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SEITE 13 Jenseits der LIEBIGSTRASSE
„Mithilfe unserer Methode wird die HIV-Infektion heilbar“ Wissenschaftlern gelingt Durchbruch in der Aidsforschung – Hoffnung für Millionen Menschen Diese Forschung ist Nobelpreis-verdächtig: In Dresden arbeiten Wissenschaftler daran, die todbringende HIV-Infektion heilbar zu machen. Jetzt ist es ihnen – im Verbund mit Virologen aus Hamburg – weltweit erstmals gelungen, befallene menschliche Zellen wieder zu gesunden. Der Molekularbiologe Frank Buchholz (50) leitet die Forschergruppe an der TU Dresden.
n Frage: Herr Buchholz, weltweit forschen Hunderte Wissenschaftler daran, eine HIV-Infektion heilen zu können – was ist das Besondere an Ihren Erfolgen? Normalerweise basieren die Forschungen auf ein und demselben HIV-Stamm, der in Laboren immer wieder gezüchtet wird – wir konnten nun weltweit zum ersten Mal zeigen, dass unsere Methode auch bei menschlichen Zellen funktioniert, die direkt von Patienten stammen. HIV-infizierte Patienten aus Hamburg haben uns Blutspenden zur Verfügung gestellt. Auch hier hat die von uns entwickelte GenSchere funktioniert: Nach einer gewissen Zeit waren die Zellen nicht mehr HIV-infiziert. Das ist ein großer Fortschritt, ein sehr wichtiger Schritt in der Forschung. Und das Gute und Neue ist: Unsere neue Methode erkennt über 90 Prozent aller klinischen, aller bekannten HIV-Stämme. Also fast alle. Denn auch hier gibt es – wie beispielsweise bei der Grippe – erhebliche Unterschiede.
n Sie betreiben Grundlagenforschung. Wie lange haben Sie für den Erfolg gearbeitet? Wie bei vielen Dingen in der Wissenschaft zeigt sich auch hier, dass Forschung Zeit braucht. Ich arbeite seit 20 Jahren auf diesem Gebiet. Nun haben wir die Grundlagen geliefert – genau das, was von der Wissenschaft immer verlangt wird. Hamburger Virologen haben unsere Enzyme, die Gen-Schere, an Patienten-Zellen erfolgreich getestet. Das ging in Dresden nicht, dafür fehlen uns unter anderem die sicherheitstechnischen Voraussetzungen.
n Können Sie Ihre Methode leicht verständlich erklären? Man kann das HI-Virus vielleicht mit einem Computer-Virus vergleichen, das sich auf einem Rechner ausbreitet und die Software umprogrammiert. Die eigentlichen Programme laufen nicht mehr und der Rechner verschickt nur noch Computer-Viren. Ähnliches passiert durch HIViren: Auch sie nisten sich ein und programmieren die Zelle im menschlichen Körper um. Das Programm in den Zellen ist so abgeändert, dass nur noch HI-Viren produziert werden. Das Entscheidende an unserem Ansatz ist: Wir schneiden das HI-Virus heraus – damit können die Zellen, insbesondere die befallenen Immunzellen, wieder gesunden und ihrem normalen Job nachgehen. Sprich, das Immunsystem funktioniert wieder. Bei Mäusen, die mit infiziertem menschlichen
Hoffnung für Millionen HIV-Infizierte: Der Molekularbiologe Frank Buchholz (50), Professor für medizinische Systembiologie an der TU Dresden, hat es mit seiner Wissenschaftlergruppe geschafft, das tödliche Virus zu eliminieren. Foto: Andreas Debski vor übertragen werden. Das Risiko der Verbreitung ist also weiterhin hoch, da auch die Krankheit selbst ihre Bedrohlichkeit eingebüßt hat. Mithilfe unserer Methode, die das Virus aufspürt und entfernt, könnte die HIV-Infektion heilbar werden – das ist unser langfristiges Ziel.
n Das heißt aber auch: Wird an der falschen Stelle geschnitten, können andere Gen-Defekte auftreten? Eine elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt mehrere Humane Immunschwäche-Viren (HIV). Foto: dpa Blut versehen wurden, klappt das bereits viel besser, als wir erwartet hatten.
n Sie strömen eine gewisse Euphorie aus. Die Euphorie, die Zuversicht braucht man als Wissenschaftler, um auch mal Durststrecken oder eben jahrelange Testreihen zu überstehen. Das größte Problem bei HIV-Infektionen ist, dass sich das Virus in der DNA versteckt. Inzwischen gibt es zwar sehr gute Medikamente, um die Symptome einzudämmen und auch die Aids-Erkrankung gar nicht erst ausbrechen zu lassen – eine Heilung erfolgt aber nicht. Die Patienten müssen ihr Leben lang Medikamente nehmen und werden das Stigma niemals los. Andererseits kann das gefährliche Virus nach wie
Theoretisch ja. Bei unseren Versuchen ist es bislang nie zu Nebenwirkungen, etwa zu Krebs, gekommen. Ganz klar ist, dass die Methode natürlich sicher sein muss. Mit den neuesten Technologien könnte dies gelingen. Die Gen-Schere, das von uns entwickelte Enzym, ist so konstruiert, dass es sich genau das HI-Virus in der DNA-Abfolge sucht und es herausschneidet. Das heißt allerdings: Nur wenn die Sequenzen gefunden werden, auf die das Enzym angesetzt ist, wird geschnitten.
n Wann kann die Welt mit weiteren Fortschritten rechnen? Als nächstes kommen die klinischen Studien. Bei uns haben sich auch schon viele Patienten gemeldet, sodass wir einige Listen zur Verfügung haben. Das Entscheidende ist jetzt, die Finanzierung von mindestens zehn Millionen Euro zusammenzubringen. Doch ich muss etwas auf
die Euphorie-Bremse treten: Bis wir Ergebnisse aus klinischen Studien haben, werden noch einige Jahre vergehen.
n Wenn Sie vorausblicken: Wie könnte die Methode praktisch umgesetzt werden? Die Behandlung soll über eine Art Dialyse laufen, wie man sie auch von Nierenkranken oder Blutkrebs-Patienten kennt. So kann sich der Patient im Prinzip selbst heilen – die Stammzellen, das Knochenmark, das Immunsystem. Wir arbeiten bereits daran, ein System zu entwickeln, das an möglichst vielen Kliniken zum Einsatz kommen kann. Und natürlich haben wir dabei auch den Einsatz außerhalb Europas im Hinterkopf.
n Ist die Methode auch auf andere Infektionen und Erkrankungen anwendbar? Unser langfristiges Ziel ist es, Gen-Defekte zu beheben – das heißt, an die Ursache einer Erkrankung heranzugehen und diese zu beseitigen. Dieses Problem beschränkt sich nicht nur auf HIV-Infektionen, die sich in der DNA einnisten. In unseren Labors forschen wir schon jetzt daran, die für Leukämie- und Bluter-Erkrankungen verantwortlichen DNA-Schäden reparieren zu können. In bestimmten Fällen der Hämophilie würde es beispielsweise „genügen“, einen bestimmen DNA-Abschnitt zu drehen – auch daran arbeiten wir. Interview: Andreas Debski
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