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Musterl¨ osung ¨ Ubung 2 zur Vorlesung ”Makro¨ okonomik” (WS 2015/16) Aufgabe 1: G¨ utemarktmodell Erkl¨aren Sie den Zusammenhang zwischen Produktion, Nachfrage und Einkommen. Erkl¨aren und veranschaulichen Sie den keynesianischen Multiplikatoreffekt mit Hilfe des sogenannten Keynesianischen Kreuzes. Der G¨ utermarkt befindet sich im Gleichgewicht, wenn das G¨ uterangebot bzw. die Produktion Y der G¨ uternachfrage Z = C +I +G entspricht. Im G¨ utermarktgleichgewicht sind die Gr¨oßen Nachfrage, Produktion und Einkommen identisch. F¨ ur Produktion und Einkommen wird dasselbe Symbol verwendet: Y . Dies geschieht deshalb, da das BIP sowohl von der Produktionsseite als auch von der Einkommensseite berechnet werden kann. Achtung: Hier liegt großen Verwirrungspotenzial: • Y bezeichnet zugleich die G¨ uterproduktion und das daraus resultierende Einkommen. Da kein Einkommen auf “magische” Art entsteht oder verschwindet, gilt dies immer. • Z bezeichnet die G¨ uternachfrage, d.h. es ist Z ≡ C + I + G. • Wenn der G¨ utermarkt im Gleichgewicht ist, reicht das Einkommen exakt, um die G¨ uternachfrage zu finanzieren, d.h. dann ist Y = Z = C + I + G. Das Wechselspiel zwischen Nachfrage, Produktion und Einkommen erzeugt den keynesianischen Multiplikatoreffekt. Dies l¨ asst sich am besten grafisch veranschaulichen. Die Grafik, die hierf¨ ur verwendet wird, ist das sogenannte Keynesianische Kreuz.
Anmerkung: In der Abbildung gehen wir vereinfachend davon aus, dass die Steuern einkommensunabh¨ angig erhoben werden (t1 = 0). F¨ ur t1 > 0 w¨ urde die Steigung der Nachfragekurve c1 (1 − t1 ) entsprechen. F¨ ur die Analyse des Multiplikatoreffekts bei konstantem Steuersatz ist dies unbedeutend. Der Multiplikator kann veranschaulicht werden, in dem man den Betrag einer der exogenen Variablen ver¨ andert. Erh¨ ohen wir G um den Betrag h, erhalten wir:
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Wie die Grafik veranschaulicht, erh¨ oht eine Erh¨ohung der Staatsausgaben um h die Produktion um mehr als h. Dieser Effekt entsteht aus einem Wechselspiel zwischen Produktion und Einkommen, das man sich in etwa so vorstellen kann: • Der Staat erteilt z.B. den Auftrag zum Bau einer neuen KiTa im Wert von h (z.B. 1 Mio. Euro). • Die Baufirmen, Raumausstatter usw. zahlen von h L¨ohne und Geh¨alter und z.B. Zinsen f¨ ur Kredite. Letztere fließen letztendlich den Besitzern des Kapitals zu, d.h. am Ende des Tages fließt h auf die eine oder andere Art wieder in die Portemonnaies der B¨ urger. • Die B¨ urger konsumieren nach unserem Modell davon c1 h, aus der Produktion fließt dieses Geld auf anderen Wegen wiederum in die Portemonnaies. • Annahmegem¨ aß wird hiervon wieder c1 c1 h konsumiert usw. Der urspr¨ ungliche Nachfrageanstieg l¨ ost also sukzessive eine weitere Steigerung der Produktion aus, wobei jeder Produktionsanstieg einen Einkommensanstieg mit sich bringt, der einen (kleineren) Nachfrageanstieg induziert, der zu einer weiteren Produktionserh¨ohung f¨ uhrt usw.. Nach n Runden ergibt sich eine Erh¨ohung der Produktion um h multipliziert mit der Summe 1 + c1 + c21 + c31 + . . . + c1n−1 . Eine solche Summe nennt man geometrische Reihe. Eine der wichtigsten Eigenschaften solche Reihen liegt darin, dass f¨ ur Werte c1 < 1 die Summe gegen den Grenzwert 1/ (1 − c1 ) strebt. D.h., dass sich schließlich ein Anstieg 1 der Produktion in H¨ ohe von (1−c ∗ 1000000 Euro ergibt. 1) Die Gr¨oße des Multiplikators hat einen direkten Bezug zum Wert der marginalen Konsumneigung c1 . Je gr¨ oßer c1 , desto gr¨ oßer ist der Multiplikator, weil dann die induzierten Konsumeffekte umso h¨ oher sind. Bemerkung: Unter den getroffenen Annahmen (Produktion reagiert unverz¨ uglich auf Nachfrage und Konsum unverz¨ uglich auf das verf¨ ugbare Einkommen) w¨ urde der Anpassungsprozess bis zum neuen, h¨ oheren Niveau sofort und ohne Verz¨ogerung erfolgen. In Realit¨at entstehen aber Verz¨ ogerungen. Die Unternehmen passen nicht unmittelbar ihr Produktionsniveau an, sondern greifen auf Lagerbest¨ande zur¨ uck (hier im Modell per Annahme nicht m¨ oglich, da keine Lagerinvestitionen). Auch Arbeiter steigern bei einer Lohnerh¨ohung nicht unmittelbar ihren Konsum. Zusammengefasst l¨asst sich sagen, dass
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die Produktion als Reaktion auf eine Erh¨ohung der Konsumausgaben nicht sofort auf den neuen Gleichgewichtswert springt, sondern im Zeitverlauf von Y auf Y 0 ansteigt. Die Dauer des Anpassungsprozesses h¨ angt davon ab, wie und wie oft die Unternehmen ihr Produktionsniveau neu festlegen. Je ¨ ofter die Unternehmen ihre Produktionsplanung anpassen und je st¨ arker die Reaktion auf vorangegangene Absatzsteigerungen, desto schneller wird die Anpassung erfolgen. Aufgabe 2: Automatische Stabilisatoren In Kapitel 3 wird angenommen, dass Staatsausgaben und Steuern vom Einkommen unabh¨angig seien. In der Realit¨ at sind Steuern hingegen stark vom Einkommensniveau abh¨angig. In der folgenden Aufgabe untersuchen wir, inwiefern automatische Anpassung von Steuern helfen kann, den Einfluss von Ver¨anderungen der autonomen Ausgaben zu reduzieren. Gehen Sie hierzu von folgenden Verhaltensgleichungen aus: C = c0 + c1 YD T = t0 + t1 Y YD = Y − T Nehmen Sie im Folgenden an, dass G und I konstant sind und t1 einen Wert zwischen 0 und 1 aufweist. a) L¨ osen Sie die Gleichungen nach dem gleichgewichtigen Output. Z C c0 t0 & t1 I
= = = = =
G¨ uternachfrage priv. Konsum autonomer Konsum Steuerquote Investitionen
Y YD c1 T G
= = = = =
Einkommen/G¨ uterproduktion verf¨ ugbares Einkommen marginale Konsumneigung Steuern, abz¨ uglich Transfers staatl. Konsum (ohne Transferzahlungen)
In einer geschlossenen Volkswirtschaft ist die gesamtwirtschaftlich G¨ uternachfrage die Summe aus Konsum, Investitionen und Staatsausgaben. Im Gleichgewicht entspricht die G¨ uterproduktion der G¨ uternachfrage. Y =Z ≡C +I +G Nach den Verhaltensgleichungen h¨ angt der Konsum vom verf¨ ugbaren Einkommen ab (1), welches sich aus der Differenz des Einkommens und den Steuern ergibt (2). Die Steuern h¨angen wiederum auch vom Einkommen ab (3). Durch Einsetzen der Verhaltensgleichungen l¨asst sich der Konsum in Abh¨angigkeit vom Einkommen und den Steuerquoten darstellen. C = c0 + c1 YD (1) C = c0 + c1 (Y − T )
(2)
C = c0 + c1 (Y − (t0 + t1 Y ))
(3)
Dies k¨onnen wir weiter vereinfachen: C = c0 + c1 (Y − (t0 + t1 Y )) C = c0 + c1 (Y − t0 − t1 Y ) 3
C = c0 + c1 (Y (1 − t1 ) − t0 ) C = c0 + c1 Y (1 − t1 ) − c1 t0 Einsetzen von C in die G¨ uternachfrage gibt: Y = c0 + c1 Y (1 − t1 ) − c1 t0 + I + G Y − c1 Y (1 − t1 ) = c0 − c1 t0 + I + G Y (1 − c1 (1 − t1 )) = c0 − c1 t0 + I + G Y (1 − c1 + c1 t1 ) = c0 − c1 t0 + I + G Y =
1 (c0 − c1 t0 + I + G) (1 − c1 + c1 t1 )
¨ b) Wie groß ist der Multiplikator? Reagiert die Okonomie st¨ arker auf Ver¨ anderungen in den autonomen Ausgaben, wenn t1 = 0 oder t1 > 0 gilt? c0 − c1 t0 + I + G beschreibt den Teil der G¨ uternachfrage, der unabh¨angig vom Produktionsniveau ist, weswegen er als ”autonome Ausgaben” bezeichnet wird. Da c1 und t1 zwischen 0 und 1 liegen, ist der Term (1−c11+c1 t1 ) gr¨oßer als 1. Daher wird er als Multiplikator bezeichnet. 1 1 < (1 − c1 + c1 t1 ) (1 − c1 ) Der Multiplikator ist kleiner bei t1 > 0. Daher reagiert die Wirtschaft schw¨acher auf Ver¨anderungen der autonomen Ausgaben.
c) Warum bezeichnet man die Fiskalpolitik in diesem Fall als automatischen Stabilisator? Da Steuern den Multiplikator verringern und so die Produktion weniger stark auf Ver¨anderungen reagiert und somit weniger schwankt, wird Fiskalpolitik als automatischer Stabilisator bezeichnet.
d) Welche automatischen Stabilisatoren wirken in der Bundesrepublik? In Deutschland haben wir eine progressive Einkommensteuer, der Einkommensteuersatz ist nicht konstant, sondern steigt mit steigendem Einkommen. Im Falle einer Rezession sinkt die Steuerbelastung somit u ¨berproportional, w¨ahrend im Falle eines Booms die Steuerbelastung u ¨berproportional steigt. Somit schwanken die Einkommen weniger. Staatliche Transferleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit sichern die Lebensgrundlage und stabilisieren die private Nachfrage.
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