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Microservices - Dpunkt Verlag

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zu k o o b Open services« ro -7) »Mic -3-86490-313 (ISBN 978 Eberhard Wolff Eberhard Wolff Microservices Microservices Grundlagen flexibler Softwarearchitekturen Grundlagen flexibler Softwarearchitekturen Eberhard Wolff arbeitet seit mehr als fünfzehn Jahren als Architekt und Berater – oft an der Schnittstelle zwischen Business und Technologie. Er ist Fellow bei der innoQ. Als Autor hat er über hundert Artikel und Büchern geschrieben – u. a. über Continuous Delivery – und als Sprecher auf internationalen Konferenzen vorgetragen. Sein technologischer Schwerpunkt liegt auf modernen Architekturansätzen – Cloud, Continuous Delivery, DevOps, Microservices- oder NoSQL spielen oft eine Rolle. Copyright © 2015 dpunkt.verlag GmbH Wieblinger Weg 17 69123 Heidelberg Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und HardwareBezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen. Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die im Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen. 1 Vorwort Microservices sind mittlerweile ein Hype. Wie jeder Architektur-Ansatz haben Microservices einen bestimmten Einsatzkontext, in dem sie ihre Vorteile voll ausspielen können. Die Vorteile erkaufen sie außerdem mit Herausforderungen in anderen Bereichen. Diese Broschüre gibt eine kurze Einführung in das Thema Microservices und stellt dar, was Microservices überhaupt sind und welche Vorteile sie haben. Das sollte einen Einstieg in das Thema erleichtern und helfen, die Einsetzbarkeit und den Nutzen von Microservices in einem bestimmten Kontext abzuschätzen. So können Microservices vom Hype zum sinnvollen Bestandteil im Werkzeugkasten eines Architekten werden. 2 Was sind Microservices? Die Idee der Microservices [5] ist nicht neu. Einen ganz ähnlichen Ansatz verfolgt schon die UNIX Philosophie. Sie basiert auf drei Ideen:  Ein Programm soll nur eine Aufgabe erfüllen, und das soll es gut machen.  Die Programme sollen zusammenarbeiten können.  Außerdem sollen die Programme eine universelle Schnittstelle nutzen. In UNIX sind das Textströme. Dadurch entstehen wiederverwendbare Programme – letztendlich eine Art Komponenten. Microservices dienen dazu, große Systeme aufzuteilen. Damit sind Microservices ein Modularisierungskonzept. Es gibt eine große Anzahl solcher Konzepte, aber Microservices sind anders. Sie können unabhängig voneinander in Produktion gebracht werden. Eine Änderung an einem Microservice bedeuten nur, dass dieser Microservices in Produktion gebracht werden muss. Bei anderen Modularisierungskonzepten müssen alle Module gemeinsam ausgeliefert werden. Eine Änderung an einem Modul erfordert dann ein erneutes Deployment der gesamten Anwendung mit allen Modulen. Microservices können nicht mit den Modularisierungskonzepten der Programmiersprachen umgesetzt werden. Denn dieses Konzept erfordert üblicherweise, dass alle Module zusammen in einem Programm ausgeliefert werden. Stattdessen müssen Microservices als virtuelle Maschinen, leichtgewichtigere Alternativen wie Docker-Container oder einzelne Prozesse umgesetzt werden. Sie können alle ohne weiteres einzeln in Produktion gebracht werden. Daraus ergeben sich einige weitere Vorteile: So sind Microservices nicht an eine bestimmte Technologie gebunden. Sie können in jeder Programmiersprache oder Plattform implementiert sein. Und natürlich können Microservices auch eigene Unterstützungsdienste wie Datenbanken oder andere Infrastruktur mitbringen. Microservice sollen außerdem getrennte Datenhaushalte haben. Jeder Microservice ist also Herr über seine Daten. Die Erfahrung lehrt nämlich, dass die gemeinsame Nutzung von Datenbank-Schemata Änderungen an den Datenstrukturen praktisch unmöglich machen. Das behindert die Änderbarkeit von Software so stark, dass diese Art der Kopplung ausgeschlossen werden sollte. 2.1 Größe 3 Microservices müssen miteinander kommunizieren können. Dazu sind unterschiedliche Ansätze denkbar:  Die Microservices können Daten replizieren. Gemeint ist damit nicht einfach das Kopieren der Daten ohne Änderung des Schemas. Dann sind Änderungen an dem Schema unmöglich, weil mehrere Microservices dasselbe Schema nutzen. Wenn aber ein Microservice Bestellungen verwaltet und ein anderer die Daten der Bestellungen analysiert, können die Datenformate unterschiedlich sein und auch die Zugriffe sind anders: Die Analyse wird die Daten vor allem lesen, für die Verwaltung der Bestellungen sind Lesen und Schreiben eher gleichberechtigt. Auch klassische Datawarehouses arbeiten mit Replikation für die Analyse großer Datenmengen.  Wenn Microservices eine HTML-UI haben, können sie einfach Links auf anderen Microservices nutzen. Es ist außerdem möglich, dass ein Microservice HTML-Code anderer Microservices integriert.  Schließlich können die Microservices mit Protokollen wie REST oder Messaging über das Netzwerk miteinander kommunizieren. In einem Microservice-System muss definiert werden, welche Kommunikationsvarianten genutzt werden, um zu garantieren, dass die Microservices auch mit diesen Technologien erreicht werden könne. 2.1 Größe Der Begriff »Microservice« stellt die Größe eines Microservices in den Mittelpunkt. Das ist zur Abgrenzung gegenüber anderen Service-Begriffen auch sinnvoll. Aber die konkrete Größe eines Microservices anzugeben, ist gar nicht so einfach. Schon die Einheit ist ein Problem: Lines of Code (LoC, Codezeilen) sind keine gute Einheit. Schließlich hängt die Anzahl der Zeilen eines Programms nicht nur von der Formatierung, sondern auch von der Programmiersprache ab. Überhaupt erscheint es wenig sinnvoll, einen Architekturansatz mit solchen Maßzahlen zu bewerten. Schließlich kann die Größe eines Systems kaum sinnvoll absolut angegeben werden, sondern nur im Verhältnis zu den abgebildeten Geschäftsprozessen und ihrer Komplexität. Daher ist es viel besser, die Größe eines Microservices anhand von oberen und unteren Grenzen zu definieren. Für Microservices gilt eigentlich, dass kleiner besser ist: 4 2 Was sind Microservices?  Ein Microservice sollte von einem Team weiterentwickelt werden. Daher darf ein Microservice auf keinen Fall so groß sein, dass mehr als ein Team an ihm entwickeln muss.  Microservices sind ein Modularisierungsansatz. Entwickler sollten einzelne Module verstehen können – daher müssen Module und damit Microservices so klein sein, dass sie ein Entwickler noch verstehen kann.  Schließlich soll ein Microservice ersetzbar sein. Wenn der Microservice nicht mehr wartbar ist oder beispielsweise eine leistungsfähigere Technologie genutzt werden soll, kann der Microservice durch eine neue Implementierung ausgetauscht werden. Microservices sind damit der einzige Ansatz, der bereits bei der Entwicklung die Ablösung des Systems oder zumindest von Teilen des Systems betrachtet. Bis zu einem gewissen Maße hängt die Größe eines Microservice von der Infrastruktur ab: Wenn die Infrastruktur besonders einfach ist, kann sie sehr viele und damit auch sehr kleine Microservices unterstützen. Die Vorteile der Microservice-Architektur sind dann dementsprechend größer. Schon recht einfache Maßnahmen können den Aufwand bei der Infrastruktur reduzieren: Wenn es Templates für Microservices gibt oder andere Möglichkeiten, um Microservices einfacher zu erstellen und einheitlicher zu verwalten, kann das schon den Aufwand reduzieren und so kleinere Microservices möglich machen. Bestimmte technologische Ansätze können die Größe eines Service weiter reduzieren. Statt einen Microservices als virtuelle Maschine oder Docker-Container auszuliefern, können die Services Anwendungen in einem Java-EE-ApplicationServer sein. Java EE definiert verschiedene Deployment-Formate und kann in einem Application Server mehrere Anwendungen laufen lassen. Die Services würden dann genauso wie Microservices beispielsweise über REST oder Messaging kommunizieren. Dann sind die Services aber nicht mehr so gut gegeneinander isoliert: Wenn eine Anwendung in einem Application Server viel Speicher verbraucht, wird das die anderen Anwendungen auf dem Application Server in Mitleidenschaft ziehen. Eine andere Alternative sind OSGi-Bundles. Auch dieser Ansatz definiert ein Modul-System auf Basis von Java. Im Gegensatz zu Java EE erlaubt er aber Methodenaufrufe zwischen Bundles, so dass eine Kommunikation über REST oder Messaging nicht zwingend ist. Leider sind beide Ansätze auch beim unabhängigen Deployment problematisch: In der Praxis müssen Java-EE-ApplicationServer und auch OSGi-Laufzeitumgebungen beim Deployment neuer Module oft neu gestartet werden. Also beeinflusst ein Deployment auch andere Module. Dafür sinkt der Aufwand bei der Infrastruktur und auch der Kommunikationsaufwand, weil beispielsweise bei OSGi lokale Methodenaufrufe genutzt werden können. Das erlaubt kleinere Services. 2.2 Bounded Context und Domain-Driven Design 5 Um solche Services klar von Microservices abzugrenzen, ist es sinnvoll einen alternativen Begriff wie »Nanoservices« für diesen Ansatz zu nutzen. Schließlich bieten sie weder die Isolation von Microservices noch das unabhängige Deployment. 2.2 Bounded Context und Domain-Driven Design Ein wesentliches Ziel von Microservices ist es, fachliche Änderungen auf einen Microservice zu begrenzen. Fachliche Änderungen können die UI umfassen – daher sollte ein Microservice auch UI-Elemente integrieren. Aber auch in einem anderen Bereich sollten Änderungen im selben Microservice erfolgen – nämlich bei den Daten. Ein Dienst, der einen Bestellprozess implementiert, sollte idealerweise auch die Daten für eine Bestellung verwalten und ändern können. Die Microservices haben einen eigenen Datenhaushalt und können daher Daten passend speichern. Aber ein Bestellprozess benötigt mehr als nur die Daten der Bestellung. Auch die Daten des Kunden oder der Waren sind für den Bestellprozess relevant. An dieser Stelle ist Domain-Driven Design [2] (DDD) hilfreich. Domain-Driven Design dient zur Analyse einer fachlichen Domäne. Wesentliche Grundlage ist Ubiquituous Language. Das ist wie andere Bestandteile von Domain Driven Design auch ein Pattern und ist daher in Kapitälchen gesetzt. Ubiquituous Language besagt, dass an der Software Beteiligten sollen dieselben Begriffe nutzen. Fachbegriffe wie Bestellung, Rechnung usw. sollen sich direkt in der Software wiederfinden. Oft ergeben sich in einem Unternehmen eine ganz eigene Sprache – genau die sollte dann auch in der Software so umgesetzt werden. Das Domänenmodell kann aus verschiedenen Elementen bestehen:  Entity ist ein Objekt mit einer eigenen Identität. In einer E-CommerceAnwendung könnten das der Kunde oder die Ware sein. Entities werden typischerweise in einer Datenbank gespeichert.  Value Objects haben keine eigene Identität. Ein Beispiel kann eine Adresse sein, die nur im Kontext mit einem Kunden sinnvoll ist und daher keine eigene Identität hat.  Aggregates sind zusammengesetzte Domänenobjekte. Sie ermöglichen einen einfacheren Umgang mit Invarianten und anderen Bedingungen. Beispielsweise kann eine Bestellung ein Aggregate aus Bestellzeilen sein. So kann gewährleistet werden, dass eine Bestellung für Neukunden einen bestimmten Betrag nicht überschreitet. Die Bedingung muss durch eine Berechnung von Werten aus den Bestellzeilen erfüllt werden, sodass die Bestellung als Aggregate diese Bedingungen kontrollieren kann. 6 2 Was sind Microservices?  Services enthalten Geschäftslogik. DDD fokussiert auf die Modellierung von Geschäftslogik an Entities, Value Objects und Aggregates. Aber Logik, die auf mehrere dieser Objekte zugreift, kann nicht an solchen Objekten modelliert werden. Dafür gibt es Services.  Repositories dienen dazu, auf die Gesamtheit aller Entities eines Typs zuzugreifen. Typischerweise verbirgt sich dahinter eine Persistenz beispielsweise in einer Datenbank. Die Implementierung eines Domänenmodells aus diesen Bestandteilen und auch die Idee von Ubiquituous Language helfen dabei, objekt-orientierte Systeme zu designen und zu entwickeln. Aber es ist zunächst unklar, welche Bedeutung DDD für Microservices haben können. Domain Driven Design gibt aber nicht nur eine Richtlinie dafür an, wie ein Domänenmodell implementiert werden kann, sondern auch für die Beziehung von Domänenmodellen untereinander. Mehrere Domänenmodelle erscheinen zunächst ungewöhnlich. Immerhin sind Konzepte wie Kunde oder Bestellung eigentlich zentral für das gesamte Unternehmen. Es erscheint also zunächst attraktiv, genau ein Domänenmodell umzusetzen und dabei alle Aspekte des Modells genau zu betrachten. Dann sollte es einfach sein, auf Basis dieser Elemente die Software-Systeme in der Firma umzusetzen. Bounded Context besagt aber, dass ein solches allgemeines Modell nicht umgesetzt werden kann. Nehmen wir als Beispiel den Kunden aus dem E-CommerceShop: Im Kontext des Liefervorgangs ist die Lieferadresse des Kunden relevant. Beim Bestellungsprozess hingegen die speziellen Vorlieben des Kunden und schließlich geht es bei der Rechnungserstellung um die verschiedenen Bezahlmöglichkeiten, zu denen der Kunde Daten hinterlegt hat – beispielsweise seine Kreditkartennummer oder Informationen für einen Lastschrifteinzug. Theoretisch wäre es vielleicht denkbar, alle diese Informationen in ein allgemeines Kunden-Profil zusammenzutragen. Dieses Modell wäre dann aber extrem komplex. Außerdem wäre es praktisch nicht handzuhaben: Wenn sich die Daten aus einem Kontext ändern, muss das Modell geändert werden und das betrifft dann alle Komponenten, die das Kunden-Datenmodell nutzen – und das können sehr viele sein. Und die Analyse, um zu einem solchen Kundenmodell zu kommen, wäre so komplex, dass sie in der Praxis kaum zu leisten ist. Daher ist ein Domänenmodell nur in einem bestimmten Kontext sinnvoll – eben in einem Bounded Context. Für Microservices bietet es sich an, einen Microservice so zu schneiden, dass er einem Bounded Context entspricht. Das gibt eine Orientierung für die fachliche Aufteilung von Microservices. Diese Aufteilung ist besonders wichtig, weil eine gute fachliche Aufteilung die unabhängige Arbeit an fachlichen Features ermöglicht. Wenn die fachliche Aufteilung sicherstellt, dass jedes Feature in einem eigenen Microservice implementiert wird, 2.2 Bounded Context und Domain-Driven Design 7 kann so die Umsetzung der Features entkoppelt werden. Da ein Microservice sogar alleine in Produktion gebracht werden kann, ist es möglich, fachliche Features nicht nur getrennt zu entwickeln, sondern auch getrennt auszurollen. Der unabhängigen Entwicklung von Features kommt die Aufteilung in Bounded Contexts ebenfalls zu Gute: Wenn ein Microservice auch die Hoheit über einen bestimmten Ausschnitt der Daten hat, kann der Microservice Features einführen, ohne dabei Änderungen in anderen Microservices zu verursachen. Wenn in dem E-Commerce-System beispielsweise auch die Bezahlung mit PayPal möglich gemacht werden soll, muss dank Bounded Context nur eine Änderung im Microservice für das Rechnungswesen vorgenommen werden. Dort werden die UI-Elemente und die neue Logik implementiert. Da der Microservice für das Rechnungswesen die Daten für den Bounded Context verwaltet, müssen lediglich die PayPal-Daten zu den Daten in dem Microservice hinzugefügt werden. Eine Änderung an einem getrennten Microservice, der die Daten verwaltet, ist nicht notwendig. Also kommt der Bounded Context auch der Änderbarkeit zugute. In seinem Buch beschreibt Eric Evans verschiedene Arten, wie Bounded Contexts zusammenarbeiten können. Beispielsweise kann bei Shared Kernel ein gemeinsamer Bounded Context genutzt werden, in dem die gemeinsamen Daten abgelegt werden. Ein krasser Gegenentwurf ist Separated Ways: Beide Bounded Contexts nutzen völlig voneinander getrennte Modelle. Anticorruption Layer entkoppelt zwei Domänenmodelle. Dadurch kann beispielsweise verhindert werden, dass ein altes und mittlerweile kaum noch sinnvolles Datenmodell aus einem Mainframe im Rest des Systems genutzt werden muss. Durch ein Anticorruption Layer werden die Daten in eine neue, einfach zu verstehende Repräsentation überführt. Abhängig von dem genutzten Modell für die Beziehung zwischen den Bounded Contexts ist natürlich mehr oder weniger Kommunikation zwischen den Teams notwendig, die an den Microservices arbeiten. Generell ist es also denkbar, dass ein Domänenmodell auch mehrere Microservices erfasst. Vielleicht ist es in dem E-Commerce-System sinnvoll, dass die Modellierung von Basisdaten eines Kunden in einem Microservice umgesetzt wird und nur spezifische Daten in den jeweiligen anderen Microservices abgelegt werden – ganz im Sinne von Shared Kernel. Allerdings kann dann auch ein höherer Grad an Koordination zwischen den Microservices notwendig sein, was die getrennte Entwicklung behindern kann. 8 2 Was sind Microservices? 2.3 Das Gesetz von Conway Das Gesetz von Conway stammt von dem amerikanischen Informatiker Melvin Edward Conway [1] und besagt: Organisationen, die Systeme designen, können nur solche Designs entwerfen, welche die Kommunikationsstrukturen dieser Organisationen abbilden. Der Grund für das Gesetz von Conway liegt darin, dass jede organisatorische Einheit einen bestimmten Teil der Architektur entwirft. Sollen zwei Teile der Architektur eine Schnittstelle haben, ist eine Abstimmung über diese Schnittstelle notwendig – und damit eine Kommunikationsbeziehung zwischen den organisatorischen Einheiten, die für die jeweiligen Teile zuständig sind. Ein Beispiel für die Auswirkung des Gesetzes: Eine Organisation bildet je ein Team aus Experten für die Web-UI, für die Logik im Backend und für die Datenbank (siehe Abb. 2.1). Diese Organisation hat Vorteile: Der technische Austausch zwischen Experten ist recht einfach und auch Urlaubsvertretungen sind leicht zu organisieren. Die Idee, Mitarbeiter mit ähnlicher Qualifikation jeweils in einem Team arbeiten zu lassen, ist nicht besonders abwegig. Aber nach dem Gesetz von Conway werden die drei Teams jeweils Artefakte in der Architektur schaffen. Es entsteht also eine Datenbankschicht, eine Backend-Schicht und eine Datenbank-Schicht. UI UI Team Backend Backend Team Datenbank Datenbank Team Abbildung 2.1: Aufteilung der Teams nach technischen Skills 2.3 Das Gesetz von Conway 9 Diese Architektur hat einige Nachteile:  Für die Umsetzung eines Features muss der Anforderer mit allen drei Teams sprechen. Jedem dieser Teams muss er die Anforderungen er-läutern. Wenn der Anforderer kein tiefes Wissen über die Architektur des Systems hat, müssen die Teams zusammen mit dem Anforderer überlegen, wie die Funktionalitäten in den Schichten untergebracht werden können.  Die Teams müssen sich koordinieren und beispielsweise Schnittstel-len abstimmen.  Ebenso muss sichergestellt sein, dass die Zulieferungen der Teams rechtzeitig erfolgen. Das Backend kann kaum ohne Änderungen an der Datenbank neue Features implementieren. Ebenso kann die UI ohne die Änderungen am Backend nicht umgesetzt werden.  Die Abhängigkeiten und Koordination verlangsamen auch die Umsetzung von Features. Das Datenbank-Team kann erst am Ende seines Sprints die Änderungen liefern. Darauf baut dann das Backend-Team auf, und das ist wiederum die Basis für die Arbeit des UI-Teams. Die Umsetzung dauert dann drei Sprints. Natürlich sind Optimierungen möglich, aber eine vollständig parallele Umsetzung ist praktisch unmöglich. Durch die Aufteilung der Teams ergibt sich also eine Architektur, die eine schnellen Umsetzung von Features behindert. Dieses Problem ist vielen gar nicht bewusst, weil der Zusammenhang zwischen der Organisation und der Architektur nicht bekannt ist. Man kann mit dem Gesetz von Conway aber auch ganz anders umgehen. Ziel von Microservices ist es ja gerade, eine fachliche Aufteilung umzusetzen, um so die Arbeit an Fachlichkeiten zu vereinfachen und auch die Arbeit zu parallelisieren. Im Zusammenhang mit Microservices gibt es daher einen anderen Umgang mit dem Gesetz von Conway: Statt die Architektur durch die Organisation beeinflussen zu lassen, wird die Architektur zum Treiber der Organisation. Die Organisation wird so aufgestellt, dass sie die Architektur unterstützt. Abb. 2.2 zeigt eine mögliche Architektur en Microservices-System: Es gibt jeweils eine Komponente für die Produktsuche, für die Verwaltung von Benutzern und für den Bestellprozess. Für jeden Microservice gibt es jeweils ein Team, dass diesen Microservice umsetzt. Dadurch wird die fachliche Aufteilung in Microservices nicht nur in der Architektur umgesetzt, sondern auch in der Organisation. So wird die Architektur unterstützt: Überschreitungen der Architektur sind schwierig, weil nach dem Gesetz von Conway schon die Organisationsform eine fachliche Architektur erzwingt. 10 2 Was sind Microservices? Team Produktsuche Team Benutzer Team Bestellprozess UI UI UI Backend Backend Backend Datenbank Datenbank Datenbank Abbildung 2.2: Aufteilung nach Fachlichkeiten Dennoch müssen die verschiedenen technischen Artefakte für die Microservices umgesetzt werden. Dementsprechend muss es auch in den Teams die jeweiligen technischen Skills geben. In einem Team ist die Koordination der Experten wesentlich einfacher als über Team-Grenzen hinweg. Aus diesem Grund sind nun fachliche Anforderungen, die über verschiedene technische Artefakte hinweg implementiert werden müssen, einfacher zu implementieren. In der Praxis kommt es in einem so strukturierten System mit einer unterstützenden Organisation dennoch zu Herausforderungen. Schließlich sollen in dem System Features implementiert werden. Diese Features sind manchmal nicht auf einen Microservice begrenzt, sondern erfordern Änderungen an mehreren Microservices. Außerdem müssen manchmal an einem Microservice mehr Änderungen durchgeführt werden, als das Team umsetzten kann. In der Praxis hat sich dann ein Vorgehen bewährt, bei dem ein Team zwar die Verantwortung für einen Microservice hat, aber andere Teams ebenfalls Änderungen an den Microservices vornehmen dürfen. Wenn ein Feature Änderungen an mehreren Microservices bedingt, kann ein Team alle diese Änderungen durchführen, ohne Änderungen bei einem anderen Team priorisieren zu lassen. Außerdem können mehrere Teams an einem Microservice arbeiten, um so mehr Features in einem Microservice umzusetzen. Das für den Microservice zuständige Team ist dennoch für den Microservice verantwortlich. Insbesondere muss es alle Änderungen überprüfen, um eine sinnvolle Weiterentwicklung sicherzustellen. Übrigens ist es nicht unbedingt notwendig, dass ein Team nur einen Microservice umsetzt. Das Team kann auch durchaus mehrere Microservices imple- 2.4 Fazit 11 mentieren. Wichtig ist allerdings, dass ein Team eine möglichst genau definierte fachliche Zuständigkeit hat und dass eine Fachlichkeit in möglichst wenigen Microservices umgesetzt wird. Es kann durchaus wünschenswert sein, kleinere Microservices zu implementieren, so dass ein Team mehr als einen Microservice verantwortet. 2.4 Fazit Die Größe von Microservices stellt bei der Definition eher den technischen Aufbau des Systems in den Mittelpunkt. Bei der Aufteilung anhand von Bounded Context steht die fachliche Architektur im Mittelpunkt. Das Gesetz von Conway zeigt, dass Microservices auch eine Auswirkung auf die Organisation haben. Nur zusammen ergeben diese Aspekte ein echtes Bild von Microservices. Welcher dieser Aspekte der Wichtigste ist, hängt vom Einsatzkontext der Microservice-Architektur ab. 3 Warum Microservices? Es gibt mehr als einen Grund, Microservices einzusetzen. Je nach Einsatzkontext können die Architekturentwürfe völlig unterschiedlich aussehen. Es ist also nicht nur wichtig, die Vorteile zu kennen, sondern sie auch für das konkrete abzuwägen und eine passende Architektur umzusetzen. 3.1 Agilität skalieren Wie schon in Abschnitt 2.3 erwähnt, können Microservices Auswirkungen auf die Organisation haben. Idealerweise sollte jeder Microservice von einem Team weiterentwickelt werden oder es sollte zumindest genau ein Team zuständig sein. Das eröffnet Möglichkeiten für die Skalierung agiler Projekte: Normalerweise müssten alle Teams sich abstimmen und gemeinsam an den Features arbeiten. Wenn jedes Team einen eigenen Strom von Anforderungen hat und sie durch Änderungen am eigenen Microservice umsetzten kann, können die Teams weitgehend unabhängig voneinander an Features arbeiten. Damit können auch größere Projekte agil angegangen werden. Im Prinzip wird das System nun in mehrere kleine Projekte aufgeteilt, die jeweils unabhängig arbeiten können. Neben der fachlichen Aufteilung hilft es auch, dass Microservices Features ohne eine Beeinflussung anderer Microservices in Produktion bringen können. So ist eine weitgehend unabhängige Weiterentwicklung möglich. Neben der fachlichen Unabhängigkeit bieten Microservices auch eine technische Unabhängigkeit: Technologie-Entscheidungen können auf einen Microservice begrenzt werden. So wird die Unabhängigkeit der Teams erweitert: Sie können nicht nur weitgehend unabhängig Features umsetzten, sondern auch jeweils eigene technische Entscheidungen treffen. So ermöglichen Microservices die unabhängige Entwicklung der einzelnen Microservices und damit ein einfaches Skalieren agiler Prozesse auf größere Projekt-Organisationen. 3.2 Legacy-Anwendungen migrieren 13 3.2 Legacy-Anwendungen migrieren Die Arbeit mit Legacy-Code ist oft schwierig: Das ist System ist schlecht strukturiert, so dass es schwierig ist, sich einen Überblick zu verschaffen. Ebenso ist die Qualität des Codes niedrig und schließlich fehlen Tests. Oft ist dann noch die technologische Basis veraltet, so dass moderne Ansätze nicht genutzt werden können. Einige dieser Probleme sind lösbar, wenn man den Ansatz für die Modifikation des Systems etwas verändert: Statt den Codes des Legacy-Systems zu modifizieren, wird das System an seinen externen Schnittstellen durch Microservices ergänzt oder teilweise abgelöst. Der Vorteil: Statt den Legacy-Code zu editieren, wird dieser Code praktisch gar nicht modifiziert, sondern nur durch externe Systeme ergänzt. Das Fernziel ist die vollständige Ablösung des Legacy-Systems durch eine Menge von Microservices. Aber man kann das Legacy-System durch Microservices ergänzen, ohne dabei zu viel Zeit in Vorbereitungen zu stecken und den Weg einfach ausprobieren. Wenn die Microservices keine sinnvolle Lösung sind, können sie auch aus dem System recht einfach wieder entfernt werden. Die einfache Integration von Microservices ist ein Grund, warum Microservices so interessant sind. Die Ablösung eines Legacy-Systems durch eine Menge von Microservices ist für viele ein guter Weg, um Vorteile wie Continuous Delivery möglichst schnell in einem System zu realisieren. 3.3 Nachhaltige Entwicklung Durch Microservices wird ein System in mehrere, getrennt deploybare Dienste aufgeteilt. Die Aufteilung des Systems in Microservices ist eine wichtige Architektur-Entscheidung. Sie legt die Zuständigkeit der Komponenten fest. In einem Deployment-Monolithen gibt es eine solche Architektur auch. Aber in einem Deployment-Monolithen geht sie oft nach einiger Zeit verloren. Es ist nämlich sehr einfach, neue Abhängigkeiten in einen Deployment-Monolithen einzubauen: Es muss nur eine Klasse neu referenziert werden. Die Architektur eines E-Commerce-Systems definiert beispielsweise, dass der Bestellprozess die Rechnungserstellung aufrufen soll. Die Rechnungserstellung darf aber den Bestellprozess nicht aufrufen. Abhängigkeiten in nur eine Richtung haben den Vorteil, dass Module änderbar bleiben. Im Beispiel würde ist eine Änderung des Bestellprozesses möglich, ohne dass der Rechnungsprozess geändert werden müsste. Eine Änderung des Rechnungsprozesses hingegen kann den Bestellprozess beeinflussen, da der Bestellprozess den Rechnungsprozess nutzt. Bei der Implementierung eines Features im Rechnungsprozess hat ein Entwickler dann doch Funktionalitäten aus dem Bestellprozess genutzt. Das pas- 14 3 Warum Microservices? siert recht schnell. Die Erfahrung ist, dass auf diese erste Abhängigkeit bald weitere folgen und irgendwann können die beiden Komponenten nicht mehr unabhängig voneinander weiterentwickelt werden, weil sie sich wechselseitig benutzen. Bei Microservices ist es nicht so ohne weiteres möglich, ein anderen Microservice zu nutzen. Die Microservices haben eine Schnittstelle, so dass die Nutzung nur möglich ist, wenn man diese Schnittstelle verwendet. Dazu muss die Schnittstelle mit Technologien wie REST oder Messaging angesprochen werden. Das passiert nicht einfach aus Versehen. Wenn der zu verwendende Microservice von einem anderen Team weiterentwickelt wird, kann es sogar notwendig sein, mit diesem Team zu sprechen. Letztendlich ist also die Aufteilung der Architektur in Microservices relativ stabil und im Gegensatz zu Deployment Monolithen kann es nicht so ohne weiteres zu einem Verlust der Architektur kommen. Ähnliche Ergebnisse lassen sich natürlich auch erzielen, wenn andere Maßnahmen ergriffen werden, um die Integrität der Architektur zu erzwingen. Beispielsweise gibt es Architektur-Werkzeuge, die Entwickler auf die Verletzung von Architektur-Regeln hinweisen. Bei Microservices sind diese Maßnahmen aber schon in das System integriert. Eine weitere wichtige Eigenschaft von Microservices ist die Ersetzbarkeit: Ein Microservice kann ohne großen Aufwand durch eine Neuimplementierung ersetzt werden. Damit ist ein weiteres Problem der Legacy-Systeme lösbar: Wenn ein Legacy-System nicht mehr gewartet werden kann, kann es oft auch nicht neu geschrieben werden, weil der Aufwand dafür zu hoch wäre. Microservices zu ersetzten ist hingegen nicht sonderlich schwierig. Innerhalb eines Microservice sollte es auch langfristig einfach sein, neue Features zu implementieren, da der Microservice klein ist. Wenn er doch nicht mehr wartbar ist, kann er ersetzt werden. Die Architektur im Zusammenspiel der Microservices sollte auch langfristig erhalten bleiben. Damit kann die Wartbarkeit des Systems auch langfristig gewährleistet werden. Microservice-Systeme versprechen also eine langfristige gute Wartbarkeit und Änderbarkeit der SoftwareSysteme. 3.4 Robustheit In einem Microservice-System ist die Robustheit für bestimmte Probleme sehr hoch: Wenn in einem Deployment-Monolithen eine Funktionalität sehr viel CPU oder Speicher verbraucht, werden andere Module ebenfalls beeinflusst. Wenn im Extremfall ein Modul das System zum Absturz bringt, sind alle anderen Module ebenfalls nicht mehr verfügbar. 15 3.5 Continuous Delivery Ein Microservice ist ein eigener Prozess oder sogar eine eigene virtuelle Maschine. Ein Problem in einem Microservice beeinflusst einen anderen Microservice also nicht, weil das Betriebssystem oder die Virtualisierung die Microservices gegeneinander isoliert. Dennoch sind Microservices ein verteiltes System. Sie laufen also auf mehreren Servern und nutzen das Netzwerk. Server und Netzwerk können ausfallen. Also sollte ein Microservices-System als ganzes nicht sehr robust sein, weil es diesen Gefahren verstärkt ausgesetzt ist. Microservices müssen daher gegen den Ausfall anderer Microservices abgesichert sein. Man spricht von »Resilience«. Die Implementierung von Resilience kann sehr unterschiedlich sein: Wenn der Bestellprozess nicht abgeschlossen werden kann, ist vielleicht ein erneuter, späterer Versuch eine Option. Wenn eine Kreditkarte nicht verifiziert werden kann, wird vielleicht bis zu einer gewissen Obergrenze die Bestellung dennoch durchgeführt. Welche Grenze das genau ist, müssen dann Fachexperten entscheiden. Durch Resilience kann also ein Microservice-System sehr robust werden. Die Basis legt dazu die strikte Trennung in Prozesse oder virtuelle Maschinen. 3.5 Continuous Delivery Continuous Delivery [4] ist ein Ansatz, bei dem Software regelmäßig in Produktion gebracht wird. Basis ist dabei vor allem ein weitgehend automatisierter Prozess, wie Abb. 3.1 ihn zeigt:  In der Commit-Phase werden Unit Tests und statische Code-Analyse ausgeführt.  Die automatisierten Akzeptanztests garantieren, dass die Software Features korrekt umsetzt.  Kapazitätstest hingegen überprüfen, ob die Performance stimmt und die erwartete Last abgedeckt werden kann.  Manuelle Tests können neue Features aber auch Fehlerschwerpunkt untersuchen.  Schließlich kommt die Software in Produktion. Commit Akzeptanztests Kapazitätstests Abbildung 3.1: Continuous Delivery Pipeline Explorative Tests Produktion 16 3 Warum Microservices? Continuous Delivery ist mit Deployment-Monolithen nur schwer umsetzbar:  Die Automatisierung der Tests und der Deployments ist aufwändig, weil Deployment-Monolithen schwierig in Produktion zu bringen sind. Eine Rolle spielt beispielsweise die Datenbank, die recht groß sein kann und viele Daten enthalten kann. Ebenso müssen viele Drittsysteme integriert oder zu simuliert werden.  Die Tests sind aufwändig. Gerade bei einem Deployment-Monolithen können Änderungen leicht Nebenwirkungen haben, die nicht beabsichtigt sind. Daher muss für jede Änderung ein umfangreicher Regressionstest durchgeführt werden. Das ist aber aufwändig und macht die Continuous-Delivery-Pipeline langsam.  Schließlich ist es aufwändig, eine Release abzusichern. So wäre es denkbar eine zweite Umgebung aufzubauen, in der Umgebung die neue Version zu deployen und erst auf die neue Version umzuschalten, wenn sie beispielsweise noch einmal durchgetestet worden ist. Ebenso ist dann ein Rückfall auf die alte Version machbar. Bei einem Deployment-Monolithen sind solche Ansätze nur schwer umsetzbar, weil die Umgebung zu groß und zu komplex ist. Microservices sind unabhängige Deployment-Einheiten. Daher können sie auch unabhängige Continuous-Delivery-Pipelines haben. Diese Pipelines sind relativ einfach aufzubauen und die Microservices werden auch relativ schnell durch die Continuous-Delivery-Pipeline in Produktion gebracht. Auch sind die Deployments von Microservices einfacher abzusichern. Alle oben genannten Probleme der Deployment Monolithen sind durch die geringere Größe von Microservices lösbar und Continuous Delivery wird dadurch wesentlich vereinfacht. Natürlich sind dazu einige Vorkehrungen notwendig, um das unabhängige Deployment tatsächlich zu ermöglichen. Dennoch sind gerade die Vorteile bei Continuous Delivery ein wichtiger Grund, warum sich viele für Microservices interessieren. 3.6 Unabhängige Skalierbarkeit Jeder Microservice läuft als ein eigener Prozess, gegebenenfalls sogar in einer eigenen virtuellen Maschine. Wenn also eine bestimmte Funktionalität besonders stark genutzt wird, kann nur der dafür notwendige Microservices skaliert werden, während die anderen Microservices weiterhin mit derselben Kapazität laufen. Das hört sich zunächst nach keinem besonders großen Vorteil an, aber in der Praxis ergeben sich dadurch erhebliche Vorteile, weil die Skalierung einfacher 3.7 Technologie-Wahlfreiheit 17 ist. Im Allgemeinen sind die Performance-Anforderungen nur für bestimmte Fälle wirklich anspruchsvoll. Die unabhängige Skalierbarkeit erlaubt es, sich auf diese Fälle zu konzentrieren und zwar mit weniger Aufwand, als dies bei einem Deployment-Monolithen der Fall wäre. Also kann dieser Grund schon wesentlich für die Einführung von Microservices sein. 3.7 Technologie-Wahlfreiheit Im Prinzip kann jeder Microservice in einer anderen Technologie umgesetzt sein. Das macht natürlich das System insgesamt komplexer, wobei dem beispielsweise durch Standards für den Betrieb, das Monitoring, die Log-Formate oder das Deployment begegnet werden kann. Dann ist zumindest der Betrieb weitgehend einheitlich. Dennoch kann beispielsweise für die Produktsuche nun eine eigene SuchTechnologie genutzt werden, ohne dass dazu eine umfangreiche Koordination mit allen anderen Microservices und Teams notwendig ist. Wenn ein Team ein Bugfix in einer Bibliothek benötigt und daher eine neue Version nutzen will, ist die Änderung ebenfalls auf das eine Team beschränkt und kann daher auch von diesem einen Team durchgeführt werden, das dann auch das Risiko trägt. Bei einem Deployment-Monolithen wäre eine umfangreiche Abstimmung notwendig und auch entsprechend mehr Tests. Schließlich können neue Technologien ohne einen großen Migrationsaufwand ausprobiert werden. Das Risiko und der Aufwand sind begrenzt: Es kann zunächst ein einziger Microservice migriert werden. Wenn das nicht funktioniert, fällt nur dieser aus und bei einem großen Problem muss nur dieser eine Microservice neu implementiert werden. Ein Projekt, um den Deployment-Monolithen auf eine neue Technologie zu heben, ist bei Microservices nicht notwendig und die Migration ist viel einfacher. Das hat auch andere positive Konsequenzen: So können Mitarbeiter eher neue Technologien ausprobieren, was meistens die Motivation hebt. 3.8 Fazit Microservices haben sehr viele Vorteile. Welche Vorteile tatsächlich die wichtigsten sind, hängt vom konkreten Kontext ab. Bei vielen Projekten steht die Ablösung eines Deployment-Monolithen im Vordergrund. Dann ist der einfache Umgang mit Legacy-Systemen ein wichtiger Vorteil bei der Migration. Grund für die Migration ist in solchen Fällen oft die Skalierung agiler Prozesse und die einfachere Umsetzung von Continuous Delivery. 18 3 Warum Microservices? Aber es gibt auch ganz andere Szenarien, in denen beispielsweise eine Anwendung im Betrieb stabiler werden soll. Dann ist die Robustheit ein wichtiger Treiber und die unabhängige Skalierung kann ein weiterer wichtiger Vorteil sein. Also hängen die wesentlichen Vorteile vom jeweiligen Kontext ab. Von den erwarteten Vorteilen hängt auch ab, wie Microservices bei dem System genau genutzt werden sollte. 4 Wie weiter? Diese Broschüre kann nur eine kurze Einleitung in Microservices geben. Daher ist eine wichtige Frage, wie man nach dem Studium der Broschüre weitermachen kann. 4.1 Microservices: Nur ein Hype? Microservices sind mehr als ein Hype. Amazon setzt die Trennung in Teams mit ihren jeweils eigenen Technologien schon seit 2006 ein. Diese Architektur und diesen Ansatz kennen wir heute als Microservices. Pioniere wie Netflix versprechen sich von diesem Architektur-Ansatz so große Vorteile, dass sie selber erheblich in den notwendigen Infrastrukturen investiert haben. Heutzutage stehen diese Technologien allen offen, so dass der Einstieg und die Nutzung einfacher und auch weniger kostenintensiv sind. Auch der Trend zu Agilität, Continuous Delivery und Cloud findet in Microservices eine Entsprechung bei der Architektur. Auch darüber hinaus gibt es viele gute Gründe für Microservices – seien es die individuelle Skalierbarkeit oder die Robustheit. Microservices sind also nicht nur eine gute Ergänzung zu einigen anderen Trends, sondern sie sind vor allem eine Lösung für verschiedene Probleme. Der Trend basiert also auf einer ganzen Reihe von Gründen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass nur ein kurzlebiger Hype ist. 4.2 Ein Beispiel Die Broschüre betrachtet das Thema Microservices nur theoretisch und zeigt auch keine Technologien, um Microservices umzusetzen. Unter [3] findet sich ein Beispiel, das Java, Spring Boot, Spring Cloud und den Netflix-Stack nutzt, um auf einer Docker-Umgebung eine Microservices-Architektur laufen zu lassen. Um eine Idee von den Technologien für Microservices zu bekommen, lohnt es sich, dieses Beispiel anzuschauen. 20 4 Wie weiter? 4.3 Loslegen Die Broschüre kann nur einen groben Eindruck von Microservices geben. Sie kann nur eine Einleitung in Microservices geben. Weiterführende Literatur [5] kann nützlich sein. Das Risiko bei Microservices ist jedoch gering: Man muss lediglich einen Microservice entwickeln und in Produktion bringen. Der Service kann auch einen vorhandenen Deployment-Monolithen ergänzen. Und wenn der Ansatz nicht funktioniert, kann man den Microservice auch recht einfach wieder entfernen. Literatur [1] Melvin E. Conway. URL: http://www.melconway.com/research/committees. html. [2] Eric Evans. Domain-Driven Design: Tackling Complexity in the Heart of Software. Addison-Wesley, 2003. ISBN: 978-0-32112-521-7. [3] Eberhard Wolff. URL: https://github.com/ewolff/microservice. [4] Eberhard Wolff. Continuous Delivery: Der pragmatische Einstieg. Heidelberg: dpunkt.verlag, 2014. ISBN: 978-386490-208-6. [5] Eberhard Wolff. Microservices – Grundlagen flexibler Softwarearchitekturen. Heidelberg: dpunkt.verlag, 2015. ISBN: 978-386490-313-7.