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Abiturprüfung Physik 2015 (Nordrhein-Westfalen) – Leistungskurs Aufgabe 1: Ladungen in elektrischen und magnetischen Feldern
1.1 Im Jahre 1831 führte Michael Faraday folgendes Experiment an der Waterloo Bridge in London durch. Er ging dabei davon aus, dass sich im strömenden Wasser der darunter fließenden Themse genügend positiv und negativ geladene Ionen befinden, die durch das Erdmagnetfeld so abgelenkt werden, dass zwischen den Flussufern eine elektrische Spannung entstehen müsste. Diese Spannung wollte er mit einem Spannungsmessgerät messen, das er durch zwei Leiter mit den Flussufern verband.
Abb. 1: Faradays Experiment (Quelle: NASA/David P. Stern)
Die Größen in der Abbildung 1 sind: B V : Stärke und Richtung der Vertikalkomponente des Erdmagnetfeldes, v: Strömungsgeschwindigkeit der Themse, U: die von Faraday erwartete Spannung. a) Erläutern Sie, warum eine Spannung zwischen den Flussufern entsteht, und geben Sie die Polung der Spannung an. b) Es sei im Folgenden d = 300 m die Breite und v = 2,0 ms die als einheitlich angenommene Strömungsgeschwindigkeit der Themse. BV = 44 ⋅ 10– 6 T ist die Stärke der Vertikalkomponente des Erdmagnetfeldes. • Leiten Sie die Gleichung U = d ⋅ v ⋅ Bv für die zu messende Spannung her und erläutern Sie den Ansatz. • Berechnen Sie die Spannung.
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1.2 Faraday konnte für den in Teilaufgabe 1.1 beschriebenen Versuch keine Spannung nachweisen, da ihm zu seiner Zeit unter anderem noch kein hinreichend empfindliches Messgerät zur Verfügung stand. Das Prinzip der Spannungsentstehung wurde jedoch später bei dem so genannten magnetohydrodynamischen Generator (MHD-Generator) wieder aufgegriffen. Bei einem solchen Generator werden die sich in einem Abgasstrom eines Verbrennungsprozesses bewegenden Ladungsträger genutzt, um eine elektrische Spannung zu erzeugen. Dazu brauchen die Ionen im Abgasstrom nur nach ihrer Ladung getrennt und auf zwei Elektroden gebracht zu werden. Zunächst soll in einem Vorversuch die Geschwindigkeitsverteilung der geladenen Teilchen in einer Abgasströmung bestimmt werden. Dazu wird der Abgasstrom durch eine Anordnung geschickt, bei der sich ein elektrisches Feld mit der Feldstärke E und ein magnetisches Feld mit der Feldstärke B so überlagern, dass nur Teilchen einer bestimmten Geschwindigkeit geradlinig hindurch fliegen können. (Dazu wird vereinfachend angenommen, dass sich die geladenen und ungeladenen Teilchen frei und voneinander unabhängig bewegen können.) a) • Beschreiben Sie einen Versuchsaufbau für einen solchen Geschwindigkeitsfilter (Wien-Filter), ggf. mithilfe einer Skizze. • Leiten Sie eine Beziehung für die Geschwindigkeit v der Teilchen her, die den Filter geradlinig passieren können. E ] [Zur Kontrolle: v = B b) Das magnetische Feld des Wien-Filters besitzt eine Stärke von B = 125 mT. Zur Untersuchung des Abgasstroms wird die elektrische Feldstärke variiert und mit einem Zählrohr wird die Zählrate Z der Ladungsträger hinter dem Geschwindigkeitsfilter gemessen. Die Messergebnisse sind in der Tabelle dargestellt. E in
V m
5 000
10 000
15 000
20 000
25 000
30 000
35 000
Z in
1 s
5
12
52
84
48
14
6
v in
m s
Tabelle: Elektrische Feldstärke E, Zählrate Z und Geschwindigkeit v
• Geben Sie für jeden Wert der Feldstärke in der Tabelle die zugehörige Geschwindigkeit v an. • Stellen Sie die Zählrate Z in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit v in einem Diagramm grafisch dar. • Beschreiben Sie das Diagramm.
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Abb. 4: Umkehrung des MHD-Generators zu einem Motor
Man kann davon ausgehen, dass sich im Meerwasser frei bewegliche positiv und negativ geladene Ionen befinden. Erläutern Sie die Funktionsweise des dargestellten Schiffsantriebs, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Verhaltens der beiden Ionenarten.
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Tipps und Hinweise zur Lösung von Aufgabe 1 Vorbemerkung: Die Aufgabe setzt grundlegende Kenntnisse aus dem Bereich des Elektromagnetismus, insbesondere Wissen um die Lorentzkraft, um Kräfte bei elektrisch geladenen Teilchen in elektrischen und magnetischen Feldern und den daraus folgenden Bewegungen voraus. Teilaufgabe 1.1 a r Auch wenn die Situation in der Zeichnung der Themse vielleicht ein wenig ungewohnt ist: Machen Sie sich klar, welche Richtungen die relevante Erdmagnetfeldkomponente, der Fluss und damit die Ionen in ihm haben. r Nutzen Sie die Drei-Finger-Regel (der linken bzw. der rechten Hand) – berücksichtigen Sie dabei die physikalische bzw. die technische Stromrichtung. Teilaufgabe 1.1 b r Auf die Ionen wirken zwei Kräfte. r Die Lorentzkraft ist eine davon. r Die andere, der Lorentzkraft entgegen wirkende Kraft entsteht durch das sich bei Ladungstrennung aufbauende elektrische Gegenfeld. r Wenn Gleichgewicht der Kräfte vorliegt, findet keine weitere Ionenbewegung zu den dann vorhandenen Polen mehr statt. Daher ergibt sich ein bestimmter konstanter Spannungswert. LK 2015-5
Lösungen zu Aufgabe 1 1.1 a) Aufgrund der Lorentzkraft werden die sich im Themsewasser befindlichen Ionen senkrecht zu ihrer anfänglichen Richtung, die durch die Flussrichtung gegeben ist, und senkrecht zur Vertikalkomponente des Erdmagnetfeldes abgelenkt. Das bedeutet, dass die Ionen nach links bzw. rechts zu den beiden Flussufern abgelenkt werden. Dabei ergibt sich für die • negativ geladenen Ionen mithilfe der Drei-Finger-Regel der linken Hand (Daumen in Flussrichtung, Zeigefinger in Richtung B V ) eine Rechtsablenkung bezogen auf die Flussrichtung; • positiv geladenen Ionen aufgrund der entgegengesetzten Polarität eine Linksablenkung. In Flussrichtung gesehen hat die entstehende Spannung daher auf der rechten Seite ihren Minuspol und auf der linken Seite ihren Pluspol. r r
Selbstverständlich erzielen Sie dasselbe Ergebnis, wenn Sie die Drei-FingerRegel der rechten Hand (für positive Ionen) anwenden. b) Durch die abgelenkten Ionen baut sich ein elektrisches Feld auf, das senkrecht zur Flussrichtung und parallel zur Erdoberfläche gerichtet ist. Der Vektor E des elektrischen Feldes zeigt, in Flussrichtung gesehen, von links nach rechts und besitzt den Betrag E = Ud . Haben dieIonen die Feld Ladung q, dann wirkt auf sie durch das elektrische die Kraft Fel = q ⋅ E , die der oben beschriebenen Lorentzkraft FL entgegengesetzt gerichtet ist. Das elektrische Feld vergrößert sich solange, bis die beiden Kräfte vom Betrag gleich groß sind und dann keine Ionen mehr abgelenkt werden. In diesem Fall herrscht ein Kräftegleichgewicht, aus dem man die Formel für die entstehende Spannung herleiten kann: U Fel = FL ⇔ q ⋅ = q ⋅ v ⋅ B V ⇔ U = d ⋅ v ⋅ B V d Durch Einsetzen der gegebenen Werte erhält man für ihren Betrag: m U = 300 m ⋅ 2,0 ⋅ 44 ⋅10 − 6 T = 0,026 V = 26 mV s 1.2 a) Einen solchen Geschwindigkeitsfilter kann man realisieren, indem man den Abgasstrom durch einen Plattenkondensator schickt, der sich in einem homogenen Magnetfeld befindet, wie es beispielsweise mithilfe eines Helmholtzspulenpaares aufgebaut wird (Abb. 5).
Abb. 5
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