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Ohne Pilze Geht Auf Unserem Planeten Gar Nichts. Sie Leben In

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    July 2018
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38 Pilze Natur Ohne Pilze geht auf unserem Planeten gar nichts. Sie leben in enger Symbiose mit fast allen Pflanzen. Ohne sie und ihr weltweites Netz aus feinsten Wurzeln würde unser Ökosystem zusammenbrechen, unzählige Arten wären vom Aussterben bedroht – wir Menschen wohl auch. Text Andreas Krebs Das Gehirn  der Welt Foto: waldhaeusl.com natürlich 8 | 2012 39 natürlich 8 | 2012 40 Pilze Natur F Pilzglossar Fruchtkörper: Sie sind die Fortpflanzungsorgane mehrzelliger Pilze, und sie sind äusserst potent. Der Echte Zunderschwamm zum Beispiel bildet in seiner aktivsten Phase pro Quadratzentimeter ­Sporen bildender Schicht etwa 239 Millionen Sporen. Und das stündlich! Hyphen (griechisch für Gewebe): Das Wort bezeichnet die unterirdischen, fadenförmigen Zellen der Pilze, auch Pilzfädelchen genannt. Sie sind mit 2 bis 100 Mikrometer unvorstellbar dünn und mitunter Hunderte Kilometer lang. Zum Vergleich: Die dünnsten Pilzfäden sind 40 Mal dünner als ein Menschenhaar. Myzel, Myzelien: die Gesamtheit aller Hyphen. Sie machen Pilze zu den grössten Lebewesen der Erde. Mykorrhiza (altgriechisch für mýkēs‚ «Pilz» sowie rhiza‚ «Wurzel»): Die Symbiose von Pilzen und Pflanzen, bei der ein Pilz mit dem Feinwurzelsystem einer Pflanze in Kontakt ist. ast alle Pflanzen dieser Welt leben Ein Kubikzentimeter Erdboden kann in enger Verbindung mit Pilzen. Es mehr als zehn Kilometer hauchdünne ist diese symbiotische Verbindung, ­Pilzfäden enthalten. Es ist ein unvorstellwelche die Mykologin Martina Peter von bar komplexes Geflecht – ähnlich demjeder Eidgenössischen Forschungsanstalt nigen der Neuronen im menschlichen Gefür Wald, Schnee und Landschaft WSL be- hirn. Gemäss Ethnobotaniker Wolf-Dieter sonders fasziniert. «Pilze haben eine sehr Storl regeln Pilze den Informationsfluss wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf eines zwischen den Pflanzen und dem ganzen Ökosystems», erklärt sie. «Die Wurzeln Ökosystem. «In diesem Sinne bilden sie fast aller Pflanzen der Erde stehen an ih- tatsächlich so etwas wie das Hirn der Veren feinsten Enden, den Feinwurzeln, mit getation», schreibt Storl in seinem Buch Pilzen in engem Kontakt. Dieses ‹Organ› «Pflanzendevas». Aber auch Wurzeln an nennt man Mykorrhiza. Dort findet der für sich seien Ausdruck einer vegetativen beide lebenswichtige Nährstoffaustausch ­Intelligenz. «Mittels unzählbarer, ständig zwischen Pflanze und Pilz statt.» Bei die- sich neu bildender Haarwurzeln durch­ ser innigen Verbindung zwischen Pilzen tasten Pflanzen wahrnehmend den Erd­ und Pflanzenwurzeln handelt es sich um boden», sagt Storl. «Sie spüren Spuren­ eine der am weitesten verbreiteten und elemente, Wassermoleküle und andere wohl auch wichtigsten Symbiosen im physio-chemische Informationen auf. Pflanzenreich. Die nur 2 bis 100 Mikrome- Diese Wurzelenergien wurden von Hell­ ter dicken Hyphen (siehe Pilzglossar) sehern als Heinzelmännchen und Gnodringen dabei in die Wurzelzellen der men wahrgenommen. In den Märchen Pflanze ein oder umhüllen die Wurzeln werden diese Wichtel auch als entspreund schieben sich zwischen die Zellen. chend klug, aufmerksam und weise dargestellt.» Gigantisch und mächtig Ein einziger Baum kann mit bis zu hun- Auf Leben und Tod dert verschiedenen Mykorrhizapilzarten Myzelien durchdringen alle Landschaften. vergesellschaftet sein und innerhalb der- Sie erzeugen Humus und schützen die selben Art mit verschiedenen Individuen. ­Böden vor Erosion. Die Pilze versorgen Die Pflanze bildet dann keine eigenen Pflanzen direkt mit Wasser, Phosphat, Wurzelhaare mehr aus, weil deren Funk- Stickstoff und anderen Mineralien wie tion komplett und wesentlich effizienter Mangan, Kupfer und Zink. Und sie ver­ von den Pilzhyphen übernommen wird. hindern das Eindringen schädlicher Pilze Die Hyphen sind viel dünner als die feins- und Fadenwürmer in die mit ihnen ver­ ten Wurzelspitzen und -haare der Pflanzen gesellschafteten Pflanzen. Das macht letzund erreichen so Nährstoffe und Wasser tere robuster und auch resistenter gegen aus kleinsten Poren im Boden; zudem Trockenheit. Im Gegenzug liefert die durchwächst das Myzel des Pilzes ein viel Pflanze dem Pilz Kohlenhydrate, die er grösseres Bodenvolumen als die Wurzeln ­selber nicht bilden kann. des Baumes. So bedeckt, wie Biologen der Erste fossile Belege für die Mykorrhiza WSL festgestellt haben, ein im Schweizer finden sich bereits aus dem Devon vor Nationalpark lebendes Exemplar der Pilz- rund 400 Millionen Jahren. Derzeit wissen sorte Dunkler Hallimasch eine Fläche von Biologen von etwa 90 Prozent der Pflanrund 35 Hektaren. Der in der Nähe des zen und etwa 6000 Pilzarten, dass sie zur Ofenpasses entdeckte Pilz ist mehr als Mykorrhizabildung fähig sind. Manche 1000 Jahre alt und vermutlich der grösste Pilzgattungen wie zum Beispiel Trüffel, Europas. In den USA indes gibt es noch Täublinge, Röhrlinge und Milchlinge lemächtigere Exemplare. In den Wäldern ben ausschliesslich symbiotisch und bilden von Oregon etwa lebt ein Dunkler Halli- nur bei der Vergesellschaftung mit «ihrer» masch, der sich über eine Fläche von neun Pflanze Fruchtkörper. Auch viele Pflanzen sind dringend auf Quadratkilometern ausbreitet und schätzungsweise 600 Tonnen wiegt. Damit sind einen bestimmten Pilz angewiesen. Ein Pilze die mit Abstand grössten Lebewesen klassisches Beispiel dafür sind mykoheterotrophe Orchideen, die kein oder nur weauf Erden. nig Blattgrün ausbilden und deshalb – wie Pilze – keine Foto­synthese machen ­können. Zu ihnen gehören die Nestwurz, Das grösste Lebewesen der Welt: der dunkle Hallimasch. der Widerbart oder die Korallenwurz. Foto: blickwinkel/D. u. M. Sheldon natürlich 8 | 2012 41 mit Bakterien zersetzen sie nahezu alles: Zellulose und Lignin, Lebensmittel, Haut, Mauerwerk, Treibstoff, Horn, Wolle und Leder. Sogar die Isolation von Kabeln und auch CDs werden unter geeigneten Bedingungen von Pilzen abgebaut. Der amerikanische Mykologe Paul ­Stamets untersucht seit Jahrzehnten, welDie Apotheke des Waldes che Rolle Pilze bei der Wiederherstellung Die Fähigkeit zur Symbiose ist also von der Umwelt spielen. Auch er hält Myzegrösster Wichtigkeit für das Ökosystem. lien für so etwas wie das neurologische Doch Pilze haben noch mehr wichtige Netzwerk des Planeten. «Sie stehen in ­Eigenschaften. Als sogenannte Destruen- ständiger biomolekularer Kommunikaten spielen sie eine zentrale Rolle beim tion mit ihrem Ökosystem. Bei GiftvorAbbau von organischem Material, der kommen erzeugt das Myzelium eine Art Stoffumwandlung und der Aufrechterhal- Antibiotikum und überträgt dieses auf das tung des Nährstoffkreislaufs. Zusammen gesamte Netzwerk», schreibt Stamets «Diese Orchideen leben nur, weil sie einen Mykorrhizapilz an den Wurzeln haben», erläutert die Pilzforscherin Martina Peter. «Der Pilz nimmt neben Nährstoffen aus dem Boden auch Zucker einer nebenstehenden Grünpflanze auf und gibt ihn an die Orchideen weiter.» Gaia und das Nervensystem des Menschen – eine Analogie D ie Erdkugel ist kein gigantischer toter Felsbrocken, der von lebenden Organismen bevölkert wird. Der ganze Planet selbst ist vielmehr ein riesiger lebender Organismus.» Das ist die zentrale Botschaft der Gaia-Hypothese, entwickelt Mitte der 1960er-Jahre von der Mikrobio­login Lynn Margulis und dem Chemiker, Biophysiker und Mediziner James Lovelock. Die Parallelen zum Menschen sind frappant. Auch wir sind ein Organismus, kleiner als die Erde zwar, beherbergen aber gigantische Mengen unsichtbarer Geschöpfe. Auf jede einzelne Menschenzelle kommen zehn Fremdlinge, Bakterien, Einzeller, Pilze. Pilze durchziehen weitflächig die Erde, ähnlich wie das Nervensystem den menschlichen Körper. Sie bilden ein Kommunikationsnetzwerk, ein hochkomplexes Informationssystem. Pilze und der Mensch Doch das ist noch lange nicht alles. Auch der Mensch ist von Pilzen umgeben, durchdrungen und von ihnen abhängig. Wir schlafen mit Pilzen, die auf unseren Hautschüppchen wachsen und Hausstaub­ milben als Nahrung dienen. Andere Pilze natürlich 8 | 2012 Foto: J.Mallwitz/Wildlife wiederum bauen die Hornhaut an unseren Füssen ab. Pilze sind unsere ständigen Begleiter, von der Wiege bis ins Grab. Bäcker, Bierbrauer und Winzer sind auf Hefen der Gattung Saccharomyces angewiesen. Auch die Produktion von Käse, Kefir oder Sojasauce wäre ohne Pilze undenkbar. Die Enzyme des Schimmelpilzes Trichoderma reesei werden industriell in der Papier- und Textilindustrie sowie zur Herstellung von Bioethanol verwendet. Zwei weitere Schimmelpilz-Spezies, Trichoderma atroviridis und Trichoderma virens, sind aus dem Pflanzenschutz bekannt. Aber, und das ist höchst erstaunlich: Die drei Arten sind evolutionsbiologisch voneinander weiter ­entfernt als wir von Fischen und Vögeln. Nicht alle Pilze, die der Mensch in und auf seinem Körper beherbergt, leben in symbiotischem Frieden mit uns. Pilzinfek­ tionen reichen vom lästigen, aber relativ harmlosen Fusspilz (Tinea pedis) bis hin zur tödlichen Lungenentzündung durch Pneumocystis jirovecii. Den Pilzen verdanken wir aber auch das Penicilin und andere Antibiotika. Und natürlich PsychedelicRock Bands wie Grateful Dead, Guru Guru, Jefferson Airplane und die berühmtesten Pilzköpfe der Rockgeschichte, die Beatles. «Pilze verkörpern das Nervensystem des Erdorganismus.» Rudolf Steiner in seinem Buch «Mycelium Running». ­Stamets bezeichnet das Myzel auch als «natürliches Internet der Erde». Pilze können zur Sanierung von Böden und Sedimenten dienen, die mit Erdölprodukten, Pestiziden, Alkaloiden, Quecksilber, polychlorierten Biphenylen (PCBs) und sogar Kolibakterien verseucht sind. Stamets hat dafür den Begriff Mykoremediation geprägt. Die Myzelien sind laut Stamets imstande, die Umweltgifte zu absorbieren und in nichttoxische Bestandteile aufzuspalten. Pilze wurden deshalb auch bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko erfolgreich eingesetzt. Die Verhinderung von Krankheiten sei eine der Hauptaufgaben von Pilzen, schreibt Stamets: «Die riesigen unterirdischen Pilzgeflechte produzieren antibakterielle und antivirale Verbindungen, welche die Pflanzen und Tiere im Ökosystem gesund erhalten.» Auch der Mensch profitiert von den Pilzen. Viele Medikamente basieren auf Pilzen, etwa Antibiotika, darunter das Penicillin. Für Stamets ist denn auch klar: «Wenn wir die alten Wälder und damit die heimischen Pilze verlieren, verlieren wir die Medizin der Zukunft.»  u Buchtipps _  Heinrich Holzer: «Fadenwesen – Fabelhafte Pilzwelt», Edition Lichtland 2011,   Fr. 40.90 _  Paul Stamets: «Mycelium Running – How Mushrooms Can Help Save the World», Ten Speed Press 2005, Fr. 40.– _  Wolf-Dieter Storl: «Pflanzendevas – Die geistig-seelischen Dimensionen der Pflanzen», AT Verlag 2007, Fr. 39.90 _  Christian Rätsch: «Pilze und Menschen – Gebrauch, Wirkung und Bedeutung   der Pilze in der Kultur», AT Verlag 2011,   Fr. 46.90