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Der Rat, viel zu trinken, bewirkt nächtlichen Harndrang und reduziert die Lebensqualität älterer Menschen
Wer viel trinkt, muss viel zur Toilette! Von Fritz Reinecke
Nykturie ist eine der häufigsten Ursachen von Schlafstörungen und sollte daher abgeklärt und behandelt werden. Bei beiden Geschlechtern nehmen Inzidenz und Schweregrad nach dem 40. Lebensjahr kontinuierlich zu. Eine Nykturie besteht dann, wenn mehr als ein Drittel der 24-Stunden-Urinmenge in der Nacht produziert wird. Als Ursachen denken wir sofort an chronische Herzinsuffizienz, venöse Stauungszustände, Typ-2Diabetes, Einnahme von Diuretika sowie eine größere abendliche Flüssigkeitszufuhr. Darüber hinaus, erklären Experten, kann es zu einer Veränderung des Sekretionsrhythmus des antidiuretischen Hormons (ADH) bzw. einer Störung der ADH-Rezeptorfunktion kommen. Beim Verdacht auf einen ADH-Mangel ist eine Behandlung mit Desmopressin (Minirin) angezeigt. Nicht selten werden auch urologische Ursachen bei ständigem Harndrang und unerträglicher Nykturie vermutet. Zeigt die Urinuntersuchung mit Teststäbchen vermehrt Leuko- oder Erythrozyten, wird häufig erfolglos mit einem Antibiotikum behandelt. Dagegen finde ich bei älteren Frauen eine asymptomatische Bakteriurie mit signifikanter Keimzahl, die einem Harnwegsinfekt entspricht, der trotz Antibiotika persistiert. Die Patientinnen sind aber beschwerdefrei. Ständiger Harndrang bei jüngeren Frauen mit stressbedingter Reizblase verursacht nur tagsüber Beschwerden. Nachts schlafen sie durch. Das spricht gegen das Vorliegen eines Harnwegsinfektes und lässt eine psychosoziale Ursache vermuten. Ähnliche Fehldeutungen des ständigen Harndrangs finde ich bei älteren Männern, wenn die Nykturie mit einer Prostatavergrößerung in Verbindung gebracht wurde. Die altersDr. Reinecke ist niedergelassener Urologe in Hamburg
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bedingte Prostatavergrößerung führt zur Abschwächung des Harnstrahls, aber erst größere Restharnmengen und Symptome einer Überlaufblase bewirken eine Nykturie, die ursächlich auf die Prostatavergrößerung zurückzuführen ist. Eine Prostataoperation ohne Restharnbildung nur wegen Nykturie führt zu keiner Symptomverbesserung. Durch operationsbedingte Nebenwirkungen können sich die Symptome noch verstärken. Eine quälende Nykturie bei restharnfreier Blasenentleerung und nach Ausschluss eines Harnwegsinfektes bei nur geringer Anzahl von Leuko- oder Erythrozyten mittels mikroskopischer Untersuchung (auch wenn der Streifentest häufig schon positiv ist), muss daher eine andere Ursache haben. Das subjektive Empfinden der Betroffenen ist bei Nykturie sehr unterschiedlich. Daher ist es ratsam, das Symptom objektiv darzustellen. So setzt sich der Patient gleichzeitig mit seinen Beschwerden auseinander. Um der eigentlichen Ursache nachzugehen, ist ein Miktionsprotokoll unumgänglich. Primär reagieren Patienten auf die Aufforderung, die 24-Stunden-Urinmenge zu protokollieren, mit Widerwillen. Erst gezielte Fragen – Was heißt für Sie oft? Was verstehen Sie unter ständig? Was bedeutet für Sie viel? – machen nachdenklich. Ein Hinweis auf ein geeignetes Gefäß, das als Messbecher in jedem Haushalt vorhanden ist, ist ebenso hilfreich wie ein vorgedrucktes Miktionsprotokoll mit Angaben der Wochentage und 24 Kästchen für die Stunden des Tages, in die die Urinmenge eingetragen wird. Alle Patienten mit ständigem Harndrang oder Nykturie-Symptom ohne den Nachweis eines Harnwegsinfektes bei restharnfreier Blasenentleerung werden bei mir angehalten, ein Miktionsprotokoll zu führen. Beim Hinweis auf eine normale Blasenkapaziät von 200 ml erlebe ich häufig erstaunte Patienten, die so feststellen, in einer Nacht 1 000 ml Urin produziert zu haben.
Daher müssen sie fünfmal nachts zur Toilette. Sie erwarten mit Recht, wie früher, acht Stunden durchzuschlafen. Die Blasenkapazität lässt sich nicht auf 1 000 ml erhöhen. Also ist es viel leichter, die Urinmenge zu beeinflussen. Sie wird bestimmt durch die Menge an täglich aufgenommener Flüssigkeit. Dass Obst viel Flüssigkeit enthält, wird häufig verkannt. Entscheidend aber ist der geradezu zum Gesundheitsgebot Nr. 1 avancierte Rat, im Alter viel zu trinken. Regelmäßig höre ich von Patienten: „Ich kann es schon nicht mehr hören! Wo ich auch hinkomme: Der Hausarzt betont es, der Dermatologe bei faltiger Haut, der Proktologe bei Stuhlproblemen, der Internist bei verminderter zelebraler Durchblutung, der Urologe bei Harnwegsinfekten usw.“ Das Dilemma: keiner sagt ihnen, was viel ist. Auf Nachfragen höre ich: mindestens zwei bis drei Liter Wasser! Hinzu kommt die Flüssigkeitszufuhr aus der Nahrung. Für mich ist immer wieder verblüffend, wie viele alte Menschen täglich zwei bis drei Liter(!) Urin produzieren. Bei normaler Blasenkapazität von 200 ml sind 10 bis 15 Toilettengänge zwingend erforderlich. Anders ausgedrückt, müssen diese Patienten alle zwei Stunden zur Toilette. Sie kennen beim Einkaufen alle öffentlichen Toiletten, trauen sich nicht mehr ins Kino, geschweige denn ins Theater. Längere Busreisen werden zum Problem. Sie fühlen sich verspottet, weil das häufige Aufsuchen einer Toilette eine altersbedingte Erkrankung darstellt. Ich meine, der gute Rat, im Alter viel zu trinken, sollte immer mit dem Hinweis verbunden sein, dass eine 24-Stunden-Urinmenge von 1 000 bis 1 500 ml ausreichend ist. Alte Menschen müssen dann nur fünf bis sieben Mal zur Toilette und empfinden dies als Besserung eines quälenden Symptoms. Wird die eingelagerte Flüssigkeit im Alter vorrangig im Liegen und nachts ausgeschieden, ist es ebenfalls hilfreich, wenn das ständige Wasserlassen um die Hälfte reduziert wird.