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Abonnement C, 4. Konzert Freitag 29.04.2016 · 20.00 Uhr Sonnabend 30.04.2016 · 20.00 Uhr Sonntag 01.05.2016 · 16.00 Uhr Großer Saal KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN JAMES JUDD Dirigent YESONG SOPHIE LEE (GEWINNERIN DES MENUHIN COMPETITION JUNIOR 2016) Violine DANIEL LOZAKOVITJ Violine STEPHEN WAARTS Violine
„Ein Phänomen, wie es nur alle hundert Jahre vorkommt.“ DER DIRIGENT FRITZ BUSCH ÜBER YEHUDI MENUHIN, 1927
PROGRAMM Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo E-Dur BWV 1042 ALLEGRO ADAGIO ALLEGRO ASSAI
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 ALLEGRO MA NON TROPPO LARGHETTO RONDO. ALLEGRO
PAUSE
Johannes Brahms (1833 – 1897) Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77 ALLEGRO NON TROPPO ADAGIO ALLEGRO GIOCOSO, MA NON TROPPO VIVACE
AUSSTELLUNG 100 JAHRE YEHUDI MENUHIN Freier Eintritt mit Ihrer Konzertkarte in der Pause im Werner-Otto-Saal.
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Yehudi Menuhin in Berlin
KURZ NOTIERT
Berlin war die Schicksalsstadt im Leben des Yehudi Menuhin: Hier begann am 12.4.1929 mit dem berühmten „MayflowerKonzert“ die internationale Karriere des Ausnahmekünstlers, hierher kehrte er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zurück, um auch das deutsche Publikum mit der Gabe seiner Musik zu erreichen, nicht nur hier setzte er sich für den zwischenzeitlich politisch schwer belasteten Wilhelm Furtwängler ein, und gerade hier sollte sich sein erfülltes Leben vollenden – mitten in einer Tournee mit der Sinfonia Varsovia musste der 82-Jährige akut erkrankt in ein Krankenhaus eingeliefert werden, wo er am 12.3.1999 verstarb. Fünf Tage zuvor hatte er in Düsseldorf sein letztes Konzert dirigiert. Daniel Hope, der Solist auf dieser Tournee, hatte als Zugabe Maurice Ravels „Kaddish“ (die Bearbeitung des alten jüdischen Totengebets) gespielt – nicht ahnend, dass dies ein musikalischer Abschied für immer werden sollte. Ein weiteres wichtiges Band, das Yehudi Menuhin mit Berlin verknüpfte, lag in der Person seines ersten wichtigen Lehrers begründet: Louis Persinger (1887-1966), in Illinois geboren, war nach seinem Studium in Leipzig und Brüssel zunächst Konzertmeister der Berliner Philharmoniker gewesen, jedoch während des Ersten Weltkrieges nach Amerika zurückgekehrt. 1915 wurde er Konzertmeister des San Francisco Symphony Orchestra, 1930 übernahm er eine Professur an der New Yorker Juilliard School. Zu seinen Schülern gehörten später auch Ruggiero Ricci und Isaac Stern.
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
Als Dirigent dieses Konzerts mit dem Berliner Philharmonischen Orchester war zunächst Fritz Busch ausersehen gewesen, der zwei Jahre zuvor mit dem damals elfjährigen Wunderkind Beethovens Violinkonzert in New York aufgeführt hatte. Eigentlich wollte der berühmte Pultstar, der selbst sein New Yorker Debüt gab, damals den Jungen „sicherheitshalber“ auf ein Mozart-Konzert festlegen und war ob dessen Wunsch, unbedingt Beethoven spielen zu wollen, etwas irritiert und pikiert gewesen, doch eine gemeinsame Klavierprobe ließ ihn schon nach wenigen Takten alle Bedenken vergessen …! Wie Humphrey Burton in seiner Menuhin-Biographie berichtete, schrieb Fritz Busch noch von New York aus an die Direktion der Berliner Philharmoniker und bat sie, Menuhin für ein Konzert unter seiner Leitung noch in der Saison 1928/29 zu engagieren, in dem er die Violinkonzerte von Beethoven und Brahms sowie zuvor noch ein Bach-Konzert spielen solle. „Ein Phänomen, wie es nur alle hundert Jahre vorkommt“, hatte Fritz Busch in seinem Brief nach Berlin den jungen Geiger beschrieben. (Mit der Dresdner Staatskapelle wurde dann auch ein ähnliches Arrangement getroffen.) Im Vorfeld der Konzerte in Berlin und Dresden musste natürlich eine offensive Werbung betrieben werden. Die Ankündigung des Berliner Konzertes durch die Konzertdirektion H. Wolff als örtlicher Veranstalter zitierte eine Kritik des Pariser Konzerts vom 30.1.1927: „Was an YEHUDI MENUHIN UND BRUNO WALTER, BERLIN, APRIL 1929 dem kleinen Menuhin wahrhaft
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
ergreift, das ist der hohe Wert seiner Interpretation, die ganz tiefe Klarheit und Innerlichkeit. Keinen Augenblick spielt dieses Kind für die Galerie. Keine Note ist für den Moment zurechtgemacht. In dieser Reinheit des Kindes, dieser Einfachheit der Phrasierung, dieser Wärme, die frei von jeder Vulgarität und Sucht zu glänzen von ihm ausströmt, erweckt er uns das geheiligte Andenken des großen Joachim …“ Aufgrund eines plötzlichen Todesfalles in der Familie musste Fritz Busch sein Dirigat in Berlin jedoch kurzfristig absagen. Für ihn als „Einspringer“ fungierte kein Geringerer als Bruno Walter, damals Direktor der Städtischen Oper, der sich in uneitler und geradezu rührender Weise um den jungen Kollegen kümmerte und das Zusammenspiel zwischen Solisten und Orchester immer souverän „in der Hand“ hatte, so dass der Abend auch von dieser Seite zu einem großen Erfolg wurde. („Ein Begleiter, wie ich noch keinen erlebte“, wird sich Yehudi Menuhin später in seinen Memoiren dankbar an ihn erinnern ...) Nach dem Konzert überschlugen sich die hymnischen Presseberichte und berichteten gar von einem „Wunder“:
„Ein Wunder vollzog sich gestern abend in der Philharmonie. Ein blondes, fülliges Bürschchen in weißem Wams und mit entblößten Knien stellt sich aufs Podium, streicht die Geige und versetzt ein kunstverwöhntes, keineswegs beifallsbereites, eher mißtrauisch gestimmtes Publikum in Entzücken. … Der Debutant spielte drei Konzerte: Bach, Beethoven, Brahms. Nur in den Einlagen [Kadenzen] von Enesco, Kreisler und Joachim konnten sich Virtuosen-Eitelkeiten tummeln. Das Ethos der
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
Aufgabe überwog, und hier eben (nicht durch die Bravour, mit der Technisches bemeistert wurde), erfüllt sich die Sensation. Dieser Knabe musiziert aus dem Unbewussten, gestaltet aus der Reinheit eines klangerfüllten Herzens …“ EDWIN NERUDA ÜBER YEHUDI MENUHINS BERLINER DEBÜT-KONZERT, „VOSSISCHE ZEITUNG“ VOM 13.4.1929
„YEHUDI MENUHIN, EIN ZWÖLFJÄHRIGES MUSIKGENIE“. KRITIK VON EDWIN NERUDA IN DER „VOSSISCHEN ZEITUNG“, 13.4.1929
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
KURZ NOTIERT
Ein besonders begeisterter Konzertbesucher, der ebenfalls ambitioniert die Geige streichende Physiker Albert Einstein, verstieg sich sogar zu der Behauptung: „Ich habe erkannt, dass die Zeit der Wunder noch nicht vorbei ist … Unser guter alter Jehova ist immer noch am Werk.“ So überlieferte es Menuhins Vater Moshe später in seinen Memoiren. In Menuhins Autobiographie „Unvollendete Reise“ ist Einsteins Entzücken in dem bescheideneren Satz zusammengefasst: „Jetzt weiß ich, dass es einen Gott im Himmel gibt.“ „Menuhin nannte dies später sein ‚Mayflower-Konzert‘ – in Anspielung auf das Schiff, mit dem im Jahre 1620 die ersten puritanischen Siedler nach Neuengland kamen, von denen später jeder zweite Amerikaner abzustammen behauptete –, denn in den folgenden fünfzig Jahren begegnete er Zigtausenden deutscher Konzertbesucher, die behaupteten, an jenem Tag in der Berliner Philharmonie zugegen gewesen zu sein, obwohl der Saal kaum mehr als 2000 Besucher fasste.“ Humphrey Burton, „Menuhin. Die Biographie“, 2000
Für Yehudi war das Reiseprogramm jedoch noch nicht abgearbeitet. Wenige Tage später, am 17.4.1929, spielte er die drei großen „B“ in gleicher Folge noch einmal in Dresden, diesmal dirigierte der dortige Operndirektor Fritz Busch selbst. Das begeistert applaudierende Publikum erzwang als Zugabe noch das vollständige Mendelssohn-Violinkonzert, das mit einer Spieldauer von immerhin ca. 25 Minuten zu Buche schlug ...!
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
ANKÜNDIGUNG DES KONZERTS IN DER DRESDNER SEMPEROPER AM 17.4.1929 MIT YEHUDI MENUHIN UND FRITZ BUSCH
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
YEHUDI MENUHIN Der Jahrhundert-Künstler Limitierte Deluxe-Edition 80 CDs in neuem Remastering 11 DVDs Konzert & Interview Buch von Bruno Monsaingeon
„Jetzt weiß ich, dass es einen Gott gibt!” Albert Einstein, 1929
yehudimenuhin.de
N Johann Sebastian Bach: Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo E-Dur BWV 1042 ENTSTEHUNG wahrscheinlich um 1720 · URAUFFÜHRUNG kann nicht mehr ermittelt werden BESETZUNG Solo-Violine, Streicher, Basso continuo · DAUER ca. 18 Minuten
Für wen Johann Sebastian Bach 200 Jahre zuvor seine Violinkonzerte komponiert hatte, lässt sich heute leider nicht mehr feststellen. Die Quellenüberlieferung der Konzerte setzt erst mit Bachs Leipziger Jahren ein, für das Violinkonzert E-Dur sogar erst nach seinem Tod. Sollten sie während Bachs Köthener Kapellmeisterjahre 1717-23 komponiert worden sein, dann käme vor allem Joseph Spieß, der Konzertmeister der dortigen Hofkapelle, als Uraufführungs-Solist in Frage. Da aber Bachs Violinspiel selbstverständlich professionellen Ansprüchen genügte (wiewohl er vor allem auf Tasteninstrumenten brillierte), könnten diese Konzerte durchaus auch für den Eigenbedarf entstanden sein. Mit der Übernahme der Leitung eines studentischen Collegium Musicum war aber für Bach ab 1729 in Leipzig ein neuer Anlass, mit Orchesterwerken an die musikalische Öffentlichkeit zu treten. So liegen die drei Konzerte für eine oder zwei Violinen sowohl in der Originalgestalt als auch in Bearbeitungen für ein bzw. zwei Cembali und Streichorchester vor, die Bach für den Gebrauch seines Collegium Musicum vorgenommen hatte. Der umfangreiche Kopfsatz (Allegro) des Konzerts E-Dur verbindet die Prinzipien von Konzertsatz und Da-Capo-Arie. Sind die Rahmenteile vor allem auf das von Solisten und Orchester gemeinsam vorgetragene Ritornell in der Grundtonart fixiert, tritt das Tutti im Mittelteil vollends zurück und überlässt dem Solisten das Feld zur Präsentation seiner
JOHANN SEBASTIAN BACH
Künste, die in entlegene Tonarten führt und nur durch eine kleine Kadenz zurück zur Ausgangstonart gelenkt werden kann. Der 2. Satz (Adagio) ist durch ein Ostinato der Bassinstrumente geprägt, über dem sich die Kantilene des Solisten erhebt. Das Finale ist als brillantes Rondo gestaltet und ermöglicht dem Solisten, von Abschnitt zu Abschnitt sich steigernd seine Virtuosität zu zeigen. CD-TIPPS Yehudi Menuhin, Violine / Orchestre symphonique de Paris unter Leitung von George Enescu / Aufnahme 1933 (Label: EMI); Yehudi Menuhin, Leitung und Violine / Bath Festival Orchestra / Aufnahme 1958 (Label: EMI); David Oistrach, Leitung und Violine / Wiener Symphoniker / Aufnahme 1961 (Label: Deutsche Grammophon); Sigiswald Kuijken, Leitung und Violine / La Petite Bande / Aufnahme 1981 (Label: Deutsche Harmonia mundi); Viktoria Mullova, Violine / Accademia Bizantina unter Leitung von Ottavio Dantone / Aufnahme 2012 (Label: Onyx)
Ludwig van Beethoven: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 ENTSTEHUNG 1806 · URAUFFÜHRUNG 23.12.1806 Wien · BESETZUNG Solo-Violine, Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher · DAUER ca. 45 Minuten
Im Jahre 1803 folgte Beethoven einem Angebot Emmanuel Schikaneders, an das von ihm geführte Theater an der Wien als Theaterkomponist zu kommen. So musste Beethoven auch zwangsläufig mit Franz Clement (1780-1842), dem jungen Konzertmeister des dortigen Theaterorchesters, zusammentreffen, und Clement erbat sich von dem nun schon berühmten Meister ein Violinkonzert, das der von ihm am 23.12.1806 im Theater veranstalteten „Akademie“ einen besonderen Glanz verleihen sollte. Wir wissen heute nicht mehr genau, wann Clements Auftrag an Beethoven erging
LUDWIG VAN BEETHOVEN
KURZ NOTIERT
und wann sich dieser zur Ausführung der Arbeit bequemte – es ist allerdings überliefert, dass das neue Konzert erst wenige Tage vor dem geplanten Uraufführungstermin fertig wurde, so dass an eine Arbeitsprobe mit dem Orchester gar nicht mehr zu denken war! Der versierte Geiger soll das Werk aber – trotz seiner zahlreichen und geigerisch durchaus ungewohnten Schwierigkeiten – tadellos wiedergegeben haben! Ungeachtet der fehlenden Probenmöglichkeit wurde die Novität vom Publikum durchaus beifällig aufgenommen, so dass der Rezensent der Wiener Theaterzeitung über die Aufführung am 23.12.1806 schreiben konnte: „Der vortreffliche Violinspieler Clement spielte unter anderen vorzüglichen Stücken auch ein Violinkonzert von Beethoven, das seiner Originalität und mannigfaltigen schönen Stellen wegen mit ausnehmendem Beifall aufgenommen wurde … Das Urteil von Kennern … gesteht demselben manche Schönheit zu, bekennt aber, daß der Zusammenhang oft ganz zerrissen scheine, und die unendlichen Wiederholungen einiger gemeinen Stellen leicht ermüden könnten.“
Der Uraufführungserfolg, den man nach der Durchsicht der zeitgenössischen Presse wohl konstatieren muss, ebnete Beethovens Violinkonzert vorerst jedoch keinen Weg ins Repertoire – zu anspruchsvoll und auch „undankbar“ (weil nicht vordergründig virtuos) war der Solopart gestaltet! Eigentlich erst Joseph Joachim, der das Werk bereits als Dreizehnjähriger spielte, verhalf Beethovens Violinkonzert zum Durchbruch und sicherte ihm einen Platz im Standardrepertoire. CD-TIPPS Yehudi Menuhin, Violine / Wiener Philharmoniker unter Leitung von Constantin Silvestri / Aufnahme 1960 / Label: EMI; Shlomo Mintz, Violine / Philharmonia Orchestra unter Leitung von Giuseppe Sinopoli / Aufnahme 1986 (Label: Deutsche Grammophon); Viktoria Mullova, Violine / Orchestre Révolutionnaire et Romantique unter Leitung von John Eliot Gardiner / Aufnahme 2002 (Label: Philips)
© Urban Uebelhart
IM PORTRÄT
Yehudi Menuhin Daniel Hope
100. GEBURTSTAG YEHUDI MENUHIN Gedenkkonzerte und Hommagen an Yehudi Menuhin von Daniel Hope, András Schiff und Paul Mc Creesh. Eine Rekonstruktion des Debutkonzertes von Yehudi Menuhin am 12. April 1929 in Berlin, in dem er die drei wichtigsten Violinkonzerte der Musikgeschichte (Bach, Beethoven, Brahms) unter der Leitung von Bruno Walter zur Aufführung brachte. Ein finales Geburtstagskonzert mit Didier Lockwood, Roby Lakatos, Gilles Apap u.v.m. Das Gstaad Menuhin Festival feiert diesen Sommer und wünscht:
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12.04.16 13:30
© Urban Uebelhart
Johannes Brahms: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77 ENTSTEHUNG 1878 · URAUFFÜHRUNG 1.1.1879 Leipzig, Gewandhaus (Solist: Joseph Joachim – Dirigent: Johannes Brahms) · BESETZUNG Solo-Violine, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher · DAUER ca. 40 Minuten
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Joseph Joachim, der Beethovens Violinkonzert zum Durchbruch verholfen hatte, war auch der Adressat für das Violinkonzert von Johannes Brahms. Auch hier waren die Umstände der Uraufführung durch äußersten Zeitdruck geprägt – der allerdings durch den Solisten selbst verschuldet war, denn Joachim wollte die Novität unbedingt am Neujahrstag 1879 im Leipziger Gewandhaus zur Aufführung bringen und drängte den Freund auf rechtzeitige Fertigstellung. Die Strafe folgte jedoch auf dem Fuße: Der Solist war noch nicht hundertprozentig mit den Tücken des Soloparts und den Schwierigkeiten des Zusammenspiels mit dem vom Komponisten selbst geleiteten Orchester vertraut (was den Kennern unter den Liebhabern nicht entging …), und das Werk erzielte zunächst nur einen Achtungserfolg.
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Für die Ausarbeitung des Soloparts hatte Brahms, der sich in Streichdingen nicht ganz sattelfest fühlte, die Violinstimme an Joachim geschickt, damit dieser sie auf ihre spieltechnische Ausführbarkeit durchsehen möge – wozu extra zwischen den Zeilen ein Notensystem für die Eintragungen des Freundes freigehalten wurde. Viele Hinweise und Bitten, den Solopart günstiger spielbar zu machen („Ändern! Leichter!“ etc.), ignorierte der eigensinnige Komponist jedoch geflissentlich …
Brahms‘ Violinkonzert hatte es schwer, sich in der Gunst der Geiger durchzusetzen, denn es entsprach kaum den Vorstellungen der Virtuosen nach einem Podium wirkungsvoller
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JOHANNES BRAHMS
Selbstdarstellung. Eher ist es ein „sinfonisches Konzert“ wie das von Beethoven, nur eben ganz anders. Berühmt wurde Pablo de Sarasates Weigerung, das Konzert in sein Repertoire aufzunehmen, da er nicht bereit sei, „mit der Geige in der Hand zuzuhören, wie die Oboe dem Publikum die einzige Melodie des ganzen Stückes [gemeint war der Beginn des zweiten Satzes] vorspielt.“ Inzwischen haben sich aber die diesbezüglichen Wogen geglättet: Nachdem Joseph Joachim das Konzert richtig eingeübt hatte, ging er damit auf eine sehr erfolgreiche EnglandTournee und wies somit nach, dass das Konzert durchaus spielbar und nicht „gegen die Geige komponiert“ (so zunächst Hans von Bülow) sei. Noch im Herbst 1879 erschien die Erstausgabe mit dem nun verbindlichen Notentext. Nun gehört das Konzert – wie die Meisterwerke von Bach und Mozart, Beethoven und Mendelssohn – in das Repertoire jedes Geigers, und die Zahl der Aufführungen und Aufnahmen ist inzwischen Legion … CD-TIPPS Yehudi Menuhin, Violine / Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Rudolf Kempe / Aufnahme 1957 (Label: EMI); Gidon Kremer, Violine / Wiener Philharmoniker unter Leitung von Leonard Bernstein / Aufnahme 1982 (Label: Deutsche Grammophon); Thomas Zehetmair, Violine / Cleveland Orchestra / Christoph von Dohnányi, Dirigent / Aufnahme 1989 (Label: Teldec)
IM PORTRÄT
die kunst zu hören
92,4
Im Porträt KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
1952 als Berliner Sinfonie-Orchester (BSO) gegründet, erfuhr es unter Chefdirigent Kurt Sanderling (1960-1977) seine entscheidende Profilierung und internationale Anerkennung. 1977 wurde Günter Herbig zum Chefdirigenten berufen, 1984 gefolgt von Claus Peter Flor. In diesem Jahr bekam das Orchester als eigene Spielstätte das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Unter Michael Schønwandt (1992–1998) wurde das BSO offiziell zum Hausorchester des Konzerthauses Berlin. Nach vier Spielzeiten unter Eliahu Inbal (2001-2005) begann 2006 die Amtszeit von Lothar Zagrosek. Im selben Jahr wurde aus dem Berliner Sinfonie-Orchester das Konzerthausorchester Berlin. Seit der Saison 2012/13 ist Iván Fischer Chefdirigent des Konzerthausorchesters. Ihm zur Seite steht Dmitrij Kitajenko als Erster Gastdirigent. Das Konzerthausorchester Berlin gehört mit seinen über 12.000 Abonnenten zu den Klangkörpern mit der größten Stammhörerschaft in Europa. Es ist nicht nur in über 100 Konzerten pro Saison im Konzerthaus Berlin zu erleben, sondern war auf Konzertreisen in die USA, nach Japan, Großbritannien, Österreich, Dänemark, Griechenland, Holland, Belgien, Italien, Türkei, China und Spanien eingeladen. Regelmäßig gastiert es bei nationalen und internationalen Musikfestivals. Ein besonderes Anliegen ist die Nachwuchsförderung. So wurde 2010 die Orchesterakademie am Konzerthaus Berlin gegründet, in der junge Musiker über den Zeitraum von mindestens einem Jahr eine praxisorientierte
IM PORTRÄT
Förderung durch die Orchestermusiker erhalten. Mit neuen Konzertformaten sowie außergewöhnlichen und spannenden Projekten begeistert Chefdirigent Iván Fischer das Publikum. Zu Überraschungskonzerten, einer neuen Orchesteraufstellung, spontanen Wunschkonzerten, öffentlichen Proben und szenischen Konzerten kam in der Saison 2014/15 die Konzertreihe „Mittendrin“ hinzu. Dabei rücken die Orchestermusiker ein wenig auseinander, sodass zwischen ihnen Platz für das Publikum entsteht, das auf diese Weise der Musik so nah wie nie ist. JAMES JUDD
James Judd ist Chefdirigent des New Zealand Symphony Orchestra und Erster Gastdirigent des Adelaide Symphony Orchestra. Seit seiner Ernennung zum Chef des NZSO hat er das Orchester zu internationalem Ansehen geführt, unter anderem durch Auftritte beim Asia International Performing Arts Festival in Osaka 2003, beim Kulturprogramm zu den Olympischen Spielen in Sydney 2000 und durch das im Fernsehen übertragene „Millennium Concert“ mit Kiri Te Kanawa. Judds CD-Einspielungen mit dem NZSO haben weltweite Beachtung gefunden, so eine Aufnahme mit Kompositionen von Leonard Bernstein (Editor’s Choice in der Zeitschrift Gramophone, Februar 2004) und eine Aufnahme der Sinfonien von Douglas Lilburn, die Platz 4 der Klassik CD-Charts des BBC Music Magazine erreichte.
IM PORTRÄT
Als Absolvent des Londoner Trinity College of Music trat James Judd zum ersten Mal als Assistenzdirigent des Cleveland Orchestra international in Erscheinung. Später wurde er von Claudio Abbado zum stellvertretenden Chefdirigenten des European Community Youth Orchestra ernannt. Er dirigierte die Berliner Philharmoniker, das Israel Philharmonic Orchestra und war zu Gast bei den Wiener Symphonikern, Gewandhausorchester Leipzig, Prager Symphoniker, Orchestre National de France, Orchestre de la Suisse Romande, Tonhalle Orchester Zürich, Mozarteum Orchester und vielen weiteren namhaften Orchestern. 14 Jahre lang war James Judd Chefdirigent des Florida Philharmonic Orchestra; in dieser Zeit entstand unter anderem eine vielbeachtete Aufnahme der 1. Sinfonie von Gustav Mahler, die mit verschiedenen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde. In Großbritannien ist James Judd ständiger Gast von Orchestern wie dem London Symphony, dem Royal Philharmonic und dem Hallé Orchestra. Außerdem tritt er regelmäßig mit dem English Chamber Orchestra auf und ist Mitbegründer des Chamber Orchestra of Europe. An der English National Opera leitete er Produktionen wie „Il Trovatore“, „La Traviata“, „Rigoletto“ und „Le Nozze di Figaro“ sowie Rossinis „La Cenerentola“ beim Opernfestival von Glyndebourne. In Nordamerika ist er häufig zu Gast bei verschiedenen großen Orchestern in Cincinnati, Pittsburgh, Indianapolis, Utah, Vancouver bis Ottawa. Im Herbst 2017 wird James Judd neuer Musikdirektor und Chefdirigent der Slowakischen Philharmonie. Der gebürtige Brite lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in den USA.
IM PORTRÄT
YESONG SOPHIE LEE
Die zwölfjährige Yesong Sophie Lee (USA) ist Gewinnerin des diesjährigen Menuhin Violin Competition Junior. Sie besucht die Cedarwood Elementary School in Seattle. Im Alter von vier Jahren erhielt sie ihren ersten Violinunterricht bei Jan Coleman und studiert derzeit bei Simon James und dem Pianisten Hiro David im Coleman Violin Studio. Sophie hat bereits zahlreiche Wettbewerbe gewonnen, darunter den MTNA National Junior Strings Performance Competition 2015 und den Seattle Young Artists Music Festival Concerto Competition 2015. Bereits 2014 war Sophie mit zehn Jahren jüngste Finalistin im Menuhin International Violin Competition. Vor kurzem war sie als Siegerin des Rising Star Competition Solistin beim Cascade Symphony Orchestra. Sophie gab ihr Solo-Debüt im Alter von acht Jahren beim Seattle Symphony Orchestra. Als begeisterte Orchester- und Kammermusikerin war sie Konzertmeisterin des Seattle Youth Symphony Orchestra, spielte beim Symphonette Orchestra und nahm für zwei Jahre am Mini-Mania String Quartet Camp teil. Zu ihren weiteren Interessen zählen Lesen, Zeichnen, Fahrradfahren und Spielen mit ihrem Bruder Ben.
IM PORTRÄT
DANIEL LOZAKOVITJ
2001 in Stockholm geboren, begann Daniel mit sechs Jahren, Violine zu spielen. Sein Konzertdebüt gab er 2010 mit dem Moskauer Virtuosi Kammerorchester unter der Leitung von Vladimir Spivakov. Als Solist spielte er in ganz Europa mit namhaften Orchestern wie dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, dem Tschaikowsky Symphony Orchestra, der Moskauer Philharmonie, Stockholm Royal Court, Brüssler Kammerorchester und der Stockholm Sinfonietta. Mit Daniel Hope gemeinsam führte er die Bartók-Duette als Teil des ARTE Konzert TV-Programms auf. Sechs dieser Duette zeichneten beide im Herbst 2015 für die Deutsche Grammophon auf. Im April 2015 begleitete Daniel Lozakovitj eine Kreuzfahrt mit Musikern des Verbier Festivals, zu dem er auch im Juli 2015 für ein Kammermusikkonzert mit Martin Fröst und Julien Quentin zurückkehrte. Ebenso ist er Gast bei Festivals wie dem Progetto Martha Argerich in Lugano, dem Carinthischen Sommer Festival in Österreich, dem Musica Mundi in Belgien oder auch Moscow meets Friends, Copenhagen Summer Festival, dem Yuri Bashmet International Festival in Minsk und dem Sommets musicaux de Gstaad. Aktuelle Höhepunkte sind Aufführungen im Wiener Konzerthaus mit dem Wiener KammerOrchester unter der Leitung von Stefan Vladar sowie Debüts mit dem Wermland Opera Orchestra, dem Orchestre National de Lyon mit Leonard Slatkin und dem Mariinsky Theatre Orchestra unter
IM PORTRÄT
Valery Gergiev sowie Konzerte mit Shlomo Mintz und der Cameristi della Scala. Mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra spielte er das Geburtstagskonzert für die schwedische Kronprinzessin, welches auch im Fernsehen übertragen wurde. Ebenso gab es TV-Übertragungen seiner Konzerte in Österreich, Schweden, Israel, Russland, Dänemark, Lettland und Moldawien. In der aktuellen und kommenden Saison stehen für Daniel Lozakovitj Konzerte mit dem Orchestre de la Suisse Romande, dem Royal Liverpool Philharmonic, Norrköping Symphony, dem National Philharmonic of Russia, den Münchner Philharmonikern und dem Swedish Radio Symphony Orchestra auf dem Programm. Er folgt außerdem einer Einladung von Zubin Mehta zum Israel Philharmonic Orchestra. STEPHEN WAARTS
Der dänisch-amerikanische Geiger Stephen Waarts, geboren 1996, hat sich in den vergangenen Jahren als besondere Begabung unter den jungen Geigern einen Namen gemacht. Er studiert am Curtis Institute in Philadelphia bei Aaron Rosand und wurde gerade mit dem Frank S. Baley Annual Fellowship ausgezeichnet. Zuvor hat er mit Itzhak Perlman am San Francisco Conservatory gearbeitet. Er kann auf zahlreiche Wettbewerbserfolge und Konzertverpflichtungen in Nordamerika und Europa zurückblicken. Mit dem 5. Platz und dem Publikumspreis dank der meisten
IM PORTRÄT
Stimmen aller Fernsehzuschauer beim Queen Elisabeth Wettbewerb in Brüssel 2015 hat er international auf sich aufmerksam gemacht. Bereits zuvor wurde er mit Ersten Preisen beim Menuhin Wettbewerb 2014 und beim internationalen Wettbewerb Montreal 2013 ausgezeichnet. Zusätzlich gewann er 2013 die Young Concert Artists Auditions in New York mit erst 17 Jahren. Im Rahmen des Internationalen Kammermusikfestivals „Krzyzowa Music“ im Sommer 2015 in Polen wählte die Mozart Gesellschaft Dortmund Stephen Waarts als neuen Stipendiaten im Fach Violine aus. Stephen Waarts hat bereits über 30 Standardwerke einstudiert und darüber hinaus auch zahlreiche selten aufgeführte Werke zur Aufführung gebracht. Solistische Auftritte hatte er mit dem Sinfonieorchester Montréal, der Philharmonie Brüssel, dem San Francisco Chamber Orchestra und dem Orquesta Sinfónica de Navarra. In der Saison 2015/16 gab er bereits Recitals in New York (Merkin Concert Hall), Washington DC (Kennedy Center) und Paris (Louvre). Außerdem stehen Konzerte mit dem Edmonton Symphony Orchestra, Recitals im Gardner Museum in Boston, in New York (Morgan Library und Museum) sowie die erneute Teilnahme am polnischen Festival „Krzyzowa Music“ an. Im Herbst 2016 wird er am Kronberg Academy Festival teilnehmen.
DIE BLUMEN WURDEN ÜBERREICHT VON ZUKUNFT KONZERTHAUS E. V.
IMPRESSUM HERAUSGEBER Konzerthaus Berlin, Intendant Prof. Dr. Sebastian Nordmann · TEXT Dr. Dietmar Hiller · REDAKTION Tanja-Maria Martens · KONZEPTION / GESTALTUNG Meta Design AG · ABBILDUNGEN Foyle Menuhin Archiv / Royal Academy of Music, London (2), Bundesarchiv (1), Harald Hoffmann (J. Judd), Menuhin Competition Trust (Y. S. Lee), A. Wang (D. Lozakovitj), HarrisonParrott (St. Waarts), Archiv Konzerthaus Berlin · SATZ UND REINZEICHNUNG www.graphiccenter.de · HERSTELLUNG Reiher Grafikdesign & Druck · Gedruckt auf Recyclingpapier · PREIS 2,50 ¤