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agcs.momentum – Ausgabe März 2016
Gefahr auf dem Teller. Salmonellen in Weizenmehl aus Deutschland, Glasfragmente in Nudeln aus Italien, Aflatoxine in Erdnüssen aus Brasilien. Was so unappetitlich, ja gefährlich klingt, gehört zum Alltag der Herstellung von Nahrungsmitteln. Dafür, dass Produkte wie diese nicht auf den Tisch kommen, sorgen öffentliche Warnungen und, wenn nötig, Rückrufaktionen. Die Lebensmittelbranche sieht sich hier mit einem wachsenden Risiko konfrontiert, meint Saskia Janoske, Product Manager bei UW Liability der AGCS in Deutschland. Warnungen vor gesundheitsschädigenden Lebensmitteln nehmen weltweit zu Die genannten Fälle sind jüngste Beispiele für Warnmeldungen im Europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed), die das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf seiner Website veröffentlicht1. Solche „Alerts“ (Warnungen) zu in Europa produzierten oder hierhin eingeführten Lebensmitteln werden von demjenigen Land an das Netzwerk gemeldet, in welchem ein produktbezogenes Risiko festgestellt wurde. Befindet sich die betroffene Ware bereits beim Verbraucher, wird eine entsprechende öffentliche Warnung, zum Beispiel in Form einer Pressemitteilung, durch den Hersteller, Importeur, Händler oder die zuständige oberste Landesbehörde veranlasst. Die Zahl der Warnungen vor Lebensmitteln, von denen ein Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeht, ist von 2012 bis 2015 um rund 43% gestiegen. Im vergangenen Jahr verzeichnete das RASFF 750 Warnungen, im Schnitt also 2 pro Tag2.
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http://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/01_Aufgaben/04_Schnellwarnsystem/00_ueberblick/lm_schnellwarnsysteme_ueb erblick_node.html 2
Preliminary Annual Report 2015 des Rapid Alert System for Food and Feed, S. 8. http://ec.europa.eu/food/safety/docs/rasff_annual_report_2015_preliminary.pdf
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Abb 1. Beispiele von Lebensmittelwarnungen in 2014, die mehrere Länder betrafen: Tropan-Alkaloide in Bio Babynahrung aus Deutschland, Zu viele Vitamine in Nahrungsergänzungsmitteln aus den USA, Listeria 3 monocytogenes-Bakterium in Enoki-Pilzen aus Südkorea (RASFF 2014 Annual Report ).
Öffentliche Warnungen in Deutschland werden von den Bundesländern seit Ende 2011 auf www.lebensmittelwarnung.de erfasst. Laut jüngster Statistik wurden 2015 100 Warnungen vor Lebensmitteln ausgesprochen, seit Anfang 2016 sind es bereits 124.
* Stand 22.02.2016
Abb. 2: Anzahl der veröffentlichten Warnungen in Deutschland, zur Verfügung gestellt von der Pressestelle des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Auch in den USA, so eine Studie der Swiss Re aus dem Jahr 2015, ist die Zahl der Rückrufe im Lebensmittelsektor seit 2002 stetig gestiegen.5
Abb. 3: Anzahl der Rückrufe in den USA (Food safety in a globalised world, Swiss Re, 2015, S. 9)
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http://ec.europa.eu/food/safety/rasff/docs/rasff_annual_report_2014_infograph_en.pdf
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Kleinere regionale Rückrufe werden dort nicht publiziert und auch Rücknahmen innerhalb der Warenkette (stille Rückrufe) werden nicht statistisch erfasst, daher ist es keine hundertprozentig genaue Statistik. 5 Food safety in a globalised world, Swiss Re, 2015, S. 9 http://media.swissre.com/documents/Food_safety_in_a_globalised_world_final.pdf
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Neue Herausforderungen für die Lebensmittelbranche Wie in anderen Branchen auch sind die Lieferketten in der Lebensmittelindustrie weit verzweigt. Noch vor wenigen Jahren wurden Lebensmittel-Zutaten fast ausschließlich regional bezogen – heute lassen viele Hersteller in anderen Ländern, etwa in China, produzieren bzw. kaufen dort ihre Zutaten ein. Die Wertschöpfungskette ist globaler und damit auch fehleranfälliger geworden. Gleichzeitig wächst in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Sicherheit von Lebensmitteln, und das weltweit. Das Anwachsen der Mittelschichten in den aufstrebenden Märkten führt ebenso zu erhöhten Ansprüchen auf Seiten der Verbraucher wie der steigende Altersdurchschnitt und die Zunahme an Allergien in den wohlhabenderen Gesellschaften6. Die Interessen der Verbraucher vertreten unter anderem NGOs, die unabhängige Institute mit Untersuchungen von Lebensmitteln beauftragen und die Ergebnisse an die Öffentlichkeit bringen. Spektakuläre, von den Medien aufgegriffene Lebensmittelskandale rufen den Staat auf den Plan: Immer schärfer wird inzwischen gegen Verstöße vorgegangen – auch in Ländern, in denen die Sicherheitsstandards lange Zeit als eher niedrig galten. In China etwa trat im Oktober 2015 ein reformiertes Lebensmittelsicherheitsgesetz in Kraft, das den Kreis potentieller Haftungsadressaten erheblich ausweitete. Kürzlich forderte Ministerpräsident Li Keqiang noch einmal „Null-Toleranz" und strenge Strafen bei Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheitsgesetze.7 Neben technischen und menschlichen Fehlern, die Ursachen von unsicheren Lebensmitteln sein können, ist die Lebensmittelindustrie zudem mit dem Risiko der mutwilligen Produktmanipulation, zum Teil in Verbindung mit Produkterpressung konfrontiert. Manipulierte Produkte müssen schnellstmöglich identifiziert und, notfalls ebenfalls per Rückruf, aus dem Verkehr gezogen werden. Ob gesundheitsgefährdende Mängel an Lebensmitteln nun unbeabsichtigt oder böswillig beigebracht werden, ob die Produkte daraufhin „freiwillig“ vom Hersteller oder von Behörden zurückgerufen werden oder ob staatlicherseits ein Verbot für das Inverkehrbringen des betroffenen Lebensmittels verhängt wird - die Folgen für die Unternehmen sind immer dieselben: Es fallen Kosten für den Rückruf an, oft in mehreren Ländern. Zum anderen büßt das Unternehmen möglicherweise an Image ein, infolge dessen sich Verbraucher vom betroffenen Produkt oder der Marke (zeitweise oder ganz) abwenden, was dann zu Gewinnverlust führt - der existenzbedrohende Ausmaße annehmen kann. Ob es sich um kleine Firmen oder Großkonzerne handelt – dass es jedes Unternehmen der Lebensmittelbranche treffen kann, haben erst jüngste Ereignisse gezeigt. Wie können Hersteller vorsorgen? Das Wissen darum, wie fragil der gute Ruf gerade in der Lebensmittelbranche ist und welche Folgekosten ein Reputationsverlust mit sich bringen kann, hat die Nachfrage nach Produktschutzversicherungen (siehe unten) im letzten Jahrzehnt stark ansteigen lassen. Neben einem umfassenden, möglichst weltweit geltenden Versicherungsschutz wünschen sich die Unternehmen in einem solchen Krisenfall praktische Hilfe durch einen Profi. 6 7
Food safety in a globalised world, Swiss Re, 2015, S. 23 Radio China International, siehe http://german.china.org.cn/txt/2016-01/29/content_37694849.htm
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Einer der weltweit führenden Anbieter für Unterstützung im Krisenfall ist red24, dessen Dienste Allianz Global Corporate & Specialty SE (AGCS) seit Mitte 2015 ihren Kunden anbietet. Die Beratung beginnt mit einer Vorbereitung auf mögliche Rückrufaktionen: Die internen Prozesse müssen vorher geklärt sein, unter anderem in Form von Krisenplänen und einer Simulation von Rückrufszenarien. „Wir können dabei unterstützen, dass das Krisenmanagement konzernweit gleich aufgebaut ist, sodass im Notfall klar geregelt ist, wer was zu tun hat“, erklärt Simon Weaver, Manager von red24. Denn schnelles, professionelles Reagieren ist das A und O, ist ein risikobehaftetes Lebensmittel erst einmal in Umlauf gekommen. Das Testen der Produkte bzw. die Suche nach der Fehlerquelle kann mehrere Wochen dauern. Doch will und muss die Öffentlichkeit über die mögliche Gefahr rasch informiert und das Produkt zurückgerufen werden - eine echte Herausforderung, wenn gleich mehrere Länder betroffen sind. Ein international aufgestellter Krisenberater leistet hier wertvolle Dienste. Für die Abdeckung der finanziellen Folgen eines Rückrufs, eines behördlichen Verkaufsverbots, einer negativen Berichterstattung und einer Produktmanipulation bietet sich die Produktschutzversicherung an. Voraussetzung: Das jeweilige Lebensmittel ist nicht „sicher“, d.h. gesundheitsschädlich oder für den Verzehr ungeeignet. Der Deckungsschutz gilt für Eigen- wie für Drittschäden, z.B. für Benachrichtigungs-, Transport-, Lagerungs- und Vernichtungskosten. Im Unterschied zur Rückrufkostenversicherung (GDV Modell) ist der versicherte Kostenkatalog bei der Produktschutzversicherung wesentlich umfangreicher. So sind z.B. Analysekosten (einschließlich chemischer Analysen), umsonst aufgewandte Regalplatzgebühren, Kosten für Überstunden und zusätzliches Personal, sogenannte Supermarktpauschalen, automatisch mitversichert. Darüber hinaus bekommt der Versicherungsnehmer die Kosten für die Beratung durch red24 (im Krisenfall und auch präventiv) erstattet, ebenso die Kosten für die Neu – und Wiederherstellung der Produkte sowie für den entgangenen Verkaufserlös. Führt der Imageverlust für das Produkt, die Produktgruppe oder Marke zu einem Umsatzrückgang, sind auch der damit verbundene Betriebsgewinn und die fortlaufenden Kosten versichert. Ist es notwendig, den Weiterverkauf der betroffenen Produkte im Markt durch spezielle Vertriebsmaßnahmen zu unterstützen oder muss gar ein Ersatzprodukt im Markt eingeführt werden, sind die anfallenden Kosten für die entsprechenden Werbemaßnahmen abgedeckt. Dieses Deckungsspektrum bietet AGCS nicht nur Unternehmen der Lebensmittel-, Getränkeund Kosmetikindustrie. Hersteller von Haushalts- und Unterhaltungselektronik profitieren von einem speziell auf ihre Branchen zugeschnittenen Konzept.
Unsere Expertin Saskia Janoske ist Senior Product Manager bei AGCS Product Development Liability Central & Eastern Europe. Die Volljuristin, seit dem Jahr 2000 bei der Allianz, ist mit der Entwicklung und Pflege lokaler Haftpflichtprodukte betraut, unterstützt beim Underwriting und verhandelt abgestimmte Maklerwordings. Einer ihrer fachlichen Schwerpunkte liegt auf dem Bereich Rückruf- und Produktschutzversicherung.
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