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Stellt man diese Leistungshöhen der Armutsgefährdungsschwelle gegenüber, die 2013 für einen Einpersonenhaushalt 1.104 Euro netto betrug, zeigt sich: Bei 88 Prozent der 12.072 Salzburger BezieherInnen lagen Arbeitslosengeld und Notstandshilfe unter der Armutsgefährdungsschwelle. Besonders dramatisch trifft es Frauen: 92 Prozent der Bezieherinnen von Arbeitslosengeld und 98 Prozent der Bezieherinnen von Notstandshilfe bekamen weniger als 1.104 Euro. Hauptursachen für die geringen Leistungen sind neben niedrigen Einkommen, eine im EU-Vergleich geringe Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld (55 Prozent bzw. 60 Prozent des vorherigen Einkommensschnitts) und eine kurze Anspruchsdauer.
ARBEITSLOSIGKEIT UND MINDESTSICHERUNG Gib es nicht genügend Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung, ist ein Mindestsicherungsbezug möglich. Die Hälfte der 12.072 BezieherInnen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe im Bundesland Salzburg erhielt theoretisch weniger als den Mindest-sicherungsrichtsatz für Alleinstehende. Dieser lag 2014 bei 814 Euro. Wieder sind Frauen besonders betroffen: Beim Arbeitslosengeld bekamen mehr als die Hälfte, bei der Notstandshilfe fast drei Viertel aller Bezieherinnen theoretisch weniger als die Mindestsicherung. TIPP: Unter http://www.mindestsicherung-salzburg.at/ kann berechnet werden, ob ein Anspruch besteht und wie hoch er ausfällt.
ARBEITSLOSIGKEIT ERHÖHT DIE ARMUTSGEFAHR Im Bundesland Salzburg sind derzeit ca. elf Prozent der Bevölkerung (60.000 Personen) armutsgefährdet. Bei Arbeitslosigkeit von bis zu fünf Monaten sind bereits 17 Prozent armutsgefährdet. Dauert die Arbeitslosigkeit länger,
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steigt die Quote rapide an: Bei ganzjährig Erwerbslosen liegt sie bei 46 Prozent!
NOTSTANDSHILFE: FRAUEN BENACHTEILIGT Beim Berechnen der Notstandshilfe wird – mit bestimmten Freibeträgen – das Einkommen des Partners dazugezählt. Besonders Frauen erhalten daher oft trotz Arbeitslosigkeit und geleisteten Beiträgen in die Arbeitslosenversicherung keine oder eine sehr geringe Notstandshilfe. Zwischen Jänner und November 2014 wurde im Monat durchschnittlich in 161 Fällen wegen der Anrechnung des Partnereinkommens keine Notstandshilfe gewährt. 132 Fälle betrafen Frauen. Das sind 82 Prozent aller Fälle.
ARBEITSLOSIGKEIT BEEINTRÄCHTIGT GESUNDHEIT Arbeitslosigkeit und Gesundheit stehen in einer Wechselwirkung: Keinen Job zu haben macht krank. Gesundheitliche Probleme erhöhen wiederum das Arbeitslosigkeitsrisiko. Arbeitslose haben eine um 5,5 Prozent höhere Krankenstandsquote als Erwerbstätige. Sie sind deutlich öfter über längere Zeit krank und verbringen mehr als doppelt so viele Tage in stationärer Behandlung als Erwerbstätige. (Quelle: WIFO Fehlzeitenreport 2009)
ARBEITSLOSIGKEIT BEKÄMPFEN, NICHT ARBEITSLOSE! Arbeitslosigkeit ist in der Regel kein selbst gewählter Zustand. Nur jeder/jede Zehnte hat selbst gekündigt. Ein Drittel aller Arbeitslosen kann und muss dazuverdienen. Arbeitslose sind gezwungen 30 Prozent ihrer Alltagsausgaben einzusparen. (Quelle: IFES/SORA Existenzsicherung bei
Arbeitslosigkeit, 2014)
DAS FORDERN WIR: Die Salzburger Arbeiterkammer fordert wirksame Maßnahmen, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die soziale Lage von Arbeitslosen zu verbessern. n Öffentliche Investitionsoffensive in Österreich und EU-weit: InInvestitionen in Kinderbetreuung, Ganztagesbetreuung, leistbares Wohnen, öffentlichen Verkehr. Unterstützung eines europaweiten Investitionsprogramms. n Goldene Regel der Finanzplanung: Um diese sozialökologischen Investitionen durchführen zu können, müssen sie aus der Berechnung des Budgetdefizits ausgenommen werden. n Vermögenssteuern für Zukunftsinvestitionen: Öffentliche Investitionen wirken konjunkturbelebend. Vermögenssteuern verringern nur das spekulative Spielkapital der Reichen. n Kollektivvertraglicher Mindestlohn von 1.500 Euro. n Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik mit den Schwerpunkten Höherqualifizierung und Ausweitung des zweiten bzw. dritten Arbeitsmarktes. n Deutliche Erhöhung der Nettoersatzrate von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Verlängerung der Bezugsdauer und Anpassung der Leistungen an die Inflation. n Abschaffung der Partnereinkommensanrechnung in der Notstandshilfe. n Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit durch Umsetzung eines Bonus-Malus-Systems; Fixieren von Älterenquoten für Betriebe und gesetzliche Sanktionen bei Nichteinhaltung. n Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit durch Ausbildungsgarantie, Ausbau des Jugendcoachings und Verringerung von Dropouts aus der Ausbildung. n Höhere und flexiblere Zuverdienstgrenzen in der Mindestsicherung. www.ak-salzburg.at
REKORDARBEITSLOSIGKEIT BEKÄMPFEN VOLLBESCHÄFTIGUNG JETZT!
ARBEITSLOSIGKEIT BEKÄMPFEN, NICHT ARBEITSLOSE! Eine Bankenkrise, die Milliarden kostet. Eine Wirtschaftspolitik, die Krisen verursacht statt sie zu bekämpfen und Rekordarbeitslosigkeit erzeugt. Eine Sozialpolitik, die nicht als lohnende Investition, sondern nur als Kostenfaktor gesehen wird: Es ist Zeit für einen Kurswechsel in Österreich und in Europa. Viele europäische Länder leiden schon seit Jahren an Massenarbeitslosigkeit. Selbst Österreich verzeichnet die höchste Arbeitslosigkeit seit den 1950er Jahren. Die wichtigste Herausforderung für unsere Gesellschaft ist daher die Bekämpfung der unerträglich hohen Zahl an Menschen ohne Arbeit. Denn die Kosten der Arbeitslosigkeit sind horrend: Für die Betroffenen und ihre Familien, die erhebliche Einkommensverluste erleiden und vom sozialen Abstieg bedroht sind. Für die Konsumnachfrage, die durch die fehlenden Einkommen gedrückt wird. Für Gesellschaft und Demokratie – Armut und soziale Ausgrenzung können deren Grundfesten erschüttern. Allein der Anstieg der Arbeitslosigkeit kostet den Staat bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr. Eine andere Politik ist möglich: Eine Politik, deren oberstes Ziel Vollbeschäftigung ist, die aber auch in der Arbeitslosigkeit Perspektiven eröffnet, die bestehende Rechte erhält und soziale Sicherheit garantiert. Dieser Folder soll Ansatzpunkte für eine solche Politik liefern. Ihr
Siegfried Pichler AK-Präsident
Impressum: Medieninhaber und Herausgeber: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg · Für den Inhalt verantwortlich: MMag.a Michaela Schmidt, Stefan Bogner BA, Mag. Florian Preisig · Layout: Ursula Brandecker, alle 5020 Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 10, www.ak-salzburg.at · Druck: Druckerei Stepan, Bischofshofen · Titelbild: Fotolia · Stand: 03/2015
DIE REKORDARBEITSLOSIGKEIT STEIGT WEITER! Seit Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise im Jahr 2009 hat auch Salzburg mit Rekordarbeitslosigkeit zu kämpfen. Im Jahresdurchschnitt 2014 waren in Salzburg rund 17.500 Menschen (mit SchulungsteilnehmerInnen) ohne Arbeit. 2008, also vor Ausbruch der Krise, waren es „nur“ 11.700 Personen. Mittlerweile kommt auch das Beschäftigungswachstum, das in den vergangenen Jahren ausschließlich auf Teilzeitund Ausländerbeschäftigung zurückzuführen war, zum Erliegen. Dadurch verschärft sich die Situation weiter. Wirtschaftsprognosen lassen für die nähere Zukunft nicht auf eine Erholung am Arbeitsmarkt hoffen. Zwar ist die Arbeitslosenquote in Salzburg mit 5,7 Prozent im Jahresdurchschnitt 2014 immer noch die niedrigste aller Bundesländer. Aber seit 2008 ist sie von vier Prozent nach oben geschnellt. Für das Jahr 2015 muss mit einer Arbeitslosenquote von über sechs Prozent gerechnet werden. Es wird immer schwieriger, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen wenn man seinen Arbeitsplatz verliert. 2014 dauerte es in Salzburg im Schnitt 79 Tage bis wieder ein neuer Arbeitsplatz gefunden wurde. Gegenüber dem Vorjahr sind das vier Tage mehr – gegenüber 2008 mehr als zwei Wochen. Insgesamt sind in Salzburg über 3.000 Personen langzeitbeschäftigungslos (mehr als ein Jahr arbeitslos ohne eine Unterbrechung, die länger als zwei Monate dauerte). Das sind 40 Prozent oder 855 Personen mehr als 2013. Und fast drei Mal so viele wie 2008.
BESCHÄFTIGUNGSMOTOR ÖFFENTLICHE INVESTITIONEN Die Wirtschaft ist derzeit nicht ausgelastet, die Auftragsbücher sind leer. In dieser Situation kann Erholung nur durch einen so genannten Nachfrageimpuls gelingen: Mehr private und öffentliche Investitionen oder mehr Konsum – dann steigt die Nachfrage nach Produkten, Dienstleistungen und damit auch nach Arbeitskräften. Da private Unternehmen wegen der unsicheren Zukunft derzeit nicht von selbst mehr investieren, muss das der Staat tun. Alles, was den Lebens- und Wirtschaftsstandort verbessert und die Wirtschaft ankurbelt, hilft. Das kann
mehr Wohnbau (speziell Mietwohnbau), ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die thermische Sanierung von Gebäuden oder die Energiewende an sich sein. Aber auch Kinderbetreuung, Pflege und schulische Ganztagesbetreuung rechnen sich. Davon profitieren auch private Unternehmen, die auf gut ausgebildete Beschäftigte und eine funktionierende Infrastruktur zurückgreifen können und damit selbst mehr investieren.
aus dem laufenden Budget eines Jahres finanziert werden – diesen Schulden steht für Jahrzehnte geschaffenes Volksvermögen gegenüber. Volkswirtschaftlich schädliche Schuldenregeln wie der „Fiskalpakt“ verhindern aber solche „lohnenden Kredite“. Eine Lösung wäre die Einführung der Goldenen Investitionsregel, die öffentliche Investitionen in die Zukunft aus der Berechnung des Budgetdefizits ausnimmt.
ZUKUNFTSINVESTITIONEN RECHNEN SICH
VERMÖGENSSTEUER ZUR INVESTITIONSANKURBELUNG
Jeder eingesetzte Euro, der wirklich in Zukunftsinvestitionen gesteckt wird, lohnt sich! Das Deutsche Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat berechnet, dass 100 Millionen so eingesetzte Euro das Bruttoinlandsprodukt im Schnitt um 158 Millionen Euro steigern. Sparen und Kürzen wirkt dagegen genau umgekehrt und erhöht die Arbeitslosigkeit – ein Riesenfehler, den die europäische Politik in den letzten Jahren begangen hat.
Ist das Finanzieren über Kredite nicht möglich, muss ein öffentliches Investitionsprogramm über Vermögenssteuern finanziert werden. Denn Investitionen beleben die Konjunktur, während höhere Steuern für Reiche nur deren Spielkapital für das Spekulationskasino beschneiden.
KINDERBETREUUNG SCHAFFT ARBEITSPLÄTZE! Eine lohnende Investition ist zum Beispiel Kinderbetreuung: Werden hier jährlich 350 Millionen von Bund und Ländern gemeinsam eingebracht, bedeutet das im fünften Jahr bis zu 45.000 Arbeitsplätze mehr. Zunächst wird für den Bau und zusätzliches Personal Geld ausgegeben. Das führt zu mehr Investitionen der Unternehmen am Bausektor und im Gewerbe und zu neuem Einkommen bei den Haushalten. Diese geben einen Teil davon wieder aus. So bekommt auch der Staat mehr Steuereinnahmen. Langfristig kommt es zu einem Budget-Plus von bis zu 168 Millionen Euro pro Jahr. (Quelle: AK Wien 2014
SOZIALE ABSICHERUNG BEI ARBEITSLOSIGKEIT ArbeitnehmerInnen haben im Fall von Arbeitslosigkeit einen Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld. Ist er erschöpft, besteht Anspruch auf Notstandshilfe. Da die Höhe der Leistung von der Höhe des vorigen Einkommens abhängt, gibt es starke Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Niedrige Einkommen bewirken, dass Arbeitslosengeld und Notstandshilfe die Existenz oft nicht sichern:
Sozialpolitik in Diskussion)
GOLDENE REGEL DER FINANZPLANUNG Die Finanzierung dieser Investitionen wäre dank der historisch niedrigen Zinssätze günstig wie nie. Weil so errichtete Infrastruktur auch zukünftigen Generationen zu Gute kommt, sollte sie langfristig über Kredite und nicht
Quelle: AMS 09/14, eigene Berechnung: Durchschnittliche Leistungshöhe (Tagsatz*30), Armutsgefährdungsschwelle nach EU-SILC