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Im Wortlaut 09.07.2015 – Axel Troost, linksfraktion.de Wer Wunder erwartet, will keine Einigung
Von Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag Die griechische Bevölkerung hat am Sonntag überraschend klar gegen das Ultimatum der internationalen Geldgeber gestimmt. Trotz des gewaltigen Drucks stimmten nur 39 Prozent für die Vorschläge der (Ex-)Troika, 61 Prozent unterstützten den Kurs der Regierung. Damit ist klar, dass die Regierung nach wie vor großen Rückhalt in der griechischen Bevölkerung hat. Die aktuelle griechische Regierung wurde auf der Welle des Protests gegen die unmenschliche und zudem unwirksame Rettungspolitik an die Macht getragen. Im Gegensatz zu den abgewirtschafteten alten Parteien kann Syriza glaubhaft dafür eintreten, den maroden Staatsapparat zu erneuern. Die internationalen Geldgeber haben jedoch völlig verkannt, dass Syriza zunächst durch Maßnahmen gegen die humanitäre Katastrophe daheim Erfolge aufweisen musste, um überhaupt Luft für langwierige Reformen des Staatsapparats zu haben. Stattdessen wurde die neue Regierung von Anfang an massiv bekämpft und am Arbeiten gehindert, aus Angst, linken Gegenkräften im Rest von Europa Auftrieb zu verschaffen. Kredite, um Kredite zu bedienen In der Öffentlichkeit wird Griechenland oft als Fass ohne Boden dargestellt. Doch schon seit einiger Zeit kann Griechenland seine laufenden Ausgaben durch eigene Einnahmen decken. Die beantragten Finanzhilfen werden nicht dafür benötigt, um Renten oder Beamte zu bezahlen, sondern weil alte Kredite fällig werden und durch neue abgelöst werden müssen. Das Problem: In Kürze werden größere Zahlungen an den IWF und die EZB fällig und Griechenland kann diese Klippe nicht aus eigener Kraft überwinden. Also braucht Griechenland Geld vom Eurorettungsschirm oder dem IWF, um es an die EZB und den IWF weiterreichen zu können. Wie Deutschland kann auch der Eurorettungsschirm Kredite zu minimalen Zinsen aufnehmen (zwischenzeitlich waren sie sogar negativ). Vor diesem Hintergrund ist unverständlich, warum ein Brückenkredit, der die internationalen Geldgeber im Prinzip nichts kostet und die Schuldenlast Griechenlands nicht erhöht, undenkbar ist. In Wirklichkeit wäre er für die Geldgeber ein Leichtes. Doch der Streit um Griechenland dreht sich weniger um die Finanzierungsvereinbarungen, sondern um die Wirtschaftspolitik. Unter der Regie der Troika ist die Wirtschaftsleistung Griechenlands um 25 Prozent abgestürzt, die Löhne und Renten wurden drastisch gekürzt. Die Devise der Geldgeber dazu lautet: das ist uns nicht genug. Sie wollen weitere Sparmaßnahmen, die die griechische Wirtschaft noch weiter abschnüren würden. Nach Schätzungen der Financial Times würden die neuen Sparvorgaben die Wirtschaft abermals um fünf Prozent einbrechen lassen. Syrizas Sofortprogramm Das griechische Parlament hat vor einigen Wochen ein lang angekündigtes Sofortprogramm gegen die humanitäre Krise verabschiedet. Ein im Regierungsprogramm von Syriza ebenfalls angekündigtes und dringend notwendiges Investitionsprogramm wurde mangels Geldern nicht umgesetzt. Als dritten Teil des Programms hat die Regierung auch verschiedene Reformen des Staates und des öffentlichen Sektors in Angriff genommen, insbesondere im Bereich der Steuern. Geplant, aber noch nicht umgesetzt sind verschiedene Formen von Reichensteuern (eine einmalige Kopfsteuer für Milliardäre, höhere Steuern für Spitzenverdiener und eine höhere „Luxussteuer“ für Nobelkarossen, Yachten und ähnliches). Private Fernsehsender sollen, wie international üblich, Lizenzgebühren für Sendefrequenzen und Mehrwertsteuer auf Werbeeinnahmen zahlen, was die
Vorgängerregierungen nie umgesetzt hatten (der Verdacht liegt nahe, dass sie damit eine wohlwollende Berichterstattung erkaufen wollten). Bei der Mehrwertsteuer steht inzwischen ein Kompromiss mit den Gläubigern in Aussicht, allerdings besteht die griechische Regierung auf einem 30-prozentigen Inselrabatt (da dort die Lebenshaltungskosten wegen Transportkosten deutlich höher sind). Die Tonnagesteuer für Reeder soll erhöht werden. Zusätzliche Einnahmen sollen aus Unternehmenssteuern kommen. Doch das ist nicht so einfach, weil die Institutionen dies nicht wollen. So wurde der von der Regierung vorgeschlagene erhöhte Unternehmenssteuersteuersatz von 29 Prozent von den Institutionen inzwischen auf 28 Prozent heruntergehandelt, zudem sperren sich die Institutionen gegen eine einmalige Sondersteuer auf Unternehmensgewinne von über 500.000 Euro. Im Kampf gegen Steuerbetrug sind einige längst überfällige Maßnahmen eingeleitet worden (so der regelmäßige Austausch der Leiter der lokalen Finanzämter, eine eigenständige Finanzinspektion gegen Korruption, Personalpläne sollen evaluiert werden etc.). Hier zeigt sich aber auch die Krux: der Aufbau einer funktionierenden Finanzverwaltung braucht Zeit und Geld. Beides hat die neue Regierung aber nicht bekommen. Viele Angehörige der Steuerverwaltung wurden gekündigt oder haben sich nach brutalen Lohnkürzungen längst einen anderen Job gesucht. Damit ist es schwer möglich, neue Strukturen aufzubauen. Die Regierung verfolgt deswegen eine Doppelstrategie: Einerseits die Steuerfahndung zu verbessern (durch beschleunigtes Abarbeiten der Listen großer Auslandsvermögen und die Stärkung des „Zentrums für die Kontrolle der Steuerpflichten mit großen Vermögen“ KEFOMEP, dabei ist auch der Haftbefehl gegen den Bauunternehmer Leonidas Bobolas zu nennen), andererseits in absehbarer Zeit einen Teil der ausstehenden Steuerschulden einzutreiben. Dazu hat die Regierung ein Gesetz erlassen, womit säumige Steuerzahler ihre Rückstände in Raten zurückzahlen können, wofür auf Bußgelder und Strafzinsen verzichtet wird. In den meisten Fällen geht es um niedrige Beträge von unter 3000 Euro und ermöglicht den Betroffenen, wirtschaftlich wieder auf eigene Füße zu kommen. Die Regierung rechnet damit, dass sie so noch bis zu 8,9 Milliarden Euro eintreiben kann. Außerdem sollen mit einem Abschlag von 15 bis 20 Prozent nicht deklarierte Auslandsvermögen nachversteuert und legalisiert werden können. Das mag zwar vergleichsweise milde erscheinen, angesichts der katastrophalen Zustände in der Steuerverwaltung und Justiz verbietet sich aber moralischer Rigorismus. Zudem wollte die griechische Regierung 500 Kontrolleure der Sozialkassen in den Sommermonaten entsenden, um Schwarzarbeit in Hotels und Gastronomiebetrieben aufzudecken und hat verschiedene Maßnahmen gegen Zigarettenschmuggel angekündigt. Dazu kommen Maßnahmen gegen die mafiös agierenden Schiffsdieselkartelle und Kraftstoffschmuggel. Nach Plänen der Regierung sollten auf den Inseln ab Juni größere Geldbeträge nur noch per Kredit- oder EC-Karte beglichen werden dürfen, um den dort grassierenden Mehrwertsteuerbetrug zu unterbinden. Mit den alten Parteien ist kein Staat zu machen Die Vorgängerregierungen hatten entsprechende Maßnahmen nie umgesetzt. Zwei Beispiele lassen tief blicken: Giorgos Papakonstantinou, ein ehemaliger Finanzminister der Pasok, war erst vor kurzem wegen Urkundenfälschung zu einem Jahr Haft verurteilt worden (er hatte drei Verwandte von der sogenannten Lagarde-Liste gestrichen), ein anderer früherer Finanzminister, der konservative Gikas Chardouvelis, hatte zugegeben, selbst Geld in der Schweiz gebunkert zu haben. Mit diesen Parteien ist kein Staat mehr zu machen. Die Europartner müssen endlich begreifen, dass Syriza keine Wunder vollbringen kann und die griechische Regierung mit vernünftigen Vorschlägen die einzig verbliebene Alternative für einen für alle Seiten vorteilhaften Kompromiss bietet. linksfraktion.de, 9. Juli 2015 Quelle: http://linksfraktion.de/im-wortlaut/wer-wunder-erwartet-will-keine-einigung/