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Novartis– Medizin Neu Denken.

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Novartis  –  Medizin neu denken. Eine Beilage der Basler Zeitung.  | Dienstag, 28. Februar 2017 Die Freiheit der Forscher Joe Jimenez erklärt, wie Novartis Kreativität fördert. Seite 2 Die Leber im Fokus Auf der Suche nach regenerativen Heilmethoden. Seite 4 Teamwork.Der Campus von Novartis, das ehemalige Werksgelände St. Johann in Basel, ermöglicht mit seinem modernen Arbeitsumfeld eine neue Art der Zusammenarbeit. Im Bild: Strukturanalyse zur Aufklärung von Medikamenteninteraktionen auf molekularer Ebene. Foto Novartis Digitale Medizin Smartphones erlauben neue Denkansätze in der Medizin. Seite 6 Novartis – Medizin neu denken.  | Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 2 Editorial Innovation, richtig verstanden Von Markus Somm Wer die Debatten verfolgt hat, die der neue amerikanische Präsident Donald Trump in seinem Land ausgelöst hat, indem er vielleicht zum ersten Mal auf so hoher Ebene die Deindustrialisierung Amerikas beklagte und versprach, Abhilfe zu schaffen, der mag erkannt haben, wie viel besser wir es in der Schweiz in dieser Hinsicht haben, nicht zuletzt in Basel. Noch gibt es bei uns eine sehr starke, wettbewerbsfähige Industrie, und ja, diese Industrie bietet auch Arbeitsplätze für Leute an, die keinen Doktortitel tragen, sondern eine solide Lehre gemacht haben. Gerade in der Region Basel wird noch produziert, so auch von Novartis, die hier Fabriken unterhält, die zu den modernsten und effizientesten der Welt gehören. «Dinge zu entdecken ist eine Form der Kunst » CEO Joe Jimenez erklärt, wie und wo Novartis Innovationen fördert Warum ist es der Schweiz gelungen, mehr Industrie zu halten als die USA? Ein Grund dafür liegt darin, dass die Schweiz stets gezwungen war, sich auf Dinge zu spezialisieren, die nur wir beherrschten. Denn uns fehlt der riesige Binnenmarkt, der gerade in den USA manche Firmen vor dem internationalen Wettbewerb schützte und dazu verführte, Masse statt Qualität herzustellen. Deshalb mussten wir auch bessere Arbeiter haben als China oder Indien, bessere Chemiker und bessere Ingenieure. Ohne gute Ausbildung, insbesondere ohne gute Berufsbildung, hätte die Schweiz den Strukturwandel nie so gut bewältigt. Hätten wir unsere Textilindustrie, die vor hundert Jahren zu den tüchtigsten der Welt zählte, einfach zu bewahren versucht: Wir wären verarmt. Stattdessen lebt Basel heute von der Pharmaindustrie und nicht mehr vom Seidenband. Zuweilen war dieser Prozess brutal, viele Leute verloren ihre Stelle – und doch beschäftigen wir heute, das geht oft vergessen, viel mehr Leute in diesem Land als vor hundert Jahren. So gesehen ist Innovation immer gut – und der Strukturwandel, den sie ebenso bewirkt, ist zu begrüssen, so zerstörerisch er für eine einzelne Branche, aber auch für viele Betroffene sein mag. Novartis selber liefert den Beweis dafür, dass man den Strukturwandel umso besser überlebt, wenn man ihn selber antreibt. Vor mehr als hundert Jahren ist die Chemie in Basel entstanden, um Farben für die Textilindustrie herzustellen. Heute rettet Novartis Leben. [email protected] Impressum Novartis  –  Medizin neu denken. Eine Verlagsbeilage der Basler Zeitung in Zusammenarbeit mit Novartis. Chefredaktor: Markus Somm Projektleitung: Andreas Schwander Redaktion: Andreas Schwander, Patrick Griesser. Wie folgt gezeichnete Texte stammen von Novartis: Esther Keller, Kristin E. D. Coan, Goran Mijuk Gestaltung: Reto Kyburz Inserate: Basler Zeitung Medien Druck: DZZ Druckzentrum Zürich AG BaZ: Onkologie ist wichtig für Novartis – aber in welchen anderen Gebieten wol­ len Sie sich in Zukunft etablieren? Joe Jimenez: Neben der Onkologie sind vor allem auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen wichtig  – dank unserem neuen Produkt Entresto. Wir investieren da im Moment sehr viel, ebenso in Immunologie, da haben wir in diesem Jahr mit Cosentyx den Blockbuster-Status erreicht, also Verkäufe im Umfang von mehr als einer Milliarde Dollar. Dazu kommt die Neurowissenschaft. Wir haben Medikamente nicht nur gegen Multiple Sklerose, sondern nun auch gegen Migräne und Alzheimer. Alzheimer hat eine sehr schmale Patien­ tenbasis und Migräne eine sehr grosse – wie gehen Sie da vor? Wir haben ein Programm mit Amgen zu chronischer und episodischer Migräne. Da haben wir ein neues Medikament in der Phase 3, das eine signifikante Reduktion der Anzahl Migränetage zeigt. Jemand, der sieben oder acht Migränetage pro Monat hat, kann diese stark reduzieren. Gibt es weitere Gebiete? Ein anderes Gebiet ist Augenheilkunde. Da investieren wir ebenfalls, wir haben gerade eine Firma namens Encore Vision gekauft. Die Firma entwickelt Augentropfen, die wahrscheinlich gegen Altersweitsichtigkeit wirksam sind. Hat sich Ihr Tätigkeitsbereich erweitet oder verengt gegenüber früher? Effektiv hat er sich etwas verengt, obwohl wir noch immer breit aufge- stellt sind. Früher waren wir in deutlich mehr Feldern aktiv. Wie viel Geld und Manpower setzen Sie für die Forschung und Innovation ein? Letztes Jahr haben wir fast neun Milliarden Dollar investiert, das sind rund 20 bis 22 Prozent der Verkäufe von Innovative Medicines. Roche gibt ähnlich viel aus, andere Firmen in der Branche dagegen nur 13 bis 14  Prozent. Insgesamt haben wir etwa 23 000  Wissenschaftler und andere Mitarbeiter in R&D weltweit. Wir sind branchenübergreifend eine der Grössten bezüglich Forschungsausgaben. Wie viele Leute davon arbeiten in Basel? Rund 4200. Davon sind 2000 in der Entwicklung und 2200 in der Forschung – hier in Basel. Wird die Zahl steigen? Das kann man nicht so klar sagen. Wir streben einen vielfältigen Fussabdruck an. Der Grund dafür ist, dass diese Ärzte und Wissenschaftler nicht gerne umziehen. Deshalb gehen wir da hin, wo sie sind, und haben die gros­sen Standorte bei Boston, hier in Basel für Leute, die in Europa leben wollen, und den Standort in Shanghai. Wie effizient ist Ihr Innovationssystem? Wir messen das auf verschiedene Arten. Wir messen die Anzahl Proofs-of-Concept, die jedes Jahr aus der Forschung kommen. Das ist der Fall, wenn ein neues Medikament an eine sehr kleine Zahl Patienten abgegeben wird und einen bestimmten Grad an Wirkung zeigt. Novartis – Medizin neu denken. Wie gut ist da der Output? Der Output ist ziemlich gut. Wir haben im Moment 13 potenzielle «Blockbuster» in der Pipeline. Erfahrungsgemäss werden wie viele dieser 13 Medikamente in den Markt eintreten? Wenn man mal in Phase  3 ist, dann erreichen 60 bis 75  Prozent dieser Medikamente den Markt. In Phase 1, dem Beginn der Tests mit Menschen, sind es nur zehn Prozent. Ist der Anteil der Forschungsausgaben in absoluten Zahlen gestiegen oder gesunken? Weil wir so gross sind, liegen diese neun Milliarden auch in absoluten Zahlen bei den höchsten, absolut in Dollar und in Prozent. Aber das ist Teil unseres Commitments. Viele Unternehmen kaufen sich Innovation, indem sie kleine Biotech-Firmen erwerben. Aber sie machen nicht die Anstrengungen, intern die Sachen zu entwickeln. Wir dagegen sind der Meinung, dass es besser ist, die Medikamente selber zu entwickeln. Die Strategie ist 80/20. 80 Prozent entwickeln wir selber und 20 Prozent kaufen wir dazu. vielen Patienten haben. Das heisst nicht, dass wir uns nicht um seltene Krankheiten kümmern. Wir haben ein Leukämieprogramm, für das es nur wenige Patienten gibt. Das wird vielleicht kein grosser kommerzieller Erfolg, aber wir entwickeln es trotzdem, weil es da ein sehr grosses Bedürfnis gibt. Investoren sind nicht immer zufrieden mit Novartis. Wo sehen Sie Möglichkei­ ten, den Output in nächster Zeit zu ver­ bessern? Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr viel verändert an unserer For- fender Patente. Aber wir haben Cosentyx gegen Schuppenflechte lanciert und das hat im ersten vollen Jahr 1,1  Milliarden eingebracht. Wenn man die Erlöse dieser neuen Produkte zusammennimmt, kann man die Ausfälle der auslaufenden Patente kompensieren. Dann investieren Sie nicht unbedingt in dasselbe Gebiet eines Medikamentes mit auslaufendem Patentschutz? Das kommt drauf an. Inzwischen gibt es Glivec-Generika, aber wir haben Tasigna im selben Gebiet, dessen Verkäufe steigen, weil es ein besseres  | Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 3 weise hatte das Medikament einen relativ langsamen Start. Wenn man als Arzt ein bestimmtes Medikament für eine bestimmte Krankheit während 20 Jahren verschrieben hat, hat man sich so daran gewöhnt, dass man Neuheiten nur langsam wahrnimmt. Sind Herzspezialisten konservativ? Ja, vielleicht, wir müssen sie auf jeden Fall intensiv auf die Vorteile des neuen Medikamentes aufmerksam machen. Im Gegensatz dazu sind etwa Dermatologen sehr viel offener und nehmen neue Medikamente sehr viel schneller an. len will, betreibt man einen gewaltigen Engineering-Aufwand im Produktionsprozess. Unsere Sandoz-Generikasparte ist da sehr innovativ. Unser Biosimilars-Geschäft hat nun die Milliardengrenze überschritten, wir sind da Leader und es wächst um 30 Prozent pro Jahr. Gibt es auch Innovation in Dar­ rei­ chungsformen? Wir studieren Kombinationen von Medikament und Gerät, welche die Applikation einfacher machen. Das ist beispielsweise ein Auto-Injektor, den man sich nur ans Bein hält und bei dem man einen Knopf drückt, statt sich eine Spritze mit der Nadel zu geben. Es gibt viele neue Geräte, die dem Patienten auf diese Weise das Leben erleichtern. Wir haben aber auch eine Lutschtablette für ein Multiple-Sklerose-Medikament entwickelt, weil viele MS-Patienten Mühe mit Schlucken haben, und das für sie so angenehmer ist. «Achtzig Prozent der Produkte entwickeln wir selber und 20 Prozent kaufen wir ein.» Wie sieht Ihre Patentpolitik aus? Man kann patentieren, oder man patentiert nichts und muss dann auch nichts bekannt geben. Wie beurteilen Sie die Life-Sciences-­ Bedingungen in der Schweiz? Es gibt beispielsweise Produkte wie Sandostatin. Das ist ein in der Herstellung sehr kompliziertes Medikament und dank unseren Investitionen in einen wirklich ausgefeilten Produktionsprozess können wir das Medikament noch immer sehr gut im Markt halten, obwohl das Patent schon sehr lange ausgelaufen ist. Aber eben: Wir haben das innovative Pharmageschäft und wir haben das Generika-Geschäft. Grundsätzlich sind wir sehr für Patente. Denn dadurch kommt die medizinische Wissenschaft voran. Aber wir sind auch der Meinung, dass wenn ein Patent ausläuft, wir verpflichtet sind, günstigere Varianten anzubieten, damit die Gesundheitssysteme weltweit davon profitieren können und uns im Gegenzug auch die neueren teureren Medikamente bezahlen. Das ist ein Zyklus. Die sind sehr gut. Das ist auch der Grund, weshalb wir viel R & D hier betreiben. Die Universitäten sind sehr gut, es gibt sehr viele wissenschaftlich arbeitende Ärzte, die uns bei klinischen Versuchen unterstützen, und auch das ganze Umfeld ist sehr gut. Dazu gehören die liberalen Arbeitsgesetze, die uns sehr helfen, im Gegensatz zu andern Ländern. Wo steht Basel als Forschungsstandort im Vergleich zu Boston und Shanghai? Basel ist sehr wichtig für uns. Die Arbeit hier betrifft absolut jede Innovation. Es gibt kein einziges Novartis-Produkt, das nicht in irgendeiner Phase in Basel bearbeitet wird. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Grösse und Innovationskraft? Wie entwickeln sich die Kosten von Innovationen? Hat sich das geändert? Die Kosten sind in den letzten Jahren massiv gestiegen, vor allem, weil weltweit die Regulatoren die Anforderungen verschärft haben. So müssen wir beispielsweise für bestimmte Kardiovaskular-Medikamente eine so­­ ­­genannte «Outcome-Studie» machen. Ein gutes Beispiel ist Ilaris gegen Arteriosklerose. Wir mussten 10 000 Patienten während mehrerer Jahre begleiten, um zu beweisen, dass das Medikament tatsächlich das Leben verlängert hat im Verhältnis zu ande- Medizinische Bedürfnisse.Joe Jimenez will dort investieren, wo man möglichst vielen Patienten helfen kann.  ren Therapien. Das dauert viele Jahre Fotos Christian Jaeggi und kostet Hunderte von Millionen Dollar. Auf der einen Seite haben schungsorganisation. So haben wir Produkt ist. Wir investieren durchaus Dies sind die realen Innovationen, aber die  Regulatoren die Anforderungen die weltweite Entwicklungsorganisain dieselbe Krankheit, wenn dort dann gibt es auch den Vorwurf, dass erhöht, andererseits arbeiten wir mit tion zentralisiert und der Leiter ist in noch immer ein grosses Patientenbe- viele Produkte Innovation nur vortäu­ ihnen zusammen, um die Anfordeder Konzernleitung mit vertreten. dürfnis besteht. schen. Was sagen Sie dazu? rungen zu senken. Wir versuchen, die Damit hat R&D nun eine starke Können Sie drei Beispiele an herausra­ Einige Firmen in der Branche versuBehörden davon zu überzeugen, dass Stimme bei allen Entscheidungen in genden Innovationen der letzten Jahre chen die Patente zu verlängern mit wir die extensiven Multimillionen-­ der Firma. Wir sind selber nicht wirk- nennen? minimal besserer Wirkung. Wir Versuche nicht machen müssen, machen das nicht. Wenn man sich die lich glücklich mit dem Aktienkurs. Die erste ist sicher das CAR-T-19-Probevor wir wirklich am Markt sind. Wir alternde Bevölkerung weltweit vorAber wenn man die ganze Branche jekt. Das ist ein Prozess, bei dem wir möchten ein Medikament lancieren, anschaut, muss man auch sehen, dass eine Blutprobe eines Patienten mit stellt, dann können sich Gesundheitssobald wir sicher sind, dass es wirkt sie letztes Jahr um zwölf  Prozent einer bestimmten Form von Leukäsysteme nur leicht bessere Medikaund dass es sicher ist. Aber die zusätzschrumpfte, aufgrund der Unsichermente zum alten Preis nicht leisten mie nehmen. Dann verändern wir die und werden sie nicht bezahlen, ja heiten in den USA. Die Präsidentlichen Informationen, welche die T-Zellen genetisch, damit sie den schaftskandidaten sprachen viel über Tumor identifizieren und abtöten vielleicht sogar die Zulassung verweiRegulatoren wollen, möchten wir erst die zu hohen Medikamentenpreise können, und dann spritzen wir dem später beibringen. Sie sind ziemlich gern. Deshalb suchen wir einen andePatienten das modifizierte Blut wieoffen für diese Ideen und das würde und versprachen, sie gleich nach der ren Weg und sagen, dass wir die offedie Kosten massiv reduzieren. Wahl zu reduzieren. Das machte viele der. Die modifizierten T-Zellen im nen medizinischen Bedürfnisse entInvestoren nervös. Blut vermehren sich und zerstören scheiden lassen, wo wir unsere ResWie beurteilen Sie den kommerziellen sourcen einsetzen. Es passiert aber den Tumor. 80 Prozent der Kinder mit Wert einzelner Krankheiten? Gibt es da auch, dass Generikaproduzenten den Leukämie, welche die Therapie Selektionskriterien? bekommen, werden komplett geheilt. Preis eines Präparates plötzlich um Wir schauen da nicht unbedingt auf Das werden wir dieses Jahr in den 500  Prozent erhöhen. Das führt zu den kommerziellen Wert. Wir USA und in Europa lancieren. Die einem fürchterlichen Imageproblem schauen mehr auf die unbefriedigten zweite ist die neue CRISPR-Technolofür die Branche. medizinischen Bedürfnisse. Denn wenn es viele Patienten mit einer gie. Viele Krankheiten entwickeln Wie innovativ sind Sie im Bereich der bestimmten Krankheit gibt und wir sich, weil ein bestimmtes Gen Generika? ein Medikament haben, das hilft, Können alle Produkte mit auslaufenden mutiert. Mit CRISPR können wir ein Wir sind sehr innovativ bei den Genedann erhält das die entsprechenden Patenten ersetzt werden? solches beschädigtes Gen ersetzen rika, insbesondere bei den Biosimi­­ Ressourcen. Wenn wir aber sehen, oder reparieren. Die dritte ist die lars. Das sind Medikamente, die nicht Wir versuchen nicht, die Produkte dass es bei einer Krankheit weniger ­Lancierung des neuen Herzmedikadurch einen chemischen Prozess direkt zu ersetzen. Aber wir versuBetroffene gibt, dann werden wir da gemacht werden, sondern durch mentes Entresto. Es gab während chen, einen Strom von neuen Produkdie Priorität senken. lebende Zellen, die wir in grossen 20 Jahren nichts Neues für diese Patiten zu generieren, welcher die finanBehältern kultivieren. ziellen Ausfälle kompensiert. Wir verenten und dieses Medikament reduDas heisst, dass Sie keine «Orphan lieren das Patent von unserem wichziert die Sterblichkeit bei Herzpatien- Das ist ein komplett anderer Herstel­ Drugs» gegen sehr seltene Krankheiten tigsten Medikament, Glivec. Da ten um 20  Prozent. Zudem müssen lungsprozess als Chemie, es ist eher wie entwickeln? versuchen wir den Ausfall mit neuen die Leute 20 Prozent weniger oft ins Impfstoffe züchten? Wir haben bisher nicht sehr viele Produkten abzufangen. Wir haben Spital, was die Lebensqualität erhöht Orphan Drugs kommerzialisiert. Als Genau  – und das ist sehr schwierig. letztes Jahr ungefähr 2,4 Milliarden und die Kosten für die Gesundheitsgrosse Firma brauchen wir SubstanWenn man beispielsweise den Wirkan Verkäufen verloren wegen auslaustoff Rituximab als Biosimilar herstelsysteme massiv reduziert. Seltsamerzen, die eine grosse Wirkung bei sehr «Wenn die Patienten nicht so oft ins Spital müssen, senkt das die Kosten massiv.» Das glaube ich nicht. Es gibt kleine Firmen mit drei Leuten mit guten Ideen und es gibt grosse Firmen mit guten Ideen. Wir sind der Überzeugung, dass Ressourcen nötig sind, um Innovationen zu schaffen. Es braucht Geld, Leute und Infrastruktur. Ich denke, solange wir das haben, sind wir in der Lage, die besten Wissenschaftler zu engagieren. Es gibt Leute, die sagen, nur kleine Firmen seien innovativ. Aber wenn ich unsere Wissenschaftler betrachte, dann sind die sehr produktiv. Was ist der Beitrag des CEO dazu? Wir machen Benchmarks mit gewissen Leistungsindikatoren. Bei der Entwicklung ist es die Geschwindigkeit, mit der wir klinische Versuche machen können, Kosten und Qualität. In der Forschung ist es schwieriger zu messen. Meine Philosophie ist da, dass sie das Geld erhalten und dann sollen sie einfach machen, ohne zu viele Vorschriften und Anleitungen. Sie sollen ihren Zauber entfalten. Dinge zu entdecken, ist mehr eine Form der Kunst als eine Wissenschaft. Es braucht Leute, die ihrer Nase folgen, die etwas Bestimmtes riechen und denken, dass es da einen Durchbruch geben könnte. Die brauchen Freiheit, um kreativ zu sein. Gibt es Grenzen für Investitionen? Es gibt keine Grenzen, aber es gibt Prioritäten. Wir suchen immer nach neuen guten Ideen. Wenn wir dann einmal die Budgetlimiten erreicht haben, eliminieren wir die am wenigsten guten Ideen. Und manchmal werden diese auslizenziert und ein Spin-off verfolgt sie weiter. Wie wichtig ist die Diversität? Diversität ist entscheidend für Innovationen. Unsere Wissenschaftler arbeiten in Gruppen. Wenn alle das Gleiche denken, denselben Hintergrund haben, dieselbe Ausbildung und die gleiche Herkunft, dann gibts ein Gruppendenken, das die Gedanken einengt. Deshalb möchten wir, dass möglichst Leute von allen Kontinenten zusammenarbeiten, um möglichst viele Gesichtspunkte mit drin zu haben. Die Fragen stellten Patrick Griesser und Andreas Schwander. Novartis – Medizin neu denken.  | Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 4 «Manchmal muss man Medizin neu denken» Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse der Patienten sen, dass bestimmte Proteine sehr gut als therapeutische Ziele wirken können. Es gibt aber auch sehr viele Proteine, von denen wir wissen, dass sie an bestimmten Krankheitsverläu­ fen direkt beteiligt sind, die aber bis­ her nicht therapeutisch zugänglich waren. Wir unternehmen nun grosse Anstrengungen, um für diese Pro­ teine neue Arten von Substanzen verfügbar zu machen. Tewis Bouwmeester leitet seit Ende 2016 den Forschungsstandort Basel bei Novartis. Die BaZ hat ihn nach seinen Prioritäten gefragt. BaZ: Herr Bouwmeester, welche Schwerpunkte setzen Sie in ihrer Arbeit? Tewis Bouwmeester: W  ir suchen neue, bahnbrechende Medikamente für Patienten in Bereichen, in denen grosser medizinischer Bedarf besteht. «Ist es sinnvoll, wenn man Leute behandelt, die noch keine Symptome zeigen?» Bedeutet für Sie «bahnbrechend», sogenannte Blockbuster mit hohem Marktpotenzial oder wirksam gegen schlimme Krankheiten? Wir meinen hiermit die Wirksamkeit gegen schlimme Krankheiten. Wir möchten durch unsere Therapien die medizinische Praxis entscheidend verändern. Wir können jedoch nicht alle Krankheiten gleichzeitig erfor­ schen. Deshalb fragen wir uns bei der Auswahl von Projekten: Wie gut ist unser molekulares Verständnis einer Krankheit und wie können wir daraus neue therapeutische Ansätze ableiten? Manchmal muss man hier auch Medizin neu denken. Welche weiteren konkreten Beispiele gibt es? Was bedeutet es, Medizin neu zu ­denken? Dies bedeutet zum Beispiel, dass man das Behandlungsverfahren auf den molekularen Mechanismus der Krankheit abstimmt, dass eine Tech­ nologie selbst als Medizin genutzt wird oder auch, dass eine Therapie bereits stattfindet, bevor eine Krank­ heit ausbricht. Gibt es hierzu Beispiele? Die Grundlagenforschung hat ge­ zeigt, dass sich fast jedes Organ selbst­ständig regenerieren kann. Das geschieht durch Stammzellen, die das Gewebe neu bilden. Beim Altern verlieren diese Stammzellen mit der Zeit diese Fähigkeit. Wir versuchen bei Krankheiten, die in Zusammen­ hang mit dem Alter auftauchen, sol­ che Fähigkeiten der Zellen wieder herzustellen, um eine Regeneration zu ermöglichen. Deshalb ist die Leber auch ein so interessantes Organ. Denn die Leber hat verschiedene Mechanismen entwickelt, um sich selbst zu regenerieren. Daraus versu­ chen wir therapeutische Ansätze abzuleiten und diese Erkenntnisse in andere Organe, wie zum Beispiel die Niere, zu übersetzen. Ist das auch Teil der Zusammenarbeit mit der Uni Basel und Professor Luigi Terracciano? Genau. Zugang zu menschlichen Gewebeproben ist heutzutage essen­ ziell, um beispielsweise Krankheits­ mechanismen besser zu erforschen. Ausserdem bekommen wir so Infor­ mationen bezüglich Patient-zu-Pati­ Überblick über die Forschung.Tewis Bouwmeester will als Leiter des Novartis Forschungsstandorts in Basel regenerative Therapien vorantreiben. Foto Christian Jaeggi ent-Variationen für zielgerichtete Therapieansätze. Gerade im Bereich Lebererkrankungen haben wir viele Kooperationen und Partnerschaften und eine davon ist diejenige mit der Universität Basel. Kann verbesserte Leberregeneration dem Mangel an Spenderorganen ent­ gegenwirken? Sicherlich zu einem Teil. Wenn wir beschädigte Lebern regenerieren, können wir eine Transplantation vermeiden. Bisher waren der Haupt­ grund für Lebertransplantationen Hepatitis-C-Infektionen, welche in­ ­ zwischen ausreichend therapiert werden können. Die gegenwärtige Entwicklung geht dahin, dass ab etwa dem Jahr 2020 Lebertransplan­ tationen vor allem wegen Spätfolgen der nichtalkoholischen Fettleber vor­ genommen werden. Wenn man die pandemischen Ausmasse dieses Pro­ blems anschaut, erkennt man, dass die zur Verfügung stehenden Lebern nie ausreichen werden, um alle Pati­ enten mit neuen Organen zu versor­ gen. Deshalb fokussieren wir uns auf neue therapeutische Ansätze zur Behandlung dieser Krankheit. Was sind die Gründe für eine nicht­ alkoholische Fettleber? Dies kann die Folge von Adipositas und Typus-2-Diabetes sein  – also eine Folge aus immer häufiger wer­ dender Fettleibigkeit aufgrund eines ungesunden Lebensstils. Das ist also eine Zivilisationskrank­ heit, die mit wenig Bewegung und fal­ scher Ernährung einhergeht? Ja, das kann man so sehen. Die bes­ ten klinischen Daten gibt es von operativen Magenverkleinerungen. Die Symp­tome würden sich verbes­ sern, wenn die Patienten mehr als zehn Prozent ihres Gewichts verlie­ ren würden. Das tun sie aber prak­ tisch nie. Wo sehen Sie neue Möglichkeiten? Wir wollen die chemische Biologie global stärken. Das ist die Schnitt­ stelle zwischen Chemie und Biolo­ gie. Die pharmazeutische Industrie hat in den letzten zehn Jahren bewie­ In der Wissenschaft liegt viel unaus­ geschöpftes Potenzial in den frühen technologiegetriebenen Phasen der Forschung. Technologie selbst könnte zum Beispiel als Therapeuti­ kum eingesetzt werden. Eine dieser Technologien, die aus dem akademi­ schen Bereich kommt, ist CRISPRCas9, die einem erlaubt, das Genom sehr spezifisch zu editieren. Das ist im Prinzip ein Verfahren, basierend auf molekularen Scheren, das es ermöglicht, genetische Mutationen zu korrigieren. Damit kann man nicht nur neue Gebiete erforschen, sondern das Verfahren auch als the­ rapeutischen Ansatz ausnutzen. Denn es gibt monogenetische Krank­ heiten, bei denen wir genau wissen, welche einzelnen Gene und welche Mutationen für den Krankheitsver­ lauf verantwortlich sind. Gibt es nicht auch im Bereich Alzhei­ mer neue Forschungsansätze? Bei Alzheimer hat die Therapie bis­ her viel zu spät im Krankheitsverlauf eingesetzt. Novartis hat deshalb nun einen präventiven klinischen Ver­ such zu diesem Thema gestartet. Wir sind der Meinung, dass man mit neuen Medikamenten bei gefährde­ ten Personen den Ausbruch von Alz­ heimer verzögern kann. Das macht man gezielt mit Personen mit einer genetischen Prädisposition zu einer verfrühten Alzheimer-Erkrankung. Wie finden Sie diese Personen? Die findet man über genetische Tests. Aber das ist ein ganz neuer therapeu­ tischer Ansatz. Insgesamt sind heute rund 35  Millionen Menschen von Demenz betroffen und der grösste Teil davon durch Alzheimer. Aber dies kann natürlich ein ethisches Dilemma aufwerfen: Wie erkennt man diese Personen, die noch keine Patienten sind? Ist es sinnvoll, Leute ohne Symp­tome zu behandeln, und wie misst man, dass man den Aus­ bruch der Krankheit tatsächlich ver­ zögert hat? Welche grossen Hoffnungen haben sich zerschlagen in den letzten Jahren? Alzheimer ist auch hier ein gutes Bei­ spiel. Der Therapieansatz muss über­ dacht – sozusagen «neu gedacht» werden. Wir sind der Meinung, dass man vor der Entstehung der Ablage­ rungen im Hirn ansetzen muss. Aber es gibt auch sehr viele Projekte bei anderen Krankheiten, bei denen wir in Tierversuchen sensationelle Effekte der Therapie sehen, aber keine bei menschlichen Patienten. Es ist sehr wichtig für uns, daraus zu lernen. Das nennt sich «Truth See­ king» und ermöglicht uns, neue Wege zu gehen. Wie viele Fehlschläge machen Sie? In der Anfangsphase ist die Ausfall­ quote von Projekten ziemlich gross. Aber durch unsere Bemühungen in der «personalized medicine», welche darauf zielen, die geeigneten Thera­ pieansätze für den richtigen Patien­ ten zu entwickeln, wird die Ausfall­ quote immer geringer. Darum ist für uns die translationale Forschung von grosser Bedeutung, bei der es darum geht, den Krankheitsverlauf im Men­ schen besser zu verstehen. Werden dadurch die klinischen Versu­ che auch genauer? Ja, das ist unsere Hoffnung. Deshalb ist auch die Zusammenarbeit mit klinischen Partnern, wie zum Bei­ spiel Professor Luigi Terracciano, so wichtig. Haben Sie in Basel auch andere sol­ che Kooperationen? Ja, das haben wir, nicht nur mit der Universität, sondern auch mit ande­ ren Kliniken und Forschungsein­ richtungen. Ein mit Novartis affili­ iertes Institut ist das Friedrich Mies­ cher Institute for Biomedical Rese­ arch, das eine Brücke darstellt zwischen rein akademischer Grund­ lagenforschung und angewandter Forschung. Wie rekrutieren Sie die Forscher? Die Wissenschaftskooperationen sind ein wichtiger Weg und wir sind mit den Topinstituten in der Schweiz in engem Kontakt. Wir haben auch ver­ schiedene Trainingsprogramme, zum Beispiel ein Projekt für Post-Doc-Stu­ denten, die dann drei bis vier Jahre bei uns arbeiten und dann zurückge­ hen in die akademische Forschung. Diese Leute publizieren auch wissen­ schaftlich und das machen sie meis­ tens in Partnerschaften. Je besser wir publizieren, desto einfacher wird es, neue Talente zu rekrutieren. Die Fragen stellte Andreas Schwander. 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Die Patho­ logie, das ist der Ort, an dem Patholo­ gen Verstorbene untersuchen, um die – manchmal verborgenen  – Gründe für ihren Tod zu entschlüsseln. «Das machen wir natürlich noch immer», sagt Professor Luigi Terracciano, Fach­ bereichsleiter für Molekularpathologie am Institut für Medizinische Genetik und Pathologie, «allerdings inzwischen viel seltener.» Anfang der 1990er-Jahre wurden noch rund 1000 Autopsien jährlich durchgeführt, heute noch etwa 200. Traditionell beschäftigte sich die Pathologie mit der vergangenen Kran­ kengeschichte eines Menschen. Doch das hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich geändert. Inzwischen blickt sie immer stärker in die Zukunft. «Novartis und das Uni­ spital haben 3200 Lebertumore analysiert.» Die für die translationale klinische Forschung wertvolle Sammlung besteht aus Millionen von Gewebeproben, die in Paraffinblöcke eingegossen sind. Sie bilden den Grundstock einer «Biobank», deren wissenschaftliche Projekte von der Ethikkommission Nordwest- und Zentralschweiz begutachtet werden. Alle in Paraffin eingegossenen Gewebe­ proben der Pathologie werden im Archiv unter kontrollierten optimalen Bedingungen aufbewahrt. Aus einem Paraffinblock lassen sich, hauchdünn geschnitten, über 500 Präparate her­ stellen, an denen untersucht werden kann, ob es neue Wege gibt, Patienten besser zu behandeln. Komplettiert wird die Biobank durch frisches, nicht fixier­ tes Gewebe, welches bei –80° C tiefge­ froren asserviert wird. Um neue Behandlungspfade zu erforschen, hat deshalb das Institut in einem gemeinsa­ men Projekt mit Novartis rund 3200 bösartige Tumoren aus seiner Biobank analysiert. Schon seit Jahren werden aus diagnostischen Gründen von den Pathologen Eiweiss/Protein sowie Erb­ substanz/DNA aus Tumoren analysiert, um einzelne tumorspezifische Verände­ rungen nachzuweisen. Zunehmend las­ sen sich diese Veränderungen nun auch als Angriffspunkte für neue Medika­ mente nutzen. Der Angelina-Jolie-Fall Die Zusammenarbeit zwischen der Pathologie des Unispitals und Novartis umfasst mehrere Ziele. So produzieren Tumoren Proteine, die man im Gewebe nachweisen kann. Damit erhält man genaue Hinweise auf die Art des Tumors, den man dann präziser bekämpfen kann. Zudem lassen sich Genmutationen in Tumorzellen erken­ nen und prüfen, ob diese Mutationen nur zufällig da sind oder immer in einer speziellen Tumorart vorkommen und deshalb als Ziele für Medikamente dienen können. Ausserdem kann man oft auch Hinweise auf den Schwere­ grad einer Tumor­ erkrankung gewin­ nen, wenn man Genveränderungen mit bekannten Krankheitsverläufen korreliert. Finden sich solche Mutationen nicht nur im Tumor, sondern auch im Normalgewebe, spricht man von einer genetischen Prädisposition, die anzei­ gen kann, ob jemand allenfalls einen bestimmten Tumor entwickeln könnte. Diese meist an Blutproben durchge­ führten Untersuchungen werden von der Medizinischen Genetik auf Veran­ lassung der Betroffenen oder des Haus­ arztes vorgenommen, wenn es Hin­ weise auf ein mögliches familiäres Krebsrisiko gibt. Hier gibt es den in der Medizin inzwischen allseits bekannten Musterfall der Schauspielerin Angelina Jolie. Sie hatte sich wegen ihrer geneti­ schen Prädisposition, bösartige Tumo­ ren in Brust und Gebärmutter zu ent­ wickeln, diese Organe prophylaktisch entfernen lassen, da diese genetische Der Forscher.Professor Luigi Terracciano kann dank dem Archiv des pathologischen Instituts mit Tausenden von Gewebeproben forschen. Foto Christian Jaeggi Veranlagung bei über 80 Prozent der Frauen, bei denen sie nachgewiesen wird, zu einer praktisch immer töd­ lichen Krebserkrankung führt. «Das wirft natürlich auch ethische Fragen auf», betont Luigi Terracciano. «Das ist ein erheblicher Eingriff, bei dem gesunde Organe entfernt werden. Umso mehr müssen die Abklärungen sehr präzise erfolgen und die Betroffe­ nen sollten vor einem solchen Eingriff unbedingt eine genetische Beratung in Anspruch nehmen.» Im Falle von Ange­ lina Jolie kannte man zudem die Fami­ liengeschichte. Bereits die Mutter, die Grossmutter und eine Tante waren an diesem Krebs gestorben. Hauptziel ist, Genmutationen zu finden, die Auskunft darüber geben, ob ein Patient von einer Behandlung pro­ fitiert oder nur die  – oft schweren  – Nebenwirkungen erleidet. Die Patholo­ gie in enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Fachärzten wird immer mehr zur prädiktiven Pathologie, zur voraussagenden Wissenschaft, bei der man an Gewebeproben erkennen kann, ob die Krankheit auf eine bestimmte Behandlung anspricht. Die Voraussagen des Pathologen Ein weiteres Projekt mit Novartis besteht darin, Regenerationsprozesse in chronisch geschädigten Organen, wie beispielsweise die Leber, zu unter­ suchen: Wie und weshalb starten diese Prozesse in der Leber, welche Zellen sind daran beteiligt und wie kann man diese Prozesse beeinflussen? Hier könnten dann neue regenerations­ unterstützende Therapien ansetzen, die Novartis jetzt entwickelt. Denn während die meisten Proben von Lebergewebe in der Sammlung der Pathologie des Unispitals von Alkohol­ kranken oder Hepatitis B/C-Patienten stammen, die sich in den 90er-Jahren unter anderem über Injektionen oder Bluttransfusionen angesteckt haben, dürften in den nächsten Jahren laut Novartis chronische Erkrankungen der Leber aufgrund von Übergewicht und falscher Ernährung so stark zuneh­ men, dass es niemals genügend Organe für Transplantationen geben wird, die notwendig werden, weil die Leber aus­ fällt. Deshalb muss man schon jetzt nach sogenannten regenerativen Heil­ methoden suchen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Unispital und Novartis bringt des­ halb für beide Partner grosse Vorteile. Novartis hat beispielsweise keinen direkten Zugang zu Gewebeproben und weder die Kapazität noch das Know-how, diese so lange aufzube­ wahren. Das Unispital hingegen kann die oft sehr teuren Analysesysteme nicht alle vorhalten. Beide aber haben ein gemeinsames Interesse daran, Krankheitsbilder besser zu verstehen, um die Behandlung zu verbessern. Diese Zusammenarbeit hat eine lange Tradition. Das berühmteste Beispiel ist der Wirkstoff Cyclosporin, der die Abstossung von transplantierten Orga­ nen verhindert und inzwischen auch in der Dermatologie und der Onkologie eingesetzt wird. Das Medikament hat bereits Hunderttausenden von Men­ schen das Leben gerettet und mehr Lebensqualität ermöglicht. Der grosse Schatz an Gewebepro­ ben der Pathologie des Universitätsspi­ tals Basel hat deshalb für die Forschung einen unschätzbaren Wert. Überschüssiges Fett in der Leber bekämpfen Neue Therapien gegen eine Zivilisationskrankheit Von Kristin E.D. Coan Wenn man an die Gefahren der Fettlei­ bigkeit denkt, dann kommen einem normalerweise Herz-Kreislauf-Erkran­ kungen in den Sinn. Die meisten Men­ schen haben keine Vorstellung davon, dass eine weitere häufige Todesursache unter adipösen Patienten eine Krank­ heit ist, von der sie noch nie gehört haben: die nicht-alkoholbedingte ent­ zündliche Fettleber (NASH für Non-Al­ coholic Steatohepatitis). Die NASH betrifft schätzungsweise bis zu 6,5 Pro­ zent der Weltbevölkerung. Sie kann zu einem erhöhten Risiko für Leberkrebs und Leberversagen und ohne Leber­ transplantation zum Tod führen. Bisher gibt es noch keine Heilung. Doch Novar­ tis bemüht sich in führender Rolle darum, dies zu ändern. Eine schleichende Epidemie «Die NASH ist eine massive Epide­ mie, die im Verborgenen vor sich hin schwelt», meint Eric Hughes, Global Development Head, Immunology and Dermatology Franchise bei Novartis. «Sie stellt einen enormen, noch völlig ungedeckten medizinischen Bedarf dar.» Fett in der Leber ist ein Bestandteil der normalen Verdauung. Doch wenn sich zu viel Fett ansammelt, kann dies Entzündungen auslösen. In der Folge sterben Zellen ab. Durch den Zelltod entstehen wiederum Entzündungen und schlussendlich ein Teufelskreis aus weiteren Entzündungen und Zell­ sterben. Dieser Prozess führt zu einer starken Vernarbung der Leber. 20 bis 30 Prozent der westlichen Bevölke­ rung befinden sich bereits in den frü­ hen Phasen einer nicht-alkoholbeding­ ten Fettlebererkrankung. Von diesen Patienten erkranken geschätzte zwei bis drei Prozent potenziell an der schwereren, lebensbedrohlichen Form der NASH, in deren späten Stadien es zum Leberversagen kommt. Patienten trifft eine NASH-Diagnose häufig völ­ lig überraschend, da in der Regel bis in die späten Stadien der Krankheit hin­ ein keine Symptome auftreten. Sie fühlen sich möglicherweise etwas Zivilisationskrankheit.Die Leber ist ein zentrales Organ des Stoffwechsels. Eine Fettleber entsteht, wenn der Fettstoffwechsel der Leberzellen gestört wird.  müde, doch es gibt keine Schmerzen. So bemerken Ärzte oft erst im Rahmen von Routineuntersuchungen die erhöhten Leberwerte. «Die Leber stirbt ganz langsam, Zelle für Zelle, bis nur noch eine einzige grosse Narbe zurückbleibt», sagt Hug­ hes. «Es ist dringend geboten, Patienten zu behandeln, bevor dies eintritt.» Neuer Schwung für die Leber Momentan gibt es bei der Behand­ lung der Nash nur eine einzige Option: Gewicht verlieren, Bewegung und eine gesunde Ernährungsweise. Diese Emp­ fehlungen sind grundsätzlich gut, da Übergewicht und hohe Fett- und Cho­ lesterinwerte zu den wichtigsten NASH-Risikofaktoren zählen. Aber die­ ses Rezept lässt sich nicht immer ganz einfach befolgen. Zudem sind mehr als Empfehlungen zur Änderung des Lebensstils nötig, um das Ausmass und die Ernsthaftigkeit dieser drohenden Epidemie in den Griff zu bekommen. Novartis entwickelt Therapien, die es ermöglichen, überschüssiges Fett in der Leber durch Stärkung des leber­ eigenen Stoffwechsels loszuwerden. «Unser Ziel ist es, der Leber neuen Schwung zu geben, um das Fett zu ver­ brennen», erläutert Hughes. Novartis widmet sich der Entwicklung einer Reihe von Molekülen, welche die natür­ lich vorkommenden Gallensäuren der Leber regulieren, die Fettablagerungen reduzieren und dadurch Entzündun­ gen hemmen. Darüber hinaus ist Novartis unlängst eine Partnerschaft mit dem US-Unternehmen Conatus Pharmaceuticals Inc. eingegangen, um eine zusätzliche Therapie zur Blockade von Entzündungsprozessen und Zell­ absterben zu entwickeln. Führend auf dem Gebiet Zwei Moleküle haben sich bereits in frühen klinischen Studien als so vielver­ sprechend erwiesen, dass ihnen von der FDA der Fast-Track-Status erteilt wurde. Im Rahmen von mehreren Studien wird der gesonderte Einsatz dieser Moleküle untersucht und Novartis ist der Über­ zeugung, dass diese Therapien, wenn alles gut verläuft, in Kombination mit­ einander einen noch grösseren Nutzen bieten können. «Wir haben erkannt, dass der Ein­ satz multipler Arzneimittel einen stär­ keren Transformationseffekt haben kann», so Hughes. «Wir denken, dass die Kombination tatsächlich Wirkung auf diese Krankheit zeigen wird.» Ergänzend zu diesen Aktivitäten baut Novartis ein spezielles Leber-Team zur schwerpunktmässigen Erforschung der NASH und anderer Lebererkran­ kungen auf. Die der NASH zugrunde liegenden Zellprozesse gleichen jenen bei vielen anderen Lebererkrankungen wie der alkoholbedingten Lebererkran­ kung sowie Hepatitis B und C. Wenn diese neue Therapien erfolgreich sind, ist es möglich, dass sie schon bald auf ein ganzes Spektrum von Lebererkran­ kungen ausgedehnt werden könnten. Novartis – Medizin neu denken.  | Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 6 Die digitale Zukunft der Medizin Technologien aus Mobiltelefonen und Computerspielen eröffnen neue Möglichkeiten ist ein Bioelektronik-Unternehmen, das zusammen mit Neurowissenschaftlern der Stanford University an tragbaren medizinischen Technologieprodukten zur Behandlung neurologischer Störungen arbeitet. Omada Health versucht, mit mobilen Geräten menschliche Gewohnheiten zu ändern, die Risikofaktoren für schwere, aber grösstenteils vermeidbare Krankheiten darstellen, insbesondere Typ-2-Diabetes. Das dritte Unternehmen, Science 37, macht sich Neuerungen in der Telemedizin zunutze, um klinische Studien zum Patienten zu bringen, indem herkömmliche Klinikumgebungen virtualisiert und umfassende klinische Studienleistungen ohne geografische Einschränkung angeboten werden. Die Digitalisierung wird in den USA auch regulatorisch vorangetrieben. Gemessene Bewegungen.Microsoft und Novartis an Computerprogrammen zur Behandlung von multipler Sklerose.  Von Goran Mijuk Die globale Gesundheitsindustrie dürfte sich durch die «digitale Revolution» nachhaltig verändern. Angesichts dieses Potenzials hat Novartis früh in diesen Bereich investiert und sich auch mit führenden globalen IT-Akteuren wie Qualcomm, Microsoft und Google zusammengetan, um neue Ansätze zu prüfen. Digitale Gesundheitslösungen ge­­ winnen immer mehr an Gewicht und haben das Potenzial, die Industrie nachhaltig zu verändern. Dies ist in erster Linie auf drei Hauptentwicklungen zurückzuführen: Erstens haben ständig steigende Rechenleistungen und Bandbreiten dazu beigetragen, dass Smartphones rund um den Globus aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Zweitens haben wichtige regulatorische Änderungen die Voraussetzungen für die Nutzung von riesigen Datenmengen geschaffen – kurz als Big Data bezeichnet – und gesundheitsbezogenen IT-Tools entstehen lassen. Zudem sind heute Rechner in der Lage, dank neuen Programmen selbstständig zu lernen  – Stichwort künstliche Intelligenz. Heute trifft dies vor allem auf die USA zu. Anders als noch in vielen anderen Staaten wird in den USA seit 2009 die Digitalisierung von Gesundheitsdaten auch regulatorisch vorangetrieben, wobei eine Reihe von neuen Gesetzen eingeführt wurde, die den digitalen Gesundheitssektor beflügeln. 2009 ermöglichte die Open Govern­ment Directive und die Health Data Initiative das Zusammenführen von Gesundheitsdaten, und im gleichen Jahr befeuerte der Health Information Technology for Economic and Clinical Health Act die Digitalisierung des Gesundheitswesens zusätzlich durch ein Förderprogramm von bis zu 40  Milliarden US-Dollar für die Nutzung elektronischer Patientenakten. Zudem ist das Land technologisch führend. Jüngst erhielt mit dem Unternehmen Arterys das erste Unternehmen in den USA die Zulassung der Gesundheitsbehörde FDA für ein IT-Programm, das künstliche Intelligenz nutzt, um Kardiologen bei Herzuntersuchungen zu unterstützen. Grundlegender Umbruch Viele Gesundheitsexperten sind überzeugt, dass die medizinische Praxis als Folge dieser technologischen Entwicklung einen radikalen Um­­ bruch erleben wird. Alice Rivlin, Ökonomin der angesehenen Brookings Institution, bezeichnete diese Veränderungen gar als disruptiv. Auch McKinsey rechnet mit erheblichen Veränderungen und schätzt, dass Big-Data-Strategien im gesamten US-Gesundheitssystem jährlich bis zu 100 Milliarden US-Dollar an Wert generieren könnten. «Die bei den Patienten allgegenwärtigen mobilen Geräte haben enorme Möglichkeiten geschaffen.» Aaron Nelson Neben IT-Firmen und Krankenversicherern strömen dabei auch immer mehr Pharmaunternehmen in diesen stark wachsenden Markt. Die digitale Entwicklung dürfte grosse Auswirkungen auf Bereiche wie Arzneimittelforschung, Datensammlung und -analyse sowie Patientenversorgung haben und bei der Messung von Behandlungsergebnissen eine wichtige Rolle spielen. Aufgrund dieser Entwicklung befindet sich der Markt für digitale Gesundheit seit einigen Jahren auf Wachstumskurs. 2014 konnten aufstrebende digitale Gesundheitsunternehmen in den USA 4,1  Milliarden US-Dollar an Kapital aufnehmen. 2015 wurden laut der Venture-Fonds-Gesellschaft Rock Health weitere 4,5  Milliarden US-Dollar in den Sektor investiert und 2016 waren es erneut über 4 Milliarden US-Dollar. Für CEO Joseph Jimenez ist klar, dass Novartis diese Chance nutzen muss. «Jetzt ist die Zeit, das aktuelle Potenzial für Innovation zu erschliessen», erklärte er. «Wir müssen die Gelegenheit nutzen, Lösungen für einige der grössten Herausforderungen zu finden, denen wir gegenüberstehen. Indem wir die Kraft neuer Technologien erschliessen und unsere Forschung auf zukunftsträchtigen Feldern weiter vorantreiben, können wir für unsere Branche neue Dimensionen eröffnen.» Um an den sich rasant entwickelnden Sektor anzuknüpfen und von den Veränderungen zu profitieren, hat Novartis in den vergangenen Jahren mehrere Projekte initiiert. So wurden Partnerschaften mit Unternehmen wie Google und Microsoft geschlos- sen, um digitale und medizinische Technologien miteinander zu verbinden und damit die Entwicklung von Therapien zu ermöglichen, die den Patientennutzen in den Mittelpunkt stellen und eine ergebnisorientierte Medizin verfolgen. Zudem kooperiert Novartis mit Qualcomm, einem globalen Anbieter für Wireless-Technologien, um Start-up-Unternehmen zu identifizieren, deren Produkte und Dienstleistungen über klassische pharmazeutische Therapien hinausgehen. Die beiden Unternehmen gründeten die Investmentgesellschaft dRx Capital mit einem Vermögen von 100 Millionen US-Dollar, das in vielversprechende Start-ups investiert, die im Grenzbereich von IT und Gesundheitssindustrie operieren. Immer mehr digitale Medizin Amy Landucci, die den Bereich Digitale Medizin bei Novartis leitet, ist sich der Auswirkungen der digitalen Revolution auf den Gesundheitssektor bewusst und weiss, dass man zu den Besten gehören muss, um mit der Entwicklung Schritt zu halten. «Novartis gehörte zu den ersten Pharmaunternehmen, die in den Bereich digitale Medizin investierten; schon 2009 haben wir uns an Proteus Digital Health beteiligt, einem Start-up, das Mikrochips auf Tabletten und Kapseln druckt. Später kamen andere Beteiligungen hinzu, und wir waren schon bald darauf in der Lage, einen eigenen Digitalmedizinbereich aufzubauen.» Um in diesem Bereich voranzukommen, sind Partnerschaften wichtig, betont sie. Im Rahmen der Kooperation mit Google erwarb die Novartis-Augenheilsparte Alcon Lizenzrechte an der Smart-Lens-Technologie von Google X. Diese bietet beispielsweise Menschen mit Diabetes die Möglichkeit, über eine Kontaktlinse kontinuierlich den Zuckerspiegel ihrer Tränenflüssigkeit zu messen. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung einer Linse, die bei Menschen mit Alters­ weitsichtigkeit den Sehfehler korrigiert. Gegenstand der einige Jahre zuvor mit Microsoft eingegangenen Kooperation ist die Entwicklung eines Systems zur besseren Beurteilung von Multiple-Sklerose-Patienten. Dabei setzten die Unternehmen auf die kamerabasierte Bewegungssensor-Technologie von Microsoft, die das US-Unternehmen ursprünglich für ihre Spielkonsolen entwickelt hatte. Mit den von Microsoft entwickelten Technologien sollen nun bei der Bewertung des Krankheitsverlaufs konsistentere Ergebnisse erzielt werden. Zudem arbeiten die Unternehmen an Algorithmen, die Patientenbewegungen wie etwa das Schwanken des Oberkörpers registrieren, und passen das System von Microsoft an die klinischen Gegebenheiten an. «Auch wenn wir noch am Anfang stehen, ist unsere Partnerschaft mit Microsoft doch ein gutes Beispiel dafür, wie wir digitale Technologien und Medizin zusammenbringen können», sagt Jeremy Sohn, der mit Amy Landucci im Bereich Digitale Medizin tätig ist. «Wir verbinden das medizinische Know-how von Experten der teilnehmenden Zentren für klinische Multiple-Sklerose-Forschung mit unserer Erfahrung in der Medikamentenentwicklung, während Microsoft die technologische Kompetenz und nutzerorientierte Plattformen beisteuert. Diese Art von Zusammenarbeit wird uns helfen, die Beurteilung des Verlaufs der multiplen Sklerose zu verbessern. Gemeinsam entwickeln wir ein Produkt, das letztlich zu besseren Therapieergebnissen führen dürfte, da wir die Erkrankung und ihre Entwicklung präziser bestimmen und somit die Behandlungsoptionen entsprechend den individuellen Bedürfnissen verfeinern können», erklärt Sohn. Auch wenn in Europa und Asien digitale Technologien zum Alltag gehören, gehen die Impulse in der digitalen Medizin heute vor allem von den USA aus. «Vor Einführung der neuen Gesetze in den USA wurden Gesundheitsinformationen vorwiegend auf Papier und fragmentarisch dokumentiert. Die Einführung elek­ tronischer Datensysteme durch Gesundheitsversorger und die allgegenwärtige Präsenz mobiler Geräte auf Patientenseite haben enorme Möglichkeiten geschaffen», so Aaron Nelson, General Partner bei dRx Capital in Boston, dem Joint Venture von Qualcomm und Novartis. «Zudem zeichnen sich die USA durch einen dynamischen Start-up-Markt aus», sagt Aaron Nelson. Führungsrolle der USA Auf der Suche nach nachhaltigen Investments hat dRx Capital bislang in drei amerikanische Unternehmen investiert: Cala Health, Omada Health und Science 37. Cala Health Entscheidend für dRx Capital und Novartis sind allerdings nicht technische Spielereien, von denen es sehr viele gibt, sondern die Fähigkeit von  IT-Lösungen, wertorientierte ­Ge­schäftsmodelle hervorzubringen. «Unser Ziel ist es, die Konzeptionierung und Verfügbarkeit digitaler Medizinplattformen zu beschleunigen, die den Menschen einen Mehrwert bieten», erläutert Nelson. «Schliesslich geht es weniger um Gadgets und den letzten Schrei in der Technik. Wesentlich sind der Wert, den sie generieren, und das Geschäftsmodell dahinter. Nur durch Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit wird sich die medizinische Praxis ändern lassen, sei es durch eine Tablette, eine App oder die Kombination aus beiden», so Nelson. Unterdessen fasst die digitale Medizin aber auch in Europa und in der Schweiz Fuss. So kooperieren der Versicherer Sanitas und die bei München ansässige HCSG im Bereich der Telemedizin mit Novartis. Dabei werden Herzinsuffizienzpatienten zu Hause begleitet: Im Bedarfsfall können die Patienten auch mit den HCSG-Pflegefachpersonen telefonieren. Über ein Monitoring werden Auffälligkeiten oder plötzliche Veränderungen der Krankheit angezeigt. Durch das Monitoring und die Schulung der Patienten im Umgang mit ihrer Herzinsuffizienz kann so einem Gang zum Arzt oder einem Spitalaufenthalt vorgebeugt werden. Auch in Basel ist die digitale Medizin angekommen. An der Neurologischen Klinik des Universitätsspitals Basel testet das Team von Dr. Marcus D’Souza zusammen mit Kollegen an den Kliniken in Luzern, Bern und Amsterdam das aus der Kooperation von Microsoft und Novartis entstandene Gemeinschaftsprodukt Assess MS, das erlaubt, krankhafte Bewegungen von an multipler Sklerose Erkrankten präziser zu quantifizieren. Für D’Souza ist diese Entwicklung ein notwendiger Schritt, um die Medizin noch besser auf die Bedürfnisse der Patienten auszurichten. «Dieses System wird uns helfen, den Verlauf der Erkrankung besser zu charakterisieren und unsere therapeutischen Möglichkeiten zu optimieren», erklärt Marcus D’Souza. Novartis gehörte zu den ersten Pharmaunternehmen, die in die digitale Medizin investierten. So hat sich das Unternehmen bereits 2009 am Smart-Pill-Produzenten Proteus Digital Health beteiligt. Früh spannte man auch mit Branchenführern wie Google und Microsoft zusammen, um digitale Lösungen für den Gesundheitsmarkt zu entwickeln. 2015 erfolgte dann die Gründung des Bereichs Digital Medicines, dem rund 50 Mitarbeitende angehören. Hauptschwerpunkte sind hier die Optimierung klinischer Programme durch den Einsatz digitaler Technologien. Novartis – Medizin neu denken.  | Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 7 Wie der Novartis Campus Innovation fördert Die positive Wirkung von guter Architektur am Arbeitsplatz ist wissenschaftlich bewiesen den Teams aus verschiedenen Disziplinen für eine Projektphase physisch an einem Ort vereint, erhöht sich die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Zum Erfolg des Campus tragen aber nicht nur die Multispace-Arbeitsplätze bei, sondern auch die Grünflächen sowie Cafés und Restaurants, die mit WLAN ausgestattet sind. Dieses Ensemble bietet den Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich frei zu bewegen. Ein entscheidender Faktor, betont Hirnforscherin Baroness Susan Greenfield: «Gehen und sich bewegen ist sehr wichtig. Die Menschen haben oft das Gefühl, hinter dem Schreibtisch festzustecken. Von Esther Keller Über zwei Milliarden Franken investierte Novartis in die Umgestaltung des ehemaligen Fabrik- und Hafenareals im Basler Quartier St. Johann, um ein attraktives Hauptquartier zu schaffen und damit hochqualifizierte Fachkräfte aus der ganzen Welt zu gewinnen. Es gibt einen weiteren Grund, weshalb Novartis diese Investitionen in den Campus tätigte. Für ein forschendes Gesundheitsunternehmen lautet der Schlüssel zum Erfolg Innovation, denn nur mit innovativen Ideen ist es möglich, neue Wege in der Bekämpfung von Krankheiten zu finden. Wie kann man Innovation fördern? Das physische Umfeld, in dem wir arbeiten, hat eine grosse Wirkung auf unser Denken und Handeln. Deshalb liess sich Novartis seit Beginn des Campus-Projekts von Spezialisten aus den Bereichen Innovationsforschung, Architektur, Design und Psychologie beraten, um mit diesem Know-how eine kommunikationsfördernde und anregende Arbeitsumgebung schaffen zu können. Massive Verbesserung Heute, mehr als fünfzehn Jahre nach Beginn des Projekts, mit der Erfahrung von siebzehn neuen Gebäuden, sind die Auswirkungen der Campusgestaltung auf die Arbeitskultur wissenschaftlich bewiesen. «Es zeigte sich ganz klar: Die physische Nähe von Arbeitsgruppen, die zusammen an einem Projekt arbeiten, Offene Räume.In den neuen Gebäuden im NovartisCampus im St. Johann sind die Mitarbeiter kreativer und können ihre Ideen besser verwirklichen. erleichtert die Kommunikation und damit auch die gemeinsame Ausrichtung», sagt Professor Roman Boutellier von der ETH Zürich. Produktives Wohlbefinden Professor Theo Wehner spricht vom «produktiven Wohlbefinden», das gesteigert wurde. Die Wissenschaftler sind auf Innovationsforschung und Arbeitswissenschaften spezialisiert und führten mit ihren Mitarbeitenden Evaluationen des Campusprojekts durch, mit eindrücklichen Resultaten: Durch die konsequente Ausgestaltung des Campus mit sogenannten Multispaces – also offenen und vielseitigen Büround Laborräumen – konnte die Zahl der Kommunikationsereignisse beinahe ver­dreifacht werden. Dabei nahm die Gesamtdauer der Gespräche ab, was als Zeichen der steigenden Effizienz gewertet werden kann: Mitarbeitende sprechen häufiger, aber kürzer miteinander. Ein wichtiges Element der Innovation sind gemäss Studien auch spontane Begegnungen zwischen Fachkräften unterschiedlicher Ausrichtung. Grünflächen, Cafés, Restaurants Zuweilen kommen die besten Ideen aus anderen Disziplinen als der eigenen. Als weiteres Studienergebnis seien die Auswirkungen auf das Vertrauen genannt. Die Sichtbarkeit im Multispace führt zum Abbau von Barrieren. Wer- ANZEIGE Innovative Energielösungen als Wettbewerbsvorteil Als führendes Schweizer Energieunternehmen mit lokaler Präsenz in Europa entwickeln wir kundenspezifische Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Strom, Erdgas, Emissions- und Grünstromzertifikate. Ob optimierte Beschaffung, Absicherung von Preisrisiken oder Zugang zu den Handelsmärkten – unsere Experten bieten Ihnen innovative, massgeschneiderte Energielösungen an. Davon profitieren viele Unternehmen im In- und Ausland. Axpo | Parkstrasse 23 | CH-5401 Baden | T +41 56 299 67 29 [email protected] | www.axpo.com Stimulierende Effekte Die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, erleichtert den Dialog.» Die Folge sei ein stimulierender Effekt auf die Kreativität, sagt die Neurowissenschaftlerin, die bei der Entwicklung des neuen Gebäudes Asklepios 8 der Basler Architekten Herzog & de Meuron mitwirkte. Die Entwicklung des Basler Campus wie auch dessen Evaluation sind fortlaufende Prozesse. Die Erfahrungen mit diesem Pionierprojekt finden Eingang in die weltweite Standortstrategie von Novartis. Überall mit demselben Ziel: Die Schaffung von Orten des Wissens, an denen Menschen aus verschiedenen Nationen und unterschiedlichen Disziplinen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten – der Entwicklung neuer, wirksamer Therapien. Novartis – Medizin neu denken.  | Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 8 Die Immunantwort gegen Krebs Wie man innere Kräfte zur Krebsbekämpfung mobilisieren kann Von Kristin E.D. Coan Unser Immunsystem ist ausserordentlich gut dazu in der Lage, Eindringlinge in den Körper aufzuspüren und zu vernichten. Es erkennt sogar Gefahren, die von körpereigenen Zellen ausgehen, die ausser Kontrolle geraten sind, wie es bei Krebserkrankungen der Fall ist. Jedoch hat auch der Krebs Abwehrmechanismen und entgeht den Angriffen des Immunsystems oft, indem er dessen Ein- und Ausschalter manipuliert. Wissenschaftler bei Novartis forschen an Therapien, die Betroffenen die Kontrolle über ihr Immunsystem zurückgeben sollen, sodass es wieder wie ursprünglich vorgesehen arbeitet. Junges Fach.Glenn Dranoff, Forschungsleiter des Bereichs Immunonkologie bei Novartis.  Innere Abwehrmechanismen Der Gedanke, das körpereigene Immunsystem zur Krebsbekämpfung einzusetzen, ist über hundert Jahre alt und prägte die sogenannte Immun­ onkologie. Bereits zu Beginn des 20.  Jahrhunderts postulierte der Nobelpreisträger Paul Ehrlich eine entsprechende Theorie im Rahmen seiner Arbeiten zur Immunität. In der Praxis bewährte sich diese Strategie jedoch zunächst nicht: Jahrzehntelang folgte Experiment auf Experiment – und Fehlschlag auf Fehlschlag. Schliesslich setzte sich die Ansicht durch, dass das Immunsystem an der Krebsentstehung und -bekämpfung nicht beteiligt sei. Damit verlor die Immunonkologie über Jahrzehnte an Bedeutung und andere Forschungsfelder traten in den Vordergrund. Im Verlauf der Zeit wuchs mit dem besseren Verständnis unseres komplexen Immunsystems auch die Einsicht, dass dieses in vielen Bereichen der Medizin eine – oft unerwartete – Rolle spielt. «Die Immunologie ist eigentlich noch ein sehr junges Fach», sagt Glenn Dranoff, weltweiter Forschungsleiter des Bereichs Immunonkologie bei Novartis. «Allein die Erkenntnisfortschritte der vergangenen 20 bis 30  Jahre sind geradezu atemberaubend.» Es werden nach wie vor bislang unbekannte Immunzellen und neue Kommunikationspfade des Systems entdeckt. Inzwischen ist klar, dass die Immunantwort nicht nur bei Infektionskrankheiten, Transplantationen und Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielt, sondern auch bei einer Reihe von chronischen Krankheiten, bei denen noch vor Kurzem eine immunologische Komponente nicht vermutet wurde. Ein «gehacktes» System Seit Beginn der 90er-Jahre entdeckte die Forschung immer mehr Beziehungen zwischen Immunantwort und Krebserkrankungen. Insbesondere zeigte sich, dass bestimmte Zellen des Immunsystems, die so genannten T-Zellen, zwischen gesunden Zellen und Krebszellen unterscheiden können. Das führte logischerweise zu der Frage: Wenn das Immunsystem Krebszellen als Eindringlinge erkennt – warum greift es sie dann nicht an? Eine Antwort kristallisierte sich nach weiteren Jahren intensiver Forschung heraus: Die Krebszellen «hacken» das Immunsystem und programmieren es so um, dass es nicht den Menschen, sondern die Tumorzellen schützt. Das Immunsystem verfügt über fest eingebaute Ein- und Ausschalter, sogenannte Kontrollposten oder Check­­points, die verhindern, dass es ausser Kontrolle gerät. «Wenn Sie eine Erkältung haben, erwarten Sie, dass Ihr Immunsystem die Krankheit bekämpft. Aber es soll dabei nicht gleich die ganze Lunge zerstört werden», sagt Dranoff. Mittlerweile ist bekannt, dass Krebszellen überaus geschickt darin sind, diese Schalter zu nutzen, um die Immunantwort abzuschalten und Tumorzellen zu schützen. Die eingebauten Steuerelemente, die uns vor einem übereifrigen Immunsystem bewahren sollen, verschaffen so dem Krebs die Möglichkeit, sich an den Immunzellen vorbeizumogeln. Nachdem dieser Mechanismus erst einmal verstanden war, konnten sich die Wissenschaftler der Frage widmen, wie man die Kontrolle über das Immunsystem zurückgewinnen kann. Ein unerwarteter Sieg Erste Belege für das therapeutische Potenzial des Immunsystems im Kampf gegen den Krebs lieferte ein wir den Krankheitsmechanismus verstehen», sagt Dranoff. «Wir entdecken immer noch Neues und haben vieles noch nicht verstanden.» Vor seinem Eintritt in die Novartis war Dranoff Medizinprofessor am Dana-Farber Cancer Institute und an der Harvard Medical School. Der damalige Forschungschef Mark Fishman bot Dranoff die Leitung der neu gegründeten Immunonkologie-­Gruppe bei Novartis an. Seither haben beide gemeinsam führende Fachleute für Krebsimmunologie und Biologie aus Forschung und Praxis für dieses Projekt gewinnen können. Viele dieser Wissenschaftler sind auch ärztlich tätig und bilden eine Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und klinischen Studien. Darüber hinaus ist Novartis strategische Allianzen mit einigen der vielversprechendsten externen immunonkologisch tätigen Biotechnologieunternehmen eingegangen, die eng mit der Bis diese Erkenntnis Eingang in die Onkologiegruppe von Novartis zu­ Kliniken fand, vergingen noch einmal sammenarbeiten. Dort sind enorme zehn Jahre, aber dann führte sie zu Kenntnisse zu genetischen Anomalien beeindruckenden Ergebnissen. Bei vorhanden, die der Krebsentstehung manchen Patienten mit fortgeschritte- zugrunde liegen. Weiter unterstützt werden diese nem Melanom konnte eine Behandlung, die CTLA4 blockiert, das Überle- Bemühungen durch eine von Novartis ben um mehr als 10 Jahre verlängern. eigens geschaffene Infrastruktur für Leider gelang dies nur bei etwa ausführliche Untersuchungen bei allen Patienten aus den klinischen 20 Prozent der Behandelten. Dennoch verschafften diese uner- Studien. Dazu gehört die Entnahme warteten Erfolge bei der Suche nach von Blutproben und Tumorbiopsien anderen sogenannten «Checkpoint-­ im Verlauf der Behandlung, anhand Inhibitoren» wieder Auftrieb. Schon derer sich auf molekularer Ebene bald konnte ein Cousin des CTLA4, untersuchen lässt, was in den Behangenannt PD1, genutzt werden, der delten vorgeht und wie die Krebszeletwas anders wirkt, aber zum selben len auf die Therapie ansprechen. Ergebnis führt, nämlich einem Angriff von T-Zellen auf Tumoren. Strategischer Gegenangriff Inzwischen sind mehrere MedikaHeute wissen wir, dass Krebsermente zugelassen worden, die auf krankungen drei wesentliche VerteidiPD1 abzielen und die Behandlung ver- gungsstrategien gegen das Immunsysschiedener Krebsarten ermöglichen, tem einsetzen. Die Forschung von darunter Lungen- und Nierenkrebs Novartis konzentriert sich darauf, und andere Formen des Hautkrebses. Therapien zu finden, die auf diese drei «Für viele in der Krebsforschung und Schritte abzielen. Der erste Schritt -behandlung kamen PD1 und CTLA4 aus heiterem Himmel», erklärt Dranoff. «Mit einem so fulminanten Einstieg der Immunonkologie in die Welt der Krebsbehandlung hatte niemand gerechnet.» Aber auch wenn die neuen Behandlungen für manche geradezu eine Wunderheilung darstellten, pro- besteht darin, dass das Immunsystem fitierten die meisten Erkrankten nicht lernt, Krebszellen als fremde Eindringlinge zu erkennen, die bekämpft davon. werden müssen. Für diesen Lernprozess sind insbesondere die dendritiVerstärkter Einsatz Vor zwei Jahren gründete Novartis schen Zellen zuständig. Im nächsten eine eigene Immunonkologie-Gruppe, Schritt geht es darum, das Immunsysderen Aufgabe darin besteht, Behand- tem anhand dieser Informationen zu lungsmöglichkeiten für die 80 Prozent aktivieren. Dazu senden die dendritider Patienten zu finden, die auf die schen Zellen den Kämpferzellen, also bisher bekannten Immuntherapien den B- und T-Zellen, die Botschaft, nicht ansprechen. «Ob wir wirksame dass es jetzt Zeit ist, sich zu vermehren Behandlungen entwickeln können, und auf die Suche nach den Eindringhängt davon ab, wie gut und genau lingen zu machen. Im dritten Schritt Protein namens CTLA4. Normalerweise besteht die Aufgabe von CTLA4 darin, das Immunsystem von überschiessenden Reaktionen abzuhalten, indem es dessen Kämpferzellen, den T-Zellen, signalisiert, dass es an der Zeit ist, den Angriff zurückzufahren. Krebszellen können CTLA4 aber so manipulieren, dass es den T-Zellen diese Anweisung auch erteilt, wenn sie Tumorzellen erkannt haben und eigentlich aktiv bleiben sollten. Weitere Forschungsarbeiten zeigten, dass es Moleküle gibt, die wieder eine andere Botschaft an CTLA4 und die T-Zellen übermitteln können: weiterkämpfen, bitte! «Krebszellen können das Immunsystem sehr geschickt austricksen.» «Das Immunsystem muss Krebszellen als fremde Eindringlinge erkennen.» schwärmen die B- und T-Zellen aus, um Tumoren zu finden und anzugreifen. Novartis erforscht mehrere Arzneimittelkandidaten, die auf die einzelnen Schritte in dieser Kette abzielen, und hat auch die Erfahrung gemacht, dass eine Kombination verschiedener Immuntherapien besonders wirksam sein kann. Ein solcher kombinierter Einsatz zielt auf mehrere der Schritte gleichzeitig ab und erschwert so die Resistenzbildung aufseiten der Krebszellen. Welche Kombination am besten wirkt, ist jedoch nicht offensichtlich, weshalb Novartis grosse Summen in die Grundlagenforschung investiert, um die Kombinationseffekte besser zu verstehen. «Dabei geht es nicht darum, unzählige Kombinationen nacheinander auszuprobieren, sondern zu verstehen, wie sich jede einzelne Störung im Immunsystem genau auswirkt», beschreibt Dranoff den Ansatz. «Dann kann man sich auf die wichtigsten Schritte konzentrieren, mit denen man sich befassen muss.» Endgültige Therapien In nur wenigen Jahren hat Novartis bereits sechzehn neue Substanzkandidaten in klinische Studien gebracht, wobei jeweils mehrere Kandidaten auf die drei Schritte der Immunantwort abzielen. Darüber hinaus hat das Unternehmen weitere sechzehn Studien eingeleitet, in denen Immuntherapien kombiniert werden. Mit fast 1000  laufenden klinischen Studien boomt die Immunonkologie derzeit ganz offensichtlich. Ein besonders vielversprechender Aspekt der Immunonkologie ist die Aussicht auf langfristig wirksame Therapien. Wie man aus der Impfstoff­ forschung weiss, können Immunzellen sich über viele Jahre, vielleicht lebenslang, an Eindringlinge erinnern. «Mit der Immuntherapie ist es theoretisch möglich, eine lang anhaltende Wirkung zu erzielen,» erklärt Dranoff. «Der Grundgedanke besteht darin, alle Schritte des Immunsystems nacheinander zu nutzen, sodass das Immunsystem den Krebs genau so erkennt wie beispielsweise das Grippevirus.» Zwar ist es noch zu früh, um abschätzen zu können, wie lange der Nutzen einer immunonkologischen Behandlung anhält, aber bisher scheint es, als ob die Immunantwort bis zu einem Jahrzehnt Bestand hat. Der nächste Schritt besteht dann darin, genauer zu verstehen, was für eine lang anhaltende Reaktion benötigt wird. «Und das möchten die Patienten – eine endgültige Therapie», weiss Dranoff. «Einige Behandlungen mit dem Medikament und fertig  – der Tumor ist endgültig erledigt. DIE ANTWORT DES IMMUNSYSTEMS GEGEN KREBS: Drei Schritte Erster Schritt – Lernen Zweiter Schritt – Aktivieren Dritter Schritt – Ausschwärmen T-Zelle Dendritische Zelle Tumorzellen Dendritische Zelle Quelle: Novartis Lernen, aktivieren, bekämpfen.Krebserkrankungen setzen drei Verteidigungsstrategien gegen das Immunsystem ein. Die Novartis-Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung von Therapien, die auf diese drei Schritte abzielen. Im ersten Schritt lernt das Immunsystem, Krebszellen als fremde Eindringlinge zu erkennen. Im zweiten Schritt wird das Immunsystem aktiviert. Im dritten Schritt schwärmen die B- und T-Zellen aus, um Tumoren anzugreifen. Novartis – Medizin neu denken.  | Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 9 Die Entschlüsselung der Alzheimer-Krankheit Der Erfolg der Alzheimer-Behandlung könnte von einem frühen Therapiebeginn abhängen Von Kristin E. D. Coan Auch nach Jahrzehnten der Forschung gibt die Alzheimer-Krankheit der pharmazeutischen Indus­trie viele Rätsel auf. Trotz Hunderten von Studien ist noch immer keine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs in Sicht. Doch die Forscher haben einiges dazugelernt. So wissen sie nun beispielsweise, dass sich die ersten biochemischen Anzeichen von Alzheimer bereits bis zu 20 Jahre vor dem Auftreten jeglicher kognitiver Symptome zu zeigen beginnen. Sie kommen zudem allmählich zu der Erkenntnis, dass der erfolgversprechendste Ansatz bei der Neurowissenschaftlerin.Ana Graf leitet bei Novartis Projekte für Alzheimer-Therapien. Foto Christian Jaeggi Behandlung von Alzheimer möglicherweise darin besteht, sofort bei diesen ersten Anzeichen einzugreifen. Doch wie konzipiert man eine Studie bei Patienten, die noch keine Symptome zeigen? Behandlung beginnt, wenn bereits die ren von Amyloid, obwohl sie keine kogersten Symptome aufgetreten sind, dann nitiven Symptome zeigen. Dieser Genokönnte es bereits zu spät sein», so Ana typ ist selten – lediglich zwei Prozent der Graf, Projektleiterin im Bereich Neuro- Bevölkerung tragen zwei Kopien des wissenschaften bei Novartis. Als ausge- APOE4 in sich. Indem der Schwerpunkt bildete Ärztin leistet sie bereits seit auf diese Patientenpopulation gelegt nahezu 25 Jahren einen entscheidenden wird, untersucht die Studie von Novartis Kenne deinen Feind Es gibt noch immer einige Diskussio- Beitrag auf dem Gebiet der Neurowis- als eine der ersten, ob es möglich ist, den nen über das Thema, doch es ist mittler- senschaften. «Unser Ziel besteht darin, Ausbruch der Alzheimer-Krankheit zu weile allgemein anerkannt, dass am bereits in jener Phase zu intervenieren, verzögern oder sogar zu verhindern. Anfang der Alzheimer-Krankheit ein Pro- bevor Symptome auftreten.» Zweitens verfügen Forscher nun Zuvor wäre ein derartiger Ansatz über eine bildgebende Technik, die tein namens Amyloid steht. Aus unbekannten Gründen wandelt sich dieses nicht in greifbarer Nähe gewesen. Doch ­Po­­sitronen-Emissions-Tomografie (PET). normalerweise harmlose Protein in eine durch zwei entscheidende Fortschritte Diese macht es möglich, Amyloid-Ablatoxische Variante um. Diese verklumpt rückt er nun in den Bereich des Mög­ gerungen im Gehirn zu sehen. In der und bildet die für die Alzheimer-Krank- lichen. Zuallererst haben Forscher Vergangenheit waren Amyloid-Ablageheit typischen Plaques. Die Ablagerung dadurch, dass das genetische Screening rungen nur im Rahmen einer Autopsie von Plaques führt zu einer Schädigung schneller und kostengünstiger geworden erkennbar. des Gehirns, bis die Patienten schliess- ist, eine genetische Signatur bei Menlich unter den ersten kognitiven Symp­ schen entdeckt, bei denen ein höheres Multiple Strategien tomen von Alzheimer leiden. Novartis arbeitet mit dem Banner Risiko besteht, an Alzheimer zu erkranWissenschaftler haben erst vor Kur- ken. Bei Personen, die zwei Kopien einer Alzheimer’s Institute (BAI) in den USA zem erkannt, dass sich dieser Prozess Genvariante namens APOE4 in sich tra- zusammen, um kognitiv gesunde, geneüber Jahrzehnte erstreckt. Die Amyloid-­ gen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Alz- tisch jedoch hoch belastete Freiwillige zu Ablagerungen beginnen bereits we­sent- heimer-Erkrankung bis zu elfmal höher finden. Diese Zusammenarbeit bildet lich früher als bisher angenommen, und als bei jenen, die diese genetische Veran- jedoch nur einen Teil der weiter gefassdies hat die Wissenschaftler dazu bewo- lagung nicht aufweisen. Auf Basis der ten Alzheimer Prevention Initiative des gen, ihren Behandlungs­ansatz für Alz- verfügbaren Daten finden sich bei BAI, eines internationalen Koopera­ heimer zu überdenken. Klinische Stu- 80 Prozent dieser Personen bereits Spu- tionsprojekts, das ins Leben gerufen dien haben sich in der Vergangenheit vornehmlich auf symptomatische Patienten konzentriert, doch die Ergebnisse deuten darauf hin, dass dieser Zeitpunkt bereits viel zu spät für therapeutische Interventionen sein könnte. Die Alzheimer-Krankheit spricht möglicherweise nur während der ersten Phasen der Amyloid-Akkumulation auf derartige Eingriffe an, bevor diese Zeit hatte, Amyloid-Ablagerungen.Die Aufnahme mithilfe der Positronen-Emissions-Tomoerhebliche Schäden zu verursachen. grafie (PET) zeigt eine Amyloid-Plaque-Ablagerung bei Personen mit Alzheimer-­ «Wir glauben, dass eine frühzeitige Demenz, eine Person, die kognitiv unbeeinträchtigt ist, aber ein hohes Risiko hat, Intervention die grössten Erfolgsaus- Alzheimer-Symptome zu entwickeln, und eine unbeeinträchtigte Person mit sichten bietet. Wenn man mit einer ­keinem oder geringem Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Grafik Banner Alzheimer’s Institute  ANZEIGE Carbagas ist seit 20 Jahren Partner von Novartis für industrielle und pharmazeutische Gase. Auch in der Zukunft ist es das gemeinsame Ziel, Menschen zu einem besseren und längeren Leben zu verhelfen. www.carbagas.ch Carbagas ist ein Unternehmen der Air Liquide-Gruppe wurde, um eine neue Ära der Alzheimer-Präventionsforschung einzuläuten. Die klinische Studie wird in den Kliniken weltweit durchgeführt, unter anderem auch in der Schweiz. Novartis entwickelt zwei therapeutische Ansätze zur Behandlung von Alzheimer. Beide Ansätze zielen auf Amyloid ab, jedoch über unterschiedliche Strategien. Bei dem ersten Ansatz handelt es sich um eine orale Therapie, die dazu dienen soll, die Produktion to­­ xischen Amyloids durch die Blockierung der dieses Protein erzeugenden Proteinmaschinerie zu unterbrechen. Diese Therapie wird in Zusammenarbeit mit Amgen entwickelt. Der zweite Ansatz besteht in einer mit einem Impfstoff vergleichbaren Immuntherapie. Dabei werden Amyloid-Fragmente dazu eingesetzt, das Immunsystem so zu trainieren, dass es Amyloid erkennen und zerstören kann. Allerdings müssten Patienten diese Therapie im Gegensatz zu einem Impfstoff in regelmässigen Abständen erhalten. Beide Therapie­ ansätze sind das Ergebnis von 15 Jahren Forschung. Da Alzheimer eine Krankheit ist, die sich nur langsam entwickelt, wird es viele Jahre dauern, bis feststeht, ob diese Ansätze wirksam sind. «Eine der grösseren Herausforderungen im Rahmen der Entwicklung von Arzneimitteln gegen die Alzheimer-Krankheit liegt darin, dass wir umfangreiche und langwierige Studien durchführen müssen, um zu erkennen, ob ein medizinischer Nutzen gegeben ist», meint Graf hierzu. «Es liegen noch ein langer Weg und viel Arbeit vor uns. Doch es erscheint uns nun zumindest vor­ stellbar, die erste erfolgversprechende Behandlung zu entwickeln.» Novartis – Medizin neu denken.  | Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 10 Faces of Innovation Die Menschen, die hinter neuen Möglichkeiten der Medizin stehen Swati Dumitras, Translationale Medizin. «Ich arbeite daran, dass Medikamente im Körper aufgenommen und verstoffwechselt werden. Ursprünglich komme ich aus Indien und arbeite bei Novartis seit 2007. Zuvor war ich in Deutschland für ein anderes Pharmaunternehmen tätig. Insgesamt lebe ich seit 20 Jahren in Europa. Als ich in Deutschland arbeitete, hat mich eine Freundin auf eine offene Stelle bei Novartis aufmerksam gemacht. Ich arbeite gerne in einer Dominic Hoepfner, Forschungsgruppenleiter. «Wir pflanzen Marker in biologische Systeme ein um herauszufinden, was Moleküle in Zellen wirklich machen etwa Substanzen, die Krebszellen töten, aber gesunde Zellen schonen. Ich mag grosse Probleme. Da kommt der faustische Trieb, herauzufinden, was die Welt im Innersten zusammenhält. Das holt einem jeden Morgen motiviert aus dem Bett. Ich bin in Basel aufgewachsen und wollte entweder Koch werden, falls ich die Matura nicht schaffe, oder dann Chemiker. Bei beidem geht es ums Mischen und Kochen. Ich spiele Waldhorn und habe mir nun alle Cellosuiten von Bach vor- «Ohne Spass bei der Arbeit gibt es keine Innovation.» «Da kommt der faustsche Trieb, herauszufinden, was die Welt im Innersten zusammenhält.» offenen, leistungsorientierten Umgebung. Da kommen mir auch die besten Ideen. Oft habe ich sie im Hinterkopf, und dann reifen sie im Gespräch mit den Kollegen. Mir ist aber auch wichtig, dass meine Teams entspannt und zufrieden bei der Arbeit sind. Denn wenn man keinen Spass hat bei der Arbeit, kommt man nirgends hin und es gibt keine Innovation.» genommen. Wenn ich da so im Flow und eins bin mit meinem Instrument und der Musik, dann kommen mir plötzlich die guten Ideen.» Foto Christian Jaeggi Foto Christian Jaeggi Estelle Pfister Wissenschaftlerin.«Ich habe in Strass­burg studiert und mit einem ­trinationalen Diplom in Biotechnologie und Engineering abgeschlossen. Nach Praktika in Frankreich und meiner Masterarbeit hier bei Novartis wollte ich dann in Deutschland oder der Schweiz arbeiten. Ich mag vor allem die Projekte, bei denen ich die Wirkstoffforschung Caroline Boulton, Globale Leiterin ­Arzneimittelzulassung Herz-Kreislauf. «In meiner Familie gab es viele Erfinder. Ich bin dafür verantwortlich, dass Wirkstoffe Zulassungen erhalten, die es Novartis ermöglichen, neue Therapien zu vermarkten. Allerdings werden die Behandlungsansätze immer komplexer und vielfach ist es nicht mehr nur eine Tablette. Wir müssen unser Wissen ständig weiterentwickelnd und neue Wege finden, um die neuen Therapien so schnell wie möglich zum Patienten zu bringen. Häufig sind die Regulierungsbehörden nicht so vertraut wie wir mit den neuen Ansätzen. Wir arbeiten eng zusammen, um ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und um uns auf einen Weg zur Registrierung zu einigen. Ich lese viel und mache mir dauernd Notizen und wenn ich etwas nicht verstehe, dann fordert mich das heraus. In den nächsten Jahren kommt mit der digitalisierten Medizin auf uns und die Regulatoren ein komplett neues Thema zu, von dem wir noch sehr wenig wissen. Das wird eine riesige Herausforderung.» Foto Christan Jaeggi «Bei einem Medikament gegen Brustkrebs war ich von der ersten Idee bis zur Patientin mit dabei.» über eine lange Zeit begleiten kann. Bei einem Brustkrebspräparat war ich während acht Jahren dabei, von den ersten Ideen bis zu dem Punkt, wo es Patientinnen wirklich geholfen hat. Ich spiele Flöte in drei Orchestern. Da entspanne ich mich, habe aber auch immer wieder gute Ideen. Meine Arbeit ist ähnlich wie das Musizieren im Orchester. Der Klang des Ensembles ist mehr als die Summe jedes einzelnen Instruments, aber jeder versucht, für sich selber und im Zusammenspiel mit allen andern perfekt zu sein. Genauso entwickeln wir auch neue Therapien.»Foto Christan Jaeggi René Hersperger, Chemieforschungsleiter Autoimmun- und Entzündungskrankheiten. «Ich bin ein ‹Drug Hunter›, ein Wirkstoffjäger. Wir suchen und optimieren Moleküle, die Krankheiten heilen oder lindern können. Ich mag Projekte, die etwas Einzigartiges haben, bei denen das Zielprotein eben erst entdeckt wurde und die so einen neuen Ansatzpunkt ermöglichen, mit dem man einer Krankheit den Kampf ansagen kann. Da gibt es zu Beginn sehr wenig Anhaltspunkte. Man ist überall der Erste – aber auch der Erste, der auf die Nase fällt. Auch das bringt einem einen wichtigen Schritt weiter. Ich bin von Natur aus neugierig und versuche die Welt rational zu verstehen. Aber als Medizinalchemiker muss man auch seinem Gefühl und Instinkt folgen. Wenn ich mit Wissenschaftlern diskutiere, überlege ich mir wie ich ihre Erkenntnisse in unsere Projekte einbringen könnte – auch Ideen aus ganz andern Gebieten, etwa der Computerbranche oder der Autoindustrie können durch etwas Abstrahieren zu neuen Ansatzpunkten führen.» Foto Christian Jaeggi Pascale Burtin Head Global Program Management. «Ursprünglich bin ich Kinderärtzin und bin über ein Post-Doc-Projekt zu Novartis gekommen. Danach hat man mir angeboten zu bleiben und ich bin nicht mehr zurückgegangen in die Klinik. Im Program Management sind wir dafür verantwortlich, dass alle Spezialisten und alle Teams innerhalb eines Entwicklungsprojekts zusammenarbeiten. Wir leben eigentlich immer in der Zukunft. Wir müssen uns vorstellen, wie die Regulierungen in zehn Jahren aussehen und wie die Gesundheitssysteme funktionieren werden. Ich sehe die Entwicklung eines Medikaments wie das Heranwachsen eines Kindes. Es dauert ebenfalls mehr als zehn Jahre und man hat am Anfang ein Molkül, man versucht seinen Charakter herauszufinden, versucht es zu fördern und am Schluss so ins Gesundheitswesen zu entlassen, dass es möglichst vielen Menschen helfen kann.» Foto Christian Jaeggi