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Prävention von Depression und Burnout Prof. Dr.med. Dr. h.c. Manfred Wolfersdorf und Walter Rätzel-Kürzdörfer, M. Sc. Vortrag im Rahmen „Gesundheitsregion Bayreuth“ am 27.05.2015
Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Referent Prof. Dr. med. Dr. h. c. Manfred Wolfersdorf Facharzt für Psychiatrie – Psychotherapie –, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Ethikberater im Gesundheitswesen Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Leiter Depressionszentrum Bayreuth Ärztlicher Direktor Bezirkskrankenhaus Bayreuth Sprecher AK Depressionsstationen Deutschland/Schweiz
Rätzel-Kürzdörfer Walter, M. Sc. Gesundheitswissenschaftler, Leiter Abteilung Ergotherapie BKH Bayreuth/BK Hochstadt
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Gliederung
• Bedeutung von Depressionen: Häufigkeit, gesundheitspolitisch • Erkennen von Depression und Verstehen depressiv kranker Menschen: Symptome und Psychodynamik • Burnout: was ist das? • Prävention: Früherkennung (frühe Sekundärprävention), Tertiärprävention
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Prävention Wenn wir von Prävention sprechen, meinen wir üblicherweise 1.Die Primärprävention, d.h. Verhütung der Voraussetzungungen zur Entstehung einer Erkrankung,
2.die Sekundärprävention, d.h. Früherkennung und rasche (Früh-) Behandlung einer Erkrankung,
3.die Tertiärprävention, d.h. die Verhütung von Wiedererkrankung. Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Voraussetzung Dazu müssen wir wissen, welche Bedingungen sind Voraussetzung, daß eine Disposition zu einer Erkrankung entsteht (Genetik, Erziehung, Peergroup, Kultur), welche Faktoren eine Erkrankung wahrscheinlich machen bzw. auslösen und wie der weitere Verlauf einer Erkrankung und die Wiedererkrankung geschehen. Das soll an „Depression/Burnout“ gezeigt werden mit Blick auf die Arbeitssituation. Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Gedicht einer depressiven Frau : das subjektive Erleben (von 1976!) In der Depression lebe ich ohne Sinn und Bewusstsein. Ich sehe, ohne wahrzunehmen. Ich fühle ohne Empfindung und Gefühl. Ich schmecke ohne Genuss. Ich rieche ohne Empfindung. Ich denke ohne Geist und Sinn und Phantasie und Kombinationsfähigkeit. Ich lache ohne Freude. Ich weine ohne Schmerzensstachel. Ich bewege mich ohne motorische Harmonie und Ausdrucksvermögen. Ich kenne weder Hoffnung noch Maß noch Ziel. Schlaf und Tod sind mir das Erstrebenswerteste. Ich freue mich nicht, ich begeistere mich nicht, ich liebe nicht, ich trauere nicht. Ich male nicht, ich spreche nicht, ich dichte nicht, ich singe nicht, ich tanze nicht, und wenn ich es dennoch tue, dann ohne Ausdruck und Phantasie und ohne dabei zu sein, ohne Leben. BEZIRKSKRANKENHAUS BAYREuTH
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Was verstehen wir unter einer „Depression“? Depression ist eine krankhafte Störung/Krankheit der Affektivität eines Menschen, des Gemüts (Stimmung und Gefühle) •
mit einer beobachtbaren, beschreibbaren Symptomatik (Psychopathologie)
•
mit innerseelischen und/oder äußeren prädepressiven Ereignissen und Belastungen (Lebensereignisse, seelische Belastungen), überwiegend mit Verlust-, Überforderungs-, Kränkungscharakter (Psychodynamik)
•
mit einer sog. depressiven Persönlichkeitsstruktur (melancholischer Typus, depressive Persönlichkeitszüge) (Psychodynamik, Biographie)
•
mit beschreibbaren depressiven Verhaltensweisen des Appells, des Rückzugs, der Dysphorie und des Negativismus (Verhalten)
•
mit depressiven Einstellungen von Hoffnungs- und Hilflosigkeit, IchInsuffizienz, Selbstentwertung und Schuldzuweisung an sich selbst (Attributationen: Bewertungsstile)
•BEZIRKSKRANKENHAUS mit bestimmten Verlaufscharakteristika (z.B. einmalig, anhaltend) BAYREUTH
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Tabelle : Warum ist „die Depression“ so bedeutsam geworden? •
nach Datenlage häufigste psychische Erkrankung; am wenigsten stigmatisiert (man redet darüber)
•
psychische Erkrankung mit höchster Suizidmortalität (bis 60% aller Suizide während einer Depression)
•
Hauptgruppe von Patienten bei niedergelassenen Psychologischen und Ärztlichen Psychotherapeuten, Hauptgruppe in Psychosomatischen Reha-Kliniken (bis zu 50%)
•
hohe Kosten (direkte, indirekte und intangible Kosten); hoher und zunehmender Diagnose-Anteil bei Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit, vorzeitiger Berentung (sog. Burnout)
•
Anhaltende („chronische“) Erkrankung möglich (15-20%)
•
Vorzeitige Berufs- und Erwerbsunfähigkeit möglich (15-20%)
•
Therapeutisch-pflegerischer Fortschritt in der Depressionsbehandlung wahrscheinlich am größten: Psychotherapie, neuere Antidepressiva, Selbsthilfe/Angehörige (Remission ca 60%)
•
Trotzdem: Erkennens- und Behandlungsrate zu gering! Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Tabelle: EU-Report 2010 (Wittchen et al. 2011) • Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse (Auswahl) Gibt es eine Zunahme („prevalence estimate“) psychischer Erkrankungen • • •
Diagnosen DSM-IV
• • • • • • • •
Alkoholabhängigkeit Psychose-Erkrankungen Major Depression Bipolare Erkrankungen Panikstörung Agoraphobie Somatoforme Störung Anorexia nervosa
•
Summe
•
Jedes Jahr leiden 38,2 % der EU-Population mindestens an einer von 27 psychischen Erkrankungen (164,8 Mill. Personen) Die Schätzung 2005 lag bei 27,4 % (bezogen auf 13 Diagnosen und Alter 18-65), die Schätzung 2011 mit 38,2 % umfasst 27 Diagnosen und alle Altersgruppen 14+,
•
Prävalenzraten (12 Monate) 2005 % 2011 % 2,4 0,8 6,9 0,9 1,8 1,3 6,3 0,4 27,4 %
3,4 1,2 6,9 0,9 1,8 2,0 4,9 0,2 - 0,5 38,2 %
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Anzahl Betroffene Millionen 2005 2011 7,2 3,7 18,4 2,4 5,3 4,0 18,9 1,2 (1,0 - 1,7)
14,6 5.0 30,3 3.0 7,9 8,8 20,4 0,8
82,7
164,8
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Tabelle:
Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1; Kurth 2012)
(1)
Gesundheitsuntersuchungssurvey (Robert-Koch-Institut): Nov. 2008 – Dez. 2011; Gesamtstichprobe 8152 Erwachsene (18 – über 79Jährige) (4283 Frauen, 3869 Männer), repräsentativ für Deutschland, neue Stichprobe (n = 4193) plus BGS98-Stichprobe „Stress, Schlafstörungen, Depression und Burn-out“ (Hapke U, MaskeU, Busch M, Schlack R, Scheidt-Nave 2012): (Fragebogen plus Interview: PHQ9, CAPI)
Ergebnisse (aktuell für Deutschland, repräsentative Stichprobe) •
aktuell Depression
8,1 %
(Frauen 10,2 %, Männer 6,1 %)
(18 – 29 J: 9,9 %, ≥ 65 J 6,3 %)
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Tabelle: Studie der Bundespsychotherapeuten-Kammer (BPtK) zur Arbeitsunfähigkeit – psychische Erkrankungen und Burnout (2012)
starke Zunahme der Burnout-Krankschreibungen (ICD-10: Z73) bei AOK, DAK, TK und BKK:
2004: 0,67 AU-Tage wegen Z73 pro 100 Versichertenjahre
2011: 9,1 AU-Tage wegen Z73
die häufigsten Gründe für Krankschreibungen 2011 wegen psychischer Erkrankung auf 100 Versicherte
Depression 73 AU-Tage
Anpassungsstörungen 39 AU-Tage
Burnout 9,1 AU-Tage
insgesamt wegen psychischer Erkrankung 13% aller AU-Tage
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11 Depres sion
Tabelle
: Umgang mit Depressionen [Quelle: N24; Statista 2013]
Deutschland; 1000 Befragte; TNS Emnid
Werden Depressionen als psychische Krankheit Ihrer Meinung nach von der Umgebung zu häufig nicht ernst genommen?
•
Ja
•
Nein
89 % 7%
[http://de.statist.com/statistik/daten/studie/71335/umfrage/umgang-mit-depressionen; abgelesen 28.04.2013]
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Tabelle :
Patientenzitat zur Depression [Schaller E 2010]
-
ich fühle mich, „wie ein welkes Blatt“ entwurzelt verloren ausgebrannt ausgelaugt meine Akkus sind leer ich kann einfach nicht mehr jeder Schritt, jede Tätigkeit kosten unendlich viel Kraft ich fühle mich leer ich kann nichts mehr spüren ich kann mich über nichts mehr freuen als sei ich ohne schützende Haut nachts gehen mir dann 1000 Gedanken durch den Kopf und dann brenne ich so, von innen heraus ich merke mir nichts mehr wenn die Sonne scheint, ist es am schlimmsten
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TABELLE
:
Kriterien für die Diagnose einer „depressiven Episode“ nach ICD-10 (1) –
Hauptsymptome (2 – 3 gefordert, Dauer je 2 Wochen) • gedrückte Stimmung • Interessenverlust, Freudlosigkeit • Antriebsminderung Andere Symptome (2 – 4 Symptome gefordert) • verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit • vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen • Schuldgefühle, Gefühle von Wertlosigkeit • negative und pessimistische Zukunftsperspektive • Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung und Suizidhandlung • Schlafstörungen • verminderter Appetit
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TABELLE
:
Depressive Episode nach ICD-10 (2)
Somatisches Syndrom •Interessenverlust, Anhedonie •mangelnde Reaktivität auf freundliche Umgebung oder freudige Ereignisse •frühmorgendliches Erwachen (> 2 Std. vor üblicher Zeit) •Morgentief von Stimmung und Antrieb •beobachtbare psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit •deutlicher Appetitverlust •Gewichtsverlust (> 5% des Körpergewichts) im letzten Monat •deutlicher Libidoverlust leichte / mittelgradige /schwere depressive Episode, leicht / mittelgradig / mit/ohne somatisches Syndrom / schwer mit/ohne psychotische Symptome
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Verstehen depressiven Krankseins: der depressiv kranke Mensch und seine Biographie
•
Was findet man häufig im Vorfeld einer akuten Depression an Belastungen ? Lebensereignisse
•
Was kennzeichnet depressiv Kranke in ihrer Persönlichkeit? Der zur Depressivität eher neigende Mensch
•
Psychodynamik (die seelischen Abläufe) depressiven Krankseins aus tiefenpsychologischer bzw lerntheoretischer Sicht
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“Auslöser“ einer Depression im Vorfeld •
negative Lebensereignisse, chronische Belastungen,
•
Anpassungs- und Veränderungszwang biologischer und psychologischer Art,
•
Lebensereignisse meist vom Typ Verlust, z. B. Beziehung, Lebenskonzept, Gesundheit u. ä.
•
Kränkung, vor allem chronischer Art
•
Überforderungssituation, anhaltend
•
Verlust von Autonomie bzw. Angst davor
•
Verlust von sozialer Wertschätzung (z.B. Alter, arbeitslos, krank, gesellschaftliche Gruppe)
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Tabelle : Krisenanlässe im mittleren Lebensalter als Auslöser depressiver Erkrankungen – Auswahl
•
berufliches Scheitern, Verlust des Lebenskonzeptes (falsche Berufswahl; Verlust der Arbeitsstelle, selbst- oder fremdverantwortlich; extreme Mobilität; Hierarchie-/Strukturveränderung in der Firma, usw.; meist Männer, aber auch Frauen), Burnout-Syndrom
•
Familie und Kinder (Mehrfachbelastungen; Wochenbettdepression; Beziehungsproblematik, usw.) („cost of caring“) bis zu „Kinder verlassen das Haus“ („empty-nest-Syndrom“ Mütter)
•
Beendigung von Beziehung / Neudefinition von Beziehung oft nötig (Männer/Frauen)
•
Vorbereitung/Konfrontation mit Beendigung des Erwerbslebens (Berentung, Arbeitsunfähigkeit)
•
Körperliche und andere psychische Erkrankungen
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Burned out ? ZfP Südwürttemberg: Ausgabe 03; Mai 2012
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19 Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
Burnout19 Syndrom RC 2014
Christina Maslach 1982 Prologue by Philip G. Zimbardo Prentice Hall Press New York
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Tabelle : Akute Depression im mittleren Lebensalter * häufige Diagnosen im somatischen Bereich mit Depression : Wann können depressive Syndrome auftreten? •
andere psychische Erkrankung – •
•
•
Komorbidität z. B. bei Angst-, Zwangs- Somatoformen Störungen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Schlafstörungen, Demenz, Psychosen, Sucht, usw.
primär körperliche Erkrankungen reaktiv bzw. somatisch bedingt – •
Zustand nach Herzinfarkt, nach Schlaganfall („Post-stroke-depression“),
•
Hypothyreose, aber auch Hyperthyreose
•
alle Krebserkrankungen, insbes. Pankreas-Ca
•
und andere
primär hormonelle Veränderungen – •
Klimakterium bei Frauen
•
Hypogonadismus bei Männern
•
bei/nach Hormonsubstitution
•
Cortison-Depression (nach Absetzen) Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Häufigkeit depressiver Störungen bei Patienten mit körperlichen Erkrankungen (nach Arolt 2003) Erkrankung
Depressionshäufigkeit (%)
Herzinfarkt
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Zerebraler Insult
30 – 50
Krebserkrankungen
30 – 50
Morbus Parkinson
20 – 30
HIV
20 – 30
Multiple Sklerose
30 – 50
Demenz
40
Chronisches Nierenversagen
20 – 30
[Arolt V. Depression bei körperlichen Erkrankungen. Neurotransmitter 2003; 14 (2): 68 – 70] BEZIRKSKRANKENHAUS BAYREUTH
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Figure :
Ätiopathogenetische Hypothese der Depression (Claes & Nemeroff 2005) Genetic vulnerability and early life stress, major depression and other stress related disorders : Was wissen wir über Ursachen und Entstehung von Depressionen?
Genetic vulnerability
Early adverse experience Frühere Erlebnisse daraus entsteht
Persönlichkeit
Acute and chronic stressors
Akute Situation Life event Forschung: akute und chronische Belastung
Vulnerable phenotype
Neurobiologie
chronic CRH hyperdrive anhaltende Stressreaktion
Serotonin Noradrenaline Immunity
* Increased sensitivity to stress * CRF hyperdrive in response to stress * abnormal development of hippocampus Major depressiv disorder
Vorgabe: biologische Vulnerabilität
Klinisches Bild
Claes St J, Nemeroff CB (2005). CorticotropinCorticotropin-Releasing Factor (CRF) and Major Depression: Towards an Integration Integration of Corveleyn n J, Luyten P, Blatt SJ (eds). The Theory and Treatment of Psychology and Neurobiology in Depression Research. In: Corveley Depression. Leuven University Press, Leuven, pp 227 – 252) Depression Psychotheapie Riga 2011 Prof. Dr. med. D. h. c. Manfred Wolfersdorf
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Modell der Ätiopathogenese depressiven Krankseins (Wolfersdorf)
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Depression - Bündnis gegen Depression Vortrag bei PD Dr Matthias Nitzsche Prof. Dr.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Depression - Bündnis gegen Depression Vortrag bei PD Dr Matthias Nitzsche Prof. Dr.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Modell nach U. Hegerl 2005 bei „Gesundheitsziele.de:AG 9:Depression (Vortrag Berlin Nov 2005): Die „2“ Seiten unseres Depressionsverständnisses heute
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Was bedeutet unser Wissen um die psychologischen und biologischen Voraussetzungen für die Entstehung einer „Disposition zur Depression“? • Familiäre Belastung (Genetik, Tradition?) • Erziehungstile, die zu Selbstwertgefühl, Leistungsfähigkeit aber nicht Perfektionismus (150%), sozialer Verantwortung d.h. Beziehungsfähigkeit ohne Abhängigkeit, Aggressionshemmung aber Durchsetzen von Wünschen, auch Neinsagenkönnen, sind erwünscht • Fähigkeit zur Nähe und auch Aushalten von Kritik ohne Selbstentwertung Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Depression Früherkennung
• Depression Früherkennung: Wann muss an die Möglichkeit, dass eine Depression entstehen kann, gedacht werden? • Grundsätzlich bei allen Verlust-, Trauer-, Belastungs-, Kränkungs- und Anpassungssituationen • Bei allen langfristigen emotional belastenden, kränkenden, überfordernden Arbeits-, Beziehungs- und Lebenssituationen • bei chronischen körperlichen Erkrankungen, insbesondere wenn Lebensqualität, Selbstbild und Lebenskonzept beeinträchtigt • in allen Situationen von Hilf- und Hoffnungslosigkeit • an Schnittstellen biologischer und/oder psychologischer Lebensveränderungen • beim Vorliegen von Symptomen, die auch zu einem depressiven Syndrom gehören BEZIRKSKRANKENHAUS BAYREUTH
Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Ein klärendes Wort zum Thema : Burnout als besondere Belastungssituation im Arbeitsfeld „Burn-out und Depression“
„Burn-out“ (Z73) ist keine eigenständige Krankheit, aber einer medizinisch relevante Gesundheitsstörung, hat viele Gesichter und steht am Ende einer Entwicklung meist über Jahre, mündet meist in eine depressive Erkrankung. Beim klassischen Burnout-Syndrom liegt ein wesentlicher Belastungsfaktor extern in der Arbeitswelt, die angeschuldigt wird. Kippt dies in die Selbstanklage, die Selbstentwertung der eigenen Person, mündet dies in eine (Erschöpfungs-) Depression
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29 Depres sion
Konzept : das Burnout-Dreieck (Wolfersdorf 2011 unveröffentlicht)
BURN - OUT- Dreieck Persönlichkeit : Einstellungen
Arbeitsstressoren: Objektiv/subjektiv erlebt BEZIRKSKRANKENHAUS BAYREUTH
Arbeitgeber : Fehlende Unterstützung
Depression 2015 30 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf 31
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Sozialpsychologische Konzepte
[Maslach Ch., Leiter MP. Die Wahrheit über Burnout. Springer, Wien 2001]
„Burn-out“ ist Folge des emotional belastenden zwischenmenschlichen Kontaktes am Arbeitsplatz (nach Christina Maslach, 1982, deutsch 2001) Gekennzeichnet durch: 1. Emotionale Erschöpfung, 2. gefühllose, gleichgültige oder zynische Einstellung gegenüber Klienten/Patienten, Kunden, Kollegen und 3. negative Einschätzung der eigenen Leistungskompetenz = sozialpsychologischer Ansatz
Depression 2015 32 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
Was unterscheidet „Depression“ von „Burnout“? Die wichtigsten Unterschiede Psychopathologisch ist beim Burnout-Syndrom bedeutsam die Vielfältigkeit der Symptomatik aus vielen somatischen Bereichen, die mit dem Empfinden, krank zu sein, ich bin „fertig“ einhergeht. Man findet auch oft ein „buntes Bild von körperlichen Erkrankungen im Vorfeld“ (Erschöpfungsdepression, psychosomatischer Auftakt) Und nicht mit depressiver Selbstentwertung, nicht mit Versagensideen und vor allem nicht mit Selbstanklage wie bei der Depression – ich bin selber schuld, dass man mich nicht befördert, wahrnimmt, respektiert u. ä. ! Psychodynamisch: Die Ursachenzuweisung – wer ist „schuld“ – ist beim Burnoutsyndrom externalisiert: der Arbeitgeber, die vielen fordernden Patienten, die chronische Überforderung, die fehlende Anerkennung, usw. Depression 2015 33 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
Was unterscheidet Burnout von Depression? Der „Burnout-Patient“ sagt, das schaffe ich, das will ich schaffen (Ichideal eher narzisstisch selbstüberschätzend) und legt noch einmal zu, bevor er „umkippt“ bzw. depressiv wird, eine „Aufwärtsspirale“. Der Depressive sagt von vorne herein, das schaffe ich sowieso nicht, ist also selbstabwertend-negativistisch. Wenn die „Aufwärtsspirale“ des „Noch-BurnoutPatienten“ erschöpft ist, kippt er in die depressive Abwärtsspirale/ Position der Selbstentwertung, es (wieder) nicht geschafft zu haben. Das nennt man die „psychische Phase“ der „Erschöpfungsdepression“. Depression 2015 34 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
Tabelle : Phasen in der Entwicklung von Burnout (Wolfersdorf 2011 unveröffentlicht)
• Enthusiasmus • Stagnation • Frustration • Apathie • Burnout - live event als Bestätigung eigenen Versagens • dann „Depression“ Burn-out - Syndrom Würzburg 35 2013 M. Wolfersdorf
Depres 35 sion
Prävention : Was können Arbeitgeber tun? BOS/Erschöpfungsdepression als arbeitspsychologisches Problem! Ist Prophylaxe überhaupt möglich? Bei anfangs sozial und vom Arbeitgeber erwünschtes Verhalten!? Was könnte man präventiv tun? •
Arbeitsabläufe und –anforderungen so strukturieren, dass in angemessener Zeit leistbar
•
Aufgabenvielfalt und Freiräume in Arbeit
•
Förderung von Kommunikation und Teamarbeit
•
ärztliche Betreuung
•
Fürsorge für überengagierte MitarbeiterInnen
•
ausreichende personelle Besetzungen
•
Frühe Sekundärprävention : Frühzeitiges Erkennen von Depressionen, 36 BEZIRKSKRANKENHAUS sozialem Rückzug, Suchtmittelmissbrauch, adäquate Behandlung BAYREUTH
Depres sion
Abb. Klinische Akutbehandlung der Depression
Psychotherapie
Biologische Therapien
Soziotherapie
Selbsthilfe
Einzelgespräche, Einzelpsychotherapie
Antidepressiva, Neuroleptika u.a.
Sozialarbeit
Selbsthilfegruppen für Depressive
Gruppenpsychotherapie, Gruppenarbeit
Wachtherapie/ Schlafentzug
Ergotherapie
Psychoedukation für Angehörige
Selbstsicherheitstraining, Soziales Kompetenztraining
Psychiatrische Sport- und Bewegungstherapie, Gymnastik
Belastungserprobungen
Selbsthilfe für Angehörige
Aktivitätsgruppen
Lichttherapie
Rehabilitative Behandlungsmaßnahmen
Entspannungsverfahren
Elektrokrampftherapie
Leistungserprobung und Diagnostik
Gestaltungs-/ Kunsttherapie
Gestufte Wiedereingliederung
Psychoedukation für Patienten/Angehörige
Begleitung von „place und train“
Musiktherapie
ambulante psychiatrische Pflege
Basis: empathisch-fürsorgliche therapeutisch-pflegerische Beziehung, Aktivierung und Strukturierung Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Therapeutische Zielpunkte Symptombesserung, aber nicht nur „Response“ (= 50 % Symptomreduktion), sondern „Remission“ (= Symptomfreiheit) Arbeitsfähigkeit (in Erwerbstätigkeit, Haushalt, Ausbildung) entsprechend prädepressivem Niveau Belastbarkeit d. h. kein Rückfall bei hoher Anforderung bzw. 1 und mehr Lebensereignissen Krisenbewältigung ohne Suizidalität Kein sozialer Rückzug bzw. Rückkehr in soziale Bezüge Compliance d. h. Patient bleibt in Therapie und hat ein Therapiekonzept
Entwicklung einer Langzeitperspektive (Lebenskonzept, Arbeit, Beziehungen) BEZIRKSKRANKENHAUS BAYREUTH
Depression 2015 Prof.
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Fragen ; Wie geht`s weiter nach der akuten Depression? Tertiärprävention • Was bleibt im Langzeitverlauf als episodenüberdauernde Symptomatik? • Wie ist der weitere Verlauf nach der akuten depressiven Episode • Wie soll Langzeitbegleitung idealiter aussehen? Tertiärprävention ist Wiedererkrankungsprophylaxe!!! Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Langzeitbegleitung ambulant • Regelmäßige Gesprächstermine, hochbis später niederfrequent • Gut eingestellte und verträgliche AntidepressivaMedikation/Phasenprophylaxe unter Berücksichtigung der Straßenverkehrstüchtigkeit, des Ausmaßes an Sedierung, der sexuellen Aktivität, der Wechselwirkungsproblematik, der oft befürchteten Persönlichkeitsveränderung, des Erhalts der Arbeitsfähigkeit, der Lebensqualität Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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Tertiärprävention : Langzeittherapie bei Depression * Klinische Aspekte (nach Akut- und Erhaltungstherapie 1-3 Jahre)
• Langzeittherapie: Psychopharmaka (AD, Rezidiv- und Verschlechterungsprophylaxe) • Langzeitbegleitung: Psychotherapie, Psychoedukation (Angehörige, Patient) • Erwerbs-/Arbeitsfähigkeit: Beurteilung von Belastbarkeit, Dienstfähigkeit, gestufte Wiedereingliederung, ev. Dienstunfähigkeit und Berentung • Rehabilitation i. e. Sinne (RPK u. ä.) bei chronischer Depression mit deutlicher „Minus“-Symptomatik (weiter bestehende Reduktion von Antrieb und Leistungsfähigkeit) • Situation der Angehörigen, Familien einbeziehen • Selbsthilfe-Konzepte, Selbsthilfegruppen BEZIRKSKRANKENHAUS BAYREUTH
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Evangelisches BILDUNGSWERK Bayreuth/Bad Berneck/Pegnitz e.V.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und alles Gute! Depression 2015 Prof. Dr.med.Dr.h.c. Manfred Wolfersdorf
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