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Musterlösung der Kursarbeit Ethik 11,1 Richter Aufgabe 1 Das Humesche Gesetz sagt: Man darf nicht einfach vom Sein aufs Sollen schließen! Anders gesagt: Man darf nicht aus einer reinen Tatsachenfeststellung direkt eine Norm ableiten. Beispiel für einen falschen Schluss: Tatsachenfeststellung: Die Menschen in Somalia hungern. Moralischer Schluss: Also müssen wir für Hilfswerke spenden. Dieser Schluss ist laut Hume nicht zulässig und logisch nicht zwingend. Es fehlt die obere Norm. Diese könnte z.B. lauten : Menschen sollen sich in der Not immer gegenseitig helfen. Aufgabe 2 Entsprechen die Aussagen dem Text? 1. Bis zum Mittelalter haben sich die Menschen von Gott nicht geschützt gefühlt. Nein 2. Während und gegen Ende des Mittelalters haben die Menschen immer mehr versucht, selbst mächtiger zu werden, z.B. durch technische Errungenschaften und Forschung. Ja 3. Die Menschen hatten Angst, dass Gott sie strafen würde, weil sie bis zum Mittelalter nichts getan hatten, um selbstständiger zu werden. Nein 4. Es entstand ein Teufelskreis. Ja 5. Die Menschheit sollte sich ihrer Macht deutlicher bewusst werden um nicht unterzugehen. Nein Aufgabe 3 Bei dem von Richter beschriebenen Gotteskomplex handelt es sich um einen Teufelskreis von Angst vor bzw. Mißtrauen gegenüber Gott, dem Bedürfnis nach Selbstsicherung durch Wissen und Macht und der dadurch wachsenden Angst vor und vergrößertem Misstrauen gegenüber Gott. Für Richter beginnt der Kreislauf während des Mittelalters, als die Menschen zunehmend das Gefühl der Geborgenheit in Gott verlieren und stattdessen versuchen, sich eigene Machtmittel (Wissen, Technik) anzueignen. Aber gerade diese Aneignung eigener Macht wurde auch als Aufkündigung des bisheriges blinden Gehorsams gegenüber Gott verstanden und löste deshalb Ängste vor der Rache Gottes aus. Dies wiederum führte zu noch stärkerem Bestreben nach eigener Macht und Stärke um sich abzusichern. Der Gotteskomplex beinhaltet also ein gefährliches Allmachtstreben, das aus der Angst resultiert sich die eigene Abhängigkeit einzugestehen. Aufgabe 4 Ein Zusammenhang des von Richter beschriebenen Gotteskomplexes kann mit mehreren Themen und Inhalten des Unterrichts gefunden werden. 1. Es gibt einen Zusammenhang mit der Genforschungsdebatte. 2. Es gibt einen Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Menschenbild Zu 1. Die Genforschungsdebatte ist eine Debatte darum, ob der Mensch alles tun darf, wozu er technisch in der Lage ist. So einfach die Antwort bei der Frage der Massenvernichtungswaffen ist, so schwierig ist sie dort, wo die technischen Fortschritte zunächst positiv erscheinende Möglichkeiten eröffnen. Die Verhinderung von Krankheiten durch Gentechnik erscheint ja auf den ersten Blick als eine sehr positive Chance. Ist es nicht sogar die Pflicht von Ärzten, auf die Ausrottung von Krankheiten hinzuarbeiten und sollten da nicht alle Möglichkeiten der Forschung und Technik genutzt werden? Demgegenüber gibt es Menschen, die meinen, hier dürfe nicht in den Bauplan des Menschen eingegriffen werden, da sich der Mensch dadurch selbst zum Schöpfer des Menschen mache, was ihm nicht zukomme. Gleich ob man diese Ansicht teilt oder nicht, so ist unzweifelhaft, dass der Mensch mit einem Eingriff in die Keimbahn seiner Gattung auf die Verantwortung für die Folgen übernehmen muss. Und genau hier stellt sich die Frage, ob er dies überhaupt kann. Einerseits scheint der Mensch also auch im Feld der Humanbiologie immer mächtiger zu werden andererseits drohen hier auch große Gefahren die auch künftige Generationen betreffen würden und denen die Medizin möglicherweise hilflos gegebnüber stehen würde. Es zeigt sich also auch hier ein eigenartiger Zusammenhang von Machbarkeitswahn und
tatsächlicher Abhängigkeit wie ihn Richter als Gotteskomplex beschreibt. Zu 2. Die Nationalsozialisten vermittelten dem deutschen Volk bewusst das Gefühl der eigenen Überlegenheit und Macht. Dies gelang ihnen gerade in einer Zeit in der Deutschland noch unter den Folgen des verlorenen ersten Weltkriegs litt. Die Bedingungen des Versailler Vertrags waren extrem hart. Anders als nach dem zweiten Weltkrieg, wo durch das klügere Verhalten der Allierten schließlich ein Vertrauensverhältnis und eine Partnerschaft entstand, konnten die Bedingungen des Versailler Vertrags bei den Deutschen nur nachhaltiges Mißtrauen gegenüber den Siegern begründen. Der Aufstieg Adolf Hitlers ist teilweise auch damit zu erklären, denn Hitler versprach den Deutschen “Selbstbestimmung”. Schließlich kündigte er 1937 den Versailler Vertrag einseitig auf. Ein Kult um den Führer, Adolf Hitler, wurde religiös aufgeladen, dem christlichen Glauben entgegengesetzt. Die Ähnlichkeit mit dem von Richter beschriebenen Gotteskomplex besteht hier darin, dass aus der Erfahrung der Abhängigkeit und Ohnmacht der deutschen Volkes der Wunsch nach narzistischer (und “nazistischer”) Allmacht geboren wurde und dass das deutsche Volk schließlich genau mit diesem “selbstmörderischen Größenwahn” (vgl. Text H.E.Richter) und der “Aufkündigung des Gehorsams” gegenüber dem Versailler Vertrag den eigenen Untergang einleitete. Es genügte zur Erreichung der vollen Punktzahl, einen der beiden Zusammenhänge zu erläutern. Dabei wurde der Hinweis auf den Versailler Vertrag nicht verlangt. 5. Keimbahneingriffe zur Ausrottung von Krankheiten Keimbahneingriffe sind solche gentechnische Veränderungen am Erbgut des Menschen, welche an totipotenten Zellen des Embryos vorgenommen werden, sodass dieser die Veränderungen auch an eventuelle Nachkommen weitervererbt. Man könnte daher theoretisch eine Resistenz gegen bestimmte Krankheiten auch für alle Nachkommen des behandelten Embryos erreichen. 1. Für solche Eingriffe spricht eben genau die Möglichkeit, schlimme Erbkrankheiten, die möglicherweise über Generationen in einer Familie immer wieder aufgetaucht sind, für die Nachkommen auszuschließen. Die Prävention von Krankheiten gehört zu den ureigensten Aufgaben der Medizin. Leid durch Krankheiten zu mindern ist moralische Pflicht für Ärzte und Forscher der Medizin. 2. Keimbahneingriffe müssen nicht als Eingriff in die natürliche Evolution angesehen werden, schließlich ist es die Evolution selbst, die die geistige Entwicklung des Menschen soweit geführt hat, dass er nun fähig ist, weitere Schritte der Evolution zum Nutzen der gesamten Menschheit selbst zu steuern. Gegen solche Eingriffe können folgende Argumente vorgebracht werden 1. Gott hat jeden Menschen mit Stärken und Schwächen individuell geschaffen, so gewollt und geliebt. Wer das durch Keimbahneingriffe ändern will, macht sich selbst zum Gott. Diese Argument ist nicht stichhaltig. Es würde ja genauso für andere Formen der Therapie gelten, die dann ebenfalls verboten wären. Außerdem würde man Gott unterstellen, dass er bestimmten Menschen aktiv eine Behinderung oder Krankheit zugefügt hätte. Das wäre auch aus theologischer Sicht problematisch. 2. Die Keimbahntherapie greift in das Selbstbestimmungsrecht des Embryos ein. Man weiß ja nicht, ob dieser Mensch selbst durchaus gut mit seiner Krankheit oder Behinderung zurecht gekommen wäre. Auch dieses Argument ist nicht stichhaltig, denn es würde ja auch für andere Formen der Frühtherapie gelten, man dürfte dann auch bestimmte chirurgische Eingriffe am Säugling nicht vornehmen, da dieser ja noch nicht für sich entscheiden kann.
3. Die Keimbahntherapie betrifft auch zukünftige Generationen, nämlich alle Nachfahren des behandelten Embryos. Der Eingriff ist irreversibel und die Folgen für die zukünftigen Generationen sind nicht abschätzbar. Das Argument ist ernstzunehmen, jedoch könnte man auch hier zumindest entgegenhalten, dass die Menschen auch in anderen Bereichen, die Welt auf absehbare Zeit irreversibel verändern, z.B. bei der Nutzung von Atomkraft, wo radioaktives Material entsteht, dass über Jahrtausende gefährlich bleibt und sicher aufbewahrt werden muss. 4. Die Möglichkeiten der Keimbahntherapie könnten zu einem Dammbruch dahingehend führen, dass nicht nur schlimme genetisch bedingte Krankheiten zunehmend ausgemerzt würden, sondern dass versucht würde, den Menschen auch in anderen Bereichen zu “optimieren”, quasi zu züchten. Dann stünde aber nicht mehr der einzelne Mensch als Individuum im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern er würde zum Mittel auf dem Weg zu einer perfektionierten Menschheit. Gerade eine solche perfektionierte Menschheit wäre aber zutiefst inhuman, es könnte außer Mode kommen, sich selbst und andere mit seinen und deren Schwächen anzunehmen und zu achten. 5. Die Möglichkeit der Keimbahntherapie könnten dazu führen, dass schwache und behinderte Menschen in der Gesellschaft nicht mehr angenommen werden. Schon jetzt führt die Möglichkeit der pränatalen Diagnose und der Abtreibung im Falle schwerer Behinderungen dazu, dass Eltern behinderter Kinder sich fragen lassen müssen, wieso sie denn dieses Kind überhaupt zur Welt gebracht haben. 6. Die Keimbahntherapie hat Embryonen verbrauchende Forschung zur Vorraussetzung. Dies bedeutet, dass zu Forschungszwecken befruchtete Eizellen in großer Zahl zu Versuchen genutzt würden, danach aber vernichtet würden. Wer in einem Embryo einen Mensch “von Anfang an” sieht, kann dem keinesfalls zustimmen. Aber auch wer in einem frühen Embroy noch keine vollwertige Person sieht, kann nicht leugnen, dass hier “menschliches Leben” zum Mittel für andere Zwecke gemacht und am Ende vernichtet würde. Fazit: Je nach eigener Gewichtung der Argumente. Zur Erreichung der vollen Punktzahl müssen nicht alle Argumente genannt werden. Auch andere Argumente können natürlich genannt werden. Wichtiger ist die sprachlich korrekte, folgerichtige und verständliche Argumentation.