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Ohne Barriere - Dr. Med. Jürgen Seifert

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„Ohne Barriere“ Versorgung psychisch kranker, schwer und mehrfach behinderter Kinder Jürgen Seifert Würzburg Inhalt      Historische Aspekte Rechtliche Aspekte Versorgungsbedarf Inanspruchnahme Psychosoziale Versorgung für Menschen mit Behinderung  Kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung für Menschen mit Behinderung  Multimodale Konzepte  Beispiel: Klinik am Greinberg Historische Kontexte 1. Die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ zur Zeit des Nationalsozialismus 1933-45. 2. Nach dem Krieg: Die „Oligophrenieabteilungen“ der psychiatrischen Landeskrankenhäuser und die Betreuungsbedingungen in den Anstalten der Behindertenhilfe  Enthospitalisierung 1980/1990 3. Die „Entdeckung der Seele“ von Menschen mit geistiger Behinderung in den 1980/90er Jahren in Deutschland 4. Der neue Rechtsrahmen: Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Historischer Kontext 2. Nach dem Krieg: Die „Oligophrenieabteilungen“ der psychiatrischen Landeskrankenhäuser und die Betreuungsbedingungen in den Anstalten der Behindertenhilfe  Verwahrung, Sicherung der (physiologischen) Grundbedürfnisse Keine Diagnostik, keine Therapie, keine Rehabilitation  „Brutale Realität“ und „elende menschenunwürdige Verhältnisse“ (Psychiatrie-Enquête 1975) Normalisierung und Integration Weitere Forderung der Psychiatrie-Enquête 1975 :  „Die Versorgung psychisch Kranker und erwachsener geistig Behinderter muß getrennt werden. Geistig Behinderte leben in psychiatrischen Krankenhäusern überwiegend nur deshalb, weil andere beschützende Wohnangebote für sie fehlen ... Die Versorgung erwachsener geistig behinderter Menschen soll künftig nicht mehr innerhalb psychiatrischer Behandlungszentren stattfinden“.  Enthospitalisierung: 1980 bis weit in die 1990er Jahre  Das psychiatrische Versorgungssystem entledigte sich der Verantwortung für Menschen mit geistiger Behinderung UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen  … ist also zu verstehen auf dem Hintergrund auf der historischen Erfahrungen, dass Menschen mit Behinderungen in der Wahrnehmung und Verwirklichung ihrer allgemeinen Rechte weltweit und in allen Gesellschaften mehr oder weniger eingeschränkt wurden und werden;  .. ist daher ein Signal für eine andauernde Bedrohungssituation, das zu dringendem politischen Handeln auffordert. UN-Konvention und gesundheitliche Versorgung (1) Recht auf Gesundheit (Art. 25) Recht auf ein „erreichbares Höchstmaß von Gesundheit“ Verfügbarkeit: „eine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard … wie (bei) anderen Menschen“, und so gemeindenah wie möglich UN-Konvention und gesundheitliche Versorgung (3)  Schaffung spezialisierter gesundheitsbezogener Angebote für Menschen mit Behinderungen  „Verschiedenheit akzeptieren (…) heißt auch, Verschiedenartigkeit von Behandlungsnotwendigkeiten akzeptieren und spezifische Behandlungsdifferenzierungen praktizieren“ (wenn sie eine Qualitätsverbesserung und adäquate Therapiemöglichkeiten bedeuten) (Wunder, 2011) UN-Konvention und psychiatrischpsychotherapeutische Versorgung (3) Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung und zusätzlichen psychischen Störungen müssen uneingeschränkt das psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgungssystem nutzen können!  Keine Barrieren der Inanspruchnahme  Standardgemäße Diagnostik und Therapie  Berücksichtigung ihrer speziellen Voraussetzungen und Bedürfnisse Versorgungsbedarf Welches Ausmaß hat das Problem? Stand der Wissenschaft Grundkonsens ? 1. Menschen mit geistiger Behinderung haben eine 3-4mal höheres Risiko, eine psychische Störung zu entwickeln als nicht intelligenzgeminderte Menschen. 2. Bei Menschen mit geistiger Behinderung können alle Formen von Verhaltensauffälligkeiten, Problemverhalten und psychischen Störungen auftreten. 3. Die Art und Weise, wie sich diese Auffälligkeiten darstellen („Symptomatik“, „Ausgestaltung“), wird erheblich vom Schweregrad der intellektuellen Beeinträchtigung beeinflusst. Prävalenz psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung RUTTER et al. (1970) Totalerhebung (Isle of Wight-Studie) Kinder mit IQ<70 CORBETT (1979) Kindern bis zu 15 Jahren 47% psychiatrische Diagnose IQ unterhalb von 50 EINFELD & TONGE (1996) 4-18-jährige Kinder und Jugendliche 47% „klinisch signifikante emotionale oder Verhaltensstörungen“ STRØMME & DISETH (2000) Totalerhebung aller Kinder einer norweg. Region 42% bei schwerbehinderten 33% bei leichtbehinderten Internationaler Konsens 50% psychisch auffällig Prävalenz gegenüber nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen ist 3 – 4 mal höher Versorgungsbedarf  0,5 – 3% aller Kinder und Jugendlichen sind intelligenzgemindert ( kleine Gruppe)  30-50% davon leiden an Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen ( für die Gruppe selbst ein doch erheblicher Bedarf) Mitbedacht werden müssen die Folgen  Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben (zusätzliche Teilhabebeinträchtigung /Behinderung  „Teufelskreis“)  für die Familien ( erhebliche zusätzliche Risiken für die Angehörigen)  für die Kindergärten und Schulen ( Risiken für Personal und Mitschüler; Notwendigkeit zusätzlichen Betreuungsund Sicherungsmaßnahmen) Inanspruchnahme  Nur ein Drittel der als psychiatrisch auffällig eingeschätzten Kinder wurden jemals von einem Kinder- und Jugendpsychiater untersucht (STRØMME & DISETH, 2000)  Weniger als 10% der geistig behinderten Kinder mit psychiatrischen Störungen wurden einem psychologischen oder psychiatrischen Spezialisten vorgestellt (EINFELD & TONGE, 1996)  In Deutschland? Inanspruchnahme .. ist ein hochkomplexes psychologisches und soziales Geschehen und abhängig von Vorhandensein/Zugänglichkeit entsprechender Dienste  Struktur und Organisation Leistungsangebot  Qualität der Dienste Die entscheidende Voraussetzung: Ein Problem muss als klärungs- oder veränderungsbedürftig eingeschätzt/wahrgenommen werden Würden Sie bei solchen Verhaltensauffälligkeiten Ihres Kindes den Psychiater hinzuziehen?  Übermäßig und nachhaltig störende, gefährliche, auffällige Verhaltensweisen  Relativ abrupte, nachhaltige Änderungen des Verhaltens und/oder der Stimmungslage  Verlust ehemals vorhandener Fähigkeiten und Fertigkeiten  Fehlende Reaktionen auf ehemals aktivierende Angebote  (plötzliche) Zunahme bekannter Äußerungsformen von Leiden und Schmerz  fehlende Bewältigungsstrategien auf erkennbare Belastungen  konkrete Vermutungen über Traumatisierungen Versorgungsproblem „Overshadowing“ Noch weitverbreitet: Betreuungspersonen sind nicht bereit und/oder in der Lage, die seelischen und verhaltensmäßigen Äußerungsformen von Menschen mit geistiger Behinderung in ihren unterschiedlichen Qualitäten wahrzunehmen Sie bleiben verdeckt, „im Schatten“ einer eingeengten Sichtweise vom geistig behinderten Menschen Alle Äußerungsformen werden als Ausdruck der geistigen Behinderung verstanden  keine Einleitung diagnostischer Maßnahmen (als zwingende Voraussetzung jedweder Form von Therapie) Warum „Overshadowing“?  Fehlendes Wissen, Alltagstheorie, traditionelle Sicht: „Geistig Behinderte sind so!“  Psychologische Abwehr: „Auch noch psychisch gestört?! Das ertrage ich nicht!“  Professionelle (pädagogische) Haltung: „Wir kriegen das schon hin, wenn wir nur die Lebensbedingungen verändern!“ (Reduzierung auf Person-Umwelt-Problem)  Ideologischer Grundsatz: „… die konkreten Hilfen sind überpädagogisiert, übertherapeutisiert, überdiagnostiziert und übermedizinisiert ( Empowerment und Inklusion ist die Lösung!) (Wüllenweber, 2011) Inanspruchnahme Vordringlich also: Änderungen der Haltungen und Einstellungen gegenüber Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderung Die Bereitschaft zur Wahrnehmung der Verhaltensauffälligkeiten auch als möglichen Ausdruck inneren Erlebens, von Konflikten mit sich und der Welt, von seelischen Reaktionsformen auf die Anforderungen des Lebens  bedeutet die grundsätzliche Anerkennung des Menschseins auch von intelligenzgeminderten Kindern und Jugendlichen Struktur und Organisation der psychosozialen Versorgung von intelligenzgeminderten Kindern und Jugendlichen Ambulantes kinder- und jugendpsychiatrisch-psychotherapeutisches Versorgungssystem nach Zugangswegen und Kostenträgern Institution, Berufsgruppe, Diagnostik- und Therapieangebot  Zuweisung/Zugang durch Kostenträger     Selbstmelder Jugendamt Sozialhilfeträger Schulen    Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst des Gesundheitsamtes Sozialpsychiatrischer Dienst des Gesundheitsamtes Diverse spezialisierte Beratungsstellen für alle Arten von Behinderungen Kommune/Staat (Gesundheitsamt als Teil des Öffentlichen Gesundheitsdienstes ÖGD)      Kinder- und Jugendpsychiater Erwachsenenpsychiater andere ärztliche Psychotherapeuten Institutsambulanzen der Kliniken Sozialpädiatrische Zentren (SPZ)   Selbstmelder Ärztliche Überweisung (Hausarzt, Facharzt)  Krankenkasse (Private und Gesetzliche Krankenversicherung SGB V)    Psychologische Psychotherapeuten Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeuten nicht kassenzugelassene Psychologische Psychotherapeuten   Selbstmelder Ärztliche Überweisung (Hausarzt, Facharzt)  Krankenkasse (Private und Gesetzliche Krankenver-sicherung SGB V) Kostenerstattungsverfahren Selbstzahler     Logopäden Ergotherapeuten Krankengymnastik (Physiotherapie) Heilpädagogen (im Rahmen der Frühförderung)  Ärztliche Überweisung (Hausarzt, Facharzt)  Krankenkasse (Private und Gesetzliche Krankenver-sicherung SGB V)        Erziehungsberatungsstellen Heilpädagogen Kunstherapeuten Musiktherapeuten Mototherapeuten. Hippotherapie Diverse ambulante Angebote der Erziehungs- und Eingliederungshilfe (meist sog. freier Träger)    Selbstmelder Jugendamt Sozialamt  Erziehungshilfe (§§ 27-33 SGB VIII) Eingliederungshilfe für seelische behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a SGB VIII) Eingliederungshilfe für Behinderte (§§53, 54 SGB XII) Selbstzahler  Förderschulen/Sonderschulen für Verhaltensauffällige und Behinderte aller Art Div.Formen spezieller Sonder- und integrativer Schulangebote Schulpsychologischer Dienst          Selbstmelder Schulverwaltung   Bundesland nach Schulgesetzen und Verwaltungsvorschriften Selbstzahler Mängel in der Struktur der allg. psychosozialen Versorgung     Unübersichtlichkeit: Zugangsbarrieren mit Ausschluss bestimmter Gruppen Unklare professionelle Zuständigkeiten mit verschiedenen partikularen, ständischen Interessen „Versäulung“ und gegenseitige „Abschottung“ der Hilfesysteme (vgl. Wacker et al., 2009; 13. Kinder- und Jugendbericht, 2009): der Komplexität der Probleme und der gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit nicht (mehr) angemessen Unberechenbare Rechtsauslegung und Beschlusslage: je nach Region, Amt, Sachbearbeiter unterschiedliche Entscheidungskriterien Kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung - Problemlage  „Unzureichend und unbefriedigend ist die kinder- und jugendpsychiatrische Betreuung von Menschen mit Behinderungen und zugleich psychischen Störungen“  Insbes. Kinder und Jugendliche mit Mehrfachbehinderung, schwergradigen umschriebenen Entwicklungsstörungen, tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (Autistische Störungen)  Ein „akuter Ausbaubedarf für konsiliarische, teilstationäre und vollstationäre Versorgung und somit auch in Lehre und Forschung“ wird angemahnt. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Bundesarbeitsgemeinschaft leitender Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Berufsverband der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (Hrsg.) (2003): Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Versorgung von psychisch kranken Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Schattauer, Stuttgart, New York. 3. Aufl. (Redaktion: WARNKE, A., LEHMKUHL, G.) Defizitäres Angebot Kinder- und Jugendpsychiatrie Nur ca. 10% der Kliniken in Deutschland halten ein spezielles ambulantes oder stationäres Behandlungsangebot vor (Hennicke, 2005; 2008) Die Versorgungsdichte im ambulanten Bereich ist nicht bekannt; eindrucksmäßig defizitär (insbes. Psychotherapie) Die wissenschaftliche Psychiatrie befasst sich nicht oder nur am Rande mit dem Thema Das bedeutet häufig in der stationären Versorgung …  Verweigerung der stationären Aufnahme (va. von schwerer Behinderten oder von Kindern und Jugendlichen mit schwerem expansivem Problemverhalten)  Aufnahme i.d.R. im Rahmen der regionalen Versorgungsverpflichtungen, aber dann überwiegend nur zur sog. Krisenintervention  Verweise an SPZ, Behindertenhilfe, Jugendamt etc.  Vernachlässigung elementarer Standards der Diagnostik und Behandlung; Häufigste Therapieform: Psychopharmaka  Umdeutung als „pädagogisches Problem“ (Eltern, Schulen Heime)  Wenn stationäre Aufnahme: Unpassende, unangemessene Bedingungen, Routinen und Abläufe auf den Regelstationen Struktur und Organisation der Kinder- und Jugendpsychiatrie … ist der Komplexität der Lebensprobleme/ seelischen Probleme von intelligenzgeminderten Kindern und Jugendlichen nicht gewachsen hat zu hohe „Hürden“ für die Inanspruchnahmen ist regional – stellenweise dramatisch – defizitär sowohl quantitativ als auch qualitativ  mangelhafte Leistungsfähigkeit Fachliche Herausforderungen an die Kinder- und Jugendpsychiatrie 1. Qualifizierung der (multidimensionalen) Diagnostik und Differentialdiagnostik 2. Konzepte der multimodalen Therapie Entwicklungsorientierung  Alle Auffälligkeiten können nur auf dem Hintergrund des individuellen Entwicklungstandes richtig verstanden werden („Entwicklungsorientierung“). D.h.:  Je nach Lebensalter und Schweregrad der Behinderung (d.h. Entwicklungsstand) der Person prägen sich Verhaltensweisen (und Störungsbilder) unterschiedlich aus Berücksichtigung zweier Entwicklungsebenen 1. Lebensalter: körperlicher Reifungsstand, Lebenserfahrung, Beziehungs- und Bindungsqualitäten 2. Schweregrad der geistigen Behinderung: Kognitive und sozio-emotionale Entwicklungsstufe, deren Ausdrucksformen, Erlebnisweisen und Bewältigungsmöglichkeiten ( Behinderungstypische Äußerungsformen) Diese Entwicklungsprozesse laufen nicht parallel: Mit zunehmendem Lebensalter wird die Diskrepanz zum Entwicklungsalter (Entwicklungsstand) im größer. Modell der Entwicklungsstörung (-defizit; -abweichung) Individueller Entwicklungs stand Multimodale Therapiekonzepte (2)  Die strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen ihrer multimodalen Verfügbarmachung sind tatsächlich vorhanden:  Frühförderung („Frühe Hilfen“),  Sozialpädiatrische Zentren,  §119a SGB V (Ambulante Behandlung in Einrichtungen der Behindertenhilfe)  Sozialpsychiatrievereinbarung (SPV) der Kinderund Jugendpsychiatrie  Psychiatrische Institutsambulanzen der Kliniken (PIA) Multimodale Therapiekonzepte (3) Dagegen stehen:  Partikulare, ständische Interessen verschiedener Professionen  (Ideologische) Versorgungstraditionen und die „Versäulung“ der Hilfesysteme  Finanzielle Minderausstattung und Kostendämpfungen, Dominanz der „Verbilligungserwartung“ Herausforderungen und Lösungsideen (1) Kinder- und Jugendpsychiatrie  Schaffung regionaler spezialisierter Angebote in den Praxen, Ambulanzen und Kliniken in jeder Region;  Modifikation/Anpassung etablierter, evidenzbasierter Verfahren auf die besonderen Voraussetzungen und Bedürfnisse geistig behinderter Patienten;  Nutzung und Finanzierung verschiedener heilpädagogischer und kreativtherapeutischer Verfahren, die nach Expertenkonsens sich in der Praxis bewährt haben;  Assessment: Qualifizierung psychiatrischer und heilpädagogischer Diagnostik zur Erkennung seelischer Leidensformen bei Menschen mit geistiger Behinderung.  Etablierung einer wissenschaftlichen Forschung Herausforderungen und Lösungsideen (2) Psychosoziale Versorgung  Qualifizierung der Mitarbeiter in den betreuenden Einrichtungen (Kiga, Schulen) in der Wahrnehmung der Lebensäußerungen („Anti-overshadowing“)  Aufklärung der Angehörigen  Bereitschaft und Möglichkeit der Vernetzung mit den psychosozialen Diensten der Region  Gesundheitsbezogene Leistungen für Menschen mit geistiger Behinderung sind „Komplexleistungen“, die nur interdisziplinär, multiprofessionell und bereichsübergreifend erbracht werden können (Mischfinanzierung nach SGB V, SGB XII und SGB VIII) Als Schluss “Wenn es gelingen würde, in der Aus- und Weiterbildung von Ärzten, anderen Gesundheitsberufen, pädagogischen Berufen und Betreuungspersonen eine Veränderung der Grundverständnisses (“paradigm shift”) zu bewirken, indem sie verstehen und anerkennen, dass psychische Störungen (bei Menschen mit geistiger Behinderung) genauso möglich sind, würde dies eine wesentliche Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung (…) zur Folge haben.” TONGE, B. (2003):Children with learning disabilities and psychiatric problems. In: FRASER, W., KERR, M.(Eds.): Seminars in the Psychiatry of Learning Disabilities. Gaskell, London, pp. 98-114 Übers. KH) Klinik am Greinberg Klinik am Greinberg  Eröffnung März 2012  Spezialeinrichtung für schwer- und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche, die gleichzeitig unter psychischen Erkrankungen leiden  Kooperationsprojekt  Trägerschaft Bezirk Unterfranken  medizinische Versorgung UKW/KJPPP Klinik am Greinberg – multiprofessionelles Team TIERGESTÜTZTE THERAPIE LOGOPÄDIE HEIL PÄDAGOGIK PHYSIKER SEKRETARIATE BEWEGUNGS THERAPIE ÄRZTE PSYCHOLOGEN ERGO THERAPIE SOZIAL DIENST MUSIK THERAPIE LABOR LEHRER PFLEGEDIENST ERZIEHER Multiprofessionelles Team         Ltd. Oberarzt 3 Assistenzarztstellen 1 Psychologenstelle 3 Fachtherapeuten Schule: Sonderschullehrer, Heilpädagoge 19,5 Stellen Pflegefachkräfte und Heilerziehungspfleger zusätzliche Ressourcen durch KJPPP 15 Betten Vorgespräch   Kontaktdaten der Sorgeberechtigten Vorbefunde und Voruntersuchungen  Augen, HNO, Zähne, EKG, EEG, MRT            Psychiatrische Diagnosen Somatische Diagnosen Symptomatik / Aufnahmegrund Aktuelle Medikation Aufnahmeindikation Motivation Akute Eigen-/Fremdgefährdung Betreuungsaufwand auf Station Fragen der Familie Ggf. Empfehlung weiterer Maßnahmen/Untersuchungen Stationsführung / Erläuterung der stat. Rahmenbedingungen / Infomaterial Vordiagnosen / Behandlungsauftrag            ADHS, hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens Störung des Sozialverhaltens (und der Emotionen) Bindungsstörung Tic-Störung Bindungsstörung Schizophrenie Affektive Störungen Posttraumatische Belastungsstörung Anpassungsstörung Störungen der Sexualpräferenz Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (Frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus) Multiaxiale Klassifikation psychischer Störungen  1. Achse: Klinisch-psychiatrisches Syndrom  2. Achse: Umschriebene Entwicklungsstörungen  3. Achse: Intelligenzniveau  4. Achse: Körperliche Symptomatik  5. Achse: Assoziierte abnorme psychosoziale Umstände  6. Achse: Globale Beurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus 42 Behandlungskonzept  Grundsätzlich: keine besondere Therapie für Menschen mit Intelligenzminderung  aber besondere Herausforderung durch  eingeschränkte Kommunikationsfähigkeiten  geringe Introspektionsfähigkeit  eingeschränkte Informationsverarbeitung  stärkere Einbindung von Familien und Einrichtungen Multimodales Behandlungskonzept  Verzahnung und Absprache der Behandlungselemente durch OA/CA-Visite, morgendliche Teambesprechung, tägliche Übergabe zwischen Therapeuten und Pflegeteam  Strukturierter Rahmen und Tagesablauf, häufig Umsetzung der verhaltenstherapeutischen Maßnahmen durch die Pflege  Psychoedukation Eltern und Kind sowie Bezugspersonen  Einzel- und Gruppenpsychotherapie  Psychopharmakologische Behandlung  Behandlung pädiatrischer und neuropädiatrischer Erkrankungen  Körperbezogene Behandlung  Erlebnistherapeutische Behandlung  Individuelle Beschulung  Nachstationäre Perspektivenplanung Intervention - Überblick  Zusammenarbeit mit Familie und Einrichtung  Ziele des Aufenthalts abstimmen, immer Verbesserung der Lebensqualität des Kindes  First things first  Passung zur Familie / Einrichtung  Training Familienmitglieder / Erzieher  Hospitation / Hometreatment  Belastungserprobungen  Anpassung von Anforderungen  Reduzierung von Anforderungen  Strukturierung von Aufgaben, Teilaufgaben  Klare Tages- und Wochenstruktur, geeignete Visualisierungshilfen  feste Bezugsperson  Veränderung von Konsequenzen  Training von adaptiven Fertigkeiten  Soziale Kompetenztraining, basale Coping-Strategien  Anbahnung von alternativer Kommunikation (Talker, Gebärden)  Selbstständige Beschäftigung Mittag Vormittag Strukturierter Rahmen und Tagesablauf Montag, 22.09.2014 Dienstag, 23.09.2014 Mittwoch, 24.09.2014 Donnerstag, 25.09.2014 Freitag, 26.09.2014 Samstag, 27.09.2014 Sonntag, 28.09.2014 7.45 Frühstück 7.45 Frühstück 7.45 Frühstück 7.45 Frühstück 7.45 Frühstück 7.45 Frühstück 7.45 Frühstück 8.15 Morgenkreis 8.15 Morgenkreis 8.15 Morgenkreis 8.15 Morgenkreis 8.15 Morgenkreis 9.00 Morgenrunde Ärzte/ Therapeuten 9.00-11.30 9.00 Morgenrunde Ärzte/ Therapeuten 9.00 Oberarztvisite: Rundgang auf Station 9.00 Morgenrunde Ärzte/ Therapeuten 10.00 Hundetherapie Oberarztvisite 12.00-14.00 Mittagessen/Pause 12.00 -14.00 Mittagessen/Pause 12.00-14.00 Mittagessen/Pause 12.00 -14.00 Mittagessen/Pause 12.00-14.00 Mittagessen/Pause 12.00-14.00 Mittagsessen/Pause 12.00 -14.00 Mittagessen/Pause 13.00-14.00 Große Übergabe auf Station mit Ärzten/ Therapeuten 13.00-14.00 Übergabe auf Station 13.00-14.00 Übergabe auf Station 13.00-13.45 Übergabe auf Station 13.30-14.15 Fixiertraining/ Schutztechniken 14-tägig 13.00-14.00 Übergabe auf Station mit Fallbesprechung 13.00-14.00 Übergabe auf Station 13.00-14.00 Übergabe auf Station 14.00-15.00 Freundegruppe 14.00 -15.00 interne Fortbildung Nachmittag 14.00-17.00 Besuchsnachmittag 15.00 Süßes Teilchen 15.00 Süßes Teilchen Ab 14.00 Spielgruppe für Kinder ohne Besuch 14.0017.00 Besuchsnachmittag 14.00-15.00 SOKO Ab 14.00 Spielgrupp e für Kinder ohne Besuch 15.00 Süßes Teilchen 15.00 Süßes Teilchen 15.00 Süßes Teilchen 15.00 Süßes Teilchen 15.00 Süßes Teilchen 17.30 Abendessen 17.30 Abendessen 17.30 Abendessen 17.30 Abendessen 17.30 Abendessen 16.00 16.15 - 16.45 Entspannung 17.30 Abendessen 17.30 Abendessen z.B. Training sozialer und emotionaler Kompetenzen  Freundegruppe (möglichst alle Patienten)  Ziel: Training basaler sozialer Kompetenzen     Kontaktaufnahme und Distanz soziale Wahrnehmung Emotionserkennung, -beschreibung und -management Umgang mit Konflikten  Ablauf     Blitzlicht Abschiedshand, Lobbox Konfliktlösung (Kinder untereinander), Stationsregeln zusätzliche Themen nach aktuellem Bedarf  z.B. Umgang mit Heimweh, wie gewinne ich einen Freund, sexuelle Aufklärung... Schulteam der KaG- Klassen in der Graf-zu-Bentheim Schule • Sonderschullehrer(16 Std.) • Heilpädagogen (45 Std.) d.h.: 70 wöchentliche Unterrichtsstunden • Heilpädagogische Unterrichtshilfe (11 Std.) => 4,5 Std. pro Schüler in der Woche Pädagogisches Konzept  Grundlage: Lehrplan für den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung  gekoppelt mit individueller Therapieplanung  Normalität und Struktur während des Klinikaufenthaltes  Integration verhaltenstherapeutischer Maßnahmen  Strukturierung der Arbeitssituation und flexible Gestaltung des Lernsettings  Flexibilität und Sicherheit im Team Anforderung an Therapeuten  Ausdauer und Geduld  Veränderungen und Entwicklung benötigen mehr Zeit, durchschnittliche Liegezeit KaG deutlich höher als stationäre Behandlung Nichtbehinderter, einzelne Therapieeinheiten kürzer, dafür öfter)  Beachtung Übertragung und Gegenübertragung  besondere Herausforderungen durch auto- und fremdaggressives Verhalten, aber auch Kotschmieren und Urinieren, anhaltendes Schreien, etc.  Vertrauen und angemessene Distanz  Keine Scheu, kein Ekel, keine Angst Anforderung an Therapeuten  haltende und stützende Atmosphäre  Kombination sprachlicher und nichtsprachlicher Anteile  Phantasie und Flexibilität  Teamfähigkeit  Kritikfähigkeit  Interprofessionelle Zusammenarbeit Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit