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Rechtsextremismus Im Internet - Adolf-bender

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www.adolfbender.de Rechtsextremismus im Internet Eine Broschüre für Lehrer(innen), weitere pädagogische Fachkräfte, Interessierte Inhaltsverzeichnis Über die Broschüre 3 Rechtsextremismus heute 4 Rechte Seiten im Internet 7 Soziale Netzwerke und Web 2.0 10 Rechte Musik im Internet 14 Gegenmaßnahmen 16 Literatur, Quellen, Links 19 Gefördert durch: 2 Über die Broschüre Die Broschüre ist eine Ergänzung des Katalogs zur Ausstellung „Hass ist ihre Attitüde - Rechtsextremismus in Deutschland“ und wurde gefördert durch das saarländische Ministerium für Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie. Sie bietet eine Vertiefung zum Thema „Rechtsextremismus im Internet“ und richtet sich hauptsächlich an Lehrer(innen) und weitere pädagogische Fachkräfte im Jugendbereich. Die Broschüre kann kostenfrei beim Adolf-Bender-Zentrum bestellt werden, sie ist auch als PDF-Version zum Download erhältlich. Sie ist in drei Bereiche unterteilt: Im Anfangsteil wird dargestellt, was den Rechtsextremismus für Jugendliche so anziehend machen kann. Auf unterschiedliche Weise versuchen rechte Aktivisten, in Jugendkulturen Ein uss zu gewinnen. Hier spielt das Internet eine maßgebliche Rolle. Der Rechtsextremismus in seiner heutigen Erscheinungsform unterliegt Wandlungsprozessen. Gruppierungen und Organisationen sowie das Auftreten und die Strategien rechter Akteure zeigen kein homogenes Bild. Allerdings lassen sich wiederkehrende Elemente aufzeigen, die für die rechte Ideologie kennzeichnend sind. Im Mittelteil wird das rechtsextreme Auftreten im Internet und in Sozialen Netzwerken beschrieben. Es wird dargelegt, welche unterschiedlichen Strategien Rechtsextreme nutzen, um ihre Inhalte zu verbreiten. Rechte Musikangebote werden beschrieben. Im dritten Teil wird vorgestellt, welche Möglichkeiten bestehen, um den Aktivitäten der Rechtsextremen im Internet entgegenzuwirken. Verwendete Quellen und Links sind aufgelistet, um sich weiter zu informieren. Die Broschüre erhebt nicht den Anspruch, eine umfassende Beschreibung rechter Strategien und entsprechender Gegenstrategien aufzuzeigen. Sie will vielmehr Grundlinien zur eigenen Orientierung aufzeigen. 3 Rechtsextremismus heute Der Rechtsextremismus kann nicht als ein homogenes, ideologisch geschlossenes Phänomen betrachtet werden. Zudem hat er sich hinsichtlich Auftreten und Strategien gewandelt. Neben Parteien existieren unterschiedliche Gruppierungen und Aktivisten, die sich in Ausrichtung, Radikalität, Organisiertheit und Militanz unterscheiden. Wie versuchen Rechtsextreme Jugendliche zu erreichen? Ein Ziel ist es, besonders Jugendliche für die Verbreitung der eigenen Ideologie anzusprechen. So wird versucht, an die Lebenswelten der Jugendlichen mit ihren unterschiedlichen Styles anzudocken. Rechtsextreme Botschaften sollen im modernen Gewand das Lebensgefühl der Jugendlichen zum Ausdruck bringen. Das Internet und die Musik spielen dabei eine wichtige Rolle, um Ein uss in den Jugendkulturen zu gewinnen. Es wird versucht, sich modern zu präsentieren und mit Unterhaltungswert an das Lebensgefühl zu appellieren. Rechte Aktivisten bieten Erklärungen für gesellschaftliche Missstände. Die Ursachen von Arbeitslosigkeit und Folgen der Globalisierung werden vereinfachend dargestellt, zugleich gibt man sich gesellschaftskritisch. Das herrschende System wird angeprangert, Politiker außerhalb des rechten Spektrums als durchgängig korrupt gebrandmarkt. Mit der Empörung und dem Anklagen gegen die herrschende Ungerechtigkeit werden Emotionen geweckt und gleichzeitig Feindbilder aufgebaut. Bestehende Vorurteile und Ressentiments gegen Minderheiten werden geschürt. Rechte geben sich oft gewaltbereit und aktionsorientiert. Rechte Gruppierungen präsentieren sich mit Protestaktionen, Demonstrationen und organisieren Konzerte. Es geht ihnen um einen beschworenen Zusammenhalt in einer feindlichen Welt. Das Spektrum reicht von Gewaltverherrlichung bis hin zur romantischverklärten Liebe zur Heimat. 4 An die bedrohte völkische Gemeinschaft in der modernen Welt wird erinnert und der Nationalsozialismus verherrlicht. Zwar herrschen auch in der rechten Szene sexistische Einstellungen vor, aber es zeigt sich auch, dass rechte Frauen nicht mehr dem klassischen Rollenverständnis als Mutter und Hüterin der Familie folgen. Sie p egen z.B. als „starke“ Volksgenossin ein bürgerliches Image und engagieren sich in Vereinen und Einrichtungen. Rechte geben sich sozial und in vielen Fällen bedarf es eines zweiten Blickes, um ihre menschenverachtende Haltung zu erkennen. Der heutige Rechtsextremismus ist ein Phänomen moderner Industriegesellschaften. Auch wenn versucht wird, sich als aktuell und modern zu präsentieren, ist seine Ideologie rückwärtsgewandt. Im Folgenden werden kurz zentrale Ideologieelemente zusammengefasst, die für den Rechtsextremismus charakteristisch sind und die in unterschiedlichen Ausprägungen immer wiederkehren: • Glori zierung des Nationalsozialismus und Geschichtsrevisionismus • völkisch-nationales Denken mit seinen Prozessen der Ein-, und Ausgrenzung sowie der Auf- und Abwertung • Antisemitismus • Rassismus und sexistische Zuschreibungen. Die aufgelisteten Elemente sind Ausdruck von Gewalt- und Herrschaftsverhältnissen; sie dienen gleichzeitig der Rechtfertigung aller möglichen Formen von Gewalt gegenüber Personen bzw. Menschengruppen, die als „anders“ etikettiert und erlebt werden. Je nach Spielart können z.B. auch islamfeindliche, antiziganistische oder homophobe Töne angeschlagen werden. Nicht alle beschriebenen Elemente müssen bei rechten Gruppierungen und Personen vorhanden sein. Zudem können sie sich hinsichtlich ihrer Radikalität unterscheiden. 5 Die Grenzen vom rechtsextremen Rand zur „Mitte der Gesellschaft“ sind ießend. Knapp zehn Prozent der deutschen Bevölkerung verfügt nach Umfragen über ein geschlossenes, rechtes Weltbild (z.B. FES, 2010). Ebenso werden ausländer- oder fremdenfeindliche Einstellungen, autoritäre oder antisemitische Haltungen festgestellt, die in Abhängigkeit der jeweiligen Studie und Fragestellung zwischen 15% und 45% der Befragten ausmachen. Neben dem Problem demokratiefeindlicher Einstellungen im Alltag auf personaler und institutioneller Ebene muss von einem Potential von Menschen mit rechten Einstellungen ausgegangen werden. Dieses kann sich auf der Verhaltensebene besonders in gesellschaftlichen Krisen manifest äußern kann. Der Rechtsextremismus ist dabei nicht auf ein reines Jugendproblem zu reduzieren. Rassistische, feindselige Haltungen werden auch von älteren Personen vertreten. Mit zunehmendem Alter wächst z.B. das Ausmaß antisemitischer Einstellungen (FES 2010). Auch das Wechselspiel zwischen älteren Personen und den Jugendlichen muss in den Blick genommen werden. Letztere übernehmen oft die feindseligen Einstellungen und sind eher zu physischer Gewalt bereit. Diese wird oft wiederum von dem erwachsenen Umfeld legitimiert oder als jugendliche Flegelei heruntergespielt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass rechte Einstellungen nicht mit zunehmendem Alter „herauswachsen“. Die antidemokratischen Haltungen bleiben oft weiter bestehen, nur zeigen sie sich nicht mehr so eindeutig im Handeln. 6 Rechte Seiten im Internet Ein wichtiges Kommunikationsmittel nicht nur für Jugendliche ist das Internet. Die extrem gesteigerten Möglichkeiten der Datenübertragung, die Nutzung von unterschiedlichsten Diensten (E-Mail, WhatsApp, etc.) sowie von interaktiven Angeboten führen zu einem grundlegenden Wandel des Kommunikationsverhaltens. Auch die Mediennutzung wie Telefonie, Radio und Fernsehen laufen in zunehmendem Maße über das Internet. Die regelmäßige Nutzung des Internet gehört für viele Jugendliche zum festen Bestandteil ihres Alltags. Vier Fünftel von ihnen verfügt über einen eigenen Computer oder Laptop und drei Viertel der jugendlichen Mädchen und Jungen nutzen das Internet täglich (JIM 2013). Das Internet bietet die Vorteile, anonym, ohne großen Aufwand und preiswert, ein breites Publikum erreichen zu können. Davon machen auch rechte Aktivisten und Gruppierungen Gebrauch. Durch die vielen ins Netz gestellten rechten Inhalte, die sich rasch länderübergreifend ausweiten und ebenso schnell wieder ändern können, ist ihre mediale Verbreitungsform nicht so leicht zu verfolgen. Zwar lassen sich einerseits im Bereich Internet und Rechtsextremismus Entwicklungen und Veränderungen aufzeigen, die sich auch mit Zahlen belegen lassen, andererseits ist die Ausbreitung und Gestaltung rechter Seiten durch ihre Flüchtigkeit schwer überblicksartig zu erfassen. Die länderübergreifende Stelle jugendschutz.net dokumentierte 2012 1.519 deutschsprachige rechtsextreme Websites. Trotz des leichten Rückgangs im Vergleich zu den Vorjahren bleiben diese danach auch weiterhin ein wichtiges Medium der rechten Szene, um sich zu vernetzen, Aktivitäten zu bündeln und zu koordinieren. So wurden 71 (2011: 63) Seiten gesichtet, die der Mobilisierung für Events und Kampagnen dienen (siehe auch Soziale Netzwerke und Web 2.0). Die Homepages der Rechtsextremen sind im Laufe der Zeit hinsichtlich ihrer Gestaltung und Nutzungsmöglichkeiten professioneller geworden: ChatRooms, MP3-Angebote und auffällige optische Effekte lassen sich vermehrt nden. 7 Durch die aufwändige Aufmachung und Gestaltung sollen auch Jugendliche und junge Erwachsene angesprochen werden, die rechten Inhalten erst einmal fernstehen oder die sich selbst als „unpolitisch“ einschätzen. In der Regel bieten Suchmaschinen einen Zugang zu den Angeboten im Internet. Diese werden auch von Rechtsextremen genutzt, um User auf ihre Seiten zu lotsen. Auch über gesuchte „unverdächtige“ Begriffe kann man auf rechten Internetseiten landen. Es existieren rechtsextreme Seiten, auf denen offen, direkt und unverhohlen die Gewaltverherrlichung mit vertonten Bildern zur Schau gestellt wird. Feindbilder werden formuliert und Personen entwürdigend dargestellt. So wird gegen „Ausländer“, „Fremde“, „Juden“, „Homosexuelle“, „Linke“ gehetzt. Auch die Verherrlichung des Nationalsozialismus lässt sich auf vielen rechten Seiten nden. Aber es gibt ebenso subtilere Formen der Agitation. Aktuelle Themen und gesellschaftliche Missstände werden im Internet behandelt, um Stimmung zu erzeugen und rechte „Gegenerklärungen“ darzulegen. Themen wie Arbeitslosigkeit, Naturschutz oder Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch werden instrumentalisiert, ohne offen die Verachtung von Menschenrechten und Demokratie zu äußern. Rechte Seiten zielen so auf Breitenwirkung. Über Soziale Netzwerke, durch den Zugang zu Foren, können Jugendliche direkt angesprochen und Kontakte hergestellt werden. Je nach Zielgruppe sind rechte Seiten geschützt und damit nicht öffentlich zugänglich. Passwort-geschützte Zugänge zu Angeboten bis hin zu Verschlüsselungssoftware kommen unterschiedlich zum Einsatz. Hier geht es um die Koordination von Aktionen, die Bekanntgabe von Terminen und die Organisation von Veranstaltungen. Bei der Bekanntgabe von Konzertterminen erfolgen die Hinweise zu Veranstaltungsort und Zeit oft über SMS. Die kommerzielle Nutzung des Internets durch rechte Aktivisten ist nicht zu unterschätzen. Insgesamt ließen sich 2012 nach jugendschutz.net 145 Websites (2011: 164) von Versandhändlern aus der rechten Szene dokumentieren, die alle möglichen Artikel anbieten. Musik-CDs, Kleidung, Fahnen, Orden, bis hin zu Parfüm und Babystramplern werden angeboten. Mit dem Verkauf werden Millionenumsätze erzielt. 8 9 Soziale Netzwerke und Web 2.0 Die Kommunikation im Freundeskreis hat (nicht nur) für Jugendliche einen hohen Stellenwert. Im Internet stehen hierfür vor allem Online-Communities und Soziale Netzwerke zur Verfügung. Drei Viertel der Jugendlichen besuchen täglich oder mehrmals in der Woche soziale Netzwerke, wobei Mädchen einen etwas höheren Anteil regelmäßiger Nutzung aufweisen als Jungen (JIM 2013). Auch unterschiedliche Formen der Bewegtbild-Nutzung über Videoportale und Fernsehen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Schon über die Hälfte der Zwölf-und 13-Jährigen suchen regelmäßig OnlineCommunities auf. Mit zunehmendem Alter steigt dieser Anteil deutlich an (JIM 2013). Ein Grund für diese Entwicklung dürfte auch darin liegen, dass speziell für die Jüngeren konzipierte Plattform ins Netz gestellt werden (z.B. „schülerVZ“). Der Grundgedanke der Online-Communities ist der Aufbau eines persönlichen Netzwerks. Jeder Jugendliche hat nach JIM (2013) in seiner Community im Schnitt aktuell rund 290 Kontakte oder „Freunde“. Über diese teilt er mehr oder weniger kontinuierlich mit, was er tut und machen will oder wie er was wertet. Im Umkehrschluss erhält er regelmäßig Neuigkeiten und Informationen seiner „Freunde“. Während Websites gezielt angesteuert werden müssen und über eine eher begrenzte Nutzerzahl verfügen, wird in Communities, auf Videoplattformen und in Weblogs schnell und zahlreich ein breites Publikum erreicht. Diesen Diensten kommt damit für die Verbreitung von Rechtsextremismus eine immer größere Bedeutung zu. Tendenziell verlagern sich die Aktivitäten von Neonazigruppen auf die Mitmachplattformen des Web-2.0. Sie folgen damit dem allgemeinen Trend. Die Anzahl rechtsextremer Webangebote im Internet erreichte 2012 nach jugendschutz.net einen Höchststand. Auch im Social Web ließen sich ca. 50 % mehr Beiträge gegenüber dem Vorjahr dokumentieren. 10 Zu den beliebtesten Betreibern gehörten vor allem Facebook, YouTube und Twitter, um User anzusprechen. Auf allen großen Plattformen nden sich daher rechtsextreme Beiträge. NPD und Kameradschaften sind besonders auf Facebook und YouTube aktiv, Neonazibands und Versandhändler promoten Tonträger in Musik-Netzwerken. Die Zahl von rechtsextremen Useraccounts ist steigend. Es lassen sich unterschiedliche Strategien der Rechten in den Sozialen Netzwerken unterscheiden, um ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten. Es besteht die Tendenz, Web-Angebote jugendtypisch und mit entsprechend modischen Styles zu gestalten, sie als unverdächtig erscheinen zu lassen und aktuelle Themen für rassistische Kampagnen zu instrumentalisieren. Es wird auch versucht, jugendliche Smartphonenutzer auf Webangebote der Szene zu locken, in dem QR-Codes im öffentlichen Raum platziert werden. Durch ins Netz gestellte Videos werden Jugendlichen die sogenannten „Identitären“ präsentiert. Hierbei handelt es sich um Inszenierungen von Rechten, die mit Blogs, Plakaten, Aufklebern, Flashmobs und Aktionen um die jugendliche Zielgruppe werben. Durch ihr Auftreten in Gruppen wollen sie Zusammenhalt und Stärke demonstrieren. Ihre Slogans klingen libertär („für die Freiheit und Selbstverwirklichung eines jeden Volkes und jeder Kultur“). Zugleich wenden sie sich vehement gegen eine soziale und räumliche Vermischung der Völker und Kulturen, da dies nach ihrer Ansicht unweigerlich zu ihrem Untergang führt. In vielen Fällen nehmen Rechtsextreme in Foren und Blogs Bezug auf das Recht der Meinungsfreiheit in einer Demokratie, um die eigene Position kundzutun („Man wird ja wohl noch sagen dürfen, dass…“). Sie sehen sich dabei oft als Opfer, denen der Mund verboten werden soll oder als Kämpfer für die Rechte in der Gesellschaft. Es ist allerdings für sie dabei nicht von Interesse, dass dieses hohe Gut der Meinungsfreiheit sehr wohl zu Recht an Grenzen stößt. Die Verletzung der Menschenwürde und die Aufstachelung zu Hass und Gewalt gehören dazu. 11 An einem ernsthaften Dialog über das Thema Meinungsfreiheit sind sie auch gar nicht interessiert. Das zeigt sich in unterschiedlicher Weise: so gehört der häu ge Themenwechsel dazu, um immer wieder eine neue Diskussion anzufachen, ohne sich vertiefend auf ein angesprochenes Thema einlassen zu müssen. Weiter ist es möglich, eine Diskussionsrunde im Netz mit einer Vielzahl von Kommentaren zuzuschütten („Zumüllen“), um einen Austausch zu stören oder zu unterbinden. Wüste Beschimpfungen, Mobbing bis hin zur offenen Androhung von Gewalt gehören ebenso zu den Strategien. Wenn es heißt „Wenn wir erst einmal an der Macht sind, ja dann…“, dann werden Minderheiten und politische Gegner massiv verfolgt, die Todesstrafe eingeführt. Die Meinungsfreiheit, die man selbst für sich eingefordert hat, wird unter diesen Umständen rigoros abgeschafft. Allerdings gibt es auch rechte Aktivisten, die gewieft und rein strategisch argumentieren. Themen wie soziale Gerechtigkeit, Kindesmissbrauch, Umwelt- und Naturschutz oder Kapitalismuskritik werden zum Teil geschickt aufgegriffen, um sie für die Verbreitung rechtsextremer Positionen zu nutzen. Rechtsextreme geben sich auch als Menschen, die sich um andere kümmern, ihnen helfen. Diejenigen, denen angeblich geholfen werden soll, müssen allerdings dem rechten Klischee eines „guten National-Deutschen“ entsprechen.Generalisierung und Dramatisierung von Folgen, um Feindbilder zu schüren (Thema Einwanderung, Asyl), das Einfordern und die Inanspruchnahme von Rechten in einer Demokratie, um diese letztlich auszuhebeln, sind Teil rechter Argumentationen. Letztlich bieten sich die Themen an, die für die Verbreitung der eigenen Ideologie genutzt werden können und die Menschen emotional bewegen oder sie verunsichern. Dazu wird eine drastische Sprache genutzt. Das Aufgreifen und der Anschluss an in der „Mitte der Gesellschaft“ bestehende Vorurteile gehören ebenso zu den Strategien. 12 Auf unterschiedliche Weise wird Antisemitismus verbreitet. Die Verherrlichung des Nationalsozialismus, die Glori zierung der Wehrmacht, die Leugnung oder Relativierung der Shoah gehören zu diesen Strategien. So wird z.B. auch Bezug genommen auf seriös klingende Studien und (pseudowissenschaftliche) Berichte, um die eigene Position zu untermauern. In Verschwörungstheorien wird behauptet, dass Juden die Finanzwelt beherrschen, für die Zerstörung von Kulturen und Kriege als heimliche Strippenzieher verantwortlich sein. Dazu gehört auch eine pauschale, einseitige Israelkritik (siehe auch Stellwand Antisemitusmus in der Ausstellung "Hass ist ihre Attitüde"). Rechtsextreme sehen sich gerne als Opfer einer herrschenden „Deutschlandfeindlichkeit“. Der sogenannte Party-Patriotismus bei Fußballwelt- und Europameisterschaften wird z.B. dazu genutzt, um rechtsextreme, nationalistische Positionen demonstrativ zu äußern. Ebenso wird eine Diffamierung und Hetze gegen Spielerinnen und Spieler in d e u t s ch e n N a t i o n a l m a n n s ch a f t e n b e t r i e b e n , d i e z . B. e i n e n Migrationshintergrund besitzen und daher nicht als „Deutsche“ anerkannt werden. Eine Diskussion über das Nationalgefühl, wie sich das Deutschsein zeigt und zeigen sollte, ist vielschichtig und ist daher nicht auf einfache Parolen oder Forderungen zu reduzieren. Auch die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, mit seinem Zustandekommen, seiner Propaganda und seiner Folgen gehören unweigerlich dazu, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Der Islam gilt als ein Feindbild der Rechten. Er wird pauschal diffamiert und als Bedrohung der eigenen Kultur dargestellt. Danach führe eine „Islamisierung“ zum Untergang der eigenen Kultur (rechter Slogan: „Die Islamisierung kann dein Volk töten“). Islam und Islamismus werden nicht unterschieden, um die Religion mit Fanatismus und Terrorismus gleichzusetzen. Im Internet verwenden Rechte Montagen, um bekannte Embleme in ihrer Machart zu kopieren (z.B. anstatt „Atomkraft? Nein Danke!“ heißt es dann „Islamisierung? Nein Danke!“). Besonders die sogenannte „Identitäre Bewegung“ (s.o.) hetzt gegen die multikulturelle Gesellschaft im Einwanderungsland Deutschland. 13 Rechte Musik im Internet Musik spielt generell eine große Bedeutung in der Jugendkultur, denn sie bietet die Möglichkeit, dem eigenen Lebensgefühl Ausdruck zu verleihen, mit Freunden die Freizeit zu gestalten. Über Musikstile und –angebote tauschen sich Jugendliche oft aus. Unterschiedliche Jugendkulturen und -szenen de nieren sich häu g über die Vorliebe zu bestimmten Musikstilen. Über sie erfolgt auch die Abgrenzung gegenüber der Welt der Erwachsenen. Protest und Rebellion kann ebenso geäußert werden wie Sehnsucht und romantische Träumerei. Ein schneller und vielfältiger Zugang zu Musikangeboten besteht über das Internet und dies gilt natürlich auch für rechtsextreme Musik. „Die“ rechte Musik als einen bestimmten Musikstil gibt es allerdings nicht, das Spektrum reicht von Metal, Rock, Hiphop, Techno, Balladen, bis zu Party- und Stimmungsmusik. Über die Songtexte, die Bild- und Symbolsprache der Cover, aber auch durch das Auftreten der Musiker bei Konzerten sowie durch ihre Aussagen in Interviews wird die rechtsextreme Positionierung zumeist deutlich. In der Ausstellung „Hass ist ihre Attitüde“ werden unterschiedliche Passagen von Songtexten von rechtsextremen Bands vorgestellt. Dazu gehören „Landser“, „Die lustigen Zillertaler“, „Sleipnir“, „King Bock“, „Frank Rennicke“. Verbreitung, Werbung, und Verkauf rechter Musik läuft maßgeblich über entsprechende Seiten. Eine der weltweit größten rechten Musikszenen ist in Deutschland angewachsen. Der Verkauf rechter Musik und dazugehöriger Artikel ist zu einem Millionengeschäft geworden. Rechtsextreme Musik ist im Internet als Download-Angebot verfügbar, einzelne Songs, CDs oder Musikvideos können direkt erworben werden. Ebenso ist es möglich, dass rechte Webseiten mit Musik unterlegt werden, um ihre Attraktivität zu steigern. Zitate aus Songtexten werden genutzt, um rechte Botschaften zu verbreiten. Nach jugendschutz.net ließen sich 2012 auf deutschen Internetseiten 11 rechtsextreme Onlineradios nden. 14 Der Austausch über rechtsextreme Musik im Internet spielt in der rechten Szene eine große Rolle. Berichte und Aufnahmen von Konzerten, Hörproben, Neuigkeiten von Bandmitgliedern machen so die Runde. Kauf- und Versandangebote von Szeneartikeln und die Selbstvermarktung der Musikgruppen gehören dazu. Eine maßgebliche Rolle als Anbieter spielt die NPD, die mehrere ihrer sog. „Schulhof-CDs“ zum Herunterladen ins Netz gestellt hat. Die Links für diese Downloads kursieren auf vielen Websites der Rechtsextremen. Rechte Musik bietet eine Einstiegsmöglichkeit in die rechte Szene, aber ihr Hören führt keineswegs zwangsläu g dazu, „rechtsextrem zu werden.“ Hier ist zu fragen, auf welche politische Einstellungen und Interessen die Musik trifft, in welcher Lebenssituation sich der jeweilige Jugendliche be ndet und inwieweit menschenverachtende Botschaften durchschaut und toleriert werden. Letzteres ist nicht immer einfach, da auch subtil Texte und Musik genutzt werden, um sie für die Verbreitung der rechten Ideologie nutzbar zu machen. 15 Gegenmaßnahmen Generell hat man sich der Situation zu stellen, dass Rechtsextreme das Internet nutzen, um besonders Jugendliche zu erreichen. Sowohl ein Herunterspielen als auch eine Dramatisierung des Auftauchens und der Wirkung dieser Seiten sind nicht hilfreich. Moderner Rechtsextremismus knüpft geschickt die Lebensstile der Jugendlichen an. Er gehört – ob man will oder nicht– zum Internet und seiner Nutzung dazu. Ein moralischer Appell hilft da wenig, diese Seiten nicht aufzusuchen. Jugendliche (und Erwachsene) surfen in ihrer Freizeit auf Seiten, die sie interessieren und sie suchen nach Möglichkeiten, auf diese zu gelangen. Zudem ist es möglich, dass User ungewollt auf rechten Seiten landen. Daher braucht es die Aufklärung über die Machart rechter Seiten und Strategien in Sozialen Netzwerken, rechte Inhalte zu verbreiten. (Nicht nur) Jugendliche sollen sich ihre eigene Meinung bilden können. Das Argument, dass erst dadurch schlafende Hunde geweckt werden, trifft so nicht zu. Im eigenen Verantwortungsbereich wie z.B. im Unterricht sind allerdings auch klare Grenzen zu ziehen, was erlaubt ist und was nicht. Generell sollten Regeln, Verbote und Grenzen beim Umgang mit dem Internet offen und nachvollziehbar begründet werden. Es ist es auch notwendig, darzulegen, warum es wichtig ist, Internetseiten verbieten zu lassen, die z.B. offen zu Gewalt gegen Minderheiten aufrufen. Wenn der Schutz der Menschenwürde und Demokratie auch im Internet eine tragende Rolle spielen soll, dann stellt sich unweigerlich auch die Frage nach dem Verhalten der Nutzer. Wie sollten (nicht nur) Jugendliche mit rechten Parolen und Botschaften umgehen? Was kann ihnen entgegengestellt werden, wenn sie im Sozialen Netzwerk auftauchen? 16 Das Internet ist nur so weit demokratisch wie seine Nutzer. Es ist möglich, Nazis etwas in Foren entgegenzusetzen. Dazu können eigene Anmerkungen und Kommentare gepostet werden. Wichtig ist, selbst nicht zu beleidigen. Auch weitere Nutzer, Freunde, Bekannte können einbezogen werden, damit man nicht alleine mit steht seiner Position. In Sozialen Netzwerken ist unbedingt auf Datenschutz und –sicherheit zu achten. Es sollte bedacht werden, welche Informationen man über sich selbst gerne anderen mitteilt, wer dies überhaupt wissen soll, welche Bilder man selbst freigeben und anderen senden will. Was soll das eigene eingestellte Pro l zeigen, wer soll dazu posten können? Wann benutzt man den Nickname, um den realen Namen zu schützen? Auf diese Weise entgeht man Mobbingattacken und möglicherweise Reaktionen von Neonazis, falls man sich selbst kritisch über sie geäußert hat. Generell gilt: Jedes Soziale Netzwerk hat Privatsphären-Einstellungen, über die man Bescheid wissen muss und die für den eigenen Schutz zu nutzen sind. Wenn menschenverachtende, hasserfüllte Parolen im Internet (auf Seiten, Weblogs, Plattformen) auftauchen, durch die andere aufgewiegelt werden sollen, dann braucht es auch User, die diese Beiträge den jeweiligen verantwortlichen Betreibern melden. 17 Rechtliche Situation Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch wenn die rechtlichen Mittel oft nicht ausreichend sind. Rechte Homepages erscheinen oft auf wieder auf neuen Adressen, da Internet-Dienstleister die Seiten dann vom Netz nehmen, wenn sie von den Inhalten wissen oder ihnen bekannt werden. Prinzipiell gilt: illegal bleibt illegal, unabhängig davon ob etwas „of ine“ oder online verbreitet wird. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit besitzt einen hohen Stellenwert, allerdings existieren auch Strafgesetze in Deutschland, die diese Freiheit zu Recht einschränken, wie z.B. die • Verwendung verfassungswidriger Organisationen (§ 86a) • Volksverhetzung (§ 130) Ebenso ist zu beachten, ob die Verletzung der Ehre einer Person vorliegt oder Bestimmungen zum Jugendschutz missachtet werden. Die Prüfung der rechtlichen Situation, ob ein Verbot vorliegt und ob unter welchen Umständen eine Strafe verhängt wird, ist oft schwierig (gerade für Nicht-Juristen) zu beurteilen. Eine umfassende Darstellung mit der Schilderung von Beispielen ndet sich unter www.recht-gegen-rechts.de. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Gesetzgebung und Rechtsprechung gegenüber gewaltverherrlichenden, rechtsextremen Inhalten in den Ländern unterschiedlich ist. Das Internet ist international und daher werden Seiten oft über ausländische Provider ins Netz gestellt, um in anderen Ländern deutschen Gesetzen zu entgehen. Für pädagogische Fachkräfte ist es wichtig, zumindest einen Einblick zu bekommen, wie Rechte das Internet nutzen. Sie müssen selbst nicht zum Experten werden, aber sie sollten schon in Grundzügen wissen, was im Internet passiert. Und sie sollten auch wissen, wo und wie man sich weiter informieren kann. Am Ende der Broschüre werden daher weiterführende Quellen und Links angegeben. 18 Literatur, Quellen, Links Ausstellungskatalog „Hass ist ihre Attitüde Rechtsextremismus in Deutschland“, Adolf-Bender-Zentrum www.adolfbender.de/index.php?id=314 Glaser, S. & Pfeiffer. T. (2007). Erlebniswelt Rechtsextremismus. Menschenverachtung mit Unterhaltungswert Drücker, A. & Flügge, E. (2012). Zwischen Ablehnung und Schutz der Demokratie: Zur Auseinandersetzung junger Menschen mit Rechtsextremismus im Internet und in Sozialen Netzwerken. In S. Bundschuh , A. Drücker, T. Scholle (Hrsg.). Wegweiser Jugendarbeit gegen Rechtsextremismus. Wochenverlag, Schwalbach/Ts., S.148-162 jugendschutz.net - Jahresbericht 2012 jugendschutz.net/materialien/bericht2012.html jugendschutz.net - Jahresbericht 2011 jugendschutz.net/pdf/bericht2011.pdf www.hass-im-netz.info/aktuell Amadeu-Antonio-Stiftung www.netz-gegen-nazis.de/beitrag/broschueren-zum-download-8793 Liken. Teilen. Hetzen. Neonazi-Kampagnen in Sozialen Netzwerken no-nazi.net/wp-content/uploads/2013/04/Liken.Teilen.Hetzen.pdf Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest JIM 2013 Jugend, Information, (Multi-) Media Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland www.mpfs.de/ leadmin/JIM-pdf13/JIMStudie2013.pdf Kreisjugendring Nürnberg-Stadt · www.recht-gegen-rechts.de FES (2010) Friedrich Ebert-Stiftung Die Mitte in der Krise - Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010 19 Kontakt Herausgeber Gymnasialstraße 5 66606 St. Wendel Tel. 0 68 51 / 808 279 - 0 Fax 0 68 51 / 808 279 - 9 [email protected] www.adolfbender.de Ansprechpartner Dr. Thomas Döring [email protected] Tel.: 0 68 51 / 808 279-2 Florian Klein [email protected] Tel.: 0 68 51 / 808 279-3 Redaktion Dr. Thomas Döring Satz, Gestaltung & Druck Bearzatto Werbesysteme www.bws-saar.de