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Politischen Kommunikation – 6 Thesen Zu Trends In Der

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Trends in der politischen Kommunikation der Schweiz Präsentation von Claude Longchamp, Verwaltungsratspräsident und Institutsleiter gfs.bern HSG EMBA «Ökonomische Grundlagen einer erfolgreichen Unternehmensführung» Universität St. Gallen, 29. Januar 2016 Drei grosse Themen für heute Systeme: Die Entwicklung zur Mediendemokratie Mega-Trend I: Trends in politischen Kampagnen Mega-Trend II: Von der Medien- zur SocialmediaDemokratie 2 Drei grosse Themen für heute Systeme: Die Entwicklung zur Mediendemokratie 3 Die Inglehart/Welzel-Karte der politischen Kulturen auf der Welt Zwei grosse Trends: 1. 2. Rationalisierung: von traditionell-religiösen Werten hin zu säkular-rationalen Werten Selbstentfaltung: vom kollektiven Überleben hin zur Selbstverwirklichung Aktuelle Entwicklungen in der Schweiz (2005/2015) Positionierung auf der …y-Achse stabil, mit Tendenz zu säkular-rationalen Werten …x-Achse variabel, hohe leicht rückläufige Tendenz bei der Selbstverwirklichung/ Individualisierung Quelle: World Value Survey 2015 4 Sechs Typen von Mediensystemen (nach Blum) • • • • Kommando (Nordkorea): Medien im Besitz des Staates Patrioten (Iran): Medien mit hoher Staatsidentifikation Schock (Russland): Medien frisch auf dem Markt Klientel (Italien): Medien mit festem Publikum in gesellschaftlichen Gruppen • Public-Service (Grossbritannien): Medien mit öffentlichen Leistungen • Liberal (USA): Medien aus privatem Interesse Quelle: Blum, Lautsprecher & Widersprecher 2015 5 Eigenheiten und Entwicklungen des Mediensystems der Schweiz eher Public-Service Elemente: • politische Kultur eher am Konsens ausgerichtet • Medienorientierung (auf der Basis der Selbstverantwortung) am Gemeinwohl ausgerichtet gemischte Elemente: • Medienfinanzierung gemischt durch Staat und Markt • Journalismus-Kultur ambivalent, geprägt durch Nähe und Distanz zur (politischen) Macht • Medienbesitz gemischt, sowohl privat als auch öffentlich eher liberale Elemente: • historische Entwicklung ausgeprägt kontinuierlich • Regierungssystem ausgeprägt demokratisch • Medienfreiheit ausgeprägt zensur-avers • Staatskontrolle über die Medien ausgesprochen schwach • Professionalität eher hoch, auf Selbstkontrolle ausgerichtet • politischer Parallelismus eher schwach, auf Unabhängigkeit ausgerichtet erwartete Entwicklungen mit Folgen für das Mediensystem: • Polarisierung der politischen Kultur wird zunehmen • öffentlicher Medienbesitz wird abnehmen • Medienfinanzierung wird marktwirtschaftlicher werden • Medienorientierung wird kommerzieller werden • Journalismus-Kultur wird investigativer werden 6 Von der Markt- zur Mediengesellschaft Quelle: Imhof, Blum, Bonfadelli, Jarren: Mediengesellschaft 7 Politik in der Mediendemokratie Merkmale der Mediendemokratie (gelegentlich auch Mediokratie, mediokratische Politik) 1. Medialisierung: zentraler Trend der (öffentlichen) Kommunikation 2. Medienzentrierung: Medien gewinnen an Gewicht bei der Herstellung und Verbreitung von(politischer) Öffentlichkeit 3. Folgen für Kommunikation: Visualisierung, Personalisierung, Emotionalisierung und Skandalisierung nehmen zu 4. Treiber: Medien nicht mehr nur als Kanäle der Kommunikation, sondern auch als Akteure (Treiber) insbesondere der politischen Kommunikation 5. Berechenbarkeit: Medien werden unberechenbarer für Politik, Wirtschaft und Kultur 6 Folgen für Politik: Die Medialität folgt einer eigenen Logik, die Demokratie und Politik verändert. Sie kann dysfunktional sein. 8 Drei grosse Themen für heute Systeme: Die Entwicklung zur Mediendemokratie Mega-Trend I: Trends in politischen Kampagnen 9 Politische Kommunikation Kommunikation politischer Akteure Oder: Die Regierung spricht, die Parteien widersprechen sich, Verbände informieren, Bewegungen klagen an. Kommunikation an die Adresse politischer Akteure Oder: BürgerInnen melden ihre Ansprüche an, Demoskopie vermittelt Bürgermeinungen, soziale Medien vermitteln Befindlichkeiten Kommunikation über politische Akteure (und Systeme) Massenmedien analysieren die Lage der Nation, Experten sezieren die Meinungsbildung, Wissenschaften prognostizieren die Zukunft der Politik Was ist eine Kampagne? Aktion • thematisch ausgerichtet • zeitlich beschränkt • medial verbreitet • unter Einsatz von Techniken der Werbund und des Marketings Ziele • Sicherung von Aufmerksamkeit • Bildung von Meinungen • Verstärkung von Ueberzeugungen • Mobilisierung (Partizipation) 11 Folgen für politische Kampagnen 12 Amerikanisierung der politischen Kommunikation (gemäss Schulz 1997) 1. Personalisierung der Kampagne: Im Zentrum steht der Spitzenkandidat und seine Qualitäten 2. Wahlkampf als Kandidatenwettstreit: Wettstreit zwischen Kandidaten wird wichtiger als Themen 3. Angriffswahlkampf: Nachteile des Konkurrenten ins Licht rücken 4. Professionalisierung: Kommunikationsexperten planen, realisieren und überprüfen Kampagnen 5. Marketing-Ansatz: Anpassung politischer Kampagnen an kommerzielle Werbekampagnen 6. Ereignis- und Themenmanagement: Beeinflussung der Medienberichterstattung durch selbstgeschaffene (Pseudo)Ereignisse 13 Innovationshemmende Elemente der politischen Kommunikation (am Beispiel von Wahlkämpfen) Traditionsfördernde Elemente • Kleinheit der Räume (Kantone/Märkte) mit eigenen Medien mit lokal dominanten Medien und wenigen nationalen Medien • Föderalismus: Pluralität der Räume (Kantone/Märkte) mit verschiedenen Sprachen und Siedlungstypen • Regionalismus: geschichtliche Gebundenheit der Räume (Kanton/Märkte) mit eigenen Kulturen, Sitten und Bräuchen • Milizsystem: Semiprofessionelle Politiker mit starker Verankerung im lokalen Raum und geringer nationaler Orientierung Quelle: Neidhart, 1982 14 Innovationsfördernde Entwicklungen der politischen Kommunikation (am Beispiel von Wahlkämpfen Diagnose Benjamin Weinmann (drei bis vier Formen der Amerikanisierung in der Schweiz) politische Akteure generell • Professionalisierung • Personalisierung • Emotionalisierung • Kandidatenwettbewerb (am ehesten bei Ständeratswahlen in urbanen Kantonen) Quelle: Weinmann 2009 Diagnose Daniel Furter (fünf internationale Trend in Wahlkämpfe der SVP, SP) • Inszenierung • Personalisierung • Dramatisierung • Themenkonzentration • Publikumsorientierung (Politainment) Quelle: Furter 2009 15 Inszenierung Schweizertum Amerika! 16 Personalisierung Wahlkampf 2007/15 Ständeratkampagnen 17 Emotionalisierung Lebensfreude Bedrohung 18 Kandidatenwettbewerb Duell 19 Themenkonzentration 20 Dramatisierung Zuspitzung Übertreibung 21 Wählerorientierung Realität (inszeniert) Virtualität 22 Medienwirkung: Themensetzung und Themensurfing Agenda Setting Medientenor Massenmedien bestimmen kaum was wir denken, aber sie steuern worüber wir uns unterhalten (respektive nachdenken). So hierarchisieren sie Probleme, die politisch verhandelt werden sollten. Massenmedien bilden die Realität nicht einfach ab, sondern wählen aus dieser aus. Was Medien vermitteln, wird durch selbstreferenzielle Ausrichtung (Agenda Surfing) überhöht. 23 Drei grosse Themen für heute Systeme: Die Entwicklung zur Mediendemokratie Mega-Trend I: Trends in politischen Kampagnen Mega-Trend II: Von der Medien- zur SocialmediaDemokratie 24 Social Media Demokratie? 25 Generelles Medien-Diffusionsmodell 2015 Parteien ParlamentarInnen KandidatInnen Wahlberechtigte 26 Modell der Massenkommunikation mit MeinungsführerInnen Klassische Vorstellung Neue Vorstellung 1. Digitalisierte Massenmedien (z.B. 20 Minuten online) 2. Meinungsführer (auf Twitter aktive JournalistInnen, PolitikerInnen, Fachleute, LaienexpertInnen, die Trends setzen) 3. Wenig interessierte NutzerInnen, die sich an neuen Referenzgruppen orientierten 27 Der neue Two-Step-Flow of Communication Meinungsmacher als Teil von Medienmarken Meinungsbildner unabhängig von Marken (Ego-Marketing) 28 Funktionen Social Media im politischen Kommunikationsprozess Themenaufbau Echokammern 29 Filterblase "Das persönliche Informationsuniversum, das Sie online bewohnt – einzigartig und nur für Sie aufgebaut von den personalisierten Filtern, die das Web jetzt vorantreiben." (Eli Pariser) Kritik am Verlust kritischer Oeffentlichkeit Filterblasen als Flucht aus der Kontroverse, dem Widerspruch Vor allem via Facebook keine Weiterentwicklung der politischen Debattenkultur, jedoch Befriedigung der Selbstentfaltungsbedürfnisse Veränderungen der Öffentlichkeit durch Social Media Relativierung der starken Medienmacht (Mainstream, wie er angesichts der Schweigespirale problematisiert wurde) durch • Abbau des Gatekeeping (Selektion als klassische Rolle der Medienredaktionen) • Pluralisierung der Sprecher (Erweiterung professioneller Akteure, die kommunizieren, aber auch von Laienakteuren) • Neuer Typ von Meinungsführer entsteht • Tabuthemen fallen, Positionsvielfalt • Trend zur Polarisierung • Trend der Unübersichtlichkeit und Überforderung • Fragmentierung der Oeffentlichkeit in Teilöffentlichkeiten Massenmedien verlieren global an NutzerInnen (zuerst Print, mit starken Folgen für die Einnahmen durch Werbung, jetzt auch TV und Radio), während Social Media zulegt (insbesondere Facebook), wobei mit der Transformation der Nutzung auch eine Transformation der (kritischen) Öffentlichkeit einher geht. 31 Bilanz: Thesen zu meinen drei grossen Themen 32 Thesen zu Trends im Mediensystem, der politischen Kommunikation und der Medialität der Politik I Trend 1: Entwicklungen im Mediensystem 1.1 Mediensysteme orientieren sich in einer säkularen Welt primär an rationalisierten Interessen. Das Mediensystem der Schweiz muss sich zudem in einer stark sekundär auf die Selbstentfaltung ausgerichteten Kultur bewähren. 1.2 Das Mediensystem der Schweiz von heute ist am Public-Service-Modell ausgerichtet, mit Entwicklungen hin zum einem liberalen Muster. Zu erwarten ist, dass die Medienorientierung kommerzieller, die Medienfinanzierung marktwirtschaftlicher und der Medienbesitz privater werden wird. 1.3 Zentraler Trend der Gegenwart ist die Medialisierung und damit die Teilung in Realität und Medialität mit eigener Logik. Das gilt insbesondere auch für die Politik. 33 Thesen zu Trends im Mediensystem, der politischen Kommunikation und der Medialität der Politik II Trend 2: Entwicklungen der politischen Kommunikation 2.1 Politische Kampagnen differenzieren sich in Informations-, Sensibilisierungs-, Überzeugungs- und Mobilisierungskampagnen. Im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen sind vor allem Überzeugungskampagnen wichtiger geworden. 2.2 In der politischen Kommunikation der Schweiz ist eine (beschränkte) Amerikanisierung feststellbar: Veränderungsfördernde Elemente sind namentlich Personalisierung und Emotionalisierung, verbunden mit einer Konzentration der medial inszenierten und auf das (Ziel)Publikum abgestellte Themen. Veränderungshemmend wirkt sich der starke lokale Bezug der Politik aus, verbunden mit dem Vorrang des Milizprinzips. 2.3 Politische Kommunikation kann nicht nur auf das Agenda setting/cutting reduziert werden. Kampagnenmässig betriebene Kommunikation ist auch auf das climate setting, die Schaffung von Grundstimmungen, ausgerichtet, denn sie beeinflussen den Rahmen, indem dem Meinungsbildung stattfindet. 34 Thesen zu Trends im Mediensystem, der politischen Kommunikation und der Medialität der Politik III Trend 3: Entwicklung von Social Media 3.1 Mit Social Media erreicht die Medialität der Politik eine neue Stufe, die individualisierte Informationsverbreitung und Gemeinschaftsbildung anbietet. 3.2 Mediensysteme werden dadurch «hybrider». Die Linearität der Politik wird reduziert, die Hierarchisierung der Informationsverbreitung verringert sich bei gleichzeitig steigender Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. 3.3 Es vermehrt sich die Zahl der Kommunikatoren, differenziert in Professionelle und Laien, die einerseits den Themenaufbau beeinflussen, anderseits die Echoräume füllen. 35