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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde Ferruccio Busoni (1866 -1924) Pianist wider Willen? (1) Von Reinhard Ermen Sendung:
Montag, 26. September 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
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„Musikstunde“ mit Reinhard Ermen Ferruccio Busoni (1866 -1924) Folge 1 SWR 2, 26. September – 30. September 2016, 9h05 – 10h00
Signet Musikstunde 1 Am Mikrophon ist Reinhard Ermen. – Vor 150 Jahren wurde Ferruccio Busoni geboren. Der Stichtag, der 1. April, liegt schon einige Monate zurück. Für die SWR2 Musikstunde ist das der Anlass, diesen wahrhaft universalen Musiker, der so richtig in keine Schublade passen will, vorzustellen. Und solche Künstler sind doch die Spannendsten … Signet Musikstunde 2 Hauptberuflich, wenn dieser bürgerliche Terminus hier überhaupt geht, war er Pianist, und als solcher einer der berühmtesten seiner Zeit. Trotzdem misstraute er dem Klavierspiel, er wollte mehr sein, als nur ein reproduzierender Künstler. Er komponierte, natürlich auch für das Klavier, aber sein Werk ist weitläufig und umfassend. Er hat darüber hinaus versucht, die Musik weiterzudenken; im wahrsten Sinne des Wortes. Zum Werk gehören zahlreiche Texte, doch einen Theoretiker, wie etwa Wagner einer war, möchte ich ihn nicht nennen. Möglicherweise hat er den Zweifel, an dem was bislang gültig war und ist zu einer produktiven Kategorie seines Schaffens gemacht. Ferruccio Busoni bewegte sich zwischen den Stühlen, die Tatsache, dass er Kind einer deutschstämmigen Mutter und eines italienischen Vaters war, kommt noch hinzu. Um es etwas klischeehaft zu sagen: Er versuchte das zu vermitteln, den deutschen Tiefsinn und die italienische Lust am Leben. Der Mann erscheint mir heute fast wie eine Romanfigur, in der sich Kunst und Künstlertum seiner Epoche symbolhaft spiegeln. Doch entscheidend ist letztlich das, was klingt. Seine Musik gehört zum Bedeutendsten, was die Zeit zu bieten hat. Deshalb diese Musikstunden. Der Zweifel spielt mit. Hinter jedem Kapitel steht also ein Fragezeichen. Heute: Pianist wider Willen? Musik 1: Ferruccio Busoni (1866 – 1924) Toccata für Klavier K. 287: Preludio Alfred Brendel LC 00305 Philips 416319-1
1.20
3 „Busonis dreiteilige Toccata wendet sich an einen furchtlosen Virtuosen“ sagt Alfred Brendel über dieses Stück, „an einen furchtlosen Virtuosen mit überaus langen Fingern und Armen, die sich einmal fast bis an den äußeren Rand der Klaviatur überkreuzen müssen. Das eisige, neoklassizistische Feuer des Präludiums in der unwirtlichen Tonart as-moll schmilzt in der Fantasia zu Reminiszenzen aus dem Geiste César Francks. Über dem Anfang des Werks begrüßt den Spieler als Motto ein Satz Frescobaldis: ‚Nicht ohne Schwierigkeiten erreicht man sein Ziel‘. Es sind Schwierigkeiten, die in der Klavierliteratur ihresgleichen suchen.“ Soweit Alfred Brendel, der mit dem Präludium aus der Toccata in einem Wiener LiveMitschnitt von 1979 zu hören war, der anscheinend nur auf einer Langspielplatte überliefert ist. Der Pianist Busoni zeigt in diesem Spätwerk von 1920 was er kann, er demonstriert aber auch, wo die Virtuosität aufhört. In die Toccata ist auch ein Bekenntnis zum eigenen Werk eingeschrieben. Im „Preludio“ verarbeitet er ein Zitat aus der Oper „Die Brautwahl“. Im zweiten Absatz, der „Fantasia“ taucht ein Thema aus dem Hauptwerk „Doktor Faust“ auf; nicht weil Busoni sich hier selber zitieren will, sondern eher weil ihn das Stück gerade beschäftigt und weil er sowieso der Meinung ist, dass eine Musik für die Oper auch Musik an sich sein darf und deshalb überall wohnen kann. Das Motto Frescobaldis, meint die ungeheuren Anforderungen an das technische Vermögen der „furchtlosen Virtuosen“ genauso wie den eigenen Weg. Der Komponist reflektiert sein Metier, der Pianist zieht daraus gleich die Konsequenzen. Musik 2: Ferruccio Busoni (1866 – 1924) Toccata für Klavier K. 287: Fantasia Alfred Brendel LC 00305 Philips 416319-1
5.13
Am Ostersonntag, den 1. April 1866 wurde Ferruccio Dante Michelangelo Benvenuto Busoni in Empoli bei Florenz geboren. Die Mutter Anna Weiß war eine respektable Gelegenheitspianistin, der Vater ein Klarinettenvirtuose. Der umtriebige Musikant Ferdinando, den es nie lange irgendwo hielt, hatte die Tochter aus einer deutschstämmigen Familie bei einem Auftritt in Triest kennengelernt und gleichsam im Sturm erobert und bald auch geheiratet. Busoni hat das unstete Leben des Virtuosen mit seiner Gattin und ‚Begleiterin‘ in einer autobiographische Skizze sehr anschaulich beschrieben. Das Kind wuchs zunächst in Triest beim Großvater auf. Die musikalische Begabung wurde bald bemerkt. Die Mutter unterrichtete ihn im Klavierspiel, Vater Ferdinando war unterwegs. Gefragt, wann er selbst das erste Mal auf dem Podium gewesen sei, sagte Ferruccio Busoni schon mal: „Acht Tage vor meiner Geburt.“ Der Fama
4 nach soll bei diesem Konzert der hochschwangeren Mama in Rom Franz Liszt anwesend gewesen sein. Man hat mittlerweile herausgefunden, dass Liszts Anwesenheit zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war. Vielleicht fand die transzendentale Begegnung mit dem Ungeborenen einige Wochen früher stattgefunden. Das ist nicht so wichtig, aber in der Anekdote steckt eine geradezu schicksalhafte Vorbestimmung zur Musik, insbesondere der von Liszt. Als der Vater 1873 wieder in Triest auftauchte, übernimmt er postwendend die musikalische Erziehung seines Sohnes. Das Debut des kleinen Ferruccio fand am 24 November 1873 im Schiller-Verein in Triest statt. Der Siebenjährige spielte zwei Stücke aus dem „Album für die Jugend“, den ersten Satz aus Mozarts C-dur Sonate und eine Sonatine von Clementi. – Eigene Kompositionen standen noch nicht auf dem Programm, doch mit sieben Jahren fing das Kind an zu komponieren. Musik 3: Ferruccio Busoni (1866 – 1924) Marcia funebre K.9 Ira Maria Witoschynskyj, Klavier LC 08748 CAPRICCIO 10546
2.35
In Jürgen Kindermanns Werkverzeichnis ist dieser Trauermarsch in c-moll vom 22. Februar 1874 bereits die Nummer 9. Ira Maria Witoschynskyj spielte das Stückchen des siebenjährigen Ferruccio Busoni. Das Komponieren gehörte von Anfang an dazu. Die meisten Virtuosen dieser Zeit haben das getan, oft genug für den eigenen performativen Gebrauch. Von denen, die Perspektiven darüber anstrebten, ging Busoni wohl am weitesten. Dem anmutigen Stückchen ist das freilich noch nicht anzuhören. Schaut man auf seine Entwicklung, so fällt auf, dass das Kind anscheinend nie seriös und regelmäßig unterrichtet wurde, abgesehen von den frühen Klavierstunden bei der Mutter. Busoni erinnerte sich an hochdramatische Unterweisungen durch den Vater und an Konzertreisen, während derer er als Wunderkind herumgereicht wurde. Gelegentlich traten wohlhabende Gönner auf den Plan. Der Pianist holte sich da und dort Rat, aber er ließ sich nicht einzwängen. Ferruccio Busoni wuchs primär im Selbststudium. Der einzige längere Studienaufenthalt war zwischen 1879 und 1881 in Graz bei Wilhelm Mayer-Remy, wo er primär zum Komponisten ausgebildet wurde. 1890 gewann er den erstmals ausgetragenen Rubinstein Wettbewerb, - allerdings nicht für sein Klavierspiel sondern für seine Kompositionen. Der Pianist entwickelt sich langsam, langsam verbreitete sich auch sein Ruhm. 1886 lässt er sich in Leipzig nieder, 1888 wird er Klavierprofessor in Helsinki. Das ist
5 eine bedeutende Station seiner Karriere, denn hier lernt er Gerda Sjöstrand, seine spätere Ehefrau kennen. 1890 geht er nach Moskau, im selben Jahr auf Empfehlung des Klavierfabrikanten Theodore Steinway nach Boston, 1892 nach New York. In den USA gerät er anscheinend in eine pianistische Krise, mit Konsequenzen: Er organisiert seine gesamte Klaviertechnik neu. In einem fundamentalen Selbststudium setzt er sich dabei mit dem Werk von Franz Liszt auseinander. In diesem Magier des Klaviers wächst ihm eine Art geistiger Lehrer heran, später wird man ihn als einen ideellen Nachfolger ansehen. Dass die Annährung fern von Europa stattfindet, zu einer Zeit als Liszt längst tot ist, unterstreicht eine fast schon spirituelle Beziehung zu dessen Klavierkunst. 1894 kehrt Busoni nach Europa zurück. Er lässt sich in Berlin nieder. Hier reift er zu einem Pianisten mit einem wirkungsmächtigen Nimbus heran. Viele halten ihn für den bedeutendsten der Zeit. – Den Werdegang könnte man noch viel ausführlicher erzählen, das war nur die kurz gefasste Virtuosenbiographie. Ein Hörbeispiel sagt vielleicht mehr, es zeigt aber auch, wie schwer es ist, sich heute, ein Bild von der ungeheuren Wirkung dieses Künstlers zu machen. Für das Welte Reproduktionsklavier und ähnliche Verfahren, die mit einer gelochten Papierrolle das Spiel eines Pianisten festhalten konnten, hat er zahlreiche Stücke eingespielt. Die Etüde Nr. 3 gis moll von Franz Liszt nach Paganinis Campanella Motiv, aufgenommen im Mai 1905 im Hotel Waldhaus in Sils Maria klingt so: Musik 4: Franz Liszt/Nicolo Paganini Etude Nr. 3 gis moll Ferruccio Busoni (Klavier) LC 02365 TUDOR 710 4
4.03
Das ist ohne Frage manieriert. Wirkungsvoll verzögert der Virtuose den Fluss der Effekte. Durch die Mechanik von Aufnahme und Wiedergabe erscheint das heute fast ein wenig hölzern, partiell sogar unfreiwillig komisch. Die Raffinessen des Anschlags bleiben auf der Strecke. Der differenzierte Gebrauch des Pedals, für den Busoni berühmt, aber auch berüchtigt war, ist eigentlich nicht wahrzunehmen. Das Dokument ist ein Notbehelf, aber es ermöglicht einen akustischen Zeitsprung von mehr als hundert Jahren. Den Pianisten, der einem faszinierten Zuhörerkreist so eine kleine Sensation darbietet, muss man sich dazu denken. Zur Erweiterung dieses unzureichenden Eindrucks hier noch eine Grammophonaufnahme von 1922 aus London. Busoni spielt die Ecossaise Es-dur von Beethoven in einer eigenen Bearbeitung. Der Klavierklang ist verrauscht, doch zu hören ist ein frischer, fast getupfter Vortrag, der die kurze Zeit (etwas mehr als zwei Minuten) vergessen lässt. Aus einer Beiläufigkeit der Musikgeschichte, wird ein Juwel!
6 Musik 5: Ludwig van Beethoven Ecossaise Es-dur WoO 86 Ferruccio Busoni (Klavier) Aufnahme: 1922 in London
2.05
Was den Pianisten Busoni ausgemacht hat, ist sinnfälliger in den entsprechenden Kompositionen für sein Instrument nachzuvollziehen. Ich sagte das schon zu Beginn, er war vielleicht ein „Pianist wider Willen“. Die Setzung geht auf das nachwievor sehr lesenswerte Buch von Hans Heinz Stuckenschmidt zurück. Der sprach 1967 von einem „Virtuosen wider Willen“. Dafür gäbe es zahllose Belege, angefangen von den Klagen, sein Brot durch das Klavierspiel verdienen zu müssen. Auch hatte Busoni eine gelegentlich traumatische Hemmung vor dem Auftritt. Das hing wohl noch mit seiner Zeit als Wunderkind zusammen, als sein Vater ihn immer wieder aufforderte zu spielen, um irgendwelche Persönlichkeiten zu beeindrucken. „Dies ‚lass ihn hören‘“ erinnert sich Busoni später, dies „(‚fagli sintire‘) tönt mir noch schrecklich im Ohre.“ 1912 schreibt er an seinen engsten Vertrauten, seinen Schüler Egon Petri, dass er „das Gefühl der ‚Beschämung‘ beim öffentlichen Spiel“ eigentlich nicht los werde. Mit einer gewissen Bestätigung hört er von einem Zeitzeugen, dass selbst Liszt, der, wo auch immer, bereitwillig und gerne vortrug, vor einem eher belanglosen Auftritt „schweissigkalte“ Hände hatte. Das sind wahrscheinlich keine elementaren Zweifel, aber sie belegen eine Distanz, die durch den Willen, mehr als (nur) ein Klavierspieler zu sein, eine zusätzliche Bedeutung gewinnen. Teil dieses Ehrgeizes ist seine essayistische und natürlich seine kompositorische Arbeit. Der Pianist selbst riskiert Grenzgänge, wie die eingangs angesprochene Toccata einer ist. Wenn er primär als Komponist unterwegs ist, geraten diese Grenzgänge gelegentlich in die Nähe der Neuen Musik, wenn er die eigenen Virtuosität transzendieren will, geraten seine Experimente schon mal ins Monströse. Spektakuläres Beispiel dafür ist das Klavierkonzert von 1904. Es ist rekordverdächtig in mehrfacher Hinsicht. Über 70 Minuten dauert das fünfsätzige Werk. Die Sätze zwei bis vier sind eine Art ‚Konzert im Konzert‘, der mittlere Satz wird zum spirituellen Zentrum des Ganzen. Dieses Andante ist allein etwa 25 Minuten lang. Im fünften Satz zieht er schließlich einen Männerchor hinzu, der einen Hymnus des dänischen Dichters Adam Oehlenschläger zitiert. Den „Aladdin“ des Goethe-Zeitgenossen hatte er mal als Stoff für eine Oper in Erwägung gezogen. Da will einer die Form sprengen, das gibt ihm der Zweifel am Überkommenen ein, aber er bestätigt sie gleichzeitig, indem er sie erweitert, vergrößert, ja monumentalisiert; möglicherweise mit einem Seitenblick auf Beethovens Sinfonie
7 Nummer Neun oder Mahlers Zweite. Und bei aller Monumentalität, die sich hier zu überschlagen scheint, - das ist eine eindrucksvolle Musik. Eingangs in dem machtvollen Prolog klingt sie noch wie Liszt hoch 10 mit Produktionshilfe von Brahms. Am Schluss, wenn der Männerchor mit den Worten „Hebt zu der ewigen Kraft eure Herzen“ zu singen beginnt, klingt sie ganz nach Busoni, was eine gewisse Nähe zur Romantischen Tradition nicht ausschließt. Zu hören ist ein Chrorus Mysticus als auskomponiertes Crescendo, das vom Klavier jubelnd beendet wird. Hier der ganze fünfte Satz von etwas mehr als 10 Minuten, der ‚Cantico‘ in einer Aufnahme mit David Livley, dem Herrenchor des Freiburger Vokalensembles und dem SWR SO BB & FR. Die Leitung hat Michael Gielen. Musik 6: 10.45 Ferruccio Busoni Konzert für Klavier und Orchester mit Männerchor C-dur op. 39 David Livley, Herrenchor des Freiburger Vokalensembles, SWR SO BB & FR, Michael Gielen. LC 01083 Schwann MUSICA MUNDI Best.-Nr. 311160 David Livley, der Herrenchor des Freiburger Vokalensembles und das SWR SO BB & FR unter Michael Gielen mit dem Cantico aus dem Konzert C-dur op. 39 von Ferruccio Busoni. Für den Betrieb versuchte Busoni das Stück zu retten, indem er als Alternative eine Chorlose Fassung anbot. Doch der Anspruch auf ein Mehr, mit und gegen die Tradition, scheint nur durch, wenn auch das Chorfinale dabei ist. Gelegentlich geht er auf der Suche nach neuem inspirierendem Material seltsame Wege. 1913 schreibt er seine „Indianische Fantasie für Pianoforte und Orchester“. Eine amerikanische Schülerin, Natalie Curtis hatte ihm das Material besorgt. Ihr „Indian’s Book“ von 1907 war eine bedeutende Publikation, eine Pioniertat, die ihrer Zeit voraus war und partiell sogar gegen das politische Klima ihrer Gegenwart kämpfte. Als Curtis anfing, die Musik der Indianer zu dokumentieren, war denen die Ausübung von Musik sogar verboten. Wie authentisch die Forschungen dieser Ethnographin waren, steht hier nicht zur Debatte. Herausgekommen ist eine Art Concerto aus der Neuen Welt, das den Komponisten in letzter Konsequenz aber nicht befriedigt hat. Immerhin, die fremdartige Sphäre der Indianer fasziniert ihn. Er ist auf der Suche nach einer anderen, sagen wir ruhig ‚authentischen‘ Musik. Busoni setzt sich also 1915 nochmals an das Material und schreibt sein „Indianisches Tagebuch“, das im Untertitel etwas unkorrekt mit „Vier Klavierstudien über Motive der Rothäute Amerikas“ versehen ist. Diese Versuche gehen einen seltsamen Mittelweg, zum einen sind es elegante Salonstücke, die sich lustvoll im Folkloristischen ergehen, zum anderen faszinieren sie durch ihre Motorik und gelegentlich durch ihre
8 seltsamen Abwege. – Das erste ist möglicherweise das interessanteste: Allegretto affetuoso, un poco agitato. Es spielt Marc-André Hamelin. Musik 7: 2.26 Ferruccio Busoni Indianisches Tagebuch, 1. Allegretto affetuoso, un poco agitato Marc-André Hamelin, Klavier LC 07533 Hyperion CDA67951/3 Auch diese Versuche befriedigen ihn nicht, im gleichen Jahr 1915 wagt er einen neuen Versuch mit dem Material und verarbeitet ein spirituelles Tanzlied der Pawnee zu einem Orchesterstück: „Gesang vom Reigen der Geister“, ausgewiesen als „Studie für Streichorchester, sechs Blasinstrumente und Pauke“. Busoni lässt das Klavier hinter sich und findet zu einer außergewöhnlichen Musik! Etwas Mirakulöses spielt mit, er malt ein fantastisches, raunendes Szenario, fast ein abstraktes Bild. Das Folkloristische, das den ersten Band des Tagebuchs im starken Maße noch mitbestimmt, ist so gut wie abwesend. Der anfängliche, etüdenhafter Zug wird durch ein leichtes Donnergrollen weggefegt. Es gelingt dem Komponisten, seine (neue) Musik in einen charakteristischen Schwebezustand zu versetzen und trotzdem will er die Tradition nicht aufgeben. Auch in dem Klavierkonzert gibt es Momente, in denen das Mystische so anklingt. In einem Brief an Volkmar Andreae spricht er in Bezug auf den „Reigen“ von einer Art „Choralvorspiel“. Musik 8: 6.00 Ferruccio Busoni Gesang vom Reigen der Geister. Indianisches Tagebuch für kleines Orchester op. 47 DSO Berlin, Arturo Tamayo LC 08748 Capriccio 49576, CD 2 (008) Ferruccio Busoni, „Gesang vom Reigen der Geister“, für kleines Orchester op. 47, in einer Aufnahme mit dem RSO Berlin unter der Leitung von Arturo Tamayo. Mit dieser Musik ist Busoni unterwegs zur Klangwelt seines Hauptwerks, der Oper „Doktor Faust“; davon später. Morgen geht es in der SWR2 Musikstunde erst mal weiter mit Franz Liszt, vor allen Dingen geht es aber um Johann Sebastian Bach. Wieder steht ein Fragezeichen hinter dem Titel: Anfang und Ende der Musik? Bis dahin verabschiedet sich am Mikrophon Reinhard Ermen.