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Myeloperoxidase – Ein Neuer Marker Zur Erforschung

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725 Entzündungsmarker Myeloperoxidase – ein neuer Marker zur Erforschung von Entzündungen? JÖRG FLEMMIG 1 , ANNA LEICHSENRING 2 , FRANZISKA LANGE 2 1 INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE PHYSIK UND BIOPHYSIK, MEDIZINISCHE FAKULTÄT, UNIVERSITÄT LEIPZIG 2 ENTZÜNDUNGSMODELLE UND IMMUNDIAGNOSTIK, FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ZELLTHERAPIE UND IMMUNOLOGIE (IZI), LEIPZIG Neutrophilic granulocytes, the most abundant immune cell type in the blood, are essential for the initiation as well as for the regulation and termination of acute inflammatory reactions. Thereby the enzyme myeloperoxidase (MPO) formed by these cells could be a key player. Thus a newly developed method for the quick purification of neutrophilic granulocytes from blood samples and a subsequent activity staining for MPO is presented which may contribute to a better understanding of the (patho-)physiological role of this enzyme. DOI: 10.1007/s12268-015-0640-5 © Springer-Verlag 2015 ó Entzündungen stellen physiologische Reaktionen des Immunsystems auf exogene oder endogene Reize dar und haben das Ziel, den Auslöser zu lokalisieren und zu neutralisieren, aufgetretene Gewebsschädigungen zu reparieren und die normale Homöostase des Organismus wiederherzustellen. Letzteres beinhaltet auch die Beendigung der akuten Immunreaktion. Störungen in der Entzündungsterminierung können zu chronischen Immunreaktionen sowie zu überschießenden (Allergien) bzw. fehlgeleiteten (Autoimmunerkrankungen) Entzündungen führen. nen wiederkehrende Krankheitsverläufe entstehen. Das chronische allergische Asthma gehört mit weltweit rund 235 Millionen Betroffenen zu den häufigsten Krankheiten überhaupt. Trotz intensiver Forschung ist es bis heute nicht möglich, Asthma zu heilen. Auch Autoimmunkrankheiten sind gekennzeichnet durch eine übersteigerte Immunreaktion, die sich allerdings anders als bei Allergien gegen körpereigene Komponenten richtet. Entsprechend wird das Immunsystem hier mehr noch als bei Allergien ständig stimuliert, und eine chronische Entzündung resultiert. Prominente Beispiele sind die rheumatoide Arthritis (chronische Gelenksentzündung), die multiple Sklerose (Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems) und Colitis ulcerosa (chronische Darmentzündung). Ursächliche und kurative Therapiemöglichkeiten stehen auch für diese Erkrankungen momentan nicht zur Verfügung. Begründet ist dies auch in der Tatsache, dass die molekularen Pathogenesemechanismen mancher dieser Krankheiten noch nicht voll- Allergien und Autoimmunerkrankungen Bei Allergien richtet sich das Abwehrsystem gegen eigentlich harmlose Stoffe aus der umgebenden Umwelt, mit denen unser Körper konfrontiert wird, und beginnt, diese zu bekämpfen. Bekannte Beispiele für Allergene sind Tierhaare, Pollen oder auch Hausstaubmilben. Allergische Reaktionen treten daher oft in Körperbereichen auf, die mit der Außenwelt in direkter (z. B. Haut, Atemwege) oder indirekter (z. B. Verdauungstrakt) Verbindung stehen. Durch regelmäßigen Kontakt des Immunsystems mit den Allergenen kön- BIOspektrum | 07.15 | 21. Jahrgang ˚ Abb. 1: Myeloperoxidase (MPO) wird von neutrophilen Granulozyten gebildet, welche bei Entzündungen aus dem Blut ins Gewebe migrieren. Dort trägt das Enzym durch HOCl-Bildung zur Pathogenbekämpfung bei. Aber auch z. B. bei der Apoptose und Phagozytose der Immunzellen bei der Entzündungsterminierung spielt die chlorierende MPO-Aktivität eine Rolle. 726 W I S S ENS CHAFT · S PECIA L : M OLE KULARE DIAG NO STI K ¯ Abb. 2: Zur Bestimmung der Aktivität der Myeloperoxidase (MPO) reichen kleinste Blutproben menschlichen oder tierischen Ursprungs. Durch hypotone Lyse werden die Erythrozyten aus der Probe entfernt. Anschließend erfolgt die Zugabe des HOCl-spezifischen Fluoreszenzfarbstoffs APF. Bei der durchflusszytometrischen Analyse können so MPO-positive und -negative Blutzellen differenziert werden. ständig geklärt sind. Entsprechend beschäftigt sich die aktuelle immunologische Forschung vor allem mit den Vorgängen in der Initialphase von Entzündungen sowie mit den Vorgängen bei der Terminierung akuter Immunreaktionen, da an diesen beiden Stellen Fehlregulationen bei Allergien und Autoimmunreaktionen vermutet werden. Neutrophile Granulozyten und Myeloperoxidase In der Anfangsphase einer Entzündung wandern zuerst Granulozyten aus dem Blut in das betroffene Gewebe ein (Abb. 1). Dieser häufigste Immunzelltyp im Blut gehört zum angeborenen Immunsystem und trägt durch Aufnahme von Pathogenen sowie durch Freisetzung zytotoxischer Komponenten zur unspezifischen Bekämpfung von Fremdorganismen bei. Daneben tragen die Zellen in der Anfangsphase der Entzündung durch Freisetzung von Botenstoffen (z. B. Zytokine) auch wesentlich zu einer Aktivierung des erworbenen Immunsystems (z. B. B- und T-Lymphozyten) bei und sind für die Regulation und Terminierung von Entzündungsreaktionen verantwortlich. Dabei scheint das in neutrophilen Granulozyten (der häufigsten Granulozytenart) vorkommende Enzym Myeloperoxidase (MPO) eine wesent- liche Rolle zu spielen: Dieses Enzym besitzt die unikale Eigenschaft, Chlorid (Cl–) zu hypochloriger Säure (HOCl) zu oxidieren. Die Bildung von HOCl wird als „chlorierende Aktivität“ des Enzyms bezeichnet. HOCl besitzt z. B. bakterizide Eigenschaften, weshalb die physiologische Rolle der MPO klassischerweise nur mit der initialen Immunabwehr gegen Pathogene in Verbindung gebracht wurde. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die HOCl-Produktion durch MPO auch bei der Bildung antientzündlicher Botenstoffe sowie der zellulären Entzündungsterminierung beteiligt ist (Abb. 1, [1]). Tatsächlich wurden bei MPO-defizienten Mäusen schwerere Krankheitsverläufe bei chronischen Entzündungen festgestellt [2]. Die vielseitige regulatorische Rolle der MPO sowohl bei der Initialisierung von Immunreaktionen als auch bei der Beendigung akuter Entzündungsreaktionen macht dieses Enzym zu einem interessanten Marker für die Erforschung der Entstehung unkontrollierter und/oder chronischer Immunreaktionen. Erforschung akuter und chronischer Entzündungen liefern. Entsprechend haben wir eine Methode entwickelt, mittels eines spezifischen Fluoreszenzfarbstoffs (AminophenylFluoreszein, APF) gezielt die HOCl-Produktion der MPO zu erfassen und von anderen Enzymprodukten zu differenzieren. Wie in Abbildung 2 dargestellt, haben wir dieser MPO-Aktivitätsfärbung eine rasche und effiziente Blutaufreinigung vorangestellt, um die MPO-positiven Zellen in den Proben anzureichern [3]. Dabei wurde die Methode für die Anwendung kleinster Blutproben (50 bis 100 Mikroliter) adaptiert, um mit Kleintiermodellen für Entzündungserkrankungen arbeiten zu können. So können etwa bei Ratten Blutvolumina in dieser Größenordnung wiederholt abgenommen werden, wodurch Veränderungen in der chlorierenden MPOAktivität im Krankheitsverlauf verfolgt werden können. Dies ist etwa bei der Untersuchung chronischer Entzündungsprozesse wichtig, die in ihrer Ausprägung oft einen periodischen Verlauf aufweisen. Erfassung der MyeloperoxidaseAktivität Tiermodelle in der Entzündungsforschung Die Erfassung der chlorierenden MPO-Aktivität könnte also einen wichtigen Beitrag zur Auch heutzutage bieten Tiermodelle meist die einzige Möglichkeit, das komplexe Zusam- BIOspektrum | 07.15 | 21. Jahrgang 727 ˘ Abb. 3: Die Anwendung der Methode in einem Mausmodell für allergisches Asthma zeigte, dass bei den erkrankten Tieren im Gegensatz zur gesunden Kontrolle die relative Anzahl der neutrophilen Granulozyten (prozentualer Anteil aller erfassten Blutzellen; violett) anstieg. Andererseits war die chlorierende MPO-Aktivität (gemessen in relativen Fluoreszenzeinheiten, r. E.; grün) in diesen Zellen herabgesetzt, was auf eine Inaktivierung des Enzyms unter entzündlichen Bedingungen hindeutet. Mittelwert und Standardabweichung sind gezeigt. menwirken verschiedenster Zelltypen und Mediatoren des Immunsystems, die im individuellen Krankheitsgeschehen akuter und chronischer Entzündungen eine Rolle spielen, nachzustellen. Mit diesen können sowohl die Mechanismen der Krankheitsentstehung und -entwicklung erforscht als auch neuartige Therapieformen und Therapeutika getestet werden. Für das allergische Asthma und die rheumatoide Arthritis beispielsweise stehen Tiermodelle in Maus bzw. Ratte zur Verfügung, die das Krankheitsbild im Patienten hervorragend simulieren können. So ist es möglich, nur über den Kontakt mit den Schleimhäuten der Atemwege eine Allergie gegen Hausstaubmilben in Mäusen zu induzieren, die bei wiederholtem Kontakt mit dem Allergen einen chronischen Verlauf nimmt und viele Merkmale der Erkrankung im Menschen widerspiegelt. Für die rheumatoide Arthritis steht das Modell der Pristan-induzierten Arthritis (PIA) in der Ratte zur Verfügung, das durch eine akute Phase gekennzeichnet ist, in der die Ratten Symptome einer Arthritis ausbilden, gefolgt von einer Erholungsphase, in der die Symptome abklingen, um daraufhin schubweise wiederzukehren. HOCl-Produktion durch MPO in Verbindung gebracht [4]. Neueste Forschungsergebnisse aus unserer Arbeitsgruppe zeigen dagegen, dass als Reaktivatoren der MPO-Aktivität bekannte Stoffe wie etwa das im grünen Tee vorkommende Flavonoid Epigallocatechingallat (EGCG) tatsächlich den Verlauf chronischer Entzündungen im Tiermodell deutlich abmildern können. ó matory action of the heme enzyme. Arch Biochem Biophys 571:1–9 Literatur [1] Arnhold J, Flemmig J (2010) Human myeloperoxidase in innate and acquired immunity. Arch Biochem Biophys 500:92–106 [2] Odobasic D, Kitching AR, Yang Y et al. (2013) Neutrophil myeloperoxidase regulates T-cell-driven tissue inflammation in mice by inhibiting dendritic cell function. Blood 121:4195–4204 [3] Flemmig J, Schwarz P, Backer I et al. (2014) Rapid and reliable determination of the halogenating peroxidase activity in blood samples. J Immunol Methods 415:46–56 [4] Koyani CN, Flemmig J, Malle E et al. (2015) Myeloperoxidase scavenges peroxynitrite: a novel anti-inflam- Korrespondenzadresse: Dr. Jörg Flemmig Institut für Medizinische Physik und Biophysik Medizinische Fakultät Universität Leipzig Härtelstraße 16–18 D-04107 Leipzig Tel.: 0341-9715772 Fax: 0341-9715778 [email protected] AUTOREN Jörg Flemmig Myeloperoxidase-Aktivität bei chronischer Entzündung Die oben beschriebene Methode der Blutaufreinigung mit anschließender Bestimmung der chlorierenden MPO-Aktivität in den Granulozyten konnte bereits erfolgreich in einem Tiermodell angewendet werden (Abb. 3): Bei Mäusen, in denen eine Allergie gegen Haustaubmilben induziert wurde, wurde eine Erhöhung der Granulozytenanzahl im Blut festgestellt. Dies bestätigt eine höhere Aktivität des Immunsystems in diesen Tieren. Gleichzeitig wurde jedoch eine verminderte HOClProduktion durch die MPO in diesen Zellen beobachtet. Es kann daher vermutet werden, dass es unter entzündlichen Bedingungen zu einer Inaktivierung der chlorierenden MPOAktivität kommt, was wiederum möglicherweise zur Chronifizierung der Entzündung beiträgt. Tatsächlich werden entzündungsassoziierte Stoffe mit der Inaktivierung der BIOspektrum | 07.15 | 21. Jahrgang Biochemiestudium an der Universität Leipzig, dort 2011 Promotion. Danach Forschungsprojekte im Translationszentrum für Regenerative Medizin (TRM) Leipzig. Seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Medizinischen Fakultät in Leipzig. Anna Leichsenring Biologiestudium an der Ruhr-Universität Bochum, dort 2008 Promotion. 2009–2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Seit 2012 am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig. Franziska Lange Biologiestudium an der Universität Leipzig, dort 2006 Promotion. 2006–2008 Karolinska-Institut in Stockholm, Schweden. Seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig, dort seit 2012 Leiterin der Arbeitsgruppe „Entzündungsmodelle und Immundiagnostik“.