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Nicht-suizidales Selbstverletzendes Verhalten Bei Jugendlichen

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    August 2018
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Nicht-Suizidales Selbstverletzendes Verhalten bei Jugendlichen PD Dr. Paul L. Plener, MHBA Ulm 2016 Überblick –Definition –Epidemiologie –Ätiologie –Intervention Definition I • Bewusste, freiwillige und direkte Zerstörung von Körpergewebe, • ohne suizidale Absicht, die • sozial nicht akzeptiert ist Lloyd-Richardson et al. 2007, Nitkowski & Petermann (2009) DSM 5: Non-suicidal self-injury • A. Die Person hat sich im letzten Jahr an fünf oder mehr Tagen absichtlich selbst Schaden an der Körperoberfläche […] zugefügt, […] in der Erwartung […], dass die Verletzung nur zu geringem oder mäßigem körperlichen Schaden führt (d.h. es bestand keine suizidale Absicht). APA, 2013 Epidemiologie Systematischer Review: Alles • • • Systematischer Review, Meta-Analyse und Meta-Regression 119 Studien: 128 Prävalenzschätzungen, 18 Länder Daten von 1993-2012: N=231,553 • Lifetime prevalence: – Adoleszente: 17.2% (8.0-26.3) – Junge Erwachsene: 13.4% (4.5-22.3) – Erwachsene: 5.5% (1.7-16.3) • Keine Zunahme der Prävalenz (nach Adjustierung methodol. Faktoren) • Keine Differenz zwischen geograph. Regionen (nach Adjustierung methodol. Faktoren) Swannell et al., 2014 SEYLE Studie Land Lebenszeitprävalenz manchmal Repetitiv ≥ 5x 1. F 38,5% 25,6% 13% 2. D 35,1% 22,9% 12,3% 3. Est 32,9% 23,7% 9,1% 26,9% 20,0% 6,9% …… 7. A Vergleichsstudie von „direct self-injurious behavior“ 11 Länder, n=12.068 (mittleres Alter: ca. 15) Lebenszeitprävalenz: 27,6% 7,8% repetitives D-SIB Brunner, Kaess et al., 2014 Prävalenz Erwachsene • Medzinstudierende • N=714, w: 65%, Alter: 18-35, M: 23.1 – 102 (14,3%) • Allgemeinbevölkerung • N=2509, w: 55,4%, mittleres Alter: 48;8, SD=18.1 – 78 (3,1%) Allroggen et al., 2014; Plener et al., subm. Verlauf NSSV: longitudinale Studien Plener et al., 2015 Ätiologie Biopsychosoziales Modell Umwelt Verhalten Kognitionen NSSV Biologie Affekte Die Verstärker selbstverletzenden Verhaltens I „Autonom“: intrapersonell +: APV Erreichen positiv erlebter Zustände -: Beenden aversiv erlebter Zustände Nock et al. (2007) Die Verstärker selbstverletzenden Verhaltens II „Sozial“: interpersonell +: SPV Auftretenswahrscheinlichkeit eines externen Ereignisses erhöhen -: Beeinflussung aversiver externer Umstände Nock et al. (2007) NSSV u. Emotionsregulation aufgeregt, ängstlich fröhlich Arousal Valenz ruhig, hoffnungslos traurig NSSV u. Emotionsregulation Arousal/Valenz Valenz - Valenz + Arousal ↑ Arousal ↓ = Prädiktor für Frequenz von NSSV Klonsky, 2009, Claes et al., 2010 Jugendkultur & NSSV • Alternative Identität: – Korrelation mit NSSV (r=0.20-0.24), – Frequenz der Selbstverletzung (r=0.32-0.35) – Suizidgedanken (r=0.13-0.20) – Suizidversuche (r=0.25-0.29). • Sportler Identität : – negativ korreliert mit NSSV (r=-0.11-0.18) Neurobiologisches Modell von NSSV Stress Dopaminerge Abweichungen NSSV traumatische Kindheitserlebnisse Serotonerge Abweichungen Genetische Einflüsse Endogene Opioide: Abweichungen Stress Vulnerabilität ↑ Geänd. Opioid Homöostase Homöostase hergestellt HPA Achse Abweichungen Sher & Stanley, 2009 NSSV: Stressreduktion • Höhere physiologische Erregbarkeit • Auch das Vorstellen von NSSV kann zu Entspannjng führen, genauso wie Kunstblut oder Schmerzreize • Mehrfach repliziert Nock & Mendes, 2008, Haines et al., 1995, Brain et al., 1998, Welch et al., 2008 HPA Achse • HPA Achse: Interaktion mit endogenen Opioiden und serotonergen Mechanismen • Jugendliche (14 NSSI vs. 14 noNSSI) Trier Social Stress Test: – Abgeschwächte Cortisol Antwort: hyporesponsive Achse in NSSV – Vulnerabler gegen akuten Streß Kaess et al., 2012, Sher, 2007, Tiefenbacher et al., 2005, Heim et al., 2010 Gene & NSSV: GxE Interaktionen: „Genes load the gun….“ • Patienten mit Depression (n=195; 46+NSSV) • T allel v. G-protein β3 (GN β3) Assoziation mit NSSV – G protein: eingebunden in zelluläre Signalübertragung – Mechanismus vollkommen unklar • 5-HTTLPR: Serotonin Transporter Linked Polymorphic Region: Gen SCL6A4: in Zusammenhang mit Verhaltens- und emotionaler Kontrolle: Joyce et al., 2006 N=571: GxE Interaktion: interpersonal stress Hankin et al., 2015 Endogene Opioide • Spielen b. psych. Erkrankungen eine Rolle, bei denen Selbstverletzungen auftreten (BPD, ASD,..), Opioid Rezeptor Antagonisten bei ASD erfolgreich in der Behandlung von Selbstverletzungen • Rolle in der Schmerzwahrnehmung • Opioide mit hoher Affinität für µ Rezeptoren: in Drogen: hedonischtische Anteile v. Belohnungsgefühl • Veränderte Opioid Spiegel b. Pat. mit NSSV • µ -Opioid Rezeptoren in Regulation affektives Erlebens involviert • ACEs führen zu Verminderung von µ -Opioid Rezeptoren Review: Sher & Stanley, 2008, 2009; Bresin & Gordon, 2013 Analgesie bei BPD • BPD+NSSV ~ 80 %: Hypalgesie oder Analgesie • Erhöhte Schmerzschwelle in BPD+NSSV – Erhöhte Aktivierung im DLPFC – Verminderte Aktivierung im ACC und der Amygdala – Verminderte Amygdala Aktivierung nach Schnitt (im Vgl. zu sham Bedingung) • Hypalgesie ist habituell: – Schmerzschwelle sinkt nach Beendigung von NSSV Bohus et al., 2000, Cardenas-Morales et al., 2011, Schmahl et al., 2004, 2006, Ludäscher et al., 2009, Reitz et al., 2015 Aktivierung bei emotionalen Bildern Gesteigerte Aktivierung in Amygdala R and L in NSSV Gruppe Gesteigerte Aktivierung in ACC in NSSV Gruppe uncorr 0.001 Plener et al., 2012 Die Teile zusammenbringen Modulation durch Polymorp. Stress geänderte Stress Antwort NSSV Stress ↓ Geänderte Wahrnehmung HPA Achse Endogen. opioids Pain offset relief Höheres arousal Intervention Psychotherapie •  • Als Elemente der psychotherapeutischen Behandlung von NSSV sollten folgende Bereiche beachtet werden: – Klare Absprachen zum Vorgehen bei Suizidalität und NSSV – Aufbau einer Behandlungsmotivation – Psychoedukation – Identifikation von Faktoren, die NSSV auslösen oder aufrechterhalten – Vermitteln von alternativen Handlungs- oder Konfliktlösestrategien zu NSSV – Beachtung und leitliniengerechte Mitbehandlung psychischer Störungen Sehr starker Konsens Psychopharmakologie • Beim Auftreten von akuten Anspannungszuständen kann eine psychopharmakologische Behandlung in Form von niedrigpotenten konventionellen Antipsychotika erfolgen. Bei einer Anwendung außerhalb des Zulassungsbereichs, sind die Bestimmungen zum „off-label“ use zu beachten. • Eine psychopharmakologische Behandlung bei Vorliegen einer psychischen Störung soll entsprechend der störungsspezifischen Leitlinien erfolgen. • Eine spezifische psychopharmakologische Behandlung des NSSV kann nicht empfohlen werden. • sehr starker Konsens   Zusammenfassung • NSSV ist ein weit verbreitetes Phänomen im Jugendalter • NSSV wird nicht mit suizidaler Intention ausgeführt, dennoch ist NSSV ein ernstzunehmender Risikofaktor für Suizidalität • Es häufen sich Hinweise auf einen starken sozialen Einfluss auf NSSV, der auch neurobiologische Korrelate aufweist Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit [email protected]