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Probeklausur zum Schuldrecht I – „Fluch der Karibik“ AG-Leiter: Matr.Nr.: Name : Der reiche R ist gestorben und hat V unter anderem eine Kiste mit 500 antiken spanischen Golddublonen (Wert pro Stück: 500 €) vererbt, die in einem Safe im Keller seines Hauses gelagert werden. V, der kein Interesse an antiquarischen Kunstschätzen hat, möchte diesen Nachlass zu Geld machen. Auf eine von ihm in der Tagespresse veröffentlichte Anzeige meldet sich unter anderem der Münzsammler K, der nur 10 Münzen erwerben möchte. V und K schließen einen wirksamen Kaufvertrag über 10 der 500 Münzen zu einem Preis von 400 € pro Stück (insgesamt 4.000 €). Über die Frage, wie die Bezahlung erfolgen soll oder wie die Münzen zu K gelangen, spricht man nicht. V entnimmt 10 Münzen aus der Kiste und legt sie auf ein Garderobenschränkchen im Eingangsbereich des geerbten Hauses. Zwölf Tage später sind die auf dem Schrank befindlichen Goldmünzen plötzlich verschwunden. Die eingeschaltete Polizei sieht keine Chance, das Verschwinden aufzuklären, geschweige denn die Münzen wiederzubeschaffen. Alle anderen Münzen hat V zwischenzeitlich an einen anderen Interessenten übergeben und übereignet. Die Käufer sind nur bereit, ihm die Münzen zu einem Preis von 2.000 € pro Stück wieder zu übergeben und rückzuübereignen. 1. Als V den K anruft, um ihm mitzuteilen, dass die Münzen nicht mehr vorhanden sind, ist dieser schockiert. Da V ihn nie darüber informiert hatte, dass er für ihn spezielle Münzen bereitgelegt habe, ging er davon aus, einen Teil der sicher im Kellersafe gelagerten Münzen zu erhalten. V hält K entgegen, es sei üblich, gekaufte Waren spätestens am nächsten Tag abzuholen; eine Woche mit der Abholung zu warten sei pflichtwidrig. Nicht er hätte sich bei K melden müssen, sondern es sei vielmehr umgekehrt eine Pflicht des K gewesen, sich bei ihm zu melden. Schuld an dem Verlust sei daher ausschließlich K – dieser müsse den Kaufpreis bezahlen; Münzen erhalte er hingegen in keinem Fall mehr. Hat V gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von 4.000 € aus § 433 Abs. 2 BGB, ggf. Zug um Zug gegen Lieferung der Münzen (§ 320 Abs. 1 BGB)? 2. Abwandlung: V verweigert die Lieferung ernsthaft und endgültig. Unterstellen Sie, dass in der Umgebung des Hauses oft Einbrüche geschehen und auch V dies wusste. Zudem hat er vergessen, die Haustür abzuschließen. K, der aus dem Polizeibericht davon erfährt, meint, dass V offensichtlich seine Pflichten verletzt hat. Da die gekauften Dublonen einen Wert von 5.000 € gehabt hätten, fordert er diesen Betrag als Schadensersatz von V. V meint, dieser Schaden sei in jedem Fall zu hoch angesetzt – denn immerhin hätte K ja auch den Kaufpreis zahlen müssen. Sein Schaden liege daher höchstens in der Differenz zwischen 10 * 400 € = 4.000 € (Kaufpreis) und 10*500 € = 5.000 € (Wert), also bei 1.000 €. Er meint zudem, dass der Sammler K die Münzen ja ohnehin nicht verkaufen wollte – er habe daher gar keinen Schaden erlitten. Schließlich betont er, dass man ihm den strafbaren Diebstahl durch einen Dritten (§ 242 StGB) nicht anlasten könne. Hat K gegen V einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.000 € aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB?
Lösungsskizze Es handelt sich um eine Aufgabe mittlerer Schwierigkeit, die verschiedene Lösungsansätze zulässt. Der Schwerpunkt der Bewertung sollte auf einer klaren Schwerpunktsetzung, der Einhaltung des Gutachtenstils und der Nennung der einschlägigen Normen liegen. Detailkenntnisse zu §§ 275, 326 BGB und §§ 280 ff. BGB, §§ 249 ff. BGB können nicht vorausgesetzt werden, sollten aber positiv honoriert werden. Frage 1: Ein Anspruch des V gegen K auf Zahlung von 4.000 € könnte sich aus § 433 Abs. 2 BGB ergeben. I. Zwischen V und K besteht ein wirksamer Kaufvertrag, der Anspruch ist also entstanden. II. Allerdings könnte der Anspruch wegen Unmöglichkeit der Leistung des V nach § 326 Abs. 1 BGB untergegangen sein. Fernliegend (und deshalb überflüssig und falsch) wäre es, hier zunächst Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) zu prüfen oder auf Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) der Zahlungspflicht einzugehen. 1. Dann müsste die Leistung des V nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB untergegangen sein. Hier war vereinbart, dass V dem K 10 beliebige aus 500 Goldmünzen übergeben und übereignen sollte. Es handelt sich also um eine beschränkte Gattungsschuld („Vorratsschuld“) im Sinne von § 243 Abs. 1 BGB. a. Es könnte der gesamte Vorrat dadurch erschöpft sein, dass V alle 500 Münzen an Dritte übergeben und übereignet hat. Allerdings besteht die Möglichkeit, Gegenstände aus dem Vorrat wieder zurückzuerwerben. Diese waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch noch im Vorrat vorhanden, so dass man mit guten Gründen davon ausgehen kann, dass sich die Leistungspflicht auch auf diese erstreckte. Damit ist der Vorrat noch nicht untergegangen, die Leistungspflicht kann weiter erfüllt werden. Eine andere Ansicht ist hier aber ebenso gut vertretbar – dann kommt es auf eine Konkretisierung nicht an; wird diese geprüft ist dies überflüssig und dementsprechend negativ zu werten! b. Allerdings könnte sich die Leistungspflicht auf die von V ausgewählten 10 Münzen beschränkt haben, wenn er das zur Konkretisierung Erforderliche getan hat (§ 243 Abs. 2 BGB). Was das Erforderliche ist, bestimmt sich danach, wo er zu leisten hat. Nach § 269 BGB gilt im Fall fehlender Spezialregelungen und besonderer Vereinbarungen eine Holschuld als vereinbart. In diesem Fall muss der Schuldner die ausgewählte Sache von den anderen aussondern und den Gläubiger hierüber informieren (arg. ex § 295 BGB). Hier hat V 10 Münzen ausgewählt und diese von der
Gesamtmenge der Münzen getrennt (ausgesondert). Allerdings hat er K darüber nicht informiert. Es war auch kein Leistungszeitpunkt vereinbart, aufgrund dessen ggf. die Information entbehrlich war. K musste nicht damit rechnen, dass seine Münzen nicht mehr mit den anderen im Safe liegen und sich seine Gefahr so erhöht. Daher ist hier noch keine Konkretisierung eingetreten. Daher liegt hier keine Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB vor. c. Möglicherweise ist jedoch die Leistung unzumutbar im Sinne von § 275 Abs. 2 BGB. Hier müsste V, um seine vertragliche Pflicht zu erfüllen, die Münzen zu einem Preis von 2.000 € rückerwerben. Zwar ist K Münzsammler. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sein Interesse tatsächlich über dem Marktwert von 500 € liegt. Das Verhältnis zwischen dem Leistungsinteresse des K und dem Aufwand für V liegt daher bei 1:4. Dies ist krass unangemessen, so dass die Leistung dem V unzumutbar ist. Hier kann man natürlich ebenfalls zu einem anderen Ergebnis gelangen. Dann muss man den Anspruch des V bejahen (aber nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung der Münzen). Damit ist die Leistungspflicht des V nach § 275 Abs. 2 BGB erloschen. 2. Ein Ausnahmefall nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB ist hier nicht ersichtlich; insbesondere liegt kein Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) vor. 3. Damit ist die Gegenleistungspflicht des K erloschen. III. Aus diesem Grund besteht kein Anspruch des V gegen K auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB mehr. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man die Unzumutbarkeit verneint – dann ist der Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB zu bejahen!
Frage 2: Ein Anspruch des K gegen V auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.000 € könnte sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB ergeben. I.
Zwischen V und K besteht ein Kaufvertrag (§ 433 BGB), mithin ein Schuldverhältnis im Sinne von § 280 Abs. 1 S. 1 BGB.
II. Es müsste zudem eine Pflicht aus diesem Schuldverhältnis verletzt worden sein. Aufgrund des Kaufvertrages war V zur Übergabe und Übereignung der 10 Münzen verpflichtet (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Pflicht hat er nicht erfüllt, sie ist vielmehr nach § 275 Abs. 2 BGB untergegangen. Durch den Untergang der Leistungspflicht ist zudem die zusätzliche Voraussetzung im Sinne von § 280 Abs. 3 BGB iVm § 283 BGB erfüllt.
Wer oben davon ausgegangen ist, dass die Leistungspflicht fortbesteht, darf nicht § 283 BGB prüfen, sondern muss hier § 281 BGB untersuchen – Probleme bestehen dabei aber keine, da ohnehin eine Erfüllungsverweigerung vorliegt. III. Weiterhin müsste V die Pflichtverletzung zu vertreten haben (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Mangels abweichender Angaben ist hierzu nach § 276 Abs. 1 BGB Vorsatz oder Fahrlässigkeit erforderlich. Fahrlässigkeit liegt vor, soweit V die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat (§ 276 Abs. 2 BGB). Hätte V, wie im Verkehr üblich und zu erwarten, K angerufen, hätte dieser die Münzen abholen können und der Vertrag wäre erfüllt worden. Zudem hat V auch den Untergang der Leistungspflicht zu vertreten, indem er die Münzen trotz der Diebstahlgefahr unsachgemäß aufbewahrt hat. Obwohl der Diebstahl (§ 242 StGB) als solcher nicht zurechenbar ist, genügt für die zivilrechtliche Haftung bereits der fehlende Schutz als sorgfaltspflichtwidriges, schadensbegründendes Verhalten. Er hat daher die Pflichtverletzung auch zu vertreten. IV. Als Rechtsfolge muss V den Schaden ersetzen, der K durch die Pflichtverletzung entstanden ist (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB a.E.). 1. Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) scheidet aus, da die Leistungspflicht (entweder nach § 275 Abs. 2 BGB oder aber falls man bei Frage 1 zum Fortbestehen der Pflicht gekommen ist, zumindest nach § 281 Abs. 4 BGB) erloschen ist. 2. Damit ist nach § 251 Abs. 1 BGB statt der ausgeschlossenen Erfüllung in natur nur noch Wertersatz zu leisten. Für § 251 Abs. 1 BGB ist die sog. „Differenzhypothese“ maßgeblich. Danach ist die hypothetische Vermögenslage vor und nach dem schädigenden Ereignis zu vergleichen. Wäre die Übergabe und Übereignung der Münzen möglich, hätte K an V 4.000 € zahlen müssen, aber Münzen im Wert von 5.000 € erhalten. Sein Vermögen wäre daher um 1.000 € vergrößert worden. Dieser entgangene Gewinn ist nach § 252 Abs. 1 BGB unabhängig davon zu ersetzen, ob K ihn tatsächlich realisiert hätte. Es handelt sich vielmehr um eine abstrakte Prüfung der Vermögensvergrößerung. 3. Daher hat K gegen V nur Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.000 € aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB.