradezu ins Maßlose. Das Wild wurde weiträumig zusammengetrieben oder aus eigens für die Jagd angelegten Wildparks herangeholt. Es dauerte Wochen, ja Monate, bis die Treiber die oft riesigen Territorien durchkämmt hatten und sich dann mehrere hundert Stück Wild in einer der letzten Kammern befanden. Spätestens am Tag vor der Jagd mussten Lauf und Schirm fertiggestellt sein. Der Lauf war 525 Schritte lang, bis zu 225 breit und bestand aus besonders starken Tüchern und Netzen, so dass während der Jagd möglichst wenig der in Panik versetzten Tiere durchbrechen konnten.41 Zur Musik von Jagdhörnern, Pauken und Trompeten unter den aufmerksamen Blicken Tausender von Zuschauern erwarteten die nach ihrem Rang aufgestellten Jagdherrschaften das gehetzte Wild. Besonders kapitale Stücke wurden kurz vor ihrem Erscheinen in der Jagdarena »angemeldet«. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts dominierten noch Armbrust und Jagdspieß als Jagdwaffen, dann zunehmend das Gewehr. Nachdem das Wild fachgerecht aufgebrochen, gewogen und die Qualitäten schriftlich protokolliert worden waren, legte das Jagdpersonal die Strecke nach strengen Regeln. Im vordersten Glied lag das Rot-, dann das Schwarzund anschließend das Rehwild; zuletzt das Raubwild – immer die männlichen Stücke zuerst. Die Summe der erlegten Tiere wurde möglichst in eine »starcke Eiche« oder »harte Buche« geritzt, auf dass man sich noch lange an das Jagen erinnerte. Waren die Jäger, welche gegen die Regeln verstoßen hatten, bestraft, schritt die Jagdgesellschaft zum festlichen Mahl.42
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Auf dieser Grundform der Eingestellten Jagd gründeten zahlreiche Varianten. So trieb man im Contra-Jagen das Wild von verschiedenen Seiten, einzeln oder in Gruppen in den Lauf. Im Kessel-Jagen wurde es in den Tüchern geschossen, im Klopf-Jagen in Alleen gehetzt und im Wasser-Jagen von Booten, Flößen oder Ufertribünen aus unter Beschuss genommen. Dabei war die Ausgestaltung der Abschussarenen und Tribünen einzig durch den Etat des Jagdherrn begrenzt; ansonsten wurde der Fantasie der Architekten und Kulissenmaler freier Lauf gelassen. Dabei wurde selbst fremdes Wild verwendet, das, von weit her transportiert, den höfischen Prunkjagden einen besonders extravaganten und exotischen Charakter verlieh. Riesige Kulissen ermöglichten Überraschungseffekte – ähnlich einer Theatervorführung. Grundsätzlich war alles willkommen, was die Attraktivität des Spektakels steigerte.43 Diese Maßlosigkeit spiegelte sich auch in den Strecken wider. 1748 wurden bei einem Jagdfest für die Herzogin von Württemberg 500 Stück Rot- und Schwarzwild geschossen; 1730 in Moritzburg bei Dresden waren es über 1.000 Stück. 1812 erlegte die im württembergischen Bebenhausen anwesende Jagdgesellschaft anlässlich der wohl letzten großen Jagd im fürstlichen Stil des 18. Jahrhunderts in nur zwei Stunden 823 Stück Wild. Nur solche Eingestellten Jagden ermöglichten es Landesherren wie dem bayerischen Kurfürsten Max Emanuel, in zehn Jahren 39.715 Wildtiere zu erlegen. Dies illustriert in aller Deutlichkeit die »extremen Verformungen« und den »ethischen Kollaps« der höfischen Jagd des 18. Jahrhunderts. Es gab indes auch Ausnahmen: 1754 stellte sich Maria Theresia anlässlich einer Wasserjagd, an der 800 Hirsche zum Abschuss freigegeben waren, schützend auf die Seite des Wildes und verbot deren Tötung.44
Andere Jagdarten ie heute weitverbreitete Pirsch bestand bereits im 18. Jahrhundert. Die sogenannte Freie Pürsch, also das Jagen in freier Wildbahn ohne große Vorbereitung, kam dem von Wolf Helmhard von Hohberg 1682 skizzierten Bild der Jagd als »ritterliche Übung« und als »praeludium belli« wohl besonders nahe.45 Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurden auch hier zahlreiche Regeln eingeführt und ein großer Aufwand betrieben. So wurden für die einzelnen oder in kleinen Gruppen auftretenden Jäger im Wald Pirschwege und -steige angelegt, es wurden Äste und Dickicht entfernt, um das Annähern an das Wild zu erleichtern. Dennoch erforderte diese Jagd physische Kondition, Geduld, Konzentrationsvermögen und nicht zuletzt Erfahrung; alles Werte, die bei den Eingestellten Jagden nicht erforderlich waren. Auch hatte das Wild eine Aussicht zur Flucht, obgleich mancherorts eine
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Wie das hohe Wild mit beschleichen auf der Weyde gepürschet wird, aus Heinrich Wilhelm Döbel: Jaeger Practica oder der wohlgeuebte und erfahrene Jaeger (1764).
Tendenz erkennbar wurde, die Ausbeute zu maximieren. Dabei setzte man Hilfsmittel und Jagdpersonal ein, um den Jagdherrn auf erhabenes Wild aufmerksam zu machen. Zudem wurden an häufig begangenen Wildwechseln Pirschhäuser errichtet, um das Wild nicht zu vergrämen. Bisweilen wurden ganze Anlagen errichtet, so etwa im Böblinger Forst in Württemberg, in Ilmenau im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach oder in der bis heute bestehenden Jagdanlage Rieseneck in Thüringen. Letztere enthält Pirschwege, unterirdische Gänge, Pirschhäuser und Jagdschirme. Die unterirdischen Pirschgänge maßen rund 200 Meter und führten zu fünf Pirschhäusern. Die Luft- und Lichtversorgung war durch Löcher sichergestellt. Das Wild wurde in der Gegend gehegt und an Kirrplätzen – also künstlich angelegte Futterstellen – angelockt, so dass es ohne großen Aufwand von fast allen Orten der Anlage aus erlegt werden konnte. Dieses Streben nach Perfektion und Jagderfolg führte natürlich zum Verlust des eigentlichen Naturerlebnisses.46 Lust- und Kampfjagden waren schon seit früheren Zeiten bekannt und insofern keine Erfindung des 18. Jahrhunderts. Was sich aber änderte, war die Vielfalt der Tierarten, die dabei erlegt wurden. Schifffahrt und Handel ermöglichten den Import immer exotischerer Tiere, die zuerst ausgestellt und
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dann bei Kampfjagden getötet wurden. Dabei waren die Verluste an Mensch und Tier, die man in Kauf nahm, um ein Stück Wild lebendig einzufangen, beträchtlich. Einen außergewöhnlichen Aufwand stellte auch die Haltung der Tiere im ungewohnten europäischen Klima dar; viele von ihnen verendeten, bevor sie auf der Jagd erlegt werden konnten. Überall in Europa wurden Menagerien, Tierparks und Fasanerien sowie ähnliche Einrichtungen zur Tierhaltung gebaut. Löwen, Bären, Büffel, Wildschweine, Wölfe, Hunde, Auerochsen, Hirsche, Pferde, Gazellen, Affen, Vögel, ja sogar Leoparden und Tiger bereicherten die spektakulären Jagdvergnügen, die »sich auch unter dem gemeinen Volk großer Beliebtheit« erfreuten – natürlich vornehmlich bei denjenigen Personen, die keine Fronen zu leisten hatten.47 Wenn nicht in eigens dafür errichteten Arenen und Amphitheatern fanden diese Aufführungen auf Marktplätzen oder – wie in Königsberg und Dresden – auf Turnierplätzen statt. Die Tiere wurden außerhalb der Arenen aufgestellt, durch Hiebe und Nahrungsentzug aggressiv gemacht und anschließend in der Arena aufeinander losgelassen.48 Johann Friedrich von Flemming beschreibt die Kampfjagd wie folgt: »Da werden nun die fremden wilden Thiere in Kasten zugeführet, und ausgelassen, mit einander zu streiten und zu kämpffen: Bey deren Endigung entweder von der Herrschaft durch ihre Cammer- und Leib-Hunde gehetzet, mit Fang-Eisen oder Hirsch-Fängern erleget oder geschossen, und bey solchem Actu von der anwesenden Hof-Jägeren hierzu mit Wald- und Hüfft-Hörnern geblasen; Oder es werden auch, nach gehabter Lust, die wilden Thiere, wiederum ein jedes in seinen Kasten eingefangen, und in sein Behältniss zu verwahren geführet; wie dann hierzu manche hohe Landes-Herrschafften absonderliche Löwen – oder wilder Thiere Häuser und Ställe zu haben pflegen, allwo allerhand fremde Thiere verwahret werden, und haben zu der gleichen Kampf-Jagden manche Herrschafften hierzu absonderliche sogenannte Hetz-Garten, darinnen sie mit vieler Vergnügung denen wilden Thieren zusehen, wie sie durch allerley Wendungen, Geschrey und Posituren, einander überwältigen: Als wann sie einen Löwen und Bären, oder ein wild Schwein und einen Wolff, in gleichen Auer-Ochsen, und Büffel, Pferde und Hirsche, mit einander kämpffen lassen, und solche zu animiren mit Hunden Hetzen; unter allen Macht keiner solche Vergnügung, als der Bär, welcher, wann er von den kleinen Bärbeißern hin und her gezwacket wird, so, dass er sich in ein Faß mit Wasser retierren muß, so sitzet er darinnen, und theilet aus demselben mit vieler angenehmer Luft unter die Hunde Ohrfeigen aus, wehret sich dermaassen, dass er mit den Hunden überall naß wird, offtmal heraus nach denselben und wieder hinein fähret, darbei es viele Lustbarkeiten giebet. Es pfleget die Herrschaft auch den Bären mit Schwärmern und Stern-Poltzen zu fexieren, und mit einem kleinen roth ausgestopfften Mähgen [Magen] zornig zu machen.«49
In Wien wies das Hetz-Amphitheater aus dem Jahre 1755 einen Durchmesser von 42 Metern auf und fasste ganze 3.000 Zuschauer. Diese nahmen entsprechend ihrem sozialen Status in der teuren ersten Galerie oder in der kostengünstigen dritten Etage Platz und ließen sich das Schauspiel jeweils am Sonntagnachmittag vom März bis November gefallen. Im Kurfürstentum Sachsen
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zählten die Kampfjagden neben der Festinjagd – wie man die Wasserjagd bezeichnete – ebenso zum integralen Bestandteil höfischer Veranstaltungen wie etwa die Aufführung in der Oper.50 Auch unter König Friedrich I. in Preußen (1657-1713), der es den großen Fürsten Europas gleich machen wollte, wurden große Prunkjagden Usus. Bedeutende Kampfjagden wurden in Brandenburg-Preußen in den Jahren 1706, 1708 und 1709 durchgeführt. Sein Sohn, König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), bekannt für seine Sparsamkeit in nicht-militärischen Belangen, kürzte bald auch im jagdlichen Bereich die Ausgaben. Die Raubtiere in seinen Menagerien verschenkte er kurzerhand. Unter Friedrich II., der sich in keiner Weise für die Jagd zu begeistern vermochte, verloren die vornehmlich zur Kampfjagd von Wildtieren unterhaltenen Gärten ihre frühere Bedeutung. Im übrigen Europa blieben Tierkämpfe bei Hofe beliebt. Von England bis nach Italien erstreckte sich das »frühneuzeitliche Verbreitungsgebiet dieser tierquälerischen Spektakel«.51 Ein besonders bizarres Treiben stellte das im 18. Jahrhundert verbreitete Fuchs- und Hasenprellen dar. Dabei wurden Hasen und Füchse auf einem zwischen Herr und Dame gespannten Netz in die Luft geschleudert und wieder aufgefangen – eben geprellt – und dies so lange, bis das Tier tot war. Durchgeführt wurde dieses »häßlichste Zerrbild des edlen Waidwerks« meist im Innern von Schlosshöfen oder in Arenen, wobei diese mit Sand oder Heu bestreut wurden, »denn sonst wuerde die Lust bald zu Ende gehen, wenn die armen Thiergen in dem Herunterfallen den Kopff auf die Steine schluegen, oder den Rueckgrat und das Kreuz, oder die Laeufftee zerbrächen« und somit nicht vom eigentlichen Prellen starben, was das Ziel der ganzen Angelegenheit war!52 Wenn der Tod auch nach mehrmaligem Prellen nicht eintrat, wurden die gepeinigten Tiere durch die Jäger von ihren Qualen erlöst. Diesen institutionalisierten Tierquälereien kam eine repräsentative Funktion zu, denn striktes Zeremoniell, höfische Kleidung und Begleitmusik hatten einen hohen Stellenwert. Insbesondere im barocken Dresden wurde häufig geprellt. So verendeten dort im Jahre 1747: 414 Füchse, 281 Hasen, 39 Dachse und neun Wildkatzen, 1751 weitere 66 Füchse, 34 Stück Schwarzwild, 533 Hasen, 34 Dachse, 21 Wildkatzen, 22 Iltisse 17 Kaninchen, 8 Marder und 3 Wölfe.53 Die feudale Jagd erreichte im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt und mutierte gleichzeitig zum Exzess. Die Eingestellte Jagd, die einem Massenabschlachten gleichkam, repräsentierte dieses »Goldene Zeitalter« besonders eindrücklich. Indes war der Adel »zur Zeit der eingestellten Jagden und des Prellens so wenig ein monolithischer Block schießwütiger Tierquäler, wie nicht jeder aus dem Volke dem Pöbel angehörte, der schon in der Antike in großer Zahl ins ›Hetztheater‹ drängte, um einem blutrünstigen Schauspiel beizuwohnen«.54 Daneben bestand eine Vielzahl weiterer Jagdarten. Von
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wenigen Ausnahmen abgesehen, verfolgten sie alle das Ziel, die soziale, kulturelle, politische und ökonomische Überlegenheit des Landesherrn in Szene zu setzen sowie die Sonderstellung des Adels in der Gesellschaft darzustellen, wobei es stets darum ging, unter allen Umständen zu gefallen und zu unterhalten. Ob beim Eingestellten Jagen, der Parforce-, der Kampfjagd oder auf der Beize: Was das Spektakel bereicherte und zum Außerordentlichen beitrug, war höchst erwünscht.55 Damit einher ging ein krudes Verhältnis zum Tier, ja generell zur Natur, das Ausdruck der zeitgenössischen Tiermoral war. Philosophen wie Descartes und Hobbes, welche die Auffassung vertraten, dass Tiere nichts spürten, trugen maßgeblich zur Rechtfertigung dieser Haltung bei. So wurde die Fauna durch Jagdparks sowie einen strikt durchorganisierten und rationalisierten Jagdverlauf gebändigt und der Ertrag der Strecke zu einer kalkulierbaren Größe. Das Tier wurde auf diese Weise zum Sinnbild der Dominanz des Menschen über die Natur. Insofern handelte es sich tatsächlich um ein »Goldenes Zeitalter«, wenngleich immer nur für eine schmale Elite.56 Für den größten Teil der Landbevölkerung bedeutete die herrschaftliche Jagd harte Arbeit und nachhaltige Belastung. Daher verwundern die wiederholt erkennbaren Widerstände gegen die fürstlichen Jagdvergnügen von bäuerlicher Seite kaum. Zunehmend wurde aber auch von aufklärerischer Seite Kritik an der Jagd erkennbar. Bis zum Ende des Ancien Régime ließ sich der Adel jedoch seine Freude an Lust und Vergnügen der Jagd um keinen Preis verweigern und jagte sämtliche Vorzeichen eines Endes der bisherigen Jagdpraxis in »absolutistischer« Manier buchstäblich vom Felde.57 Die Jagdformen im 18. Jahrhundert Jagdform
Bezeichnung
Ursprung
Hauptverbreitung im 18. Jahrhundert
Soziale Gruppe der Jäger
Hauptbeutetier
Beizjagd
Beize, Baisse, Baize, Beiße, Falknerei, Habichterei
Asien
Europa
Je nach Vogel, Falke: Adel, Habicht: auch mittlere und tiefere Schichten
Vögel, Kleinwild
Eingestellte Jagd
Teutsches Jagen, Hauptjagen, Bestätigungsjagen, Gesperrtes Jagen
Heiliges Römisches Reich
Heiliges Römisches Reich
Hochadel
Hirsch, Wildschwein, Reh
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Jagdform
Bezeichnung
Ursprung
Hauptverbreitung im 18. Jahrhundert
Soziale Gruppe der Jäger
Hauptbeutetier
Pirsch
Pürsche, Birsch, Bürsche
Seit alters her bekannt
Europa
Unterschiedlich je nach Region und jagdrechtlicher Entwicklung
Hoch-, aber auch Niederwild
Fuchs- und Hasenprellen
Prellen
Unbekannt
Heiliges Römisches Reich
Zumeist höhere Gesellschaftsschichten
Fuchs, Hase, Frischlinge, anderes Raubwild
Kampfjagd
Kampfspiel, Lustgefecht, Lustjagden, Kampfjagden
Unbekannt
Heiliges Römisches Reich
Zuschauer: Adel, sowie fast alle anderen Schichten der Gesellschaft
Beute ist nicht das primäre Ziel, sondern spektakuläre Kämpfe
Parforcejagd
»Französische Jägerey«, Vénérie, Chasse à courre
Frankreich
Frankreich, England
Adel, in England z.T. auch Bauern
Hirsch, Wildschwein Fuchs (besonders in England), vereinzelt Hase, Reh, Wolf und Bär
Vogelfang
Je nach Region
Seit alters her bekannt
Europa
Zumeist Unterschichten
Kleinvögel
2. Die Jagd in Frankreich und Großbritannien B E ATRI CE KA UF MA NN
Jagdrecht n Frankreich führte am 4. August 1789 die Revolution zur Abschaffung sämtlicher Jagdprivilegien und Jagdfronen. Kurz danach trat dort ein Jagdgesetz in Kraft, das jedem Landbesitzer die Jagdausübung auf seinem Grund und Boden erlaubte, während sie auf fremdem Territorium ohne Einwilligung des Besitzers verboten wurde. Die Unmittelbarkeit, mit der dieses Jagdgesetz in Kraft trat, belegt die Bedeutung, die der Aufhebung der belastenden Umstände rund um die herrschaftlichen Jagdprivilegien zukam. Im weiteren Verlauf der Revolution wurden an vielen Orten die alten Urkunden über die Jagdfronen verbrannt, Jagdschlösser gestürmt und das aufwendig gehegte Wild in den adligen Gehegen geschlachtet.1 Mit der Abschaffung der Jagdprivilegien ging eine rasante Verbreitung der Jagdausübung einher, die der Zentralstaat von Paris aus straff zu reglementieren suchte. Napoleon hatte das Land in über 80 Départements aufgeteilt, denen seit 1800 ein Präfekt als oberster Verwaltungsbeamter vorstand. Die Präfekten legten die Jagdzeiten nach den Präferenzen der Bauern fest. Damit hatte das Pendel gegenüber dem Ancien Régime in eine entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen. Musste sich der Bauer nämlich vor 1789 der adeligen Jagdlaune fügen, so bestimmte nun das bäuerliche Interesse die Jagdausübung. Besonders deutlich wird dies daran, dass die Jagdzeiten zwar bindend waren, den Bürgermeistern und Gemeindevorstehern indes das Recht zukam, die Jagd in ihren Gemeinden zu verbieten oder das Gesetz zu modifizieren – ganz nach dem Zustand der Ernte.2 Dem französischen Grundbesitzer wurde mit Gesetz vom 11. August 1789 die Jagd auf fremdem Boden ausdrücklich verboten. Zugleich erlaubte es jedoch dem Eigentümer die freie Jagdausübung auf seinem Grundstück. Nun hatte auch das Bürgertum das Recht, »Waffen zu tragen, Hunde zu besitzen und Wild jeglicher Art zu bejagen«.3 Unmittelbar nach 1789 durfte sich der Grundbesitzer gegen Wildschäden wehren, indem er das Wild erschoss. Wer jagen wollte und dafür größere Wildbestände heranhegte, musste Schadenersatz zahlen, wenn diese Tiere auf fremdem Grund und Boden Schäden anrichteten.4 Dies hatte für das Wild und die Jagd in Frankreich katastrophale Folgen, denn mit der Aufhebung der Jagdprivilegien und der niederen
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