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1. CHRISTINA NIESSEN
1. LIEDERABEND – CHRISTINA NIESSEN
Jean Sibelius 6 Lieder op. 50 (1865–1957) Sehnsucht Nr. 2 Die stille Stadt Nr. 5 Im Feld ein Mädchen singt ... Nr. 3 Aus banger Brust Nr. 4 Alban Berg (1885–1935)
4 Lieder op. 2 Dem Schmerz sein Recht Nr. 1 Drei Lieder aus Der Glühende Nr. 2, 3, 4
Yrjö Kilpinen Lieder um den Tod op. 62 (1892–1952 ) Vögelein Schwermut Nr. 1 Auf einem verfallenen Kirchhof Nr. 2 Der Tod und der einsame Trinker Nr. 3 Winternacht Nr. 4 Der Sämann Nr. 5 Unverlierbare Gewähr Nr. 6
– Pause –
Gabriel Urrutia Verse in weiß 6 Lieder op. 2 (*1976) Die Musik ist zerbrochen Nr. 1 URAUFFÜHRUNG Verse in weiß Nr. 2 Frühling Nr. 3 Mein blaues Klavier Nr. 4 Noch feiert der Tod Nr. 5 Schmetterling Nr. 6 Clara Schumann 6 Lieder op. 13 (1819–1896) Ich stand in dunklen Träumen Nr. 1 Sie liebten sich beide Nr. 2 Liebeszauber Nr. 3 Der Mond kommt still gegangen Nr. 4 Ich hab’ in deinen Augen Nr. 5 Die stille Lotusblume Nr. 6 Arnold Schönberg Brettl-Lieder (1874–1951) Gigerlette Der genügsame Liebhaber
Christina Niessen Sopran Steven Moore Klavier
8.11. 19.00 KLEINES HAUS Dauer ca. 2 Stunden, eine Pause
GETRÄUMTE
WIRKLICHKEIT Die beiden finnische Komponisten, Yrjö Kilpinen und Jean Sibelius, haben sich in ihren zahlreichen Liedkompositionen auch mit deutscher Lyrik auseinandergesetzt. Vor allem Sibelius wählte für die meisten seiner Lieder keine finnischen Texte, sondern vorwiegend schwedische und für den Liederzyklus op. 50, der 1906 entstand, auch deutschsprachige Texte von Richard Dehmel, Margarete Susman und Emil Weiß. Sibelius sagte, dass seine Musik letztlich unabhängig von den Worten sei. Damit postuliert er für seine Musik einen starken interpretatorischen Zugriff auf die Texte und bemerkt, „Womöglich habe ich den Dichter falsch verstanden, aber das macht doch nichts, denn der neue Gedanke soll auch den Eindruck illustrieren, den das Gedicht auf mich machte.“ Hält er es für die Zuhörer also nicht für erforderlich, den Text zu verstehen, so ist es für den Komponisten umso wichtiger, sich genau mit dem Text auseinanderzusetzen, um eine eigene Interpretation liefern zu können. Sibelius war auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Das Schubertlied diente ihm als Grundmodell, hinzu kam die Beschäftigung mit Liedern von Grieg, Tschaikowsky und Strauss, dessen Tonsprache beispielsweise in Aus banger Brust herausklingt. Yrjö Kilpinen gilt mit seinen über 700 Liederkompositionen als „finnischer Schubert“. 1935 wurde ein Staatsstipendium, das er seit 2
1925 innehatte, in eine lebenslange Pension umgewandelt, sodass er befreit von allen Existenzsorgen komponieren konnte. Für den Zyklus Lieder um den Tod op. 62 wählte er Gedichte von Christian Morgenstern und komponiert auf dem Boden der Tonalität mit melodischen Gesangslinien nach dem Vorbild Schuberts. Die Faszination vom Umgang mit dem Tod, die Auseinandersetzung mit Sterblichkeit und die Melancholie bis hin zu einer Todessehnsucht bestimmen den Charakter der Komposition. Alban Berg begann das Komponieren als Autodidakt bevor er 1904 als 19-jähriger von Arnold Schönberg als Privatschüler angenommen wurde. Ein Großteil von Bergs jugendlichen Werken sind 90 Vokalkompositionen, von denen die meisten wieder verworfen wurden. 1907/08 entstanden die vier in op. 2 zusammengefassten Lieder mit Texten von Friedrich Hebbel und Alfred Mombert. Der freie Umgang mit Tonalität, die Etablierung einer neuen, eigenen Musiksprache in Kombination mit einer urromantische Todessehnsucht, die aus den Texten klingt, fördert etwas ganz Neues zutage. Die neue Wiener Schule entsteht. Erscheint uns im ersten Lied der Tod noch in gewisser Ambivalenz als Schlaf, frei von Schmerzen, fordert im letzten Lied des Zyklus der Tod persönlich ein Mädchen zum Sterben auf. Berg versteht es geschickt, einen Span-
nungsbogen bis zum Auftritt des Todes zu komponieren, und gelangt am Ende zur Einsicht „Der Eine stirbt, daneben der Andere lebt. Das macht die Welt so tiefschön.“ Das Kunstlied ist für Gabriel Urrutia Benet, der in den letzten Jahren neben dem Singen seine Leidenschaft für das Komponieren entdeckt hat, nach wie vor eine spannende Kunstform, in welcher Pianist und Sängerin in einen lebhaften Dialog treten können. Aber welchen Text wählt man? Gemeinsam mit Christina Niessen entstand die Idee, „weibliche“ Lyrik für den Liederabend zu vertonen. Der bekannte „Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki traf in seinem Buch Frauen dichten anders eine Auswahl der seiner Meinung nach wichtigsten und schönsten Gedichte deutscher Lyrikerinnen. In diesem Buch sprachen den Komponisten sofort Texte von Rose Ausländer, Nelly Sachs und Else Lasker-Schüler an. Diese Dichterinnen verbindet die Geschichte von Flucht vor den Gräueltaten in der Nazizeit und das Überleben im Dritten Reich unter vielen persönlichen Entbehrungen und Schicksalsschlägen. In einer weiteren Beschäftigung mit deren Werken wählte Gabriel Urrutia je zwei Gedichte aus und schuf daraus den Liederzyklus Verse in weiß benannt nach dem gleichnamigen Gedicht von Rose Ausländer, steht doch der erste Vers „Über das weiße Blatt die Feder fegt …“ für den generellen Beginn der Manifestation einer künstlerischen Schöpfung. Das Erfinden der richtigen Worte und der Bezug von Traum, Fantasie und Realität spielt bei allen drei Lyrikerinnen eine entscheidende Rolle. Rose Ausländer sagt: „Ich habe, was man Wirklichkeit nennt, auf meine Weise geträumt, das Geträumte in Worte verwandelt und meine geträumte Wortwirk-
lichkeit in die Welt hinausgeschickt. Und die Welt ist zu mir zurück gekommen.“ Marcel Reich-Ranicki stellt fest: „Doch schon Else Lasker-Schüler, die sich standhaft weigerte, die Welt zur Kenntnis zu nehmen, und stets in einem orientalischen Märchenreich lebte, war, wie viele ihrer Nachfolgerinnen, eine Sachwalterin des Seelischen und des Traumhaften, des Schwärmerischen und nicht selten auch des Phantastischen.“ Für Gabriel Urrutia war es wichtig, dass die Gedichte immer auch an Zukunft denken und nie vollständig verzweifelt oder resignativ wirken. Die bildgewaltige Sprache faszinierte ihn. Wenn ihm beim Lesen sofort erste musikalische Gedanken kamen, war das die innere Aufforderung, über eine Vertonung nachzudenken. Urrutia möchte mit seiner Musik die Gedichte nicht interpretieren, keine Ebene dazu geben sondern den Text lieber illustrieren, ihn zum Klingen bringen. Darunter versteht er konkret die Worte, deren Wortsinn, eigentlich die „geträumte Wortwirklichkeit“ hörbar zu machen, Sinnabschnitte musikalisch zu gliedern und einen Dialog zwischen Gesang und Klavier zu eröffnen. Um diese Art und Weise des Komponierens zu verdeutlichen, seien hier einige Beispiele genannt. Nachdem der Satz „Ich habe zu Hause ein blaues Klavier und kenne doch keine Note.“ gesungen ist, schleudert das Klavier alle Töne, die es zur Verfügung stellen kann, in einer chromatischen Tonleiter heraus und tritt so in einen direkten Dialog mit dem Text. Bei „Der Schleier weiß …“ verschleiert auch das Klavier Rhythmus und Harmonie, um gleich darauf bei „… für Nonne …“ wie eine Kirchenorgel zu klingen und bei „… und für Braut“ feierliche, hochzeitliche Stimmung zu erzeugen. So werden einzelne Worte in ihrer Bedeutung unterlegt und verstärkt. Um in den Versen „Es spielen 3
Sternenhände vier, die Mondfrau sang im Boote, nun tanzen die Ratten im Geklirr“, den Vers „… die Mondfrau sang im Boote, …“ als einen Einschub, als eine neue Sinneinheit zu kennzeichnen, unterbricht er eine Folge expressiver durchgehender Sechzehntelnoten mit im arpeggio gespielten Akkorden, kreiert musikalisch hörbar einen neuen Gedanken, um danach wieder die Sechzehntel aufzugreifen. Diese Form der Gestaltung des musikalischen Dialogs, der Wortbehandlung und der Stiftung von Sinneinheiten finden sich in allen Liedern des Zyklus. Auf die Frage, ob Gabriel Urrutia beim Komponieren denn konkret an Steven Moore und Christina Niessen denkt, zeigt er mit zwinkerndem Auge auf die Noten, „hier, diese Akkorde kann man nur für Steven schreiben, denn ich weiß, welch große Hände und welch pianistisches Geschick er hat! Das Vorspiel zum Schmetterling ist so schwer, dass es eigentlich nur Steven spielen kann.“ Ebenso hat er genau im Ohr, wie welcher Vokal in welchem Register bei Christina Niessen klingt, und hat speziell für ihre Stimme komponiert. Sich die Künstler vorzustellen, hilft ihm enorm beim Komponieren. So ist es also nur folgerichtig, dass Gabriel Urrutia den Liederzyklus persönlich Christina Niessen zugeeignet hat. Clara Schumann heiratete 1840 endlich Robert nach langem Kampf mit ihrem Vater, der gegen die Verbindung war. Das Paar zog nach Leipzig, wo der Familienalltag begann. Neben ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, wollte Clara weiter auf Konzertreisen gehen und komponieren. Ihr Erfolg als Konzertvirtuosin war sogar ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor für die Familie Schumann. Ihr Mann sieht das mit Argwohn, da er sich zeitweise zu ihrem Reisebegleiter herabgesetzt 4
fühlt. In diesen ersten Ehejahren komponierte Clara 1840 bis 1844 die Sechs Lieder op. 13. Man kann in diesen Liedern hören, wie die junge Gattin teils wehmütig ihrer Liebe zu Robert gedenkt, die sich im Ehealltag anders anfühlt als in Zeiten der vorehelichen Trennung. Im Lied Nr. 3 Liebeszauber bleibt am Ende nur der „Wiederhall“ des einstigen „wundersüßen Schalls“ und im Lied Nr.2 Sie liebten sich beide, finden sich Verse wie „Sie sahen sich an so feindlich und wollten vor Liebe vergehn …“. Eine Konzertreise nach Dänemark unternimmt sie schließlich alleine. In den Noten des Liederzyklus findet sich die Widmung „Ihrer Majestät der regierenden Königin von Dänemark Caroline Amalie ehrfurchtsvoll zugeeignet“. Ans Ende des Liedprogramms hat Christina Niessen zwei der sogenannten BrettlLieder gesetzt. Dabei handelt es sich um kabarettistische Chansons aus der Feder Schönbergs, geschrieben für das erste deutsche Kabarett, das „Überbrettl“. Ernst v. Wollzogen gründete es und spielt mit dem Namen ironisch auf Nietzsches Übermenschen an. Es sollte eben mehr sein als die bis dahin bekannten Tingel-Tangel-Bühnen, die man als Brettl bezeichnete. Vorbild war das Pariser „Chat noir“ und man wollte das sozialkritische und politische Kabarett auch in Deutschland publik machen. Schönberg lernte das Überbrettl bei einem Gastspiel in Wien kennen, weil er als musikalischer Leiter einspringen musste. Unter anderem nach Texten aus der Anthologie Deutsche Chansons (Brettl-Lieder) von Otto Julius Bierbaum schuf Schönberg seine Kompositionen, was schließlich zu seiner Festanstellung am Überbrettel vom 16.12.1901 bis zum 31.7.1902 in Berlin führte. Das Unternehmen geriet allerdings zu einem wirtschaftlichen Misserfolg und Schönberg kehrte 1903 nach Wien zurück.
Fotografien von Rose Ausländer, Nelly Sachs & Else Lasker-Schüler
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Jean Sibelius (1865–1957) SEHNSUCHT Text von Emil Rudolf Weiß (1875–1942)
DIE STILLE STADT Text von Richard Dehmel (1863–1920)
IM FELD EIN MÄDCHEN SINGT … Text von Margarete Susman (1872–1966)
AUS BANGER BRUST Text von Richard Dehmel (1863–1920)
Oft am langen Tage Seufz’ ich ach! nach dir, Fühl’ ich dich mir nahe, Sprech’ ich so mit dir.
Liegt eine Stadt im Tale, Ein blasser Tag vergeht; Es wird nicht lange dauern mehr, Bis weder Mond noch Sterne; Nur Nacht am Himmel steht.
Im Feld ein Mädchen singt … Vielleicht ist ihr Liebster gestorben, Vielleicht ist ihr Glück verdorben, Dass ihr Lied so traurig klingt.
Die Wolken leuchten immer noch, Die dunkeln Blätter zittern sacht; Ich bin im Grase aufgewacht, O kämst du doch, Es ist so tiefe Mitternacht.
In der kühlen Frühe Aufgewacht zu mir, Fühl’ ich, was uns trennet, Seufz’ ich ach! nach dir. Seh’ dein Auge schauen Liebevoll zu mir, Schaut mich an und weilet Einen Blick bei mir. Geht von mir am Tage, Kommt zurück zu mir, Wenn ich nach dir klage, Schweigend und in mir. Schmerz und Trost der Schmerzen, Bist in einem mir – Oft am langen Tage Seufz’ ich ach! nach dir.
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Von allen Bergen drücken Nebel auf die Stadt; Es dringt kein Dach, nicht Hof noch Haus, Kein Laut aus ihrem Rauch heraus, Kaum Türme noch und Brücken. Doch als den Wandrer graute, Da ging ein Lichtlein auf im Grund; Und durch den Rauch und Nebel Begann ein leiser Lobgesang, Aus Kindermund.
Das Abendrot verglüht, Die Weiden stehn und schweigen, Und immer noch so eigen Tönt fern das traurige Lied. Der letzte Ton verklingt. Ich möchte zu ihr gehen. Wir müssten uns wohl verstehen, Da sie so traurig singt. Das Abendrot verglüht, Die Weiden stehn und schweigen.
Den Mond verdeckt das Gartentor, Sein Licht fließt über in den See, Die Weiden schwellen still empor, Mein Nacken wühlt im feuchten Klee; So liebt ich dich noch nie zuvor! So hab ich es noch nie gewußt, So oft ich deinen Hals umschloß Und blind dein Innerstes genoß, Warum du so aus banger Brust Aufstöhnest, wenn ich überfloß. O jetzt, o hättest du gesehn, Wie dort das Glühwurmpärchen kroch! Ich will nie wieder von dir gehen! O kämst du doch! Die Rosen leuchten immer noch.
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Alban Berg (1885–1935)
Yrjö Kilpinen (1892–1952 )
DEM SCHMERZ SEIN RECHT Text von Friedrich Hebbel (1813–1863)
LIEDER UM DEN TOD Texte von Christian Morgenstern ( 1871–1914)
Schlafen, Schlafen, nichts als Schlafen! Kein Erwachen, keinen Traum! Jener Wehen, die mich trafen, Leisestes Erinnern kaum, Daß ich, wenn des Lebens Fülle Nieder klingt in meine Ruh, Nur noch tiefer mich verhülle, Fester zu die Augen tu’!
VÖGELEIN SCHWERMUT Ein schwarzes Vöglein fliegt über die Welt, Das singt so todestraurig ... Wer es hört, der hört nichts anderes mehr, Wer es hört, der thut sich ein Leides an, Der mag keine Sonne mehr schauen. Allmitternacht, Allmitternacht Ruht es sich aus auf dem Finger des Tods. Der streichelt’s leis und spricht ihm zu: „Flieg, mein Vögelein! flieg, mein Vögelein!“ Und wieder fliegt’s flötend über die Welt.
Drei Lieder aus DER GLÜHENDE Text von Alfred Mombert (1872–1942) I Schlafend trägt man mich in mein Heimatland! Ferne komm ich her, über Gipfel, über Schlünde, über ein dunkles Meer in mein Heimatland. II Nun ich der Riesen Stärksten überwand, Mich aus dem dunkelsten Land heimfand an einer weißen Märchenhand, hallen schwer die Glocken. Und ich wanke durch die Gassen schlafbefangen.
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III Warm die Lüfte, es sprießt Gras auf sonnigen Wiesen. Horch! Horch, es flötet die Nachtigall... Ich will singen. Droben hoch im düstern Bergforst, es schmilzt und sickert kalter Schnee, ein Mädchen im grauen Kleide lehnt am feuchten Eichstamm, krank sind ihre zarten Wangen, die grauen Augen fiebern durch Düsterriesenstämme. „Er kommt noch nicht. Er lässt mich warten“ ... Stirb! Der Eine stirbt, daneben der Andere lebt: Das macht die Welt so tiefschön.
AUF EINEM VERFALLENEN KIRCHHOF Was gehst du, armer bleicher Kopf, mich an – Es ist kein Grund, um Lebensform zu trauern. Den Gott wird über seine Tiefe schauern, Doch – reut ein Meer die Welle, die zerrann? ... Ich will dir eine kleine Krone malen, Mein Bruder Tor, um deine kahle Stirn: Auch du in Lebensnot und Todesqualen Warst Gottes Aug’, wie ich, und Gottes Hirn.
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DER TOD UND DER EINSAME TRINKER EINE MITTERNACHTSSZENE „Guten Abend, Freund!“ „Dein Wohl!“ „Wie geht’s?“ „Dein Wohl!“ „Schmeckt’s?“ „Dein Wohl!“ „Du zürnst mir nicht mehr?“ „Dein Wohl!“ „Im Ernst?“ „Dein Wohl!“ „Hab Dank!“ „Dein Wohl!“ „Aber –“ „Dein Wohl!“ „Zuviel!“ „Dein Wohl!“ „Nun -“ „Dein Wohl!“ „Wie du willst!“ „Dein Wohl!“ „Narr!“ „Dein Wohl“ „Genug!“ „Dein -“ WINTERNACHT Flockendichte Winternacht ... Heimkehr von der Schenke ... Stilles Einsamwandern macht, Dass ich deiner denke.
DER SÄMANN Durch die Lande auf und ab Schreitet weit Bauer Tod; Aus dem Sack um seine Schulter Wirft er Keime ohne Zahl. Wo du gehst, wo du stehst, Liegt und fliegt der feine Staub. Durch die unsichtbare Wolke Wandre mutig, doch bereit! Durch die Lande auf und ab Schreitet weit Bauer Tod; Aus dem Sack um seine Schulter Wirft er Keime ohne Zahl. UNVERLIERBARE GEWÄHR Eines gibt’s darauf ich mich Freuen darf. Das wird nicht trügen. Eines Abends sicherlich Ruht dies Herz von allen Flügen Aus. Schlafen darf dann dieser Wandrer. Denn – was etwan weiter wacht, Wird ein andres, wird ein andrer. Dieser hat sein Werk vollbracht – Dann, dann …
Schau dich fern im dunklen Raum Ruhn in bleichen Linnen ... Leb ich wohl in deinem Traum Ganz geheim tiefinnen? ... Stilles Einsamwandern macht, Dass ich nach dir leide ... Eine weiße Flockennacht Flüstert um uns beide...
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Tod und Leben Gustav Klimt
Gabriel Urrutia (*1976) VERSE IN WEISS DIE MUSIK IST ZERBROCHEN Text von Rose Ausländer (1901–1988)
FRÜHLING Text von Else Lasker-Schüler (1869–1945)
In kalten Nächten wohnen wir Mit Maulwürfen und Igeln Im Bauch der Erde. In heißen Nächten Graben wir uns tiefer In den Blutstrom des Wassers Hier sind wir eingeklemmt zwischen Wurzeln Dort zwischen den Zähnen der Haifische Im Himmel ist es nicht besser Unstimmigkeiten verstimmen Die Orgel der Luft Die Musik ist zerbrochen.
Wir wollen wie der Mondenschein Die stille Frühlingsnacht durchwachen, Wir wollen wie zwei Kinder sein. Du hüllst mich in dein Leben ein Und lehrst mich so wie du zu lachen.
VERSE IN WEISS Text von Rose Ausländer Über das weiße Blatt die Feder fegt Januar uns mit Schnee beschlägt Schon weggeschmolzen Frische Weiß Schalmei Fleider wieder weiß im Wiedermai Der Schleier weiß für Nonne und für Braut Weißes Leichentuch Und Totenhaut Der Schrei im Schnee erstickt. Der Eispfeil traf Ein weißer Engel schwebt von Schlaf zu Schlaf Die Taube weiß und glatt vielleicht im Traum Bringt sie ein Ölblatt in den Dunkelraum
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Ich sehnte mich nach Mutterlieb Und Vaterwort und Frühlingsspielen, Den Fluch, der mich durchs Leben trieb, Begann ich, da er bei mir blieb, Wie einen treuen Freund zu lieben. Nun blühn die Bäume seidenfein Und Liebe duftet von den Zweigen. Du mußt mir Mutter und Vater sein Und Frühlingsspiel und Schätzelein Und ganz mein eigen. MEIN BLAUES KLAVIER Text von Else Lasker-Schüler Ich habe zu Hause ein blaues Klavier Und kenne doch keine Note. Es steht im Dunkel der Kellertür, Seitdem die Welt verrohte. Es spielten Sternenhände vier – Die Mondfrau sang im Boote. – Nun tanzen die Ratten im Geklirr. Zerbrochen ist die Klaviatur. Ich beweine die blaue Tote. Ach liebe Engel öffnet mir – Ich aß vom bitteren Brote – Mir lebend schon die Himmelstür, Auch wider dem Verbote.
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NOCH FEIERT DER TOD Text von Nelly Sachs (1891–1970) Noch feiert der Tod Das Leben in dir Närrin in der Spirale der Eile Jeder Schritt weiter entfernt von den kindlichen Uhren Und näher und näher gefaßt vom Wind Dem Räuber der Sehnsucht – Vor Ehrfurcht erheben sich Stühle und Betten Denn die Unruhe ist meerhaft geworden Und Türen – Der Schlüssel auf Abwehr gestellt Ändert die Richtung mit Einlaß nach draußen – Die weißen Schwestern sterngebadet Vom Berühren der Zeichen aus Fremde Von ihm der die Adern hier speist Aus seiner unterirdischen Quelle des Durstes Daran die Visionen sich satt trinken müssen – SCHMETTERLING Text von Nelly Sachs Welch schönes Jenseits Ist in deinen Staub gemalt. Durch den Flammenkern der Erde, Durch ihre steinerne Schale Wurdest du gereicht, Abschiedswebe in der Vergänglichkeiten Maß. Schmetterling aller Wesen gute Nacht! Die Gewichte von Leben und Tod Senken sich mit deinen Flügeln Auf die Rose nieder Die mit dem heimwärts reifenden Licht welkt. Welch schönes Jenseits ist in deinen Staub gemalt. Welch Königszeichen Im Geheimnis der Luft. 14
ICH HABE, WAS MAN WIRKLICHKEIT NENNT, AUF MEINE WEISE GETRÄUMT ROSE AUSLÄNDER
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Clara Schumann (1819–1896) ICH STAND IN DUNKLEN TRÄUMEN Text von Heinrich Heine (1779–1856)
LIEBESZAUBER Text von Emanuel Geibel (1815–1884)
DER MOND KOMMT STILL GEGANGEN Text von Emanuel Geibel
DIE STILLE LOTUSBLUME Text von Emanuel Geibel
Ich stand in dunkeln Träumen Und starrte ihr Bildnis an, Und das geliebte Antlitz Heimlich zu leben begann. Um ihre Lippen zog sich Ein Lächeln wunderbar, Und wie von Wehmutstränen Erglänzte ihr Augenpaar. Auch meine Tränen flossen Mir von den Wangen herab – Und ach, ich kann es nicht glauben, Daß ich dich verloren hab!
Die Liebe saß als Nachtigall Im Rosenbusch und sang; Es flog der wundersüße Schall Den grünen Wald entlang.
Der Mond kommt still gegangen Mit seinem gold’nen Schein, Da schläft in holdem Prangen Die müde Erde ein.
Die stille Lotusblume Steigt aus dem blauen See, Die Blätter flimmern und blitzen, Der Kelch ist weiß wie Schnee.
Und wie er klang, da stieg im Kreis Aus tausend Kelchen Duft, Und alle Wipfel rauschten leis’, Und leiser ging die Luft;
Im Traum die Wipfel wehen, Die Quellen rauschen sacht; Singende Engel durchschweben Die blaue Sternennacht.
Da gießt der Mond vom Himmel All seinen gold’nen Schein, Gießt alle seine Strahlen In ihren Schoß hinein.
Die Bäche schwiegen, die noch kaum Geplätschert von den Höh’n, Die Rehlein standen wie im Traum Und lauschten dem Getön.
Und auf den Lüften schwanken Aus manchem treuen Sinn Viel tausend Liebesgedanken Über die Schläfer hin.
Im Wasser um die Blume Kreiset ein weißer Schwan Er singt so süß, so leise Und schaut die Blume an.
Und hell und immer heller floss Der Sonne Glanz herein, Um Blumen, Wald und Schlucht ergoss Sich goldig roter Schein.
Und drunten im Tale, da funkeln Die Fenster von Liebchens Haus; Ich aber blicke im Dunkeln Still in die Welt hinaus.
Er singt so süß, so leise Und will im Singen vergehn. O Blume, weiße Blume, Kannst du das Lied verstehn?
Ich aber zog den Weg entlang Und hörte auch den Schall. Ach! was seit jener Stund’ ich sang, War nur sein Widerhall.
ICH HAB’ IN DEINEN AUGEN Text von Friedrich Rückert (1788–1866)
SIE LIEBTEN SICH BEIDE Text von Heinrich Heine Sie liebten sich beide, doch keiner Wollt’ es dem andern gesteh’n; Sie sahen sich an so feindlich, Und wollten vor Liebe vergeh’n. Sie trennten sich endlich und sah’n sich Nur noch zuweilen im Traum; Sie waren längst gestorben, Und wußten es selber kaum.
Ich hab’ in deinem Auge Den Strahl der ewigen Liebe gesehen, Ich sah auf deinen Wangen Einmal die Rosen des Himmels stehn. Und wie der Strahl im Aug’ erlischt Und wie die Rosen zerstieben, Ihr Abglanz ewig neu erfrischt, Ist mir im Herzen geblieben. Und niemals werd’ ich die Wangen seh’n Und nie in’s Auge dir blicken, So werden sie mir in Rosen steh’n Und es den Strahl mir schicken.
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Arnold Schönberg (1874–1951) aus den BRETTL–LIEDERN GIGERLETTE Text von Otto Julius Bierbaum (1865–1913)
DER GENÜGSAME LIEBHABER Text von Hugo Salus (1866–1929)
Fräulein Gigerlette Lud mich ein zum Tee. Ihre Toilette War gestimmt auf Schnee; Ganz wie Pierrette War sie angetan. Selbst ein Mönch, ich wette, Sähe Gigerlette Wohlgefällig an.
Meine Freundin hat eine kohlschwarze Katze, Mit weichem knisterndem Sammetfell, Und ich, ich hab eine blitzblanke Glatze, Blitzblank und glatt und silberhell.
War ein rotes Zimmer, Drin sie mich empfing, Gelber Kerzenschimmer In dem Raume hing. Und sie war wie immer Leben und Esprit. Nie vergeß ich’s, nimmer: Weinrot war das Zimmer, Blütenweiß war sie.
Und komm ich am Abend die Freundin besuchen, So liegt die Mieze im Schoße bei ihr Und nascht mit ihr von dem Honigkuchen, Und schnurrt, wenn ich leise ihr Haar berühr’.
Und im Trab mit Vieren Fuhren wir zu zweit In das Land spazieren, Das heißt Heiterkeit. Daß wir nicht verlieren Zügel, Ziel und Lauf, Saß bei dem Kutschieren Mit den heißen Vieren Amor hinten auf.
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Meine Freundin gehört zu den üppigen Frauen, Sie liegt auf dem Divan das ganze Jahr, Beschäftigt, das Fell ihrer Katze zu krauen, Mein Gott, ihr behagt halt das samtweiche Haar.
Und will ich mal zärtlich tun mit dem Schatze, Und daß sie mir auch einmal „Eitschi“ macht, Dann stülp ich die Katze auf meine Glatze, Dann streichelt die Freundin die Katze und lacht.
UND ÜBER DAS WEISSE BLATT DIE FEDER FEGT. 19
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Die Nacht Ferdinand Hodler
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CHRISTINA NIESSEN Sopran
STEPHEN MOORE Klavier
GABRIEL URRUTIA Komponist & Bariton
Sie studierte an der Hochschule für Musik in Detmold und ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe. Erste Bühnenerfahrungen sammelte sie in Münster, Detmold und Berlin. 2005 bis 2006 war sie Mitglied des Jungen Ensembles der Deutschen Oper am Rhein und ist seit 2006/07 am STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert. Sie stand auf der Bühne u. a. als Rosalinde in Die Fledermaus, Gräfin in Die Hochzeit des Figaro, Donna Elvira in Don Giovanni, Leonore in Fidelio, Feldmarschallin in Der Rosenkavalier sowie in der Titelpartie in Katja Kabanova. Sie verkörperte eine Vielzahl von Wagnerpartien wie Elsa in Lohengrin, Elisabeth und Venus in Tannhäuser, Senta im Fliegenden Holländer und Eva in Die Meistersinger von Nürnberg. 2015/16 ist sie als Kundry in Keith Warners von Publikum und Presse gefeierten Karlsruher ParsifalInszenierung, als Mutter/ Myrthle in der Jugendoper Knight Crew und Gertrud in Hänsel und Gretel zu erleben.
Der australische Dirigent studierte in Queensland Orgel, Klavierbegleitung und Gesang und erwarb an der Londoner Guildhall School seinen Master of Arts. Kursen am National Opera Studio folgte die Aufnahme in das Jette Parker Young Artists Programme am Royal Opera House Covent Garden. Dirigate beim Orchester des Royal Opera House und der San Francisco Opera, der Southbank Sinfonia, der West London Sinfonia sowie Assistenzen bei Nicola Luisotti, Thomas Hengelbrock, Franck Ollu und Julia Jones schlossen sich an. Moore betreute zahlreiche Produktionen des Royal Opera House, der San Francisco Opera und der Glyndebourne Touring Opera. Seit 2011 gehört er dem STAATSTHEATER KARLSRUHE an, seit 2014 als Studienleiter und Kapellmeister. Hier dirigierte er u. a. Die Fledermaus und das Ballett Der Widerspenstigen Zähmung und gab zahlreiche Konzerte. 2015/16 wird er das Musical My Fair Lady leiten.
2006 promovierte er in Berlin zum Doktor im Ingenieurwesen. Parallel studierte er dort 2002 bis 2005 Gesang an der Universität der Künste. Es folgte ein Engagement am Theater Heidelberg, rege Gastiertätigkeit am Theater Freiburg und 2010 holte ihn Alberto Zedda u. a. als Taddeo in Die Italienerin in Algier nach Valencia. Seit 2011 ist er festes Ensemblemitglied in Karlsruhe, wo er Partien wie Papageno, Oppenheimer in Doctor Atomic, Guglielmo in Così fan tutte oder Dr. Falke in Die Fledermaus verkörperte. Weiterhin gastiert er regelmäßig am Theater Freiburg. In letzter Zeit entdeckte er seine Leidenschaft für das Komponieren und stellte 2015 die Partitur für die Oper Der Graf von Montecristo fertig. Für diesen Liederabend komponierte er den Zyklus Verse in weiß und beim Weihnachtssingen 2015 wird er in einer Doppelrolle als Sänger und Komponist sein Werk Weihnachtszeit vortragen. 2015/16 steht er u. a. als Orest in Iphigenie auf Tauris auf der Bühne.
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BILDNACHWEISE
IMPRESSUM
TITEL Florian Merdes
HERAUSGEBER STAATSTHEATER KARLSRUHE
TEXTNACHWEISE
GENERALINTENDANT Peter Spuhler
Die abgedruckten Texte stammen, wenn nicht anders angegeben, von Achim Sieben. Sollten wir Rechteinhaber übersehen haben, bitten wir um Nachricht.
LIEDERABENDE
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VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier OPERNDIREKTOR Michael Fichtenholz LEITENDER DRAMATURG OPER Carsten Jenß REDAKTION Achim Sieben KONZEPT DOUBLE STANDARDS BERLIN www.doublestandards.net
STAATSTHEATER KARLSRUHE 2015/16 Programm Nr. 281 WWW.STAATSTHEATER.KARLSRUHE.DE
GESTALTUNG Danica Schlosser DRUCK medialogik GmbH, Karlsruhe
1. LIEDERABEND – CHRISTINA NIESSEN 8.11.15
2. LIEDERABEND – DILARA BAŞTAR Die menschliche Stimme 7.2.16
LIEDERABEND POPULÄR – JESUS GARCIA 24.3.16
3. LIEDERABEND – ELEAZAR RODRIGUEZ
LIEDERABEND-
ABONNENT WERDEN! Auch diese Spielzeit können Sie sich wieder ein Liederabend-Abonnement mit fünf Abenden ab 40 Euro sichern. Unser Abonnementbüro berät Sie gerne.
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ABONNEMENTBÜRO T 0721 3557 -323 /-324 F 0721 3557 346 E-Mail abonnementbuero@ staatstheater.karlsruhe.de
26.3.16
4. LIEDERABEND – KATHARINE TIER Femme fatale 5.6.16
LIEDERABEND POPULÄR – REBECCA RAFFELL 25.6.16
5. LIEDERABEND – NEUE ENSEMBLEMITGLIEDER STELLEN SICH VOR 17.7.16
DER EINE STIRBT, DANEBEN DER ANDERE LEBT. DAS MACHT DIE WELT SO TIEFSCHÖN.