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Motivation Optimierung Eines Konventionellen

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Optimierung eines konventionellen Kraftwerksanfahrprozesses durch Beheizung dickwandiger Bauteile Kurzfassung Masterarbeit- Julia Hentschel Motivation Die erweiterte Förderung der erneuerbaren Energien durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2012 bedingt eine weitreichende Veränderung der Struktur des Energieerzeugungsmarktes. Um die vorrangige Einspeisung des erneuerbar erzeugten Stromes in das Übertragungsnetz zu gewährleisten, ohne dabei die Systemstabilität zu gefährden, muss der Netzbetreiber in den wirtschaftlich optimierten Fahrplan der konventionellen Erzeugungseinheiten eingreifen. Die Flexibilisierung der Lastanforderungen über die Nutzung der Regelleistung hinaus führt zu einer Änderung der Betriebsanforderungen an den fossil befeuerten Kraftwerkspark. Konventionelle Steinkohlekraftwerke werden zunehmend in den Mittel- und Spitzenlastbereich verschoben. Dies führt zu vermehrten Kraftwerksan- und abfahrten sowie zu einer deutlich gesteigerten Anzahl von lastwechseln. Durch eine Veränderung der An- und Abfahrgradienten, den Betrieb bei Teillast und häufigere Stillstände treten vermehrt Schadensereignisse auf, die in Zusammenhang mit dieser Flexibilisierung stehen. Beispiele hierfür sind Ermüdungsanrisse an dickwandigen Komponenten, Schäden durch Dehnungsrisskorrosion an Entleerungsleitungen oder im Umwälzsystem und durch behinderte Wärmedehnung an Membranwänden. Um Ermüdungsanrisse an dickwandigen Komponenten zu vermeiden, gilt es einen möglichst geringen zusätzlichen lebensdauerverbrauch der Anlagen durch Temperaturtransienten an diesen Bauteilen sicherzustellen. Der lebensdauerverbrauch von dickwandigen Kraftwerkskomponenten setzt sich im Wesentlichen aus Kriechen und Ermüdung zusammen. Durch die Verschiebung des Betriebsbereiches und die erhöhte Anzahl an Anfahrvorgängen wird die Ermüdung zukünftig die Lebensdauer eines Bauteils bestimmen. Ein Ansatz zur Minimierung des Lebensdauerverbrauchs durch Ermüdung ist die Optimierung eines Anfahrprozesses durch eine gezielte elektrische Beheizung der dickwandigen Anlagenkomponenten. Ziel ist neben einer Reduzierung der Ermüdung die technische und kommerzielle Bewertung einer zusätzlichen Beheizung bezüglich der Investitionen und Einsparungspotenziale. Zur Klärung dieser Fragestellungen wurde ein numerisches Modell der dickwandigen Komponenten mit der dynamischen Prozesssimulationssoftware APROS 6 (Advanced Process Simulation Environment) erstellt. Exemplarisch betrachtet werden die Dampftrommel, der Hochdruck (HD) - und der Zwischenüberhitzer (ZÜ)- Sammler. Basierend auf der Temperaturverteilung erfolgt die Bestimmung der resultierenden Spannungen und des Lebensdauerverbrauchs nach den Berechnungsvorschriften der DIN EN 12952-3 für Wasserrohrkessel und Anlagenkomponenten Teil 3: Konstruktion und Berechnung für drucktragende Kesselteile. Ausgehend von Berechnungen mit konstanter Anfahrdauer wurde untersucht, inwieweit sich der lebensdauerverbrauch durch Ermüdung mithilfe einer elektrischen Oberflächenbeheizung verringern lässt. Dazu wurde die Beheizungskurve eines, den technischen Anforderungen entsprechenden parametrierten, elektrischen Beheizungssystems über der Zeit optimiert. Schädigungsmechanismen dickwandiger Bauteile im Kraftwerksbetrieb Der Betrieb thermischer Kraftwerke ist durch ein Zusammenspiel von zyklischen Belastungen aus Druck und Temperatur gekennzeichnet. Bedingt durch die hohen Betriebsdrücke bei erhöhter und auftretender Wärmespannungen entstehen Kriechund Werkstofftemperatur Ermüdungsbeanspruchungen. Besonders betroffen sind davon hohlzylindrische, dickwandige Komponenten mit Abzweigungen wie die Trommel und Sammler des Verdampfers, die Dampfleitungen, das Turbinengehäuse sowie die Überhitzer- und ZÜ-leitungen. Damit die kombinierte Materialbeanspruchung aus hohem Innendruck und Wärmespannungen durch eine instationäre Temperaturverteilung in der Bauteilwand bewertet werden kann, sind Spannungsanalysen der kritischen Bauteile in Abhängigkeit der Zeit notwendig. Anhand dieser Spannungsanalysen erfolgt eine Beurteilung des auftretenden Lebensdauerverbrauchs und der zulässigen Laständerungsgeschwindigkeiten während eines Anfahrvorganges. Omax -----------T - _ , - - - - - - - { Overall material fatlgue range Omax-Om!n ·600 / /I / I / / // time Abbildung 1: Theoretischer Spannungsverlauf für An- und Abfahrvorgang [Fontaine 2007] Abbildung 1 zeigt den theoretisch erwarteten Spannungsverlauf über der Zeit eines Kaltstarts mit anschließendem Abschaltvorgang. Die Spannungen setzen sich aus thermischen und mechanischen Spannungen zusammen. Beim Anfahren wirken die thermischen Spannungen als Druckspannung (negativ) und damit entgegen der Zugspannung (positiv) in der Behälterwand aufgrund des lnnendrucks. Beim Abschaltvorgang wirken die thermischen Spannungen als Zugspannung in die gleiche Richtung wie die Spannung aufgrund des lnnendrucks. Zu erkennen ist, dass sich die thermischen Spannungen nach einem Minimum durch den darauf folgenden Temperaturausgleich über der Bauteilwand abbauen. Sobald Druck und Temperatur ihre Betriebswerte für Volllast erreicht haben, gleicht sich das Temperaturprofil an und die thermischen Spannungen werden nahezu null. Danach wirkt lediglich die Zugspannung aufgrund von innerem Überdruck auf die Bauteilwand. ln diesem Betriebsbereich wird der Lebensdauerverbrauch maßgeblich durch Kriechen bestimmt. Beim Abfahrprozess wiederum wirken die auftretenden Wärmespannungen aufgrund der langsameren Abkühlung der Außenwand nicht mehr als Druck-, sondern als Zugspannung. Dadurch addieren sich die Zugspannungen aus Druck und Temperatur in diesem Bereich des Lastwechsels. Typischerweise liegt der Ermüdungswert eines Kaltstarts über dem der Warm- und Heißstarts. Anfahrvorgänge sind für die Bestimmung des Lebensdauerverbrauches durch Ermüdung besonders relevant, da die auftretenden Wärmespannungen aufgrund der Wärmespeicherung im Material der Kraftwerkskomponenten deutlich größer sind, als bei instationären Vorgängen während des Normalbetriebes. Die Art des Startvorganges richtet sich nach dem Temperatur- und Druckzustand des Kessels zu Beginn des Anfahrprozesses. Im Rahmen der durchgeführten Spannungsanalysen wird zwischen Kalt-, Warm- und Heißstart unterschieden und jeweils ein Beispiel berechnet. Beheizungsstrategie Um die Wandtemperaturdifferenz während eines Anfahrvorganges zu mm1m1eren, wird hier untersucht, inwieweit die Außenwandtemperatur durch eine äußerliche, elektrische Beheizung an die Innentemperatur angepasst werden kann. Die Herleitung einer geeigneten Beheizungskurve basiert auf ersten Ergebnissen der Spannungsberechnung für die Referenzfälle des Kaltstarts. Die betragsmäßig größten thermischen Spannungen (Minimum aufgrund induzierter Druckspannung) ergeben sich zum Zeitpunkt der maximal auftretenden Wandtemperaturdifferenz l'lT =Tm- Ti. Um das Spannungsminimum durch eine Beheizung zu reduzieren, muss folglich die Wandtemperaturdifferenz l'l T möglichst gering gehalten werden, sodass die Innen- und Außenwandtemperaturen sich angleichen. Da eine elektrische Beheizung ausschließlich auf der Behälteraußenseite erfolgen kann, wird hierdurch maßgeblich die Temperatur an der Außenwand Ta beeinflusst. Anhand des Temperaturverlaufs an der Außenwand wird die Temperaturkurve für die Beheizungselemente abgeleitet. Als Auslegungspunkt für die Nenntemperatur der Beheizung dient ein Knick im Verlauf der Temperaturdifferenzl'lT Ta- Ti. Zum Zeitpunkt des abrupten Abfalls von l'lT muss die Beheizung bereits auf Nenntemperatur sein, um effektiv zur Spannungsminderung beitragen zu können. Eine Beheizung über diese Temperatur hinaus ist aufgrund der, im späteren Verlauf abklingenden Druckspannungen nicht sinnvoll. = Referenzberechnungen Ausgehend von Messdaten für Kalt-, Warm- und Heißstart jeweils mit Abschaltvorgang sowie für Lastwechsel von 40% auf 100% wurden Referenzberechnungen ohne Beheizung und Beschleunigung des Anfahrvorganges für alle drei betrachteten Komponenten durchgeführt. Daraufhin wird die mögliche Reduzierung der Ermüdung durch eine elektrische Oberflächenheizung bestimmt. Auf Basis der Ergebnisse mit Beheizung wird weiterhin eine mögliche Beschleunigung der Kaltstarts um 30% betrachtet. Der Spannungsverlauf für den HO-Sammler eines Kaltstarts ist in Abbildung 3 gestrichelt dargestellt. Aus den Referenzberechnungen ergibt sich, dass die thermische Spannung einen starken Einfluss auf die auftretende Spannungsschwingbreite an den Sammlern hat, während bei der Dampftrommel die mechanische Spannung limitierend wirkt. Für ein definiertes Lastkollektiv mit Kalt-, Warm- und Heißstarts sowie Lastwechseln und dazugehörigen Abschaltvorgängen aus Volllast ergibt sich ein Gesamtlebensdauerverbrauch Dt von 61% für die Trommel, 43% für den HO-Sammler und 13% für den ZÜ-Sammler. Unter Betrachtung verschiedener Arten von Anfahrprozessen und Lastwechseln zeigt sich die Trommel aufgrund der Beanspruchung aus Innendruck als limitierendes Bauteil gegenüber dem Lebensdauerverbrauch durch Ermüdung. Ursache dafür ist die große Bedeutung und hohe Anzahl der Warmstarts für den Lebensdauerverbrauch der DampftrommeL Die Ermüdung pro Warmstart ist aufgrund der geringen Drücke zu Beginn des Startvorgangs kaum geringer als die des Kaltstarts. Um die Schädigung der Trommel durch Ermüdung zu mindern, sind deshalb die Warmstarts in gleicher Weise wie die Kaltstarts zu betrachten. Lastwechsel und Heißstarts sindtrotzihrer großen Häufigkeit als unkritisch zu bewerten. Für den HO-Sammler ergibt sich durch die Simulationen, dass der Großteil des Lebensdauerverbrauchs für einen Kaltstart aus einem Überschwingen der Frischdampftemperatur vor dem Öffnen des HO-Bypasses resultiert. Die Reduktion der thermischen Spannungen durch eine Beheizung konzentriert sich deshalb auf diesen Bereich. Aufgrund des hohen Anteils der thermischen Spannungen an der Gesamtspannungsschwingbreite sind die Ermüdungswerte für den Warmstart im Gegensatz zur Dampftrommel gegenüber dem Kaltstart deutlich reduziert. Abbildung 2 zeigt die Spannungsschwingbreiten 2ava der Referenzfälle ohne Beheizung für die betrachteten Komponenten. Der Anteil der thermischen Spannungen bestimmt, in wieweit die Gesamtspannungsschwingbreite 2ava und damit der Lebensdauerverbrauch durch Ermüdung mit einer Beheizung verringert werden kann. Für die Trommel setzt sich die Schwingbreite während des Anfahrvorganges durch die Prozessgrößenführung beinah ausschließlich aus Zugspannungen infolge des Innendruckes zusammen. Diese lassen sich durch eine Beheizung nicht beeinflussen. Dem gegenüber ergibt sich für den HO-Sammler ein großer Anteil der thermisch induzierten Druckspannungen an der Spannungsschwingbreite von über 50%, die sich durch eine Beheizung beeinflussen lassen. IZO 1 Spannungq *normiert % 100 80 60 40 20 0 -20 -40 -60 Trommel • Maximalspannung Anfahren HO-Sammler Minimalspannung Anfahren zO-sammler ': Maximalspannung aus Abfahren Abbildung 2: Spannungsschwingbreite 2rrva der Komponenten für die Referenzfälle Außenwandbeheizung bei konstanter Anfahrtsdauer Im Vergleich zu den Ergebnissen der Referenzberechnungen ergibt sich durch eine Beheizung der Rohraußenwand eine Veränderung des Spannungsverlaufs. Durch die Beheizung verändert sich das Verhältnis zwischen Außen- und Innenwandtemperatur und die Außenwandtemperatur liegt zeitweise oberhalb der lnnenwandtemperatur. Der Verlauf der mittleren Temperaturänderung spielt dabei eine erhebliche Rolle, da hierdurch die thermische Lochrandspannung bestimmt wird. Den Einfluss des veränderten Temperaturprofils auf den Spannungsverlauf zeigt Abbildung 3 am Beispiel des HO-Sammlers. Zu Beginn erhöhen sich die thermischen Spannungen und damit die Gesamtspannung durch Einbringen von Zugspannungen durch die Beheizung. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Spannungsschwingbreite 2rrva' da das erreichte Spannungsniveau deutlich unterhalb des Spannungsmaximums beim Kaltstart liegt. Der Betrag des Spannungsminimums der thermischen Spannungen reduziert sich um 67%. Dies entspricht einer Ermüdungsreduktion /'!. 1/N um 94,80% pro Kaltstart. Damit verringert sich die Ermüdung für Bauteile mit signifikantem Anteil der thermischen Spannungen an der Gesamtspannungsschwingbreite 2rrva durch eine Beheizung erheblich. Eine Skalierung der Beheizungsstrategie des HO-Sammlers auf die Dampftrommel bewirkt bei entsprechenden Beheizungsparametern eine Reduzierung von 2rrva um 1,26 %. Für die Dampftrommel bedeutet das eine Reduzierung des Lebensdauerverbrauchs durch Ermüdung um 1'!.1/N = 5,56 %. Außenwandbeheizung bei verkürzter Anfahrtsdauer Inwiefern sich eine Beheizung bei einer Beschleunigung der Anfahrvorgänge einsetzen lässt und dabei den Lebensdauerverbrauch verbessern kann, wird anhand einer Beschleunigung des Kaltstartvorganges um 30% am Beispiel der Trommel und des HO-Sammlers untersucht Für den HOSammler bewirkt die Beschleunigung um 30% eine Erhöhung von 2rrva eine damit verbundene Steigerung des Lebensdauerverbrauchs um 75 %. Durch die Beheizung des beschleunigten Anfahrvorganges wird das Minimum der thermischen Spannungen abgefangen und damit ein Anstieg des Lebensdauerverbrauchs verhindert. Der beschleunigte Anfahrvorgang mit Beheizung erreicht damit Spannungs- und Ermüdungswerte, die sogar unterhalb der Werte des Referenzlaufs liegen. Eine Senkung von /'!.2rrva bewirkt hier eine Reduktion des Gesamtlebensdauerverbrauchs um 88% im Vergleich zur Referenz ohne Beheizung und Beschleunigung. Bei der Trommel wirkt sich die Beschleunigung kaum auf die thermischen Minimalspannungen aus und somit ergibt sich bei einer zeitgleichen Beheizung nur eine geringfügige Verbesserung der Ermüdung 1/N um 11 %. Grund hierfür ist die Zeitunabhängigkeit der Zugspannungen aus lnnendruck, welche durch den Maximal- und Minimaldruck in der Trommel bestimmt sind. Die zeitabhängigen Temperaturspannungen vergrößern sich zwar bei einem beschleunigten Kaltstart, werden aber weiterhin von den hohen Zugspannungen kompensiert und haben deshalb keinen wesentlichen verschlechternden Einfluss auf den Lebensdauerverbrauch durch Ermüdung. 300 r % 200 Spannungu Gesamtspannung ~ Mechanische Spannung 6 100 0 I ---·- ~-jl\ \.:2""' '•'\ ~ ' "' /J-hermlsohe-Spannun...--!~-100 I •v, -~------ i I I /: ..,/ 4oo -; r '>/(" . V '-''""---' /H< Thermische Spannun~ • V J l2aw= S4,79%1 ~ 'if~ -ß' V 800 mln 90 1 -100 I ·200 : f ·300 ohne Beheizung I ' Mm"'67% \if I I Behelrung der 'I Rohraußenwand ·400 .,,~-~Mechanische - Spannung Gesamtspannung -Thermische Spannung --- Thermische Spannung ohne Beheizung Zeltt ----)> Abbildung 3: Spannungsverlauf HD-Sammler ohne/mit Beheizung der Rohraußenwand Daraus ergibt sich, dass für die Trommel kein relevanter Nutzen durch eine Beheizung entsteht. Durch den geringen Einfluss der thermischen Spannungen ergibt sich andererseits, dass auch eine Beschleunigung des Anfahrvorganges sich auf die Trommel lediglich begrenzt auswirkt. Bei den Sammlern ist der Einfluss der thermischen Spannungen an der Spannungsschwingbreite maßgeblich für den Lebensdauerverbrauch und eine Beheizung deshalb sinnvoll. Denkbar ist darum eine Beschleunigung der Anfahrvorgänge mit Beheizung der kritischen Komponenten mit hohem Anteil an thermischen Spannungen. Dafür sollten im Vorfeld, aufbauend auf einer Spannungsanalyse eines Lastzyklus die Lebensdauer limitierende Komponente und der überwiegende Spannungsanteil (mechanisch oder thermisch) an 20"va bestimmt werden. Die auftretenden thermischen Spannungen können durch die Beheizung deutlich verringert werden. Der finanzielle und technische Aufwand durch Investition, Montage- und zusätzliche Wartungsarbeiten stehen einem großen wirtschaftlichen Vorteil durch Reduktion des notwendigen Brennstoffes und damit der Kosten pro Anfahrvorgang bei einer Beschleunigung der Anfahrprozesse gegenüber. Die mögliche Beschleunigungsrate ist dabei lediglich auf den Lebensdauerverbrauch der dickwandigen Bauteile bezogen.