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Retter Der Vergessenen

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Politik & Unternehmen | 13 handelszeitung | Nr. 34 | 20. August 2015 startup Retter der Vergessenen Polyneuron Pharmaceuticals Das Basler Jungunternehmen entwickelt eine neuartige Wirkstoffklasse zur Therapie von seltenen Autoimmunerkrankungen des Nervensystems. 483 D Tatjana Kistler Umfeld Medikamente zur Therapie von Autoimmunerkrankun­gen legten 2014 um 4 Prozent zu. Laut der Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz (vips) belief sich der Umsatz auf 483 Mil­ lionen Franken. Fast 100 000 Schweizer sind Opfer von Auto­ immunerkrankungen. er Körper wird bei Autoimmun­ erkrankungen zu seinem eigenen Feind. Er bildet Immunzellen und Antikörper gegen sich selbst. Das ist schlecht behandelbar. An die­ sem Punkt setzt Polyneuron, ein Spin-off der Uni Basel, an. Es setzt bei der Behandlung wenig ­verbreiteter Krankheiten an. Und dies zum Teil ohne direkte Konkurrenz, was angesichts der weltweit forschenden Pharmaindustrie erstaunt. «Da die Entwicklung neuer Medikamente aufwendig ist und viele Risiken mit sich bringt, meiden Pharmafirmen eher die ganz frühen Phasen der Entwicklung von Therapien für selte­ ne Krankheiten», so Pascal Hänggi, vom Startup Polyneuron. Das liege auch daran, dass der Ab­ satzmarkt für Medikamente relativ klein sei. Die Firma ist auf gutem Weg, ihre Pionierforschung an eine solche Pharmafirma verkaufen zu kön­ nen. Denn: «Die Antibody-Catch-Technologie ist bahnbrechend und auf weitere Autoimmun­ erkrankungen adaptierbar.» 2012 2013 «Die Technologie ist bahnbrechend und auf weitere Autoimmunerkrankungen adaptierbar.» Tina Sturzenegger Köder für Schädlinge Das weite Anwendungsfeld entsteht aus der Funktionsweise von Autoimmunerkrankungen: Ein Merkmal ist eine Überproduktion von Immun­ zellen und Autoantikörpern, die gegen die eige­ nen Zellen des Patienten, das Gewebe und Orga­ ne gerichtet sind. Das ist schädlich. Die Auto­ antikörper zielen auf spezifische Strukturen, ­sogenannte Epitope, die auf der Oberfläche von Zellen und Geweben sind. Dem 2014 gegründe­ ten Startup gelang es, ein Molekül zu ­entwickeln, das Epitope, die Zielscheibe der A ­ utoantikörper, imitiert und sie so ködert. Die Krankheitsaus­ löser binden sich an das Imitat und werden aus dem Körper ausgeschieden. «Wir bieten den schädlichen Antikörpern mit unserer Techno­ logie eine Angriffsalternative an, damit das ­gesunde Gewebe verschont wird», so Hänggi. Der Ansatz gilt als sehr aussichtsreich, da ­Autoimmunkrankheiten wie Anti-MAG Neuro­ pathie, die Multifokale Motorische Neuropathie oder das Guillain-Barré-Syndrom nur mangel­ haft bekämpft werden können. Während von der Anti-MAG Neuropathie, charakterisiert durch Schmerzen, Tremor und Verlust der Koordina­ tion bis hin zur Gehbehinderung, global gut 70 000 Menschen betroffen sind, leiden weltweit zirca 100 000 Personen an der Multifokalen Mo­ torischen Neuropathie. Sie leiden an Schwäche­ zuständen, die zur Erschlaffung der Arme und Beine und zu schweren Behinderungen führen können. «Es ist uns mit unserer Technologie hoffentlich einst möglich, das Leben vieler ­ Umsatzentwicklung Pharmamarkt Schweiz Die Schweizer geben mehr für Medikamente aus (in Mrd. Franken) 2014 5,11 5,08 5,07 Quelle: Vips 2015 Dominik Jedlinski, Hélène Pfister, Pascal Hänggi, Ruben Herrendorff Polyneuron Pharmaceuticals ­ enschen grundlegend zu ändern, ja ihnen zu M helfen», freut sich Hänggi: «Das ist ein grossarti­ ges Gefühl und motiviert, den Ansatz auf weitere Krankheitsbilder weiterzuentwickeln, womög­ lich sogar auf gewisse Multiple-Sklerose- oder Parkinson-Typen anzuwenden.» Verkauf der Technologie Die von Polyneuron anvisierten Märkte sind von nicht zugelassenen Medikamenten und Therapien geprägt. Bislang werden meist Krebs­ medikamente zweckentfremdet, die schwere Nebenwirkungen haben können. «Unsere wich­ tigste Konkurrenz sind somit Krebsmedikamen­ te, die nicht offiziell für die von uns avisierten Krankheitsbilder zugelassen sind und auf Risiko des behandelnden Arztes verschrieben werden», erklärt Hänggi. Studien zeigen, dass der Einsatz von Krebsmedikamenten bei beiden Krank­ heiten meist wenig wirksam ist oder sie ­sogar verschlimmert. Das rief Neurologen und Poly­ neuron-Mitgründer Andreas J. Steck auf den Plan. Er sah das Bedürfnis nach besseren Thera­ facts&figures Gründer Hinter Polyneuron stehen Ruben Herrendorff, Pascal Hänggi und Dominik Jedlinski. Im VR sind Beat Ernst, Institutsleiter für Molekulare Pharmazie Uni Basel, und Andreas J. Steck, einst Neurologieklinik-Leiter in Basel. Idee Polyneuron ent­ wickelt die Grundlage für neue Medikamente zur Behandlung von Auto­ immunerkrankungen. Kapital Das Gründungs­ kapital betrug 100 000 Franken. In der ersten ­Finanzierungsrunde sollen 3 Millionen Franken ­gesammelt werden. anzeige © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer Schweiz SE, - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung HANDELSZEITUNG-2015-08-20-tui- 3924cdb43e78800046043f8894a7aec0 pien und wurde auf die Nische aufmerksam. Steck kontaktierte Beat Ernst, Polyneuron-­ Mitgründer und einer der renommiertesten ­Experten der Kohlenhydrat-Chemie. Die beiden machten dem späteren Polyneuron-Mann ­Ruben Herrendorff die Idee als Masterarbeit schmackhaft. Der Grundstein war gelegt. Entstanden ist ein Verfahren, das auf viele Krankheitsbilder angewandt werden könnte. «Wir sind derzeit bemüht, mit Studien aufzu­ zeigen, dass unsere Methode funktioniert und ­nebenwirkungsarm ist», so Hänggi. Ziel des Start­up ist ein Verkauf der Rechte des Medika­ ments an einen Pharmakonzern. Denn Markt­ zulassung, Produktion und Vertrieb wären ein grosser Aufwand. Die Vision ist, die Lebens­ qualität von Menschen, welche an Autoimmun­ erkrankungen leiden, zu verbessern. «Wir wur­ den schon mehrfach von verzweifelten Patien­ ten kontaktiert, die die Marktzulassung unseres Medikamentes sehnlichst erwarten. Das moti­ viert, sich in Zukunft weiterhin ihrer Schicksale anzunehmen und weiter zu forschen», so Hänggi. Ziele Der Breakeven wird – wie bei Biotechunternehmen oft – erst mit dem Verkauf der Firma, oder dem Verkauf der Rechte an dem Medikament, erreicht. Der Verkauf sollte mit dem Abschluss der frühen klinischen Studien und dem Beweis der Wirksamkeit und der sicheren Anwendung am Patienten erfolgen.