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Oktober 2015
Diagnostic
Update Schilddrüsendiagnostik bei Katzen Die häufigste Schilddrüsenerkrankung der Katze ist die feline Hyperthyreose. Hierbei kommt es zu einer exzessiven und autonomen Sekretion von T4, die nicht mehr der Kontrolle im Regelkreis (Abb.1) unterliegt und multiple Symptome hervorruft. Für die Diagnosestellung bei Patienten mit passenden klinischen Symptomen ist die Bestimmung des TT4 (Gesamt-T4)-Spiegels in den meisten Fällen ausreichend. Die Konzentration von TT4 unterliegt allerdings zahlreichen Einflüssen. Vor allem bestehende nicht thyreoidale Erkrankungen und/oder verschiedene Medikamente (Bsp. Glukokortikoide, Sulfonamide, NSAIDs) können den TT4-Spiegel erniedrigen und die Diagnostik einer Hyperthyreose erschweren. Auch zirkadiane Schwankungen müssen in Betracht gezogen werden. Ätiologie der felinen Hyperthyreose Die Ursachen einer Hyperthyreose sind vielfältig. Bei Katzen resultiert sie am häufigsten aus einer adenomatösen Hyperplasie (Tab. 1). Ätiologie Hyperthyreose 93 – 95 % Adenom (solitär) – 30 % Adenomatöse Hyperplasie (multinodulär, bilateral) – 70 % <2%
Karzinom
3–5%
Ektopes Schilddrüsengewebe
Durch die populär gewordene Verfütterung von Knochen und rohem Fleisch (BARF – „bones and raw foods") oder getrocknetem Schlund (mit Schilddrüsengewebe) ist eine fütterungsbedingte Überfunktion der Schilddrüse prinzipiell auch bei Katzen möglich. Bisherige Fallbeschreibungen gibt es nur von Hunden. Werden entsprechende Nahrungsquellen aus der Diät entfernt, so sinkt der erhöhte TT4-Spiegel ohne weitere Medikation wieder ab. Klinische Symptome Die klinischen Symptome einer Hyperthyreose entstehen durch überhöhte Schilddrüsenhormon-Spiegel. Die meisten Katzen, die eine klassische Schilddrüsenüberfunktion entwickeln, sind mittelalte bis alte Tiere. Bei circa 90 % der betroffenen Katzen ist eine Vergrösserung der Schilddrüse palpierbar. Metabolisch · Gewichtsverlust · Polyphagie · Hyperaktivität · Polyurie/Polydipsie · Hitzeintoleranz Gastrointestinal · Vomitus · Diarrhoe · Kotabsatzfrequenz
Tabelle 1: Ätiologie der felinen Hyperthyreose
Dermatologisch · Ungepflegtes Haarkleid · Alopezie · Exzessives Krallenwachstum
Kardiorespiratorisch · Tachykardie, Arrhythmien · Systolisches Herzgeräusch, Galopprhythmus · Systemische Hypertension · Tachypnoe, Hecheln, Dyspnoe
Tabelle 2: Klininische Symptome bei Hyperthyreose durch erhöhte T4- und T3 -Level
Regelkreis Der Bedarf an Schilddrüsenhormonen wird durch die HypothalamusHypophysen-Schilddrüsen-Achse kontrolliert (Abb 1). Dabei stimulieren übergeordnete, hormonelle Zentren die Synthese und Freisetzung von Hormonen (T4, T3) aus der Schilddrüse. Triiodthyronin (T3), die aktive Form, wird zu einem geringen Teil freigesetzt; der grösste Anteil wird als Tetraiodthyronin (T4, Thyroxin) sezerniert. In der Peripherie sind über 99 % von T4 an Plasmaproteine gebunden. Nur freies T4 (fT4) kann in Zellen eindringen und wird dort in T3 umgewandelt. Dabei dient der proteingebundene Anteil als Vorrat von fT4, dessen Spiegel unter physiologischen Bedingungen strikt kontrolliert wird. Über negative Feedback-Mechanismen können die Kontrollen aufrecht erhalten werden.
Hypothalamus
TRH Adenohypophyse
TSH Schilddrüse
T4
T3
T3
5'-Dejodase
Abb.1: Thyreotroper Regelkreis
Peripherie
Schilddrüsenhormone erhöhen die Metabolisierungsrate zahlreicher Gewebe, sie verstärken die Katecholaminantwort, sind positiv inotrop sowie chronotrop und haben katabole Effekte auf Muskulatur und Fettgewebe. Ausserdem fördern sie ein normales Wachstum und eine physiologische Entwicklung. Bei Hormonüberschuss und entsprechend gesteigertem Metabolismus verlieren betroffene Katzen trotz normaler oder sogar vermehrter Futteraufnahme an Gewicht. Intestinale Hypermotilität und Malassimilation erklären gastrointestinale Symptome, wie Vomitus und Diarrhoe. Circa 50 % der betroffenen Katzen zeigen Polyurie und Polydipsie. Man geht davon aus, dass die gesteigerte glomeruläre Durchblutung den osmotischen Gradienten und somit die Wasserrückresorption im distalen Tubulus und in den Sammelrohren der Niere vermindert. Eine primäre Polydipsie aufgrund von Hypothalamusveränderungen mit sekundärer Polyurie ist ebenfalls beschrieben. Viele der Tiere haben ein hohes Alter, so dass zudem die Prävalenz für eine chronische Nierenerkrankung erhöht ist, welche somit parallel auftreten kann. Die Abklärung einer renalen Dysfunktion ist sehr wichtig, da unter medikamenteller Therapie einer Hyperthyreose die glomeruläre Filtrationsrate wieder absinkt und sich harnpflichtige Stoffe im Blut weiter anreichern. Vor der Behandlung ist die chronische Nierenerkrankung unter Umständen maskiert. Die Alopezie im Zuge einer Hyperthyreose ist meistens diffus und rührt von exzessivem Lecken; das ungepflegte Haarkleid von fehlender Körperpflege. Kardiorespiratorische Symptome sind häufig. Die gesteigerte β-adrenerge Aktivität verursacht eine Steigerung der Herzfrequenz und der Myokardkontraktilität und bewirkt eine systemische Vasodilatation sowie die Aktivierung des Renin-
Angiotensin-Aldosteronsystems. Die im Zusammenhang mit einer Schilddrüsenüberfunktion auftretende Hypertension verursacht nicht immer klinische Symptome, daher sollte sie bei allen Hyperthyreose-verdächtigen Tieren zwingend über eine Blutdruckmessung ausgeschlossen werden. Der bestehende Thyroxinüberschuss hat direkte und indirekte Wirkungen auf das Herz. Es kann sich eine hypertrophe oder sehr selten dilatative Kardiomyopathie entwickeln. Allgemeine Labordiagnostik Allgemeine labordiagnostische Untersuchungen helfen, Differentialdiagnosen oder weitere Erkrankungen auszuschliessen, die Diagnose einzugrenzen und den Gesamtzustand des Patienten zu beurteilen. Blutchemische Veränderungen sind in der Regel unspezifisch (Tab.3). Veränderter Laborparameter AP, ALT, AST, LDH
Fruktosamine Glukose Vitamin B12
Pathomechanismus bei Hyperthyreose Multiple Faktoren: · Unterernährung · Kongestive Herzinsuffizienz · Infektionen · Hypoxie der Hepatozyten · Toxische Effekte der Thyroidhormone auf die Leber Gesteigerter Proteinkatabolismus Verstärkte Katecholaminantwort · Gestörte Aufnahme oder Verwertung vermutet · Erhöhte Inzidenz chronischer Enteropathien bei geriatrischen Patienten
Tabelle 3: Labordiagnostische Veränderungen im Zuge einer Hyperthyreose
Spezielle Labordiagnostik Schilddrüse Die Bestimmung des TT4-Spiegels ist ein guter Screening-Test, über den in den allermeisten Fällen die Diagnose einer Hyper thyreose gestellt werden kann. Bei inkonklusiven Ergebnissen können die zusätzliche Bestimmung von fT4 und/oder cTSH (canines Thyreoidea-stimulierendes Hormon) die Diagnose einer felinen Hyperthyreose ermöglichen.
Erwartungsgemäss ist das TT4 erniedrigt und TSH erhöht. Es wird empfohlen, die Schilddrüsenwerte des erkrankten Tieres mit denen nicht betroffener Geschwistertiere zu vergleichen, da es für TSH keine etablierten Referenzbereiche für Katzenwelpen gibt und TT4 bei gesunden Katzenwelpen eine hohe Variabilität aufweist. Eine spontane sekundäre Hypothyreose ist bei der Katze extrem selten.
Für das freie T4 gibt es verschiedene Nachweismethoden. Die häufigste Indikation von fT4 mit Equilibrium-Dialyse (Radioimmunoassay) ist der Verdacht auf das Vorliegen von T4-Antikörpern beim Hund. Diese kommen bei circa 1 – 2 % der Hunde mit Hypothyreose vor. Im Dialyseverfahren wird fT4 von Serumproteinen und proteingebundenen T4 getrennt und anschliessend im Dialysat gemessen. Da T4-Antikörper bei der felinen Hyperthyreose keine Rolle spielen, wird hier häufig das kostengünstigere und materialsparendere fT4Veterinär (ElektrochemilumineszenzImmunoassay) bevorzugt. Eine aktuelle Studie ergab sogar eine höhere Genauigkeit des zuletzt genannten Testverfahrens. Die Prävalenz falsch positiver Resultate bei euthyreoten, kranken Katzen ist allerdings nicht bekannt. Generell zeigt fT4 unabhängig vom Nachweisverfahren zwar eine höhere Sensitivät als TT4, jedoch eine deutlich schlechtere Spezifität (häufiger falsch positive Ergebnisse), so dass dieser Parameter nie als Einzeltest herangezogen werden sollte, sondern immer im Kontext mit anderen Untersuchungen und den klinischen Symptomen des Patienten interpretiert werden muss. Für TSH gibt bis dato keinen katzenspezifischen kommerziellen Test. Studien belegen allerdings, dass eine Anwendung des caninen TSH-Assays auch bei Katzen diagnostische Informationen liefern kann. Im Folgenden werden in Abhängigkeit des Screening-Parameters TT4 die weiteren labordiagnostische Testverfahren diskutiert.
Euthyroid Sick Syndrome: Zahlreiche extra-thyreoidale Erkrankungen können zu erniedrigten TT4-Werten führen. Die Ursache dieses Phänomens ist noch nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass die niedrigen T4-Werte aus einer Suppression von TSH, einer verminderten intrinsischen Hormonsyntheseaktivität sowie einer verringerten Proteinbindung resultieren. Die Bestimmung von fT4 ermöglicht in diesem Fall eventuell eine Einschätzung der Schilddrüsenfunktion, da fT4 im Verlauf extra-thyreoidaler Erkrankungen (euthyroid-sick) später als TT4 absinkt.
TT4 erniedrigt TT4
Diagnose überdenken · Signalment · Anamnese · Klinische Untersuchung · Andere Untersuchungs ergebnisse (Hämatologie, Klinische Chemie, Cobalamin, Sonographie Abdomen)
· ggf. endogenes canines TSH (cTSH) · ggf. fT4
Latrogene Hypothyreose: Ist der erniedrigte TT4-Spiegel Folge der Therapie einer felinen Hyperthyreose, wie zum Beispiel nach einer Radioiodtherapie, so kann eine Substitution mit Thyroxin vorgenommen werden. Bei medikamenteller Therapie sind gegebenenfalls Dosisanpassungen der eingesetzten Präparate notwendig. Primäre kongenitale Hypothyreose: Ein angeborener Schilddrüsendefekt wird dann vermutet, wenn Signalment (Welpe) und typische klinische Symptome (Bsp. dysproportionierter Zwergwuchs) vorliegen. Betroffene Tiere sind in der Regel postnatal noch asymptomatisch, werden aber im weiteren Verlauf noch im Welpenalter klinisch auffällig. Peripherie
TT4 normal bei klinischen Symptomen einer Hyperthyreose TT4 normal
Klinischer Verdacht einer Hyperthyreose · TT4 nach 3 – 6 Wochen wiederholen oder · fT4 einleiten und/oder · cTSH einleiten · T3 Suppressionstest (wenn inkonklusiv)
Okkulte Hyperthyreose: Man spricht von einer okkulten Hyperthyreose, wenn der Patient bei passenden klinischen Symptomen, einen TT4-Spiegel hat, der noch im Referenzbereicht liegt. Der TT4- Spiegel unterliegt tageszeitlichen Schwankungen. Auch bei manifester Hyperthyreose kann TT4 in den Referenzbereich fallen, sodass prinzipiell eine Wiederholung der Untersuchung bei passenden klinischen Symptomen in Erwägung gezogen werden sollte. Circa 10 % aller Katzen mit Hyperthyreose haben auch unabhängig von tageszeitlichen Schwankungen TT4-Werte im Referenzbereich. Bei Vorliegen einer milden Hyperthyreose beziehungsweise einer Hyperthyreose im Anfangsstadium, kann dies sogar bei bis zu 30 % der betroffenen Tiere der Fall sein. Ausserdem können, wie oben beschrieben, mögliche begleitende nicht-thyreoidale Erkrankungen zu einem niedrigeren TT4 – Spiegel führen und so eine Hyperthyreose maskieren. Sind klinische Symptome mit einer Hyperthyreose vereinbar, sollten weiterführende Untersuchung angestrebt werden. Das freie T4 ist bei circa 95 % der Katzen mit okkulter Hyperthyreose erhöht (sensitiver als TT4). Eine Hyperthyreose ist dann sehr wahrscheinlich, wenn der fT4-Wert erhöht ist und der TT4-Wert im oberen Drittel des Referenzintervalls liegt. Liegt das TT4 eher im unteren Bereich des Referenzintervalls oder sogar darunter, spricht dies eher für das Vorliegen einer extrathyreoidalen Erkrankung trotz erhöhtem fT4-Wert. Bei circa 2030 % aller euthyreoten kranken (und sogar gesunden) Katzen wurden erhöhte fT4- Werte (Equilibriums-Dialyse) beschrieben (schlechtere Spezifität als TT4). Dies kann zur Fehldiagnose einer Hyperthyreose führen. Für die Bestimmung von fT4 im Elektrochemilumineszenz-Immunoassay liegen diesbezüglich keine Daten vor.
Sind die klinischen Symptome mit einer Hyperthyreose vereinbar, der TT4- Spiegel liegt aber im Referenzbereich, wird in einer neueren Studie empfohlen, Testverfahren zu kombinieren und zusätzlich zu TT4 und/oder fT4 auch das canine TSH zu bestimmen. Nur bei 2 % der hyperthyreoten Katzen lag das TSH im messbaren Bereich (>0,03 ng/ml). Bei den Katzen, bei denen eine Hyperthyreose vermutet wurde, die aber unter einem Euthyreoid-Sick-Syndrom litten, zeigten 69,9 % einen TSH-Wert im messbaren Bereich. Die Gesamtspezifität von TT4 und cTSH oder fT4 (Equilibriums-Dialyse) und cTSH wird mit 98,8 % angegeben. Das heisst: hat eine Katze klinische Symptome, die zu einer Hyperthyreose passen, aber einen normalen TT4-Spiegel, dann ist bei messbarem cTSH eine Hyperthyreose mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.
TT4 auf den Catalyst Geräten Die Messung des Gesamt-T4-Spiegels ist als wichtige ScreeningUntersuchung direkt in der Praxis auf verschiedenen IDEXXAnalysegeräten möglich. Dabei komplementieren Messungen von TT4 über den Catalyst Dx® und den Catalyst One® ein breites Profil mit zahlreichen blutchemischen Parametern und Elektrolytbestimmungen. Weitere Laboruntersuchungen zur Schilddrüsendiagnostik werden in unserem Labor durchgeführt. Unsere Servicehotline unterstützt Sie bei Fragen bezüglich Preisen, Zeit bis zum Ergebnis, Materialanforderungen oder Fragen zum Ausfüllen des Labor-Antragscheines. Bei Fragen zur Befundinterpretation wenden Sie sich an unsere Tierärzte im Labor bei IDEXX Diavet, Tel. 044 786 90 20.
Bei unklaren Befunden bietet der T3-Suppressionstest die Möglichkeit, das Vorliegen einer Hyperthyreose weiter abzuklären. Allerdings ist dieser Test zeitaufwändig und impliziert eine Medikamenteneingabe, was im Einzelfall auch im Hinblick auf die Besitzercompliance nicht immer möglich ist. Das Testprinzip beruht darauf, dass die Sekretion von T4 bei gesunden Katzen nach Gabe von T3 deutlich supprimiert wird (mindestens 50 % im Vergleich zum Basalwert); bei hyperthyreoten Katzen kommt es durch die autonome Sekretion von T4 zu keiner oder nur geringer Suppression (weniger als 50 % des Basalwertes).
Dr. med.vet. Stephanie Nather FTÄ für Kleintiere Key Account Manager Kleintier Scientific Consultant IDEXX Laboratories
Beispiele für Differenzialdiagnosen bei älteren Katzen patienten mit Abmagerung trotz erhaltenem Appetit (+/- Polyurie/Polydipsie) · Diabetes mellitus · Chronische Enteropathien (IBD, alimentäres Lymphom) · Chronische Nierenerkrankung · Hepatopathie · Exokrine Pankreasinsuffizienz Tabelle 4: Differenzialdiagnosen geriatrischer Patient
Literatur · Wakeling J. Use of thyroid stimulating hormone (TSH) in cats. Can Vet J 2010; 51: 33–34. · Peterson ME, Broome MR and Robertson JE. Accuracy of serum free thyroxine concentrations determined by a new veterinary chemiluminescent immunoassay in euthyroid and hyperthyroid cats. Proceedings of the 21st Annual European College of Veterinary Internal Medicine (ECVIM-CA) Congress; 2011. · Cook AK, Suchodolski JS, Steiner JM, Robertson JE. The prevalence of hypocobalaminaemia in cats with spontaneous hyperthyroidism. J Small Anim Pract 2011;52(2);101-6. · Peterson ME. More than just T4: Diagnostic testing for hyperthyroidism in cats. J Feline Med Surg 2013;15:765-777. · Peterson ME, Guterl JN, Nichols R, Rishniw M. Evaluation of Serum Thyroid-Stimulating Hormone Concentration as a Diagnostic Test for Hyperthyroidism in Cats. J Vet Intern Med 2015 (Online-Publication, Juli 2015).
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