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J. Margraf: Risiken und Nebenwirkungen
2. Juni 2015
FORSCHUNGS UND BEHANDLUNGSZENTRUM FÜR PSYCHISCHE GESUNDHEIT
Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie Jürgen Margraf Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum, Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit
FORSCHUNGS UND BEHANDLUNGSZENTRUM FÜR PSYCHISCHE GESUNDHEIT
© J. Margraf, 2015, Folie 1
FORSCHUNGS UND BEHANDLUNGSZENTRUM FÜR PSYCHISCHE GESUNDHEIT
„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie das Informationsblatt und fragen Sie Ihren Psychotherapeuten“ Information für Patienten
Information für Patienten
_______________________________________________
___________________________________________
Verhaltenstherapie®
Psychoanalyse®
Uni X
?
Freud
_______________________________________________
_______________________________________________
■ Was ist Verhaltenstherapie und wie wird sie
■ Was ist Psychoanalyse und wie wird sie
angewendet?
angewendet?
Psychoanalyse gehört zur Gruppe der psychotherapeuVerhaltenstherapie gehört zur Gruppe der psychotheratischen Verfahren, die auf der Tiefenpsychologie aufbauen. peutischen Verfahren, die auf der empirischen PsychoEs handelt sich um einen bewussten und geplanten logie aufbauen. Es handelt sich um einen bewussten und interaktionellen Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensgeplanten interaktionellen Prozess zur Beeinflussung von störungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem (möglichst zwischen Patient, Therapeut und BezugsKonsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und gruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, Information psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist für Patienten verbal, aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, verbal, aber auch averbal, in Richtung auf ein _______________________________________________ definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Strukturnach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomänderung der Persönlichkeit und ggf. Symptomminimaliminimalisierung und/oder Heilung) mittels lehrbarer Techni® sierung) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Gesprächstherapie ken auf der Basis einer Theorie des normalen und patholoRogers Theorie der normalen und pathologischen Entwicklung. In gischen Verhaltens. In der Regel ist dazu eine_______________________________________________ tragfähige der Regel ist dazu eine tragfähige emotionale Bindung therapeutische Beziehung notwendig. ■ Was ist Gesprächstherapie und wie wird sie notwendig. _______________________________________________ angewendet? _______________________________________________ ■ Wann darf Verhaltenstherapie nicht Gesprächstherapie gehört zur Gruppe der psychothera■ Wann darf Psychoanalyse nicht angewendet angewendet werden? peutischen Verfahren, die auf der humanistischen Psychowerden? Bei fehlender oder unklarer Therapieindikation,logie fehlender aufbauen. Es handelt sich um einen bewussten und Bei fehlender oder unklarer Therapieindikation, fehlender Therapiemotivation oder mangelnder Aussichtgeplanten auf Erfolginteraktionellen Prozess zur Beeinflussung von Therapiemotivation oder mangelnder Aussicht auf Erfolg darf Verhaltenstherapie nicht oder nur unter grösster Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem darf Psychoanalyse nicht oder nur unter grösster Vorsicht Vorsicht und nach klarer Information des Patienten/der Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und nach klarer Information des Patienten/der Patientin Patientin angewendet werden. Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten und werden, angewendet werden. mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist
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verbal, aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Selbstkongruenz, Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens. In der Regel ist dazu eine tragfähige emotionale Bindung notwendig. _______________________________________________ ■ Wann darf Gesprächstherapie nicht
angewendet werden? Bei fehlender oder unklarer Therapieindikation, fehlender Therapiemotivation oder mangelnder Aussicht auf Erfolg darf Gesprächstherapie nicht oder nur unter grösster Vorsicht und nach klarer Information des Patienten/der Patientin angewendet werden.
Psychosomatik, Uni-Spital Basel
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Risiko Psychotherapie? Warum wird über ,,Risiken und Nebenwirkungen“ bei Psychotherapie kaum gesprochen?
Mögliche Erklärung: Zwei alternative Voreinstellungen 1. Psychotherapie ist generell unwirksam (➨ also auch keine negativen Effekte) „... Ist ja nicht sooo schlimm, wenn uns Psychotherapeuten mal ein 2. Psychotherapie kann nur Gutes tun Kunstfehler passiert.“ © J. Margraf, 2015, Folie 3
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Überblick • • • • •
Psychotherapie ist generell unwirksam Psychotherapie kann nur Gutes tun Arten von Risiken und Nebenwirkungen Menschliche Urteilsbildung und Psychotherapie Was tun?
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Psychotherapie generell unwirksam? • Frühe Äußerungen: • Karl Kraus – „Die Psychoanalyse ist die Krankheit, für deren Heilung sie sich hält“
• H.-J. Eysenck (1952) – Mit Psychotherapie nicht mehr Verbesserung als ohne Psychotherapie („Spontanremission“) © J. Margraf, 2015, Folie 5
Psychotherapieforschung: „Vom Regen in die Traufe“
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Früher viel zu wenig adäquate* Studien, heute kaum überschaubare Vielzahl
???
*Keine Kontrollgruppen, Zufallszuweisung, objektiven Erfolgsmasse etc.
3500?
Anzahl kontrollierter Therapiestudien:
4
77
220
bis ca. 1950
bis ca. 1960
bis ca. 1970
500
bis ca. 1980
bis ca. 1990
heute
Allein zur Depression alle 5 Stunden 1 Artikel © J. Margraf, 2015, Folie 6
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Revenstorf 1984, Anderson et al. J Clin Psychol 2000, 56, 491-504
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Ergebnisse der Wirksamkeitsforschung: Zusammenfassung • Psychotherapie wirkt (durchschnittliche Effektstärken > 0.8, d.h. „groß“)
• Aber: Nicht alles wirkt gleich gut bzw. ist gleich gut untersucht (u.a. Wirksamkeitsunterschiede, mangelnde Daten)
• Auf verschiedenen Wegen sehr ähnliche Ergebnisse (RCT´s, Efficacy- und Effectiveness-Studien, Meta-Analysen, Mindestkriterien f. empirically supported treatments)
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Wirksamkeitsforschung: Vergleich mit medizinischen Therapien
Effektstärke (behandelt vs. nicht behandelt) Erfolgswahrscheinlichkeit (behandelt vs. nicht behandelt) 0
.20
.40
.60
.88 .73
Herzchirurgie (Bypass)
.80 .71 .61
Pharmakotherapie bei Arthritis
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1.20
.80
Psychotherapie allgemein
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1.00
1.21
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren
Aspirin zur Prävention von Herzinfarkt
.80
.67 .07 .52 Grawe et al. (1994), Howard & Orlinski (1994), Lutz (2003)
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Was fehlt? Psychotherapie ist Heilbehandlung • Wirksamkeit: Praxisbewährung und Qualitätssicherung • Wirtschaftlichkeit: Kosten-Nutzen-Verhältnis • Unbedenklichkeit: Risiken und Nebenwirkungen
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Überblick • • • • •
Psychotherapie ist generell unwirksam Psychotherapie kann nur Gutes tun Arten von Risiken und Nebenwirkungen Menschliche Urteilsbildung und Psychotherapie Was tun?
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Psychotherapie kann nur Gutes tun
Neue Zürcher Zeitung
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„The deterioration effect“
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A. Bergin (1966) als „Entdecker“ negativer Psychotherapiewirkungen Therapeutische Veränderung
•
•
• •
Analyse der Mittelwerte und Streuungen in Psychotherapiestudien Schematische Verteilung der „Kriterienwerte“ In ca. 10% aller Fälle Verschlechterungen Argument für die Wirksamkeit von Psychotherapie
Spontane Veränderung Mittelwert
Mittelwert
Keine Veränderung
Verschlechterung
Prä
Post Kontrollgruppe
Therapiegruppe
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Fehlende Fachliteratur
Literaturrecherche: Englisch, Deutsch (2003) PsycINFO
Medline
Pubmed
(1887-2002)
(1960-2002)
(1960-2002)
31
11
11
2
1
2
2
1
1
0
0
0
44
13
13
9
3
5
& Psyndex
Risk & Psychotherapy Risk & Behavior Therapy Side effects & Psychotherapy Side effects & Behavior Therapy Failure & Psychotherapy Failure & Behavior Therapy
Margraf, Verhaltenstherapie, 2003.
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Auch nicht bei Google... Anzahl Treffer Google August 2008)
Verschiedene englische Bezeichnungen für Verhaltenstherapie und kognitive Therapie Deren Kombination mit „negative effects“, „negative outcomes“, „side effects“, „risks“ oder „damage“
5´753´800
5* *3 kurze Meinungsäußerungen, 1 Chronic Fatigue Selbsthilfe, 1 Scientology
Ähnliches Ergebnis in deutscher Sprache (924´000 vs. 2 Treffer)
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J. Margraf & S. Schneider, Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 1, Kapitel 17. Berlin: Springer, 3. Auflage, 2009.
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Steigendes Problembewusstsein (Literatursuche 2015) Zum Vergleich: • Zu Themen wie Depression oder Angst alle zwei Stunden ein neuer Artikel (Peer Review)
16
• Ca. 4380 Artikel, d.h. das 275fache!
• Datenbanken: PsycINFO, Psyndex, Medline, Pubmed • Suchbegriffe (jeweils in Kombination mit „psychotherapy“): „side effects“, „treatment failures“, „therapeutic damage“, „negative effects“ „unwanted effects“, „harmful effects“, „adverse effects“, „adverse outcome“, „negative outcome“, „malpractice“, „risk“ • Sprachen: Englisch und Deutsch © J. Margraf, 2015, Folie 15
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Fehlende Daten durch methodische Artefakte?
Typische Ratingskala zum „Therapieerfolg“: „viel besser oder geheilt“ „ziemlich besser“ „etwas besser“ „unverändert oder verschlechtert“
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❑ ❑ ❑ ❑
3 2 1 0
Clinician´s Global Impression Scale - CGI
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Fehlende Daten durch differentielle Bewertung? • Gedankenexperiment: – Medikament mit 80% Erfolgsquote – 3% gravierende Nebenwirkungen – Zulassung sinnvoll bzw. möglich?
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Guter Wille reicht nicht... Zwei Beispiele:
1
Psychologisches Debriefing
2
Ambulante RoutineKinderpsychotherapie
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Beispiel 1: Psychological Debriefing
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• J. Mitchell (1983): Critical incident stress debriefing (CISD) – Ziel: emotionale Verarbeitung traumatischer Erfahrungen – Begeisterte Aufnahme, viele Modifikationen
• A. Dyregrov (1989): Psychological debriefing (PD) – Sammelbegriff für psychologische Nothilfe
© J. Margraf, 2015, Folie 19
Durchführung, Inhalte und Ziele des Debriefings • Möglichst 48 - 72 Std. nach Trauma • Meist Gruppensetting • 2 geschulte Leiter • 1 - 3 Stunden
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• Einführung • Fakten • Gedanken und Impressionen • Emotionale Reaktionen • Normalisierung • Zukunftsplanung • Loskopplung
§ Verringern von akuter Belastung durch das Trauma § Vorbeugung negativer Langzeiteffekte bzw. PTB © J. Margraf, 2015, Folie 20
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Achtung Nothilfe! Prävention durch Debriefing? 3-Jahres-Katamnese einer kontrollierten klinischen Studie bei Unfallopfern
Mit Debriefing
Ohne Debriefing
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Metaanalyse zum Debriefing: Methoden
Mayou, Ehlers & Hobbs 2000
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• Alle Primärstudien mit folgenden Einschlusskriterien: – Probanden erlebten Trauma nach DSM-IV-Definition – Kontrollgruppe mit gleicher Art von Traumatisierung – Kurze Intervention im ersten Monat nach Trauma – Gespräch über das Erleben des Traumas und Normalisierung emotionaler Reaktionen – Einzel- und Gruppensetting
• 15 Studien erfüllten Einschlusskriterien • Effektstärken (Hedges g) für PTB-Symptome unmittelbar, kurz- und mittelfristig © J. Margraf, 2015, Folie 22
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Mitte, Steil & Nachtigall. (im Druck)
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Effekte des Debriefing: Meta-Analyse publizierter Studien Effektstärke (Hedges‘ g) 0.5
0.38
0.4 0.3 0.2 0.1
0.01
0 - 0.1 - 0.2
- 0.16
- 0.3 Unmittelbar (<1 Monat)
Kurzfristig (1-3 Monate)
Mittelfristig (>6 Monate)
© J. Margraf, 2015, Folie 23
Beispiel 2: Routine-Kinderpsychotherapie
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• Wie wirkt Routine-Kinderpsychotherapie in ambulanten Einrichtungen? • 132 Kinder: 60 % weiblich, 10 Jahre • Behandlung wurde Familien über Schule angeboten • Symptomatik: – Angst/Depression, aggressives Verhalten, Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsproblematik, Somatische Beschwerden © J. Margraf, 2015, Folie 24
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Weiss et al. (1999/ 2000)
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Routine-Kinderpsychotherapie • Therapiesetting und durchschnittliche Sitzungszahl – Einzeltherapie (60) – Gruppentherapie (4) – Elterntraining (19) – Lehrergespräche (13)
• Therapieart – v.a. Psychodynamisch-Humanistische Verfahren
• Vergleich mit „academic tutoring“ (M=53 Sitzungen) Weiss et al. (1999/ 2000)
© J. Margraf, 2015, Folie 25
Wirksamkeit von RoutineKinderpsychotherapie
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Effektstärke
0,8 mittel 0,5 klein 0,2
Eltern Lehrer
0,0
Selbst
-0,2
Peers
klein -0,5 mittel -0,8
© J. Margraf, 2015, Folie 26
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Individuelle Hauptsymptomatik
Emotionale Probleme
Aggression + Aufmerksamkeit Weiss, Catron, Harris & Tam (1999)
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Psychotherapie kann auch schaden • Einige mögliche Gründe für negative Effekte in diesem Beispiel – keine Selbstselektion – z.T. keine ausgebildeten Psychotherapeuten – keine empirisch validierten Psychotherapien
© J. Margraf, 2015, Folie 27
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Fehlversorgung als Routinefall? • Behandlung kindlicher Aufmerksamkeits-/ Hyperaktivitätsstörungen (ADHD, Lauth et al.): – Befragung aller 795 zugelassenen Kinderpsychotherapeuten in Nordrhein-Westfalen (Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychiater) – Therapie entsprechend der geltenden Leitlinien nur bei kleiner Minderheit: ➜ Je nach enger bzw. weiter Auslegung 58-64 von 795 Therapeuten = 7,3 % - 8,1 % !
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Lauth et al., persönliche Mitteilung
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Jenseits der Psychotherapie: Evidenzbasiertheit in der Medizin
Alle stationär und ambulant erbrachten medizinischen Dienstleistungen 51% ohne wissenschaftliche Evidenz
45% beruhen auf einfacherer Evidenz 4% beruhen auf belastbarer Evidenz © J. Margraf, 2015, Folie 29
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Überblick • • • • •
Psychotherapie ist generell unwirksam Psychotherapie kann nur Gutes tun Arten von Risiken und Nebenwirkungen Menschliche Urteilsbildung und Psychotherapie Was tun?
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Nebenwirkungen und Risiken: Ein Vorschlag zur Systematik
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➊ Erfolglosigkeit oder Nebenwirkung angemessener Therapie
➋ Schädigung durch Behandlungsfehler
➌ Schädigung durch unethisches Verhalten Hoffmann, S.O. (2002)
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1. Erfolglosigkeit oder Nebenwirkung angemessener Therapie
• Begleiterscheinungen der Störung an sich, die auch beim besten Verlauf nicht zu vermeiden sind (z.B. Stimmungstiefs, Angstzustände) • Aversive Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung, die nicht zu umgehen sind (z.B. Angst bei Konfrontationstherapien) • Keine 100% Erfolgsquote bei Psychotherapie – Demoralisierung – Suizidalität
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Effektstärken in der psychosomatischen Rehabilitation
3113 Patienten (BfA, LVA Rheinland-Pfalz, LVA Westfalen), 105 Kliniken/Abteilungen, 6 Monats-Katamnese per Fragebogen, Rücklaufquote 46.6%
Effektstärke
1,0 gross 0,8 mittel 0,5 0.45
klein 0,2
0.38 0.28
0,0
SCLSomatisierung
SCLAngst
SCLDepression (Koch & Schulz 2003)
© J. Margraf, 2015, Folie 33
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Was geschieht wirklich? Repräsentativstudie 1
Behandlungsarten für Angst in Deutschland (Behandlungsrate insgesamt nur 40%, N=3000) 0
20
40
Stationär
%
20.8 18.5
Psychotherapie
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100
84.6
Beratung
© J. Margraf, 2015, Folie 34
80
90.4
Medikamente
Andere
60
9.6 Margraf & Poldrack, Z Klin Psychol 2000
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Was geschieht wirklich? Repräsentativstudie 2
Arten von Psychotherapie für Angst in Deutschland (% aller behandelten Fälle) 0
2
4
6
8
Psychodynamisch/GT
%
10.4
10.2
Entspannung/Hypnose
Kog. VT
12
10
1.0
Margraf & Poldrack, Z Klin Psychol 2000
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Was wird abgerechnet? % aller abgerechneten Psychotherapiefälle in Deutschland 0
10
20
30
40
50
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%
58
Psychodynamisch
Kog. VT
60
42
Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung
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2. Schädigung durch Behandlungsfehler • Unangemessene Durchführung (nicht sorgfältig, nicht richtig, nicht zeitgerecht...) • Kann alle Bereiche psychotherapeutischer Tätigkeit betreffen (Diagnostik, Indikation, Therapie) – Rein psychotherapeutischer Art (fehlerhafte Diagnostik, fehlerhafte Therapietechnik) – Organisatorischer Art (z.B. ungenügende Absprache zwischen Behandlern)
© J. Margraf, 2015, Folie 37
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Beispiele für Behandlungsfehler • Partnerprobleme • Psychotische Dekompensation • Unrealistische Therapieziele – („Hollywood-Perspektive“)
• Übernahme/Aufoktroyieren falscher Normen – (immer glücklich, sexuell frei, spontan, kreativ, potent in allen Lebenslagen...)
• Therapie“sucht“ – (ständig neue ,,Kicks“, „TherapieJunkies", ,,Psychokarriere") Ausgaben: $ 234.420.Einnahmen: $ 50.000.© J. Margraf, 2015, Folie 38
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3. Schädigung durch unethisches Verhalten
• Verstoß gegen allgemeine oder spezielle ethische Prinzipien • Sexueller Missbrauch – Prävalenz bei männlichen Therapeuten 6 % (1-14%) – Prävalenz bei weiblichen Therapeuten 2 % (0.2-8%) – Klugheit, Kreativität, Status, Ruhm schützen nicht vor therapeutischem Fehlverhalten (Ausbildner?)
• Bewusste oder fahrlässige Manipulation des Patienten zum Nutzen des Therapeuten – Abhängigkeit, Entmündigung, Bevormundung (Woody-AllenSyndrom: ,,muss erst meinen Therapeuten fragen", lebenslange Therapie)
© J. Margraf, 2015, Folie 39
J. Margraf & S. Schneider, Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 1, Kapitel 17. Berlin: Springer, 3. Auflage, 2009.
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Ausbildner, Lehrtherapeuten und Supervisoren sind nicht besonders geschützt
• Kein ausreichender Schutz durch gute therapeutische und/oder wissenschaftliche Ausbildung – Pope & Bajt (1988): Psychologen, die als besonders kenntnisreich, gut ausgebildet und erfolgreich eingeschätzt wurden, zeigten höhere Rate selbst berichteter sexueller Kontakten – Ähnliche Hinweise gibt es auch für Psychiater und Sozialarbeiter (Gartrell et al. 1986, Gechtman 1989) – Therapeuten mit Lehranalyse oder Eigentherapie hatten signifikant häufiger sexuelle Kontakte mit Patientinnen (Gartrell et al. 1986)
Ø Fachliche Ausbildung per se reicht nicht, unethisches Verhalten muss explizit in Ausbildung thematisiert werden © J. Margraf, 2015, Folie 40
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Kein Thema in der Ausbildung: Sexuelle Anziehung
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• Sexuelle Anziehung gegenüber Patienten wird von 95% (Männer) bzw. 76% (Frauen) aller Therapeuten berichtet • Kaum ein Thema in der Ausbildung: – Gar nicht: – Sehr wenig: – Etwas: – Ausreichend:
55% 24% 12% 9%
Pope et al. 1987, Scholten & Margraf im Druck
© J. Margraf, 2015, Folie 41
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3. Schädigung durch unethisches Verhalten – prominente Beispiele
Sabina Spielrein
Norma Jean Baker – Marilyn Monroe
George Gershwin
Sergej Pankejeff – Der Wolfsmann
© J. Margraf, 2015, Folie 42
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J. Margraf & S. Schneider, Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 1, Kapitel 17. Berlin: Springer, 3. Auflage, 2009.
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„Rhapsody in blue“ als „worst case scenario“ der Psychotherapie
• Seit seinem 25. Lebensjahr hatte G. Gershwin Krampfanfälle und abdominale Beschwerden • Ergebnislose Abklärungen, Verschlimmerung und weitere Beschwerden • Schließlich Psychotherapie (fünf Sitzungen/Woche) • Kopfschmerzen vom Therapeuten als „neurotisch“ eingestuft • Selbst Versuch, die Gabel in´s Ohr zu stecken tiefenpsychologisch gedeutet è „neurotische Depression“ • Mit 36-38 Jahren olfaktorische Halluzinationen mit mangelnder Ansprechbarkeit (z.B. bei Probe zu „Rhapsody in blue“ Geruch von brennendem Müll) • Erst jetzt Vermutung Hirntumor durch Notoperation bestätigt, Gershwin überlebte Operation nicht © J. Margraf, 2015, Folie 43
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Überblick • • • • •
Psychotherapie ist generell unwirksam Psychotherapie kann nur Gutes tun Arten von Risiken und Nebenwirkungen Menschliche Urteilsbildung und Psychotherapie Was tun?
© J. Margraf, 2015, Folie 44
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J. Margraf: Risiken und Nebenwirkungen
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Der Mensch • Sind wir rational oder irrational? • Antwort: Wir sind begrenzt rational • Unsere Kapazität zur Verarbeitung von Informationen ist begrenzt • Wir sind Sinnsucher • Wir verallgemeinern (oft selektiv) • Wir vertrauen unserer Erfahrung
© J. Margraf, 2015, Folie 45
Ist doch klar!? Menschliche Urteilsbildung
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Psychotherapie als wissenschaftlich begründetes Handeln
Drei Standbeine:
Alltagserfahrung
Berufserfahrung
Wissenschaft
§ Verschiedene Funktionen der Standbeine, nicht gegeneinander austauschbar § Häufig Überbetonung individueller Erfahrung Sind Psychotherapeuten (und Wissenschaftler) durch Erfahrung, Ausbildung oder Lehrtherapie besonders objektiv? Kaminski 1971, Baumann 2000
© J. Margraf, 2015, Folie 47
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Verzerrungen und Selbsttäuschungen auch bei Psychotherapeuten?
Studien mit Psychiatern, Psychologen, Studenten § Film: „Bewerbungsgespräch“ vs. „Therapiesitzung“ attraktiv, ordentlich aufrichtig, realistisch innovativ
angespannt, defensiv abhängig, unrealistisch verleugnend, passiv-aggressiv
§ Problemfreies Tonband und „anerkannte Autorität“ neurotisch/psychotisch vs. gesund vs. Bewerbungsgespräch Deutlicher Einfluß der „Autorität“
➨ Allgemein: ausgebildete Kliniker stärker beeinflussbar! © J. Margraf, 2015, Folie 48
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Rosenthal und Seligman 1992
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Psychologen und Psychotherapeuten • Sind Menschen è Stärken und Schwächen menschlicher Informationsverarbeitung – Rasche Hypothesenbildung è Gefahr der „Bestätigungsdiagnostik“ – Überschätzung bestätigender Fakten, Abwertung widersprechender Fakten – Überbetonung individueller Erfahrung – Simple Heuristiken, z.B. „mehr = besser“ “Most clinical psychologists select their methods like kids make choices in a candy store: They look around, maybe sample a bit, and choose what they like, whatever feels good to them.” (Walter Mischel)
© J. Margraf, 2015, Folie 49
Mischel, W. (2008). Connecting clinical practice to scientific progress. Psychological Science in the Public Interest, 9, i-ii.
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Aus Erfahrung lernen? • Subjektives Signifikanzniveau im Alltag: 20-30%
© J. Margraf, 2015, Folie 50
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Erfahrung reicht nicht! • Hippocrates: Größter Feind des Arztes sind seine Erfahrungen • Das Beispiel des Uri Geller
© J. Margraf, 2015, Folie 51
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Wissen allein reicht nicht! • Wissen ist notwendig, aber nicht hinreichend für Verhaltensänderung! • Das Beispiel gesunder Lebensstil: – Kernelemente des gesunden Lebensstils sind der deutschen Bevölkerung wohlbekannt • • • • •
Regelmäßige körperliche Aktivität Nicht rauchen Gesunde Ernährung Psychosoziales Wohlbefinden Saubere Umwelt
– Aber nur 20-30% der Deutschen verhalten sich danach, d.h. 70-80% haben Defizite! © J. Margraf, 2015, Folie 52
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Unsere Besonderheiten berücksichtigen • Klinische Arbeitsbedingungen schränken Erfahrungslernen ein und begünstigen „selbsterfüllende Prophezeiungen“ (z.B. mangelnde Rückmeldung über Ergebnisse) • Abhilfe: – Kumulation von Wissen über Individuen hinweg (Wissenschaft) – Berücksichtigung unserer Eigenarten – prozedurale Hilfsmittel (vgl. Luftfahrt: Checklisten + Manuale)
• Wissenschaftlich fundierte Ausbildung verbessert Einschätzungen – der Bedeutung und Akzeptanz evidenzbasierter Interventionen – von Patienten, Kollegen und sich selbst
© J. Margraf, 2015, Folie 53
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Ein Beispiel: Prozedurale Hilfsmittel
© J. Margraf, 2015, Folie 54
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Checklisten verringern Fehldiagnosen • 477 Psychotherapeuten beurteilten 3 Falldarstellungen – Borderline – Depression – Generalisierte Angststörung
• Zufallszuweisung: – mit Checkliste – ohne Checkliste
• Zieldiagnosen korrekt erkannt (>80%), kein Geschlechtseffekt • Mit einfacher Checkliste deutlich weniger Fehldiagnosen
% Fehldiagnosen 50
Ohne Checkliste
40
30
20
41
38 29
Mit Checkliste 16
15 11
10
0
Depression GAS
© J. Margraf, 2015, Folie 55
Borderline
Cwik, Lemke, Papen & Margraf, in Vorbereitung
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Überblick • • • • •
Psychotherapie ist generell unwirksam Psychotherapie kann nur Gutes tun Arten von Risiken und Nebenwirkungen Menschliche Urteilsbildung und Psychotherapie Was tun?
© J. Margraf, 2015, Folie 56
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Die ältesten Vorschriften über die ärztliche Haftung
• Altbabylonische Gesetze des Hammurabi (1793-1750 vor Chr.)
• Unmittelbar nach Körperverletzung werden Gebühren und Verantwortlichkeit der Ärzte geregelt • „§ 218: Wenn ein Arzt einem Bürger eine schwere Wunde mit einem Operationsmesser beibringt und den Tod des Bürgers herbeiführt, oder wenn er eine Schläfe des Bürgers mit einem Operationsmesser öffnet und das Auge des Bürgers zerstört, so soll man ihm eine Hand abschneiden.“ (vermutlich Staroperation gemeint)
• Erfolgshaftung - weder Sorgfaltswidrigkeit noch Verschulden als Voraussetzung für Strafe © J. Margraf, 2015, Folie 57
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Jay Haley 1969: The art of being a failure as a therapist
Too much emphasis has been placed upon how to be successful as a therapist and too little has been written about how to fail. Twelve steps for failing in psychotherapy are described within the proper ideological framework, and it is argued that any therapist can achieve this end with proper training.
© J. Margraf, 2015, Folie 58
Psychosomatik, Uni-Spital Basel
Haley, J. American Journal of Orthopsychiatry, 1969, 39 (4), 691-695.
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Twelve steps for failing... (1) 1. The central pathway to failure is based upon a nucleus of ideas which, if used in combination, make success as a failure almost inevitable. 2. It is particularly important to confuse diagnosis and therapy. 3. Put the emphasis upon a single method of treatment no matter how diverse the problems which enter the office. 4. Have no theory, or an ambiguous and untestable one, of what a therapist should do to bring about therapeutic change. 5. Insist that only years of therapy will really change a patient. 6. As a further step to restrain patients who might spontaneously improve, it is important to offer warnings about the fragile nature of people and insist they might suffer psychotic breaks or turn to drink if they improve. © J. Margraf, 2015, Folie 59
Haley, J. American Journal of Orthopsychiatry, 1969, 39 (4), 691-695.
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Twelve steps for failing... (2) 7. As a further step to restrain patients who might spontaneously improve, the therapist should focus upon the patient’s past. 8. As yet another step with that aim, the therapist should interpret what is most unsavory about the patient to arouse his guilt so that he will remain in treatment to resolve the guilt. 9. Perhaps the most important rule is to ignore the real world that patients live in and publicize the vital importance of their infancy, inner dynamics, and fantasy life. 10. Avoid the poor because they will insist upon results and cannot be distracted with insightful conversations. 11. A continuing refusal to define the goals of therapy is essential. 12. Finally, it cannot be emphasized enough that it is absolutely necessary to avoid evaluating the results of therapy. © J. Margraf, 2015, Folie 60
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Was tun (1)? • Sorgfältige Dokumentation in Psychotherapie-Studien – Als Butler und Zelen (1977) vorschlugen, das Problem intimer Beziehungen zwischen Therapeuten und Patienten zu untersuchen, wurden sie mit dem Ausschluss aus ihrer Fachorganisation bedroht
• Einrichtung von Melderegistern – – – – –
Critical Incident Reporting System Auf Wunsch anonym Hilfsangebot Kumulative Datenbank Rückmeldeschleife
© J. Margraf, 2015, Folie 61
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Ψ
FAKULTÄT FÜR PSYCHOLOGIE Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie
© J. Margraf, 2015, Folie 62
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© J. Margraf, 2015, Folie 63
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© J. Margraf, 2015, Folie 64
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Was tun (2)? • Selbstkontrolle der Therapeuten – Professionelle Haltung – Reflektion eigener Motive/Verhaltens – Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken
• Zulassungsverfahren für Psychotherapien • Leitlinien und Richtlinien • Kontinuierliche Supervision und Fortbildung
© J. Margraf, 2015, Folie 65
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Ein Frühwarnsystem für Grenzüberschreitungen • Exploitation Index • Beispielitems:
– Erzählen Sie Patienten Persönliches über sich selbst, um sie zu beeindrucken? – Sind Sie stolz darauf, dass so eine attraktive, wohlhabende, mächtige oder wichtige Patientin Ihre Hilfe sucht? – Erzählen Sie sensationelle Aspekte aus dem Leben Ihres Patienten weiter (auch wenn Sie die Identität des Patienten nicht preisgeben)? – Akzeptieren Sie Geschenke oder Vermächtnisse von Patienten? – Haben Sie sich an irgendwelchen Aktivitäten des Patienten beteiligt, mit denen eine dritte Partei getäuscht oder betrogen wurde (z.B. Versicherung)? – Machen Sie Ausnahmen für Patienten wie etwa spezielle Terminabsprachen oder niedrigere Honorare, weil Sie die Patientin attraktiv, anziehend oder beeindruckend finden? © J. Margraf, 2015, Folie 66
Psychosomatik, Uni-Spital Basel
Epstein RS, Simon RI. (1990). The Exploitation Index: an early warning indicator of boundary violations in psychotherapy. Bull Menninger Clin, 54, 450-465.
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Die schiefe Bahn
© J. Margraf, 2015, Folie 67
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Was tun (3)? • Sorgfältige Aufklärung der Patienten – „Informed consent“ – Patienten als aufgeklärte Verbraucher
• Adäquate gesetzliche Regelung für Ausbildung und Ausübung von Psychotherapie – Berufskammern – Ehrengerichte – Schiedsstellen etc.
• Vorsicht bei Problemlösungen im Stile von „mehr desselben“ • Empirie statt Ideologie © J. Margraf, 2015, Folie 68
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Wohin in Zukunft? • Trotz großer Möglichkeiten zeigt Versorgungsforschung erhebliche Probleme der psychotherapeutischen Versorgung • Guter Wille reicht nicht – Machbares machen – Risiken beachten – Evidenzbasierte Praxis
© J. Margraf, 2015, Folie 69 • © J. Margraf, Folie 69
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„Evidence-Based Practice“ (Modifiziert nach Roth & Fonaghy 1996)
Innovative Praxis
Psychopathologische Forschung
Evaluation von Fallserien
Professioneller Konsens Psychotherapieforschung
informiert
KonsensusKonferenzen
Aus-, Fort- und Weiterbildung
zeigt Lücken
Leitlinien
Klinisches Urteil
Klinische Praxis
Qualitätskontrolle
Evidenzbasierte Praxis o inf
informiert
Theorieentwicklung
rm
Verbesserte Versorgung
t ier
ErgebnisBenchmarks
© J. Margraf, 2015, Folie 70
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„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie das Informationsblatt und fragen Sie Ihren Psychotherapeuten“ Information für Patienten __________________________________________
Verhaltenstherapie® __________________________________________ ■ Was ist Verhaltenstherapie und wie wird sie angewendet? Verhaltenstherapie gehört zur Gruppe der psychotherapeutischen Verfahren, die auf der empirischen Psychologie aufbauen. Es handelt sich um einen bewußten und geplanten interaktionellen Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal, aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens. In der Regel ist dazu eine tragfähige emotionalen Bindung notwendig. __________________________________________ ■ Wann darf Verhaltenstherapie nicht angewendet werden? Bei fehlender oder unklarer Therapieindikation, fehlender Therapiemotivation oder mangelnder Aussicht auf Erfolg darf Verhaltenstherapie nicht oder nur unter größter Vorsicht und nach klarer Information des Patienten/der Patientin angewendet werden.
_________________________________________ ■ Welche Nebenwirkungen kann Verhaltenstherapie haben? Verhaltenstherapie ist im allgemeinen gut verträglich. Dennoch sind vereinzelt die folgenden Probleme beobachtet worden: Erfolglosigkeit oder unangenehme Begleiterscheinungen angemessener Therapie • Begleiterscheinungen der Störung an sich, die auch beim besten Verlauf nicht zu vermeiden sind (z.B. Stimmungstiefs, Angstzustände) • Aversive Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung, die nicht zu umgehen sind (z.B. Angst bei Konfrontationstherapien) • Keine 100% Erfolgsquote bei Psychotherapie Schädigung durch Behandlungsfehler • Unangemessene Behandlung (nicht sorgfältig, nicht richtig, nicht zeitgerecht) • Falsche Diagnostik, Auswahl des Behandlungsverfahrens, Therapie, Nachsorge, Prävention • Fehlerhafte Organisation (z.B. ungenügende Absprache zwischen Psychotherapeuten) Schädigung durch unethisches Verhalten • Sexueller Missbrauch • Bewusste oder fahrlässige Manipulation des Patienten zum Nutzen des Therapeuten
__________________________________________ ■ Darf Verhaltenstherapie während einer Schwangerschaft angewendet werden? Es sind keine negativen Auswirkungen auf Schwangerschaft oder Geburt festgestellt worden. Dennoch gelten auch hier die allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen. In jedem Fall sollten Sie ihren Verhaltenstherapeuten/Ihre Verhaltenstherapeutin über Ihre Schwangerschaft informieren. __________________________________________ ■ Wann ist bei der Anwendung Vorsicht geboten? Wenn die Begründung der gewählten Therapie nicht klar erläutert wurde, Therapieziele nicht explizit vereinbart wurden, Uneinigkeit über den Verlauf der Behandlung besteht oder die therapeutische Beziehung beeinträchtigt ist, ist Vorsicht geboten. Vorsicht ist weiterhin geboten, wenn es zu (plötzlichen) Verschlechterungen des Befindens kommt oder trotz hinreichender Therapiedauer keine Besserung eintritt. __________________________________________ ■ Wie wirkt Verhaltenstherapie? Die Wirkungen von Verhaltenstherapie beruhen auf spezifischen und unspezifischen Prozessen, die zudem je nach Art der behandelten Problematik unterschiedlicher Natur sein können. Auch wenn heute noch nicht alle beteiligten Wirkvariablen und deren Interaktionen geklärt sind, so besteht doch weitgehend Einigkeit darüber, dass
„Überweisung ist eine der besten therapeutischen Techniken“ (A. Lazarus) Uni X
© J. Margraf, 2015, Folie 71
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© J. Margraf, 2015, Folie 72
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• Fehler
• Handlung
• Fehlerprä • vention
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• Negative Konse• quenzen • Fehlermanage• ment
• Fehlermanagement: Sinnvoller Umgehen mit Fehlern, • mit den Zielen ... • negative Effekte nicht aufkommen zu lassen • Folgefehler zu vermeiden (Fehlerkaskaden) • Diesen Fehler in Zukunft zu vermeiden (oder zumindest die eigene Fehlerhaftigkeit in diesem Bereich zu kennen) • Schnelles Umgehen mit Fehlern und dessen negativer Folgen (schnelle Entdeckung, schnelle Korrektur) • Moeglichst positive Konsequenzen zu maximieren © J. Margraf, 2015, Folie 73
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Psychologen und Psychotherapeuten • Sind Menschen è Stärken und Schwächen menschlicher Informationsverarbeitung – Rasche Hypothesenbildung è Gefahr der „Bestätigungsdiagnostik“ – Überbetonung individueller Erfahrung – Simple Heuristiken, z.B. „mehr = besser“ “Most clinical psychologists select their methods like kids make choices in a candy store: They look around, maybe sample a bit, and choose what they like, whatever feels good to them.” (Walter Mischel)
© J. Margraf, 2015, Folie 74
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Mischel, W. (2008). Connecting clinical practice to scientific progress. Psychological Science in the Public Interest, 9, i-ii.
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Fachliteratur?
© J. Margraf, 2015, Folie 75
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Verzerrungen, Selbsttäuschungen und Psychotherapie
• Psychotherapeuten unterliegen (trotz Ausbildung, Selbsterfahrung, Supervision) den allgemeinen Mechanismen der menschlichen Urteilsbildung • Menschliche Fehler bei klinischer Urteilsbildung sind u.a.: – – – –
Vernachlässigung von Basisraten Verwendung unangemessener Heuristiken Überschätzung bestätigender Fakten Abwertung widersprechender Fakten
• Klinische Arbeitsbedingungen schränken Erfahrungslernen ein und begünstigen „selbsterfüllende Prophezeiungen“ (z.B. mangelnde Rückmeldung über Ergebnisse)
© J. Margraf, 2015, Folie 76
Psychosomatik, Uni-Spital Basel
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Verzerrungen, Selbsttäuschungen und Psychotherapie
• Klinische Psychologen und Psychotherapeuten unterliegen (trotz Ausbildung, Selbsterfahrung, Supervision) den allgemeinen Mechanismen der menschlichen Urteilsbildung • Menschliche Fehler bei klinischer Urteilsbildung sind u.a.: – – – –
Vernachlässigung von Basisraten Verwendung unangemessener Heuristiken Überschätzung bestätigender Fakten Abwertung widersprechender Fakten
• Klinische Arbeitsbedingungen schränken Erfahrungslernen ein und begünstigen „selbsterfüllende Prophezeiungen“ (z.B. mangelnde Rückmeldung über Ergebnisse)
Deshalb brauchen wir Wissenschaft und wissenschaftlich begründete Prozeduren © J. Margraf, 2015, Folie 77
Psychosomatik, Uni-Spital Basel
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