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PS Pragmatik – HA8 - Lösungsvorschläge Meibauer, S.99: Übung 1 Da Handlungen immer intentional sind, d.h. mit bestimmten Zwecken / Absichten verbunden sind, kann man folgenden Test anwenden: Man bildet einen Satz wie „Sie hat absichtlich ... (+Verb)“ oder „Er hat ganz bewusst... (+Verb)“ und prüft, ob das Ergebnis sinnvoll klingt oder nicht. fünf Richtige im Lotto haben: nein (Das Ausfüllen des Lottoscheins ist eine Handlung, das fünf richtige Haben nicht) schwitzen: nein (kein intentionaler, zweckorientierter Vorgang) Fußball spielen: ja (die Handlung wird i.d.R. von einer Gruppe ausgeführt statt von einem einzelnen Individuum) „Amen“ sagen: ja im Schlaf „Blödmann“ murmeln: Tendenz nein, weil kein zweckorientiertes Tun, also kein Handeln im engeren Sinne (also auch keine Sprachhandlung) eine Wahl annehmen: ja (kann, muss aber nicht mit sprachlichen Mitteln durchgeführt werden) Regenschirm aufklappen: ja Hilfe verweigern: ja (auch eine Verweigerung ist eine bewusste Handlung / Entscheidung, für die derjenige Gründe haben muss, der die Hilfe verweigert. Ähnlich: Mit Schweigen (= nichts sagen) kann man auch Sprechakte ausführen. Meibauer, S.99: Übung 2 a) Ich verspreche dir, dass du mir dafür noch büßen wirst. b) Ich verspreche dir, ich war es wirklich nicht. Beide Äußerungen a) und b) werden durch „ich verspreche“ eingeleitet. Versprechen ist ein performatives Verb, es besteht den „hiermit“-Test (Hiermit verspreche ich dir, dich nie wieder anzulügen). Wenn performative Verben in der 1. Person Präsens Aktiv Indikativ gebraucht werden, gelten sie als illokutionäre Indikatoren (es wird derjenige illokutionäre Akt ausgeführt, der durch das Verb selbst bezeichnet wird).1 In den Sätzen a) und b) wird das Verb tatsächlich in dieser Form gebraucht, und trotzdem können durch die Sätze keine Versprechen ausgedrückt werden, und zwar in a) weil die Einleitungsregel für den korrekten
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Anmerkung: Nicht immer ist es so, dass ein performatives Verb nur in dieser Form als illokutionärer Inidkator fungieren kann. Manchmal ist auch eine Passiv-Form gebräuchlich: Sie werden (hiermit) gebeten, das Rauchen einzustellen, oder Ich komme morgen, versprochen!
Gebrauch des Verbs versprechen (unten kurz V) als illokutionären Indikator nicht eingehalten wird. Sie lautet nämlich: „V darf nur geäußert werden, wenn der H S‘ Ausführung von A der Unterlassung von A vorziehen würde und wenn S glaubt, H würde S‘ Ausführung von A der Unterlassung von A vorziehen.“ Wenn H dem S etwas büßen muss, liegt das nie im Interesse des H (das weiß man durch die wörtliche Bedeutung des Verbs büßen). Man würde sagen, dass es sich um a) um eine Drohung handelt, nicht um ein „echtes“ Versprechen. In b) wird die Regel des propositionalen Gehalts für Ich verspreche gebrochen, die lautet: „V darf nur im Zusammenhang eines Satzes oder Diskursabschnitts T geäußert werden, dessen Äußerung einen zukünftigen Akt A des Sprechers S prädiziert.“ Das Tempus des eingebetteten Satzes (Präteritum) macht jedoch deutlich, dass der Akt, auf den sich S bezieht, in der Vergangenheit liegt (Ich war es wirklich nicht). Da die propositionale Regel hier nicht eingehalten wird, sind auch die Aufrichtigkeitsregel („V darf nur geäußert werden, wenn S die Ausführung von A beabsichtigt“) und die wesentliche Regel („Die Äußerung von V gilt als Übernahme der Verpflichtung zur Ausführung von A“) nicht mehr sinnvoll auf dieses Beispiel anwendbar. Auch in b) haben wir es also nicht mit einem „echten“ Versprechen zu tun; um welchen Sprechakt es sich genau handelt ist fraglich, aber er ist auf jeden Fall um einen Akt vom Typ „Assertiv“, und nicht „Kommissiv“ (wie im Standradfall von ich verspreche). Trotzdem ist es ganz normal, Sätze wie a) und b) zu äußern. Es bleibt also die Frage zurück, wie wir mit solchen Fällen umgehen. Ist das Verb versprechen einfach ambig (=mehrdeutig) und kann auf mehrere Arten verstanden werden („normal“, oder wie oben in a), oder wie oben in b))? Oder ist die Versprechens-Analyse von Searle falsch, weil zu eng? Oder haben wir es in a) und b) mit einem „uneigentlichen“ Gebrauch des Verbs versprechen zu tun? – Ein paar Überlegungen zu solchen Fragen werden in Sitzung 10 vorgestellt.
Meibauer, S.99 / 100: Übung 3: Mögliche illokutionäre Indikatoren für Drohungen laut Beispielsätze: a) Konditional, in dem der Vordersatz eine Handlung des H beschreibt, die der S nicht bevorzugen würde, und der Nachsatz eine Handlung des S, die der H nicht bevorzugen würde. b) Exklusive Disjunktion: entweder (plus ein Ereignis, das der S bevorzugen würde) oder (plus ein Ereignis, das der H nicht bevorzugen würde) c) Noch so ... (plus Charakterisierung eines Ereignisses, das der S nicht bevorzugen würde) und ... (plus ein Ereignis, das der H nicht bevorzugen würde). d) das Lexem wehe (plus eine Handlung, die der S nicht bevorzugen würde)
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e) Konditionale (in denen der Vordersatz einen Zustand / ein Ereignis beschreibt, das der H bevorzugen würde, und der Nachsatz eine Aufforderung, etwas zu tun / unterlassen) f) Imperativ plus ja (nicht) plus sonst plus ein Ereignis, das der H nicht bevorzugen würde g) Die Struktur Dass du mir ja / bloß (betont) ... (plus eine Handlung, die der S bevorzugen würde) h) Untersteh dich! (feststehende Wendung!) i) Das wird dir noch einmal leid tun! (ebenfalls feststehende Wendung!) j) Ich warne dich (plus imperativische Beschreibung dessen, was der H (nicht) tun soll) k) Ich rate dir (gut) (plus spezifische Intonation, s. Buch: GANZ still mit Beschreibung einer Handlung, die der S bevorzugen würde) l) Ich verspreche dir, plus Beschreibung eines Ereignisses, das der H nicht bevorzugen würde m) Imperativ plus noch EINMAL (Beschreibung einer Handlung, die der S nicht bevorzugen würde) n) Konditional, in dem der Vordersatz etwas beschreibt, was der H nicht bevorzugen würde, und der Nachsatz etwas beschreibt, das der S nicht bevorzugen würde (mit nur) o) Rhetorische Frage, in der etwas erfragt wird, dessen Eintreffen der H nicht bevorzugen würde (oft inklusive präsuppositionalem Element: sonst noch jemand)
Glückensbedingungen: sind nicht gültig zu klären gewesen! – Was folgt ist ein Vorschlag. Vorbemerkung: Fast alle Beispiele für Drohungen in a) bis o) haben eine explizite oder implizite konditionale Struktur: Wenn der H (nicht) x tut, dann tut S y. Die Drohung beinhaltet also eine bedingte zukünftige Handlung des S, die nur eintritt, wenn H sich (nicht) so verhält, wie der S es möchte. Allerdings ist diese Bedingtheit nicht bei allen Drohungen vorzufinden: Die Beispiel i) und l) kann man so verstehen, dass der S dem H ankündigt, unter allen Umständen einen Akt auszuführen, der zum Nachteil des H ist, egal was der H tut (Satz a) aus Übung 2 ist ein weiteres Beispiel dieser Art). Der H hat gar nicht mehr die Möglichkeit, irgend etwas zu tun, um der zukünftigen Handlung des S zu entgehen. Insofern dies geglückte Drohungen sind, dürfen wir also die Bedingtheit der Drohung nicht mit in die Glückensbedingungen mit aufnehmen - dort kommt ja nur das hinein, was unbedingt notwendig ist, damit ein Sprechakt gelingt.
1. Bedingung des propositionalen Gehalts: Der illokutionäre Indikator für eine Drohung darf nur im Zusammenhang eines Satzes oder Diskursabschnitts T geäußert werden, dessen Äußerung einen zukünftigen Akt A des Sprechers S prädiziert. (wie bei versprechen auch!) 3
2. Einleitungsbedingungen Der illokutionäre Indikator für eine Drohung darf nur geäußert werden, wenn der H S‘ Unterlassung von A der Ausführung von A vorziehen würde und wenn S glaubt, H würde S‘ Unterlassung von A der Ausführung von A vorziehen; [Man beachte die Umkehrung der Vorzeichen gegenüber dem Versprechen!] es für S und H nicht offensichtlich ist, dass S bei normalem Verlauf der Ereignisse A tun wird.
3. Aufrichtigkeitsbedingung V darf nur geäußert werden, wenn S die Ausführung von A beabsichtigt (sofern H sich nicht so verhält wie vom S ausdrücklich bevorzugt).
4. Wesentliche Bedingung: Die Äußerung von V gilt als Ankündigung der Ausführung einer Aktion A, die zum Nachteil von H ist / die dem H schadet..
Weitere im Tutorium genannte Gelingensbedingung, die im Zusammenhang mit Drohungen genannt wurden, deren Einordnung jedoch nicht eindeutig ist: Der Sprecher will den Hörer einschüchtern (anders als bei Warnen: Der Sprecher will den Hörer vor etwas Negativem bewahren). Was angedroht wird, muss auch eintreten können. Was angedroht wird, muss in einem plausiblen Zusammenhang mit einer Handlung des H stehen
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