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Runder Tisch Flüchtlingsunterkünfte im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
Merkblatt für die kurzzeitige Nutzung von Gebäuden als Sammelunterkünfte für die Erstunterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden – Stand Oktober 2015 – Aufgrund der stark angestiegenen Zahl von Flüchtlingen und Asylbegehrenden ist derzeit die Kapazität für deren Erstunterbringung ausgeschöpft. Die weiterhin neu in Hessen eintreffenden Flüchtlinge müssen daher in kurzfristig bereitzustellende „Überlaufeinrichtungen“ untergebracht werden. Meist erfolgt dies in leerstehenden Bestandsgebäuden, in Sporthallen oder in Zelt- oder Containeranlagen. In der Regel ist nach der Hessischen Bauordnung (HBO), vor der Nutzungsaufnahme der Gebäude bzw. der Aufstellung der Anlagen, ein Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren erforderlich. Aktuell kommt jedoch ein förmliches Verfahren aufgrund des engen zeitlichen Vorlaufs und der damit drohenden Obdachlosigkeit der Flüchtlinge vor Nutzungsaufnahme meist nicht in Betracht. Vorausgesetzt, dass materielle Mindeststandards zur Gefahrenabwehr eingehalten sind, ist diese Vorgehensweise in Anbetracht der bestehenden Notsituation vertretbar. Die Sicherstellung der Personensicherheit, insbesondere einer schnellen Räumung im Gefahrenfall, hat oberste Priorität für die bauaufsichtliche Gefahrenabwehr. Für die Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern ist die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (HEAE) zuständig. Die HEAE untersteht der Dienst- und Fachaufsicht des Regierungspräsidiums Gießen. Gebäude, die durch das HEAE zum Zweck der Erstunterbringung erstellt oder umgenutzt werden, sind i.d.R. Vorhaben in öffentlicher Trägerschaft. In diesen Fällen bedarf ein wie oben beschriebener Verzicht auf ein förmliches Verfahren keiner ausdrücklichen Duldung durch die untere Bauaufsichtsbehörde. Aktuell erfolgt in Einzelfällen die Einrichtung von Erstunterkünften auf direkte ministerielle Weisung durch das HMdIS bzw. das HMSI durch den Katastrophenschutz. In diesen Fällen kommt die Freistellungsregelung der Anlage 2 Abschnitt I Nr. 11.12 HBO in Betracht. Die Regierungspräsidien Darmstadt und Kassel sowie die Unteren Bauaufsichtsbehörden (UBAB) und die örtlichen Brandschutzdienststellen werden im Wege der Amtshilfe bei der Einrichtung von Erstunterkünften tätig. Die Amtshilfe ist in den §§ 4 ff des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) geregelt. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG ist die ersuchte Behörde im Rahmen des Amtshilfeersuchens für die Durchführung der Amtshilfe verantwortlich. Eine eigene Zuständigkeit der UBAB für die Überwachung von Bauvorhaben in öffentlicher Trägerschaft entsteht nicht. Bei nicht nur vorübergehender Nutzung von Gebäuden zur Erstunterbringung sind die nach der Hessischen Bauordnung vorgesehenen förmlichen Verfahren durchzuführen. Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass eine Duldung für einen Zeitraum erfolgt, innerhalb dessen ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden kann. Im Regelfall sind dies drei Monate. Diese Frist dürfte in Anbetracht der aktuellen Lage zu kurz bemessen sein, da die zuständigen Stellen allein mit der Schaffung neuer Unterbringungsmöglichkeiten ausgelastet sind. Ist die Beendigung der Nutzung nach sechs Monaten nicht absehbar, so sollte durch den verantwortlichen öffentlichen Träger eine zeitliche Konzeption für die Durchführung eines förmlichen Verfahrens erfolgen. Unabhängig von den formalen Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten muss die Sicherheit für die im Gebäude befindlichen Menschen in allen Fällen gewährleistet sein. Die nachfolgend zusammengestellten Punkte sollen als Anhaltspunkt für die Bewertung und Festlegung von Mindestsicherheitsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben im Einzelfall, insbesondere bei ein- und zweigeschossigen Bestandsgebäuden, dienen. Vorhandene und aufgrund der Zeitvorgaben hinzunehmende bauliche Mängel sind dabei insbesondere durch betriebliche Maßnahmen zu kompensieren. Das Merkblatt kann analog für die Herstellung von entsprechenden temporären Sammelunterkünften durch kommunale Träger (Folgeunterbringung) angewendet werden.
Stand: 19. Oktober 2015
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Runder Tisch Flüchtlingsunterkünfte im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Die im konkreten Fall festgelegten Maßnahmen sind schriftlich zu fixieren und den verantwortlichen Personen - insb. auch denen vor Ort - zur Kenntnis zu geben. Die Einhaltung der Maßnahmen ist zu überprüfen! Grundsätzliche Eignung Die grundsätzliche Eignung eines Gebäudes ist bereits bei der Objektauswahl zu prüfen. • Standsicherheit:
nach Augenschein
• Ausschluss einer Gesundheitsgefährdung:
Augenschein/Aktenlage
• Anfahrbarkeit:
insbesondere für Einsatzfahrzeuge
• Löschwasserversorgung:
kann für Bestandsgebäude i.d.R. als vorhanden angenommen werden
Personenrettung: Die Sicherstellung der Personenrettung hat oberste Priorität. Die baulichen Gegebenheiten sind im Räumungskonzept zu berücksichtigen. Die betrieblichen Maßnahmen, insbesondere die Aufgaben des Sicherheitsdienstes, sind hierauf abzustimmen. • Rettungswege:
2 Rettungswege (i.d.R. baulich) RW-Länge 30 m von jeder Stelle in 15 m ein Hauptgang erreichbar RW-Breiten inkl. Ausgangsbreiten nach MVStättV, Breite Hauptgänge ca. 2,00 m (Anzahl der darauf angewiesenen Personen) RW sind am Boden zu kennzeichnen gepufferte Akkuleuchten in den RW inkl. Ausgänge
• Alarmierung:
Nutzung einer ggf. vorhandenen Brandmeldeanlage, ggf. Erkundungszeit (zur Vermeidung von Fehlalarmen) in Abstimmung mit der Brandschutzdienststelle vorsehen sofern keine Alarmierungsanlage: mind. mobile Warngeräte (z.B. Handsirene) bei kleinräumiger Struktur: Rauchwarnmelder mit 10-jahres Lithiumbatterien
• Räumungskonzept:
Räumungskonzept sowie ein geschulter Sicherheitsdienst zu dessen Umsetzung Sammelplatz vorsehen
Reduzierung der Gefahr einer Brandentstehung: Insbesondere durch betrieblich-organisatorische Maßnahmen ist die Gefahr einer Brandentstehung weitestgehend zu reduzieren (z.B. Abfallmanagement). Das Nutzerverhalten ist hierbei zu berücksichtigen (z.B. Raucherbereiche ausweisen, Lademöglichkeiten für Mobiltelefone vorsehen). • Schutz gegen einen Brand von außen
Einfriedung, betriebliche Maßnahmen etc.
• Heizung:
keine direktbefeuerten Heizungsanlagen
• Elektro:
in Schlafräumen kein Betrieb elektrischer Geräte (wie Kochplatten, Wasserkocher etc.) ausreichend Lademöglichkeiten für Mobiltelefone vorsehen
Stand: 19. Oktober 2015
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Runder Tisch Flüchtlingsunterkünfte im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung • Sonstiges:
Rauchverbot im Gebäude
• Brandlasten:
keine unnötigen Brandlasten in die Schlafräumen und Rettungswege einbringen (z.B. keine Lagerung von Abfall, Hilfsgütern etc.) Versorgungsbereiche, Küchen etc. außerhalb bzw. von Schlafräumen abgetrennt vorsehen Sanitärcontainer außerhalb des Gebäudes vorsehen
• Feuerlöscher:
Anzahl in Abstimmung mit der Bandschutzdienstelle festlegen, gegen unbefugten Gebrauch sichern
Betrieblich-organisatorische Maßnahmen: Den betrieblichen-organisatorischen Maßnahmen kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie sind im Einzelfall mit der Brandschutzdienststelle abzustimmen und schriftlich zu fixieren (Räumungskonzept/Brandschutzordnung/Betriebsanweisung) • Sicherheitsdienst:
Ein geschulter Sicherheitsdienst zur Umsetzung der betrieblichen-organisatorischen Maßnahmen muss dauerhaft anwesend sein. Insbesondere sind durch diesen sicherzustellen, dass • die Bewohner über das Verhalten im Brandfall und die vorhandenen Sicherheitseinrichtungen informiert sind, • die RW dauerhaft freigehalten werden (insbesondere, dass die Betten und andere Einrichtungsgegenstände an festgelegten Stellen verbleiben), • Türen, die eine Brand- und Rauchweiterleitung verhindern bzw. verzögern sollen, geschlossen (NICHT verschlossen) gehalten werden, • keine unnötigen Brandlasten gelagert werden, • keine elektrischen Geräte nicht geringer Leistung benutzt werden, • das Rauchverbot eingehalten wird, im Brandfall • die eigenständige Räumung des Gebäudes – vor Eintreffen der Feuerwehr - erfolgt, • nach abgeschlossener Räumung des Gebäudes, Löschversuche durchgeführt werden, soweit dies ohne Eigengefährdung möglich ist.
• Feuerwehrpläne:
in Abstimmung mit der örtlichen Brandschutzdienststelle
Sonstiges • Raumteiler:
müssen ausreichend standsicher sein, nicht geschlossen und nicht raumhoch, brennbare Materialien sind zu minimieren
• ausreichende Lüftung:
nach Augenschein
Stand: 19. Oktober 2015
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Runder Tisch Flüchtlingsunterkünfte im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
Runder Tisch Flüchtlingsunterkünfte im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Beteiligte: • Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung • Hessisches Ministerium der Finanzen • Hessisches Ministerium für Soziales und Integration • Hessisches Ministerium des Innern und für Sport • Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz • Regierungspräsidium Darmstadt • Regierungspräsidium Gießen • Regierungspräsidium Kassel • Hessischer Städtetag • Hessischer Städte- und Gemeindebund • Hessischer Landkreistag • Hessischer Landesfeuerwehrverband • AG der Leitenden Kommunalen Baubeamten Nord • AG der Leitenden Kommunalen Baubeamten Mitte • AG der Leitenden Kommunalen Baubeamten SÜD • Untere Bauaufsichtsbehörde der Stadt Frankfurt • Berufsfeuerwehr der Stadt Frankfurt
Stand: 19. Oktober 2015
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