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Praxisfall Dezember - Nierenzyste Bei diesem Fall handelt es sich um eine Zuchtsau auf einem Betrieb mit circa 60 Mutterschweinen und angegliederter Mast. Mir wurde die More schon vor etwa zwei Monaten vorgestellt. Damals war sie in der Mitte der Trächtigkeit, hatte aber einen sehr grossen Bauch wie eine hochträchtige More. Sie frass normal, hatte nie Fieber, magerte aber langsam ab. Der Bauchumfang war schon riesig und ziemlich gespannt. Ich ging von einer Eihautwassersucht aus. Da das Schwein aber keine Symptome zeigte, beschlossen wir vorerst einmal abzuwarten. Nun hat die Sau abgeferkelt. Sie gebar zwei lebende Ferkel und zwei Tote, alle normal entwickelt. Die Sau war sehr schwach, der Bauch war immer noch riesig. Vaginal konnten aber keine Ferkel mehr ertastet werden und auf der rechten Seite hatte sie eine riesige wassergefüllte pralle Umfangsvermehrung. In der Annahme, dass noch mehr Ferkel drin waren, entschlossen wir uns für einen konservativen Kaiserschnitt. Dabei wurde die More in Narkose gelegt und der Bauch eröffnet, um die Ferkel herauszuholen und das Schwein anschliessend zu euthanasieren. Ferkel waren keine mehr drin. In der Bauchhöhle war alles normal bis auf die rechte Niere, welche etwa so gross war wie ein Medizinalball, also eine Kugel von 40 cm Durchmesser. Das Nierengewebe bestand nur noch aus einer derben Kapsel. Der Inhalt war flüssig, enorm unangenehm stinkend mit verfaulenden Fibrinfetzen. Die Krankheit: Nierenzysten sind bei Schweinen relativ häufig. Sie sind angeboren und werden dominant vererbt. Sie entstehen durch einen Verschluss einzelner kleinen Abflusskanäle für den Harn in der Niere. Der Harn wird trotzdem gebildet, kann aber nicht abfliessen. Die Schweine haben damit aber keine Probleme, ausser es sind sehr viele Gänge betroffen. Dann kann der Harn überhaupt nicht mehr abfliessen. Die Zyste enthält Harn der nicht abfliessen kann. Sie ist sehr dünnwandig und durchsichtig. In unserem Fall ist diese riesengrosse Niere wahrscheinlich durch eine Nierenbeckenentzündung entstanden. Durch die Entzündung verschloss sich wahrscheinlich der Urether der Abflussgang von der Niere in die Blase. Harn wurde trotzdem gebildet und liess die Niere immer grösser werden. Durch den Druck löste sich das Nierengewebe auf. Dies sind nur Vermutungen. Erstaunlich ist, dass das Schwein nie Krankheitssymptome zeigte, ausser dass sie immer magerer wurde, weil im Bauch kein Platz mehr war zum Fressen. Nierenbeckenentzündungen: Diese Entzündungen entstehen meistens durch aufsteigende Infektionen aus der Blase. Diese wiederum können aus der Gebärmutter oder der Scheide aufsteigen. Zu diesen Infektionen kommt es bei Gebärmutterentzündungen, bei schlechter Wasserversorgung, beim Liegen auf kaltem nicht isoliertem Boden oder bei verletzten Schamlippen durch aggressive Schweine. Ist das Nierenbecken einmal betroffen, zeigen die Schweine zuerst Fieber und dann Untertemperatur. Ist es einmal soweit, ist eine Therapie oft aussichtslos. Es ist also wichtig, dass man auch die Galtsauen gut beobachtet und schaut, ob sie normal Harn absetzen. Haben sie Fetzen im Harn, sollten die Alarmglocken läuten. Solange die Infektion nicht in die Niere aufsteigt, ist sie mit gutem Erfolg mit Antibiotika und Schmerzmittel zu behandeln. Schmerzmittel gehören immer auch dazu. Die weiblichen Mitglieder unserer Gesellschaft können das sicher nachvollziehen. Vorbeugend kann man darauf achten, dass die Moren auf gut isoliertem Boden liegen können. Weiter muss man schauen, dass die Sauen genügend Wasser trinken, auch wenn es kalt ist. Man kann auch mit anorganischen Säuren den Harn ansäuern, was bei einem Bestandesproblem sicher sinnvoll sein kann. Ansäuerung über längere Zeit kann sich aber auch nachteilig auf die Tiergesundheit auswirken.