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Schmerz - österreichische Schmerzgesellschaft

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ISSN 2223-1072 IHR AKTUELLES UND INNOVATIVES DIPL OMFORTBILDUNGSMAGAZIN LITERATUR SCHMERZ DFP-Beiträge publiziert im November 2016, gültig bis November 2019 1/16 Opioidtherapie beim geriatrischen Schmerzpatienten SEITE 4 Autorin: OÄ Dr. Waltraud Stromer, Abteilung für Anästhesie und allgemeine Intensivmedizin, Landesklinikum Waldviertel Horn 2 PUNKTE Starke Schmerzen: Therapievorschläge und Suchtproblem SEITE 11 Autoren: Dr. Markus Köstenberger, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc, Dr. Stefan Neuwersch, MSc, Abteilung für Anästhesiologie, allgemeine Intensivmedizin, Notfallmedizin, interdisziplinäre Schmerztherapie und Palliativmedizin, Klinikum Klagenfurt am Wörthersee – KABEG 2 PUNKTE Weitere Fortbildungsangebote finden Sie auf www.diepunkteon.at und www.meindfp.at Fachkurzinformation siehe Seite 14 Fortbildungsnachweis 2016 K urze Innovationszyklen und Technologiesprünge verlangen ­besonders im Bereich der Medizin kontinuierliche W ­ eiterbildung. Während es bislang genügte, die Bestätigungen absolvierter Fortbildungen in der Schublade zu verwahren, muss die Erfüllung der DFP-­Anforderungen in Z­ ukunft aktiv nachgewiesen werden. Seit Stichtag 1. September 2016 ­kontrolliert die Österreichische Ärztekammer erstmals flächendeckend, ­welche Ärzte über ein aktuelles DFP-Diplom verfügen oder mindestens 150 DFP-Punkte auf ihrem elektronischen Fortbildungskonto gebucht haben. Mit dem Fortbildungsnachweis bestätigt ein Arzt, dass er seiner gesetzlichen Fort­bildungspflicht nachgekommen ist und sich im Umfang eines DFP-Diploms fortgebildet hat. Dies erfolgt durch: • Sammeln von mindestens 150 D ­ FP-Punkten in den vergangenen­drei Jahren; gültig sind dabei alle Einträge auf dem meindfp-Fort­bildungskonto oder Papier­bestätigungen über DFP-Punkte bzw. ­internationale ­CME-Punkte •N  achweis über (davon) mindestens 50 DFP-Punkte aus Präsenzfort­bildungen •N  achweis über (davon) mindestens 120 absolvierte ­fach­spezifische Fortbildungspunkte, d. h. medizinisch-fachlich ­approbierte Fort­bildungen aus allen Fächern Wer die oben genannten Voraussetzungen zum Stichtag 1. September 2016 nicht erfüllt hat, wird innerhalb einer angemessenen Frist zum Nachweis der Fortbildungen aufgefordert. Bei Nicht­erfüllung ist mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. schmerz 1/2016 Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! N un, da der Stichtag für den Fortbildungsnachweis v­ orüber ist und wir uns innerhalb der gültigen Meldefrist (bis 31.11.2016) befinden, ist es Zeit für eine erste Zwischenbilanz: Der verpflichtende Fortbildungsnachweis – als eine vom Gesetzgeber auferlegte Maßnahme – wurde nicht nur rege diskutiert, er hat auch nachweislich eine Vielzahl an positiven Entwicklungen mit sich gebracht. Die schon zuvor vorbildlich gelebte Idee des lebenslangen Lernens wurde von Österreichs Ärztinnen und Ärzten nun noch intensiver praktiziert: • 2016 wurden mehr DFP-Punkte gebucht als jemals zuvor, das lässt sich bereits im September nachweislich feststellen. • Die Zahl der Nutzer des meindfp-Fortbildungskontos ist auf mittlerweile 41.300 angewachsen. • Im August 2016 wurden erstmals über 30.000 Tests zum DFP-Literaturstudium auf meindfp.at absolviert. Es ist uns auch in Zukunft ein Anliegen, Sie in Ihren Fortbildungsbestrebungen optimal zu unterstützen! Dank starker DFP-Partner, wie z. B. MedMedia, wird es hier weiterhin viele Angebote und Services geben, die Ihnen das Fortbilden leicht machen – sei es durch die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur zum einfachen Überblick und Erwerb von DFP-Punkten auf www.meindfp.at oder durch das breite Angebot an DFP-approbierten E-Learning-Fortbildungen sowie Präsenzveranstaltungen. Viel Vergnügen beim Punkten! Anmerkung:  Im September 2013 wurde das „DFP-Diplom neu“ eingeführt, für das 250 DFP-Punkte in fünf Jahren vorzuweisen sind; davor waren es 150 DFP-Punkte in drei Jahren. Die ­Übergangsfrist, in der beide DFP-Diplomvarianten zur A­ uswahl stehen, endet Mitte 2017. Ein persönliches Fortbildungskonto kann jederzeit auf www.meindfp.at ­eröffnet werden. Benötigt werden dazu lediglich die ÖÄK-Arztnummer und die Eröffnungskennung (zu erfragen unter 01/512 63 83-33 oder E-Mail: ­[email protected]). Foto: Laresser Fotografie Impressum 3 EDITORIAL die PUNKTE Dr. Peter Niedermoser Dr. Peter Niedermoser Präsident des wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Akademie der Ärzte GmbH Herausgeber: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. Verlagsleitung: Mag. Gabriele Jerlich. Projektleitung: Mag. Manuela Moya. Produktion: ­Julia Reisenauer. Redaktion: Mag. Sandra Standhartinger. Lektorat: Mag. Andrea Crevato. Layout/Art Director: Oliver Miller-Aichholz. Junior Grafik: Katharina­ Katharina­ Blieberger. Blieberger.Coverfotos: Coverfotos:xxxxx Ingo –Bartussek/www.ingo-bartussek.de, fotolia.com. Print: Donau Forum Druck progressman Ges.m.b.H., – fotolia.com. 1230 Wien. Druckauflage: Print: Donau Forum 17.620. Allgemeine Druck Ges.m.b.H., Hinweise: 1230 NamentWien. lich Druckauflage: gekennzeichnete 17.620. Beiträge Allgemeine geben Hinweise: die persönliche Namentlich und/oder gekennzeichnete wissenschaftliche Beiträge Meinung geben die despersönliche jeweiligen Autors und/oder wieder wissenschaftliche und fallen somit Meinung in dendes persönlichen jeweiligenVerantAutors wieder wortungsbereich und fallendes somit Verfassers. in den persönlichen Entgeltliche Einschaltungen Verantwortungsbereich gemäß § des 26 Mediengesetz Verfassers. Entgeltliche fallen in den Einschaltungen Verantwortungsbereich gemäß § 26 des Mediengesetz jeweiligen Auftraggebers; fallen in den Verantworsie müssen tungsbereich des jeweiligen Auftraggebers; sieoder müssen nicht wiedergeben. die Meinung Angaben von Heraus­ geber, ReviewerApplikationsformen oder Redaktion wiedergeben. Angaben Dosierungen, nicht die Meinung von Heraus­ geber, Reviewer Redaktion über Dosierungen, und Indikationen vonüber pharmazeutischen Applikationsformen Spezialitäten müssenund vom Indikationen jeweiligen von Anwender pharmazeutischen auf ihre Richtigkeit Spezialitäten überprüft müssen werden. vom jeweiligen Trotz sorgfältiger AnwenderPrüfung auf ihre übernehmen Richtigkeit überprüft Medieninhaber werden.und TrotzHerausgeber sorgfältiger keinerlei übernehmen Haftung für drucktechnische undHerausgeber inhaltliche Fehler. DerHaftung besseren halber werden Personenund Der Berufsbezeichnungen nur in einer FormPersonenverwenPrüfung Medieninhaber und keinerlei fürLesbarkeit drucktechnische und inhaltliche Fehler. besseren Lesbarkeit halber werden det. Sie sind selbstverständlich aufverwendet. beide Geschlechter Die Fotocredits sind jeweils am Anfang eines Artikels in der und Berufsbezeichnungen nur gleichwertig in einer Form Sie sind bezogen. selbstverständlich gleichwertig auf beide Geschlechter bezogen. DieReihenfolge Fotocredits ihrer sind Abbildung jeweils am angeführt. Alle Rechte, dasihrer Recht der Vervielfältigung undRechte, Verbreitung sowie der vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf irgendeiner Anfang eines Artikels ininsbesondere der Reihenfolge Abbildung angeführt. Alle insbesondere dasÜbersetzung, Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie derinÜbersetzung, Form (Fotokopie, oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung desanderes Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme vorbehalten. Kein Mikrofilm Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reprogespeichert, vervielfältigt, verwertetSysteme oder verbreitet werden. Die gesetzliche Offenlegung gemäß 25 Mediengesetz Sie unter www.medmedia.at/ duziert oder verarbeitet, unter Verwendung elektronischer gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder§ verbreitet werden.finden Die gesetzliche Offenlegung gemäß §home/impressum. 25 Mediengesetz finden Sie unter www.medmedia.at/home/impressum. Druck mitDruck finanzieller Unterstützung der Firmader Medtronic Österreich GmbH undGPB.GEB Eli Lilly GmbH.  mit finanzieller Unterstützung Firma Gebro Pharma GmbH, 161101. 4 schmerz 1/2016 die PUNKTE Lehrziel: • Gezielter Einsatz von retardierten Opioidanalgetika bei geriatrischen Patienten zur Therapie vor allem starker, nichttumorbedingter Schmerzen mit dem Ziel, eine relevante Verbesserung von Schmerz, Funktionalität und L­ ebensqualität herbeizuführen • Darstellung der opioidbedingten Nebenwirkungen, der Auswahl von Opioiden bei Organinsuffizienzen sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen aufgrund von Multimorbidität und -medikation Opioidtherapie beim geriatrischen Schmerzpatienten Im höheren Lebensalter wird häufiger als bei jüngeren Menschen die Ursache des Schmerzes gar nicht oder nur schwer zu beheben sein. Eine weitere Barriere für die Schmerzerfassung sind kognitive Einschränkungen. Als Therapieziel tritt die Förderung von Aktivität und Partizipation trotz weiterhin vorhandener, wenn auch reduzierter Schmerzen in den Vordergrund. Dieses Ziel kann erfolgreich durch einen multi­ disziplinären Behandlungsansatz erreicht werden, in dem neben pharmakologischen Maßnahmen auch bewegungs­ therapeutische, psychologische und pflegerische Interventionen vertreten sind.2, 3 Die Opioidtherapie ist bei multimorbiden älteren Patienten mit funktionellen Beeinträchtigungen besonders schwierig:4 Sie neigen dazu, u. a. aus Angst vor einer nebenwirkungsreichen Therapie Opioide abzulehnen.5 Eine eingeschränkte Nieren- und Leberfunktion erschwert die Auswahl des geeigneten Opioids.6 Aufgrund der Multimorbidität (v. a. Demenz-/Alzheimer- und Parkinson-Patienten) und -­medikation treten unerwünschte Arzneimittelwirkungen häufig auf und sind schwer zu erkennen.7 Die Überwachung der Analgetika­ wirkung ist aufgrund der oftmals bestehenden kognitiven Beeinträchtigung ebenfalls erschwert.2, 8 Ältere Untersuchungen legen zudem nahe, dass Patienten höheren Alters empfindlicher auf Opioide reagieren als jüngere.9, 10 Diese Aussage ist jedoch aufgrund neuerer Ergebnisse nicht mehr unwider­ sprochen.11 Foto: Foto Wilke OÄ Dr. Waltraud Stromer Abteilung für Anästhesie und allgemeine Intensivmedizin Landesklinikum Waldviertel Horn Spitalgasse 10, A-3580 Horn T: 0664/506 85 09 E: [email protected] AUTORIN Hintergrund: Im Zuge des demografischen Wandels nimmt die Zahl älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung stetig zu. Chronische Schmerzen sind im Alter weit verbreitet. In S ­ tudien klagten zwischen 25 % und 76 % der älteren Menschen, die zu Hause leben, über chronische Schmerzen; in Pflegeheimen sind es sogar 83–93 % der Bewohner. Neben Tumorerkrankungen sind bei Älteren vor allem ­Erkrankungen des Bewegungsapparates für persistierende Schmerzen verantwortlich. Dazu gehören degenerative ­Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke, wie z. B. ­Arthrose oder Osteoporose-bedingte Wirbelbrüche. Auch periphere Durchblutungsstörungen können die Ursache sein. Neuropathische Schmerzen, die infolge eines Diabetes ­mellitus oder Herpes Zoster auftreten können, sind etwas seltener.1 Welcher Teufelskreis aus chronischen Schmerzen entstehen kann, wird häufig unterschätzt. Besonders bei Schmerzen des Bewegungsapparates vermeiden die Betroffenen meist körperliche Aktivitäten, damit sich die Beschwerden nicht verschlimmern. Die Immobilität fördert jedoch den Verlust von Muskelmasse und verschlechtert damit die Fähigkeit der Alltagsbewältigung. Wer unter persistierenden Schmerzen leidet, verliert leicht den Appetit, was zu einer Fehl- oder Mangelernährung führen kann. Diese lässt den Muskelschwund voranschreiten, wodurch auch das Risiko für S ­ türze und damit weitere Immobilität steigt, was wiederum eine Bedrohung der Selbstständigkeit darstellt. Das wichtigste Ziel geriatrischer Schmerzbehandlung besteht in der Erhaltung von Aktivität und Partizipation. Aktivität drückt sich in der Alltagskompetenz, in der Selbstständigkeit und in der Teilhabe am sozialen Leben aus. Wenngleich chronische Schmerzzustände auch im jüngeren Lebensalter das Risiko körperlicher, psychischer und sozialer Beeinträchtigung erhöhen, so sind doch ältere Schmerzpatienten in besonderem Maße gefährdet, als Folge eines Schmerzproblems ihre soziale Unabhängigkeit einzubüßen. die PUNKTE Wirkung von Opioiden Opioide entfalten durch die Aktivierung von Opioidrezeptoren eine starke schmerzhemmende Wirkung auf supraspinaler, spinaler und peripherer Ebene der Schmerzbahn. Sie bewirken eine Freisetzungshemmung der Schmerztransmitter, eine Aktivierung des absteigenden antinozizeptiven Systems in Hirnstamm und Rückenmark sowie eine Hemmung der Erregbarkeit von Neuronen der Schmerzbahn. Dadurch wird das Bedrohliche und Unangenehme des Schmerzerlebnisses genommen. Schmerzpunkte können noch lokalisiert werden, die negative Assoziation zum Schmerzerlebnis verschwindet aber und Angstgefühle werden beseitigt. Dazu kommen eine sedierende, beruhigende Wirkung sowie eine Verbesserung der Stimmungslage. Es gibt eine Reihe von Schmerzsyndromen, die ohne den Einsatz von Opioiden nicht ausreichend behandelbar wären. Es ist jedoch wichtig, vor Therapiebeginn ein realistisches Therapieziel zu definieren, da zumeist nur eine Schmerz­ linderung, aber keine Schmerzfreiheit erreicht werden kann. Besonderheiten der Schmerztherapie im höheren Alter Abweichende Pharmakokinetik Altern ist ein dynamischer Prozess, der zu Veränderungen physischer und psychischer Funktionen führt.12 Bei der Schmerztherapie älterer und hochbetagter Patienten sind deshalb einige Besonderheiten zu beachten. Im Laufe des normalen Alterungsprozesses kommt es zu Veränderungen der Organfunktionen. Bedeutsam für die Pharmakotherapie sind die im Alter abnehmende Leber- und Nierenfunktion. Die wesentlichen Konsequenzen sind Veränderungen der • Metabolisierung, • Aktivierung, • Elimination und • Halbwertszeit von Medikamenten, weshalb bei älteren Patienten häufig eine Dosisreduktion vorgenommen werden muss. Bestimmte Medikamente dürfen aufgrund der abnehmenden Leber- und Nierenfunktion gar nicht oder nur in stark reduzierter Do­ sierung eingenommen werden. Tabelle 1 zeigt die Dosierungs­ angaben von Opioiden bei Niereninsuffizienz und schwerer Leberschädigung. Des Weiteren kommt es im Magen-DarmTrakt zu Veränderungen der Anazidität und der Magen­ passage, was die Resorption von Medikamenten beeinflusst. Für die Pharmakokinetik bzw. Pharmakodynamik spielen auch Veränderungen • im Körperfett, • in der Muskelmasse und • im Gesamtkörperwasser eine Rolle. Am Nervensystem kommt es im Laufe des Alterungsprozesses zu einer Veränderung der Schmerzverarbeitung und des Schmerzerlebens.13, 14 In Tabelle 2 sind einige typische altersphysiologische Veränderungen der Organfunktionen zusammengefasst. schmerz 1/2016 5 Tab. 1: Dosierungsangaben von Opioiden bei Niereninsuffizienz und schwerer Leberschädigung Tramadol Oxycodon Niereninsuffizienz (Clearance < 30 ml/min) Verlängerung des Dosis­ intervalls auf 12 h, TMD: 200 mg Schwere Leberschäden bis zu 50 % Dosis­ reduktion 50 % Dosisreduktion Verlängerung des Dosis­ intervalls auf 12 h, TMD: 150 mg Hydromorphon keine Dosisanpassung keine Dosisanpassung Fentanyl 25 % Dosisreduktion keine Dosisanpassung Morphin 25–50 % Dosis­ reduktion Verlängerung des Dosis­ intervalls Buprenorphin keine Dosisanpassung evtl. Dosisreduktion Multimorbidität Typisch für ältere und hochbetagte Patienten ist eine Multimorbidität, womit sich auch die Anzahl von Schmerzursachen erhöht. Es treten Schmerzen oft gleichzeitig in wechselnden Körperregionen auf. Das führt bei behandelnden Ärzten mitunter zu Unsicherheit im Hinblick auf die Lokalisation und Stärke von Schmerzen, weil eine Zuordnung schwierig ist. Bei einer Demenzerkrankung wird die Schmerzbehandlung zusätzlich erschwert. Die eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit dieser Patienten führt dazu, dass der Umfang auftretender Schmerzen nicht detailliert erkannt und behandelt werden kann. Ältere kognitiv eingeschränkte Patienten mit chronischen Schmerzen sind dadurch charakterisiert, dass sie, anstatt über Schmerzen zu klagen, eher eine stoische Haltung einnehmen und als Folge einer Schmerzzunahme in sich gekehrter sind. Sie untertreiben öfter ihre Schmerzen und artikulieren diese seltener. Um eine sich aufgrund von Schmerzen entwickelnde Verhaltensänderung zu erkennen, können spezielle, insbesondere für Patienten mit einer Demenzerkrankung und bei Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit entwickelte Tools, wie z. B. das BESD- bzw. DOLOPLUS-Skalierungs­ system, zur Schmerzbeurteilung eingesetzt werden, in dem auf die somatischen, psychomotorischen und psychosozialen Auswirkungen von Schmerzen eingegangen wird. Denn speziell bei älteren dementen Patienten gibt dieser Hinweise auf Veränderungen in der aktuellen Schmerzsymptomatik. Eine Weiterentwicklung stellt die Kurzversion DOLOPLUS2-(short) dar, welche den verbalen Schmerzausdruck, die Schonhaltung in Ruhe, den Schutz von schmerzhaften Körper­ zonen, soziale Aktivitäten und Verhaltensstörungen prüft.15 Funktionelle Defizite Funktionelle Defizite wie Sehstörungen oder nachlassende motorische bzw. manuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten sind typische Probleme des alten Menschen. Diese stellen wichtige Einflussfaktoren für das Gelingen einer Schmerztherapie bei älteren und hochbetagten Patienten dar. So kann beispielsweise durch Sehschwierigkeiten der Medikamentenplan „ 6 schmerz 1/2016 die PUNKTE Tab. 2: Physiologische Veränderungen im Alter Organfunktion Veränderung im Alter Klinische Konsequenz Gastrointestinaltrakt verzögerte Magenentleerung, verlangsamte Peristaltik, ­veränderte Blutversorgung des Gastrointestinaltrakts erhöhtes Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen Verteilung Verringerung des Gesamtkörperwassers, gesteigertes ­Körperfett mit Akkumulation von fettlöslichen Medikamenten, Verringerung der Konzentration von Plasmaproteinen, ­gesteigerte Konzentration nicht gebundener Medikamente verringerte Verteilung von wasserlöslichen Medikamenten, Verlängerung der Halbwertszeit von fettlöslichen ­Medikamenten, erhöhtes Risiko für Medikamenteninter­ aktionen Metabolisierung über reduzierter Blutfluss durch die Leber, Verringerung der die Leber ­Konzentration von Plasmaproteinen veränderter First-Pass-Effekt, verlängerte Halbwertszeit Renale Elimination reduzierte Ausscheidung von Medikamenten und Stoffwechsel­produktion mit Akkumulation und längerer ­Wirkdauer Abnahme des renalen Blutflusses, der glomerulären Filtration und der tubulären Sekretion Pharmakodynamisch reduzierte Rezeptordichte, erhöhte Rezeptoraffinität nicht gelesen und die Tabletten können nicht ausreichend gehalten werden. Die Medikamentenpackung kann nicht selbstständig geöffnet und die Tabletten können nicht festgehalten oder zum Mund geführt werden. Polypharmazie Einhergehend mit der Multimorbidität stehen ältere Patienten häufig unter einer Polypharmazie. Weil ältere Patienten – nicht zuletzt bedingt durch die Polypharmazie – ein höheres Risiko für Nebenwirkungen durch eine medikamentöse Schmerztherapie haben, ist es bei der Auswahl eines Medikaments für ältere Patienten wichtig, die potenziell inadäquaten Arzneimittel auszuschließen. Opioide weisen in Abhängigkeit von ihrer Struktur und ­Metabolisierung unterschiedliche pharmakokinetische Interaktionen mit Arzneimitteln auf, die zwar vergleichsweise selten auftreten, im Einzelfall aber auch schwere Komplikationen verursachen. Generell weisen alle Opioide eine pharma­ kodynamische Interaktion mit sedierend wirkenden Pharmaka (Benzodiazepine und analoge Schlafmittel, sedierende Neuroleptika und trizyklische Antidepressiva) sowie Alkohol auf. Durch eine additive ZNS-Hemmung kann es zum Auftreten von Hypotension, psychomotorischer Hemmung, Atemdepression und Benommenheit bis hin zur Bewusst­ losigkeit kommen. Nicht-atemdepressive Dosen von Opioiden und Benzodiazepinen können zusammen synergistisch eine Atemdepression erzeugen. Bei einer Leberinsuffizienz findet sich eine höhere systemische Exposition der meisten Opioide. Eine Reduktion der Dosis aller Opioide um 50–75 % ist bei den Child-Pugh-Stadien B und C notwendig. Tramadol wird nicht empfohlen, da unklar ist, wie stark bei Leberfunktionsstörung die Konversion durch CYP2D6 zum aktiven Wirkstoff vermindert ist. Bei einer mäßigen bis schweren Leberinsuffizienz (Child-Pugh-Stadium > 5) ist die Oxycodon-Naloxon-Kombination kontraindiziert, da dann das Naloxon in der Leber weniger stark präsystemisch eliminiert wird und damit die analgetische Wirkung des Oxycodons vermindern könnte. gesteigerte Empfindlichkeit für die therapeutischen und die unerwünschten Arzneimittelwirkungen Morphin, Oxycodon und Hydromorphon weisen keine klinisch relevanten pharmakokinetischen Interaktionen mit anderen Medikamenten auf. Tramadol und in geringerer Häufigkeit auch Oxycodon sowie Fentanyl können ein Serotonin-Syndrom auslösen, wenn sie mit MAO-Hemmern oder SSRI, Mirtazapin, SNRI, trizyklischen Antidepressiva oder Trazodon, Triptanen oder Sibutramin kombiniert werden. Ein Serotonin-Freisetzungssyndrom ist gekennzeichnet durch Unruhe, Verwirrtheit und Übelkeit und ist deshalb so gefährlich, weil diese Beschwerden gerade beim älteren Patienten häufig in Richtung eines demenziellen ­Zustands interpretiert werden und damit falsche Therapie­ entscheidungen getroffen werden können. Der 5-HT3-Antagonist Ondansetron reduziert den analgetischen Effekt von Tramadol. Er sollte deshalb bei Patienten, die Tramadol einnehmen, nicht als Antiemetikum verwendet, sondern durch andere, nicht-interagierende 5-HT3-Antagonisten ersetzt werden. Methadon, Buprenorphin und Fentanyl werden durch ­CYP3A4-Induktoren, wie die Antiepileptika Carbamazepin, Phenobarbital oder Phenytoin, schneller abgebaut, wodurch ihre Wirkung abgeschwächt wird. Umgekehrt verstärken die Enzymhemmer Erythromycin, Clarithromycin, Azol-Antimykotika und Proteaseinhibitoren die Wirkung von Fentanyl. Praxisrelevante Nebenwirkungen der Opioide Obstipation ist eine häufige Nebenwirkung der Opioidtherapie. Sie wird bei ca. 60 % aller Patienten unter Opioidgabe beobachtet. Im Gegensatz zu anderen Nebenwirkungen der Opioide ist die Obstipation zu Therapiebeginn nicht spürbar, stellt sich aber nach wenigen Tagen ein und hält über die Dauer der Opioideinnahme an. Da es schon bei niedrigen Opioiddosen zur Obstipation kommen kann, ist eine ­präventive Gabe von Laxanzien mit Beginn jeder Opioidtherapie indiziert und bei vielen Patienten während der gesamten Therapiedauer mit Opioiden erforderlich. Es werden sowohl stimulierende als auch osmotisch wirksame Substanzen eingesetzt, die PUNKTE zu empfehlen sind vor allem Peristaltik-stimulierende Substanzen wie Natriumpicosulfat oder Macrogol. Es stehen auch Opioid-Naloxon-Kombinationen zur Verfügung, bei denen der Opioidantagonist Naloxon die obstipierende Wirkung selektiv reduziert. Weitere Nebenwirkungen sind zu Beginn der Therapie Übelkeit und Erbrechen, was bis zur sich relativ rasch e­ ntwickelnden Toleranz gegenüber dieser unerwünschten Wirkung eine antiemetische Prophylaxe erfordert, sowie Müdigkeit, Sedierung und Schwindel. Mundtrockenheit, Leistungsabfall, Hypogonadismus, Libido- und Sexualstörungen, Kopfschmerzen, Blasentleerungsstörungen, Opioid-induzierte Osteoporose, Juckreiz, Opioid-induzierte Hyperalgesie und Schwitzen können sich ebenfalls als Nebenwirkung zeigen. Als mögliche Ursachen für das erhöhte Frakturrisiko, das unter OpioidLangzeittherapie beobachtet wird, werden gerade bei geriatrischen Patienten das erhöhte Sturzrisiko aufgrund der ZNSNebenwirkungen sowie Opioid-induzierte Osteoporose diskutiert. Opioide können direkte und indirekte hemmende Effekte auf die Immunkompetenz des Organismus haben. Es empfiehlt sich, immunkompromittierte Patienten nach Möglichkeit mit Opioiden zu behandeln, die das Immunsystem nur wenig hemmen, also bevorzugt Tramadol und Buprenorphin.16, 17 Delirante Zustandsbilder, Halluzinationen, starke Sedierung oder Atemdepression sind keine Nebenwirkungen der Therapie mit Opioiden, sondern Zeichen einer Überdosierung. Ein Vorteil ist, dass Opioide im Vergleich zu Nicht-OpioidAnalgetika eine weit geringere Organtoxizität (Leber, Niere, Herz-Kreislauf-System) aufweisen. Eine Opioidrotation ist angezeigt, wenn entweder die ­gewünschte Wirkung trotz Steigerung der Dosis nicht erzielt werden kann oder wenn dosislimitierende unerwünschte Wirkungen auftreten. Bei einer Opioidrotation wegen unzureichender Wirkung wird die äquianalgetische Dosis um bis zu 25 % reduziert, bei Rotation aufgrund unerwünschter Wirkungen um bis zu 50 %. Medikamentöse Therapie Therapeutisches Vorgehen Bei der Auswahl der Substanz der ersten Wahl sowie der Applikationsform sollten individuelle Faktoren wie Schmerzcharakter und -rhythmus, die Komorbiditäten des Patienten, das Nebenwirkungsprofil des Analgetikums, allfällige Kontra­ indikationen für bestimmte Applikationswege sowie Präferenzen des Patienten in die Entscheidung einfließen. Die Medikamente müssen für die vorliegende Schmerzerkrankung geeignet sein und die Nebenwirkungen und K ­ ontraindikationen in die Überlegungen miteinbezogen werden. Es sollte die Verbesserung der Lebensqualität den Risiken der Therapie gegenübergestellt werden. Natürlich ist das Augenmerk auf die Auswahl jener Substanzen zu legen, welche das geringste Nebenwirkungsprofil für den Patienten aufweisen. Insbesondere die Differenzierung zwischen nozizeptiven, neuropathischen und gemischten Schmerzformen ist aufgrund schmerz 1/2016 7 der sich daraus ergebenden Pharmakotherapie sehr wichtig. Bekanntermaßen ist die Behandlung des nozizeptiven Schmerzes einfacher und erfolgreicher als die des neuropathischen Schmerzes. Nozizeptiver Schmerz entsteht durch mechanische, thermische, chemische oder elektrische Stimulation der Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren). Kommt das Schmerz auslösende Trauma aus den Körperstrukturen wie Knochen, Gelenken, Muskeln und Haut, so spricht man von somatischem Schmerz. Kommen die Signale aus den Eingeweiden, spricht man von viszeralem Schmerz. Der neuropathische Schmerz entsteht durch eine Schädigung des peripheren und/oder zentralen Nervensystems (ZNS), führt zu einer gestörten Schmerzverarbeitung und bleibt auch dann noch bestehen, wenn keine Gewebeschädigung mehr vorliegt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum nozizeptiven Schmerz, der verschwindet, wenn der schmerzhafte Reiz nicht mehr besteht und die Läsion verheilt ist. Während nozizeptive Schmerzen einen eher gleichbleibenden Charakter (z. B. stechend, dumpf oder bohrend) haben, äußern sich neuropathische Schmerzen sehr unterschiedlich mit Symptomen, die über die Zeit wechseln und sich in ihrer Intensität verändern können. Neuropathische Schmerzen werden von den Betroffenen oft als brennend, kribbelnd, stechend, einschießend, ausstrahlend oder wie „ein elektrischer Schock“ beschrieben. Typisch kann auch sein, dass sanfte Berührungen eine Schmerzempfindung hervorrufen. Dies bezeichnet man als Allodynie. Diese mit einer Übererregbarkeit der Nerven einhergehenden, sogenannten Positiv-Symptome sind meist besonders unangenehm. Charakteristischerweise kommen oft aber gleichzeitig oder im Wechsel noch Negativ-Symptome hinzu, die dadurch bedingt sind, dass an den betroffenen Regionen sensorische Empfindungen (z. B. das Fühlen von Druck, Kälte oder Hitze) durch die geschädigten Nervenbahnen schlechter oder gar nicht w ­ ahrgenommen werden können. Darüber hinaus können neuropathische Schmerzen, vor allem wenn sie länger bestehen, auch Auswirkungen auf die Psyche haben. So leiden viele Betroffene unter Symptomen wie Schlafstörungen, Konzentrations­ problemen, Angstzuständen und Depressionen. Die Behandlung nozizeptiver Schmerzen erfolgt mit Opioiden der Stufe II nach dem WHO-Schema, also Tramadol, aber auch niedrige Dosierungen der Stufe-III-Opioide sollten bei opioidnaiven Patienten bei mittelschweren und starken Schmerzen, die auf NSAR, Coxibe oder Nicht-Opioid-Analgetika wie Metamizol bzw. Paracetamol nicht ausreichend ansprechen, zusätzlich verordnet werden. Die niedrigpotenten Opioide haben gegenüber den hochpotenten pharmakologische Nachteile. So kann die Dosis der schwachen Opioide wegen unerwünschter Wirkungen nur wenig gesteigert werden. Tramadol zeigt unerwünschte zentrale serotonerge Effekte. Tramadol ist ein Prodrug, das durch individuell stark unterschiedlich aktive Cytochrom-(CYP-)Enzyme aktiviert wird. Die Einstellung wird dadurch erschwert und Arzneimittel­ interaktionen werden begünstigt. „ 8 schmerz 1/2016 Bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen, die nur zum Teil auf Opioide ansprechen, empfiehlt sich die zusätzliche Gabe von Koanalgetika wie Antikonvulsiva und A ­ ntidepressiva. Bei dieser Kombination steigt das Risiko von ZNS-Nebenwirkungen, eine besonders sorgfältige Titration beider Substanzgruppen ist daher wesentlich. Für die Langzeittherapie sind Retardpräparate zu bevorzugen. Schnellwirksame unretardierte Opioide sollten bei nicht-­ tumorbedingten Schmerzen nur zur Dosisfindung oder kurzfristig bei starken akuten Schmerzzuständen kontrolliert eingesetzt werden. Transdermale Therapiesysteme (TTS) mit Fentanyl oder Buprenorphin sind bei Patienten mit Dauerschmerzen und stabilem, gleichmäßigem Opioidbedarf sowie Schluckstörungen, Passagehindernis im Gastrointestinaltrakt oder therapieresistentem Erbrechen angezeigt.17 Bei trans­ dermalen Systemen zu beachten ist eine Kontrolle der Haftung, die beispielsweise durch starkes Schwitzen beeinträchtigt sein kann. Die Wirksamkeit ist bei stark kachektischen Patienten mit geringem Unterhautfettgewebe unter Umständen reduziert, sodass ein Wechsel bereits 24 Stunden früher als üblich notwendig sein kann. Bei geriatrischen Patienten gilt in besonderem Maße das Prinzip „Start low, go slow“. Da in den meisten Fällen bei Beginn der Medikation die Auswirkungen auf den multimorbiden Organismus schwer abschätzbar sind und bisweilen auch Substanzen mit erhöhtem Risikoprofil eingesetzt werden müssen, ist ein Start mit einer niedrigen Dosierung empfehlens­wert. Ein 80-jähriger Patient ist doppelt so empfindlich für die zentral sedierende Opioidwirkung wie ein 40-jähriger bei gleichen Plasmakonzentrationen des Medikaments. Die für eine ausreichende Analgesie nötige Dosis sinkt mit zunehmendem Alter ebenfalls linear. Ein gleichzeitiger Beginn mit mehreren Substanzgruppen sollte wohlüberlegt sein. Im Verlauf sind die Überprüfung von Nebenwirkungen und die Begleitung des Patienten notwendig, da sich therapeutische Erfolge nicht immer sofort einstellen. Durch gute Aufklärung wird der Patient bereit sein, vorübergehende Nebenwirkungen zu tolerieren und den Therapieplan weiter zu befolgen. Schwache Opioide Tramadol: Tramadol ist ein niedrigpotenter Opioid-RezeptorAgonist und hemmt zudem den Serotonin- und NoradrenalinTransporter und damit die neuronale Aufnahme dieser Transmitter. Eine im Jahr 2007 veröffentlichte Metaanalyse hat eine Wirksamkeit von Tramadol bei muskuloskelettalen Schmerzen nachgewiesen. Eine Studie mit älteren Patienten konnte zeigen, dass jene Patienten, die Tramadol einnahmen, besser schlafen konnten, weil sie weniger durch die ­Schmerzen gestört wurden. Problematisch war aber, dass ein Fünftel der Patienten unter Schwindel litt.18 Gerade bei älteren Patienten ist Schwindel ein ernst zu nehmendes Symptom, da es vermehrt zu Stürzen kommen kann. Zur Reduktion von Nebenwirkungen sollte die Dosis von Tramadol langsam gesteigert werden, um so die Nebenwirkungsrate und Verträglichkeit zu verbessern. Tra- die PUNKTE madol und glucuronidiertes O-Desmethyl­tramadol werden zu 90 % renal eliminiert. Bei schwerer Niereninsuffizienz kann sich die Halbwertszeit von Tramadol von 6 Stunden auf 12–20 Stunden erhöhen. Die Dosis von Tramadol sollte daher bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von 15–30 ml/min auf maximal 100 mg alle 12 Stunden und bei einer GFR < 15 ml/ min auf maximal 50 mg alle 12 Stunden reduziert werden. Die serotonerge Wirkung von Tramadol hat einen antidepressiven und auch einen analgetischen, antineuropathischen Effekt. Starke Opioide Morphin: Morphin wird seit vielen Jahren zur Behandlung verschiedener Schmerzzustände nozizeptiver und neuro­ pathischer Entität eingesetzt. Ältere Patienten reagieren mitunter empfindlicher auf Morphin. Die Dosiseinstellung sollte entsprechend vorsichtig vorgenommen werden. Bei Niereninsuffizienz kann es zur Akkumulation von Morphin6-Glucuronid, einem aktiven Metaboliten, mit der möglichen Gefahr einer Überdosierung kommen. Morphin sollte daher ab einer GFR < 30 ml/min in der Dosis reduziert oder besser vermieden werden. Deshalb gilt Morphin bei geriatrischen Patienten als weniger gut geeignet als beispielsweise Hydromorphon oder Buprenorphin. Hydromorphon: Hydromorphon wird primär zu Hydromorphon3-Glucuronid, einem inaktiven Metaboliten, abgebaut. Es gibt keine CYP-vermittelten Arzneimittelinteraktionen. Hydromorphon besitzt eine sehr geringe Plasma-Eiweiß-Bindung und die Metabolisierung erfolgt Cytochrom-unabhängig. Dies begünstigt das geringe Interaktionspotenzial. Gerade für geriatrische oder multimorbide Patienten ist dies von großer Bedeutung. Sowohl bei Nieren- als auch Leberfunktionsstörung ist eine Dosisanpassung in der Regel nicht erforderlich. Das Akkumulationsrisiko ist gering. Oxycodon: Oxycodon ist in verschiedenen Applikationsformen erhältlich. Es wird durch CYP3A4 zu inaktivem Noroxycodon abgebaut. Oxycodon wird zudem durch CYP2D6 zum aktiven Oxymorphon metabolisiert. CYP3A4-Inhibitoren erhöhen die Plasmakonzentration von Oxycodon und Oxymorphon und verstärken die analgetische Wirkung sowie die u ­ nerwünschten Wirkungen. CYP2D6-Inhibitoren führen hingegen nicht zu klinisch bedeutenden Interaktionen mit Oxycodon. Auch der CYP2D6-Polymorphismus hat keinen relevanten Effekt auf die Wirkung von Oxycodon. Die Elimination von Oxycodon ist bei urämischen Patienten vermindert. Die Halbwertszeit ist zwar im Mittel nur wenig, bei einzelnen Patienten aber doch deutlich verlängert. Die Kombination von Oxycodon/Naloxon führt zu einer ­geringeren Obstipationsrate. Bei älteren Patienten sowie bei Patienten mit eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion sollte Oxycodon vorsichtig dosiert werden. Entsprechend der Studienlage scheint für Oxycodon eine vorteilhafte Analgesie bei viszeralen wie auch neuropathischen Schmerzen zu bestehen. die PUNKTE Transdermales therapeutisches System (TTS) Hinsichtlich der Technik der kontrollierten Wirkstoffabgabe aus dem Pflaster unterscheidet man 2 Systeme: Matrixpflaster:  Der Wirkstoff ist in einer aus einer oder mehreren Schichten bestehenden Matrix enthalten, die ­ mithilfe einer Kleberschicht direkt auf der Haut aufliegt. Die Diffusions­geschwindigkeit des Wirkstoffes aus der Matrix heraus ­bestimmt die Resorptionsgeschwindigkeit. In Sonderfällen kann es zwischen Matrix und Klebeschicht eine zusätzliche Membran geben, welche den Wirkstofffluss steuert. Experten­meinungen zufolge können Matrixsysteme geteilt bzw. sogar geviertelt werden, um gerade bei opioid­ naiven Patienten die Dosis in der Titrationsphase zu ­verringern und somit das Nebenwirkungspotenzial zu ver­ kleinern. Depotpflaster: Unter einer Trägerfolie liegt ein Reservoir des Wirkstoffes, der aus dem Reservoir kontrolliert durch eine poröse Membran in die Haut abgegeben wird. Bei einer Verletzung der Kontrollmembran kann das Opioid schlagartig freigesetzt werden, was zu einer Überdosierung führen kann. Vorteile von TTS: • kontinuierliche Wirkstoffabgabe • konstanter Plasmaspiegel • lange Dosierungsintervalle • hohe Patientenakzeptanz • Umgehung des Gastrointestinaltrakts, dadurch evtl. ­Vermeidung gastrointestinaler Nebenwirkungen • Umgehung des First-Pass-Metabolismus Nachteile von TTS: • relative Trägheit des Systems mit langsamer An- und ­Abflutung (12–21 h) • Nicht-Berücksichtigung der Schmerz-Tages­ schwankungen • temperaturabhängige transdermale Diffusion • mögliche unvollständige transdermale Diffusion • unerwünschte Wirkungen (z. B. Hautirritationen, ­Allergien) Fentanyl: Das hoch lipophile Fentanyl wird in der Leber primär über CYP3A4 zum inaktiven und nicht-toxischen Norfentanyl demethyliert. Die Gabe von CYP3A4-Induktoren erhöht den Fentanyl-Bedarf. Inhibitoren von CYP3A4 oder eine Leber­ insuffizienz senken den Fentanyl-Bedarf und begünstigen eine Intoxikation. Bei Niereninsuffizienz ist Fentanyl ein geeignetes Opioid. Allerdings kann Fentanyl trotz des hepatischen Abbaus akkumulieren. Die Dosis sollte daher bei einer GFR < 15 ml/min halbiert werden. Im Alter ist die Halbwertszeit von Fentanyl mehrfach verlängert. Sowohl bei Niereninsuffizienz als auch bei älteren Patienten ist somit wegen Akkumulationsgefahr Vorsicht geboten. Nach mehrtägiger ­Therapie schmerz 1/2016 9 ist nach Pflasterentfernung die Elimination von Fentanyl bei noch anhaltender Resorption aus der Haut langsam (mittlere Halbwertszeit 20–27 h). Bei der ersten Anwendung als Pflaster wird ein Depot ­gebildet. Das führt dazu, dass die schmerzlindernde Wirkung verzögert nach ca. 12 Stunden einsetzt. Gleichzeitig lässt die schmerzlindernde Wirkung nach Entfernen des Pflasters nicht sofort nach. Die Abflutungszeit wird mit ca. 24 Stunden angegeben. Die Wirkdauer beträgt ca. 72 Stunden. Fentanyl TTS sollte somit nicht zur Therapie von akuten Schmerzen verwendet werden, weil die therapeutische Wirkung erst verzögert einsetzt. Im Jahr 2013 wurde ein Rote-Hand-Brief veröffentlicht, der darauf aufmerksam machte, dass es bei gleichzeitiger Verordnung von Fentanyl-haltigen Pflastern und serotonerg wirkenden Arzneimitteln zu einem Serotonin-Syndrom ­kommen kann. Buprenorphin: Der Wirkeintritt des hoch lipophilen Buprenorphins erfolgt nach ca. 21 Stunden, die Abklingzeit nach Entfernung des Pflasters liegt bei ca. 27 Stunden. Je nach ­Präparat ergibt sich eine Wirkdauer von ca. 72–96 Stunden. Die Substanz wirkt als Partialagonist am µ-Rezeptor. Dieser besondere Wirkmechanismus erhöht die Anwendungssicherheit erheblich. Eine Atemdepression kann auch bei massiver Überdosierung fast nicht auftreten. Die antagonistische Wirkung am κ-Rezeptor kann sich bei älteren Schmerzpatienten, insbesondere solchen mit depressiven Verstimmungen, ­positiv auswirken. In ihrer Vigilanz werden die Patienten kaum durch Buprenorphin beeinflusst. Gerade bei Patienten mit Erkrankungen der Atemwege, wie z. B. COPD, ist die nicht relevante Beeinflussung des Atemminutenvolumens durch Buprenorphin von Nutzen. Bei multimorbiden Patienten mit einer Vielzahl an Begleitmedikationen bleibt die Therapie mit diesem opioiden Partial­ agonisten aufgrund des geringen Wechselwirkungsspektrums überschaubarer. Buprenorphin wirkt im Gegensatz zu ­anderen Opioiden deutlich geringer immunsupressiv, davon ­profitieren gerade ältere und immungeschwächte Schmerzpatienten. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion mit oder ohne Nierenersatzverfahren kann die Behandlung mit Buprenorphin in der Regel in normaler Dosis erfolgen. Obwohl Buprenorphin über CYP3A4 metabolisiert wird, haben CYP3A4-­ inhibierende Medikamente auf die Plasmakonzentrationen von transdermal verabreichtem Buprenorphin keinen relevanten ­Einfluss. Ein weiterer Vorteil sind die lange Wirkdauer trotz geringer Eliminationshalbwertszeit und die geringe Bindung an für andere Pharmaka relevante Proteine. Buprenorphin besitzt eine starke Wirksamkeit bei nozizeptiven Schmerzen und kann auch vorteilhaft zur Behandlung neuropathischer Schmerzen angewendet werden. Aufgrund einer Blockade spannungsaktiver Na-Kanäle ist eine antihyperalgetische Wirksamkeit gegeben. Die Substanz löst eine geringere Toleranzentwicklung aus und kann mit anderen μ-Agonisten kombiniert werden. „ 10 schmerz 1/2016 die PUNKTE Erhöhung des Therapieerfolges – Reevaluation Rationale Polypharmakotherapie Wie auch im Positionspapier zum Einsatz von Opioiden bei tumor- und nicht-tumorbedingten Schmerzen der Österreichischen Schmerzgesellschaft eindringlich betont wird, dürfen Opioide nur bei jenen chronischen Schmerzen zum Einsatz kommen, die auf ihren Wirkmechanismus ansprechen.19 Eine Langzeittherapie mit Opioiden kommt grundsätzlich nur bei Therapie-Respondern infrage, bei denen das definierte Therapie­ziel bei geringen bzw. tolerablen Nebenwirkungen erreicht wird. Bei Nicht-Respondern sollte zunächst eine Opioidrotation erwogen werden, bevor die Therapie beendet wird. Eine alleinige Therapie mit Opioiden ist bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen nicht zweckmäßig. Diese sollten im Sinne eines multimodalen Therapieansatzes mit Nicht-Opioidanalgetika bzw. Koanalgetika unter Berücksichtigung von Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen, mit Methoden der physikalischen Medizin oder Physiotherapie, psychotherapeutischen Interventionen oder Lebensstilmodifikationen kombiniert werden. Es ist wichtig, gemeinsam mit den Patienten individuelle und realistische Therapieziele zu formulieren. Eines der wichtigsten Instrumente der Therapie ist die regelmäßige Kontrolle des Therapieerfolges und vor allem der Nebenwirkungen.20 Dies gilt vor allem für multimorbide Patienten im besonderen Ausmaß. Da sich die gesundheitliche Situation, die Organ­insuffizienzen und etwaige zusätzliche therapiebedürftige Erkrankungen rasch verschlechtern können, ist eine regel­mäßige und teilweise auch engmaschige Kontrolle unumgänglich. Gut verträgliche und in ihrer Dosierung angepasste Substanzen kumulieren unter Umständen plötzlich allein wegen eines Infektes und der Gabe eines Antibiotikums und lösen gravierende Nebenwirkungen aus. Ein interdisziplinärer Ansatz erscheint beim geriatrischen Patienten wünschenswert. In Absprache mit den anderen Fachdisziplinen, welche in die Behandlung des Patienten involviert sind, sind Therapiestrategien zu forcieren, die bei multimorbiden Patienten einen sicheren Benefit bringen. American Geriatrics Society. Pharmacological management of persistent pain in older persons. J Am Geriatr Soc 2009; 57:1331–46 2 American Geriatric Association. Panel on persistent pain in older persons. J Am Geriatr Soc 2002; 50:205–24 3 Kee WG et al., Persistent pain in the older patient – evaluation and treatment. In: Gatchel RJ, Turk DC (Eds.): Psychological approaches to pain management. Guilford Press, New York 1996; p371–402 4 Ferrell B, Ferrell B. Pain in the elderly. IASP Press, Seattle 1996 5 Weiner D, Rudy T. J Am Geriatr Soc 2002; 50:2035–40 6 Tegeder I et al., Schmerz 1999; 13:183–95 7 McQuay H. Lancet 1999; 353:2229–32 8 Schuler M et al., Schmerz 2002; 6:171–78 9 Bellville J et al., JAMA 1971; 217:1835–41 10 1 Überlegungen für eine eventuelle Beendigung einer Opioidtherapie: • Stimmt die Indikation für das Opioid und ist diese noch vorhanden? • Stimmen die Dosierungen, das Dosierungsintervall und die Verabreichung mit dem derzeitigen Gesundheits­ zustand überein? • Gibt es Medikamenteninteraktionen oder erkrankungs­ bedingt neu aufgetretene Kontraindikationen? • Fehlende Schmerzreduktion? • Unkontrollierte Dosissteigerung? • Einnahmeunregelmäßigkeiten? Zusammenfassung: Auch bei geriatrischen Patienten ist die Anwendung von Opioiden zur Schmerzkontrolle indiziert. Altersbedingte Organfunktionseinschränkungen, Polymorbidität und medikamentöser Polypragmatismus erfordern allerdings eine gezielte Opioidauswahl entsprechend der ­ Schmerzentität und -intensität, eine vorsichtige Therapie­ einleitung, die konsequente Behandlung auftretender Nebenwirkungen und die regelmäßige Reevaluation des Therapieerfolges mit etwaiger Dosisanpassung. Eine regelmäßige Kontrolle von Organfunktionen mittels Laboranalysen wird empfohlen. Leitlinien hinsichtlich der Opioidverordnung und -überprüfung sind einzuhalten. Anzustrebende Zielgrößen für eine adäquate Opioidtherapie bei nicht-tumorbedingtem chronischem Schmerz sind eine Reduktion der Schmerzintensität inklusive Schlafverbesserung, eine Verbesserung der Lebensqualität, eine Verbesserung des Funktionsniveaus sowie eine Steigerung der psychosozialen Aktivität. ■ Macintyre P, Jarvis D. Pain 1995; 64:357–64 Loick G et al., Dtsch Med Wochenschr 2000; 125:1216–21 12 Rastogi R, Meek BD. Clin Interv Aging 2013; 8:37–46 13 Abdulla A et al., Age Ageing 2013; 42(Suppl. 1):1–57 14 Fine PG. Pain Med 2012; 13(Suppl. 2):57–66 15 Pinter G et al., Wien Med Wochenschr 2010; 160: 235–46 16 Al-Hashimi M, Scott SW et al., BJA 2013; 111(1):80–88 17 Kress HG. EJP 2009; 13(3)219–30 18 Vorsanger G et al., Clin Ther 2007; 29(Suppl.):2520–35 19 Kahan M, Mailis-Gagnon A et al., Pain Research and Management 2011; 16(3):157–58 20 Chou R et al., APS-AAPM. Clinical Guidelines for the use of chronic opioid therapy in chronic noncancer pain 2009; 10(2): 113–130.e22 11 ÄRZTLICHER FORTBILDUNGSANBIETER: LECTURE BOARD: Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin, Wilhelminenspital Wien Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Lampl Univ.-Prof. Dr. Sabine Sator-Katzenschlager die PUNKTE schmerz 1/2016 11 Lehrziel: Im folgenden Artikel wird ein Überblick über starke chronische Schmerzen gegeben und die verschiedenen t­ herapeutischen Optionen werden angeführt. Dabei wird vor allem auf die Wirksamkeit von Nicht-Opioid-Analgetika eingegangen und es werden die Empfehlungen der europäischen Behörden berücksichtigt. Starke Schmerzen: Therapievorschläge und Suchtproblem AUTOREN Ärztliche Auseinandersetzung mit dem Thema Schmerz Als klinisch tätige Ärzte wissen wir aus unserem subjektiven Gefühl, dass wir vermehrt mit Patienten konfrontiert ­werden, die unter massiven Schmerzzuständen leiden. In einer 2010 publizierten Studie von Smith1 wurde die Prävalenz dieser Schmerzzustände untersucht, mit der Erkenntnis, dass bei einem Durchschnittsalter von 75,7 Jahren (± 10,8 Jahre) die Schmerzprävalenz 24 Monate vor dem Tod bei 30,7 % (95%KI: 21,2–40,1 %) lag; bei Patienten, die einen Monat vor ihrem Tod interviewt wurden, stieg diese jedoch auf 47,7 % (95%-KI: 37–57,8 %) an. Bei jenen Personen, die nicht innerhalb von 2 Jahren nach dem Interview verstarben, lag die Schmerzprävalenz im Durchschnitt bei 24,2 % (95%-KI: 23,4–25 %). Für Österreich gibt es Daten, wonach 1,5 Millionen Ö ­ sterreicher an chronischen Schmerzen leiden und zirka 300.000 Personen starke chronische Schmerzen haben.2 Neben dem massiven Verlust von Lebensqualität für die Betroffenen führt diese Problematik auch zu direkten Gesundheitskosten im Ausmaß von jährlich 1,4–1,8 Milliarden Euro. Zusätzlich sind 39 % der Patienten mit chronischen Schmerzen der Ansicht, dass sich ihr Gesundheitszustand negativ auf Familie und Freunde auswirkt. 21 % haben das Gefühl, durch ihre Schmerzen gesellschaftlich isoliert zu sein. Fotos: privat, beigestellt Vorgehen für eine optimale Versorgung Für eine optimale Schmerzkontrolle sind eine sorgfältige Evaluation möglichst vieler individueller krankheits- und lebenssituativer Aspekte und häufig auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen notwendig. Nach einer genauen Schmerzerfassung, welche den Schmerzcharakter, die Schmerzlokalisation, Beginn und Dauer der Schmerzen, Maßnahmen, die zu einer Linderung geführt haben, sowie eine Klassifizierung der Schmerzintensität bein­ halten sollte, kann mit einer effektiven Therapie begonnen werden. Dabei ist es sinnvoll, anhand eines Schmerzprotokolls den Verlauf zu dokumentieren. Dr. Markus Köstenberger Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc Dr. Stefan Neuwersch, MSc Abteilung für Anästhesiologie, allgemeine Intensivmedizin, Notfallmedizin, ­interdisziplinäre Schmerztherapie und Palliativmedizin Klinikum Klagenfurt am Wörthersee – KABEG, Feschnigstraße 11, A-9020 Klagenfurt E: [email protected], [email protected], [email protected] Die Grundsätze der Therapie sollten sich nach dem gültigen WHO-Schema richten (Abb. 1). Dabei haben sich folgende Richtlinien als sehr hilfreich erwiesen: • By the Mouth: Passende Galenik sowie Compliance des ­Patienten beachten (Tabletten, Tropfen, Suppositorien, Pflaster). • By the Clock: Prophylaktisch statt reaktiv. Eine ­grundlegende Dauertherapie sollte angestrebt werden. • By the Ladder: Bei Notwendigkeit einfach nach dem ­Stufenschema weiter aufsteigen, jedoch bei massiven Schmerzen schon in einer geeigneten Stufe beginnen. Bei der Therapie der Schmerzsymptome können durch den Einsatz von Koanalgetika, wie Neuroleptika, Steroide, Antidepressiva sowie Antiepileptika, zusätzlich gute Erfolge erzielt werden. Auch der Anwendung von nicht-medikamentösen Maßnahmen, wie Entspannung, Musiktherapie, physikalische Therapie, körperliche Aktivität, Psychotherapie oder Coaching, wird ein großer Nutzen zugeschrieben. Eine weitere ­Alternative sind Infiltrationen oder Blockadetechniken, wie CT-gezielte Nervenwurzelblockaden oder gezielte regionalanästhesiologische Verfahren. „ 12 schmerz 1/2016 die PUNKTE Abb. 1: Das WHO-Stufenschema3 Koanalgetika (z. B. Antidepressiva) und nicht-medikamentöse Maßnahmen 2. Stufe schwache Opioide 1. Stufe NichtOpioid­Analgetika zusätzlich: Nicht-­ Opioid-­ Analgetika 3. Stufe starke ­Opioide 4. Stufe starke ­Opioide in nicht-oraler Darreichung, Lokal­ anästhetika usw. zusätzlich: Nicht-­ Opioid-­ Analgetika zusätzlich: Nicht-­ Opioid-­ Analgetika Nicht-Opioid-Analgetika Die Nicht-Opioid-Analgetika bilden nicht nur in chemischer, sondern auch in pharmakodynamischer Hinsicht eine heterogene Wirkstoffgruppe. Zu den Nicht-Opioid-Analgetika gehören Substanzen aus den Gruppen der nicht-steroidalen Antiphlogistika (z. B. Acetylsalicyl­ säure), Anilinderivate (Paracetamol), Pyrazolderivate (Metamizol) und der Triptane. Die nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAID)/nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) sind häufig eingesetzte Medikamente, die ausgezeichnet wirken, aber auch zahlreiche Nebenwirkungen verursachen und daher nur gezielt eingesetzt werden sollten. Als hauptsächlicher Angriffspunkt gilt die Hemmung der Cyclooxygenasen, wodurch die Bildung von Prostaglandinen gehemmt wird. Die einzelnen Vertreter weisen eine unterschiedliche Wirkungsspezifität betreffend COX-1 und COX-2 auf. Während die klassischen NSAID, wie z. B. Ibuprofen, die Aktivität von COX-1 und COX-2 etwa gleich stark unterdrücken, kommt es durch Acetylsalicylsäure bevorzugt zu einer irreversiblen Hemmung von COX-1 und bei den Coxiben zu einer relativ selektiven Hemmung von COX-2. Die Grundlage der analgetischen, antipyretischen sowie anti­ phlogistischen Wirkung dieser Substanzen ist vorwiegend die Hemmung von COX-2, die vor allem in entzündlich verändertem oder traumatisiertem Gewebe synthetisiert wird. Als unerwünschte Nebenwirkung führt die COX-1-Hemmung zu Eingriffen in die Regulation des körpereigenen Magenschutzes, der Nierendurchblutung und der Thrombozytenaggregation. Die Hemmung von COX-2 führt zur Verschlechterung der Nierendurchblutung sowie der Wundheilung. Als typische Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen, Hemmung der Thrombozytenfunktion, Magen- und Duodenalulzera, gastrointestinale Blutungen, Beeinträchtigung der Nierenfunktion, Bronchokonstriktion, Hyperurikämie, Schwangerschaftskomplikationen, Allergien sowie kardiale und neurologische Komplikationen bekannt. Aus dem genannten Nebenwirkungsprofil ergeben sich die bekannten Kontraindikationen, welche für nicht-selektive COX-Hemmer floride Ulzera oder gastrointestinale Blutungen, eine Ulkusanamnese bei chronischer Einnahme, Beeinträchtigung der Thrombozytenaggregation, intrakranielle ­Blutungen, eingeschränkte Nierenfunktion, Asthma bronchiale, Hyperurikämie oder Gicht und die ersten 14 Tage der Schwangerschaft darstellen. Bei selektiven COX-2-Hemmern werden als Kontraindikationen eine KHK, Z.n. Myokardinfarkt, zerebrovaskuläre Erkrankungen, floride Ulzera oder gastrointestinale Blutungen, Einschränkungen der Nierenfunktion, die gesamte Schwangerschaft sowie eine Sulfonamidallergie angeführt (Abb. 2). Einige im Jahr 2012 und 2013 publizierte Informationen4, 5 führten zu einer ausgesprochenen Verunsicherung bei der Anwendung von NSAR. Hintergrund dieser Informationen ist die Tatsache, dass es unter der Anwendung von NSAR zu einer Zunahme von kardio- und/oder zerebrovaskulären Komplikationen kommt. Dabei ist für das Nebenwirkungsprofil das Verhältnis von COX-1- zu COX-2-Hemmung ausschlaggebend. Es wird berichtet, dass bei 8 von 1.000 therapierten Patienten mit mäßigem kardialem Risikoprofil ein Myokardinfarkt unter NSAR-Therapie auftritt.6 Bei Diclofenac steigt dieses Risiko um weitere 3 Fälle auf insgesamt 11 Fälle pro Jahr an. In einem weiteren Review wurde über vermehrte kardiovaskuläre Komplikationen bei der Anwendung von HochdosisIbuprofen (≥ 2.400 mg/Tag) berichtet,7 wobei keine erhöhten Abb. 2: Differenzierte Schmerztherapie mit NSAR Risikofaktoren NSAR Coxibe NSAR-bedingte gastrointestinale Blutungen oder Perforationen in der Anamnese GI Rezidivierende peptische Ulzera und Blutungen in der Anamnese Aktive peptische Ulzera und Blutungen Schwere Herzinsuffizienz CV Herzinsuffizienz Bluthochdruck und/oder Herzinsuffizienz in der Anamnese nach: EMA-Statements vom 27.06.2005 und 17.10.2005 Schilder-Illustrationen: stockphoto-graf – fotolia.com Organsystem die PUNKTE schmerz 1/2016 ist ausgeprägt antiphlogistisch, gut analgetisch und wird wegen seiner problematischen Nebenwirkungen nicht zur Fiebersenkung eingesetzt. Metamizol ist gut analgetisch wirksam, aufgrund seiner spasmolytischen Komponente vor allem bei viszeralen Schmerzen. Auch Metamizol wird nicht zur Fiebersenkung eingesetzt. Abb. 3: Einzeldosis und Tagesmaximaldosis einiger Nicht-Opioid-Analgetika Maximale Tagesdosis Freiname Einzeldosis Wirkdauer Acetylsalicylsäure 500–1.000 mg 4–6 h 3.000 mg Diclofenac 50–100 mg 8–12 h 200 mg Ibuprofen Dexibuprofen bis 800 mg 400 mg 6–8 h 6–8 h 2.400 mg 1.200 mg Naproxen 250–500 mg 12 h 1.000 mg Ketoprofen 50–100 mg 8–12 h 200 mg Mefenaminsäure 250–500 mg 6–8 h 3.000 mg Lornoxicam 4–8 mg 8–12 h 16 mg Celecoxib 100–200 mg 12 h 400 mg 13 Opioide Nebenwirkungsraten bei Dosierungen bis 1.200 mg/Tag (entsprechend 600 mg Dexibuprofen) festgestellt wurden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Nutzen von Nicht-Opioid-Analgetika sicherlich die Nebenwirkungen überwiegt. Jedoch ist es unerlässlich, die Therapiedauer so kurz und die Dosierung so niedrig wie möglich zu halten und die Kontraindikationen genauestens zu beachten (Abb. 3). Entsprechend dem Nebenwirkungsprofil ist es notwendig, das Analgetikum hinsichtlich seiner analgetischen, antipyretischen und antiphlogistischen Wirksamkeit auszuwählen. ASS wird heute hauptsächlich zur Hemmung der Thrombozytenaggregation eingesetzt. Für analgetische und antiphlogistische Effekte werden heute andere Analgetika bevorzugt. Ibuprofen/Dexibuprofen sind – nicht zuletzt wegen einer ausgeprägten zentralen Komponente – gut analgetisch, gut antipyretisch und mäßig antiphlogistisch wirksam. Diclofenac Opioide sind Substanzen mit morphinartiger Wirkung von halbsynthetischer oder synthetischer Herkunft. Das Hauptalkaloid ist Morphin, Nebenalkaloide sind Codein, Thebain und andere. Opium ist der Milchsaft der unreifen Frucht­kapsel des Schlafmohns (Papaver somniferum). Opioide entfalten eine starke schmerzstillende Wirkung auf supraspinaler, spinaler und peripherer Ebene. Die im Jahr 1973 erstmals beschriebenen Opioidrezeptoren wurden in μ, κ und δ unterschieden. Heute unterscheiden wir Substanzen, die rein agonistisch (typische Opiate), rein antagonistisch (z. B. Naloxon) und partiell agonistisch (z. B. Nalbuphin) wirken. Die neuen S3-Leitlinien LONTS (Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen Nicht-Tumorschmerzen) stellen klar, dass die kurzfristige Behandlung mit opioidhaltigen Analgetika bei gewissen Krankheitsbildern, wie z. B. chronischem Arthroseschmerz, diabetischer Polyneuropathie, Post-Zoster-Neuralgie oder chronischem Rückenschmerz, möglich ist. Um dabei die optimale Nutzen-NebenwirkungsRatio zu finden, ist es nötig, eine Dosisfindung und manchmal eine Opioidrotation durchzuführen. Weiter sollten retardierte Opioide (Hydromorphon, Oxycodon, Fentanyl transdermal, Buprenorphin) mit schnellwirksamen Opioiden kombiniert werden, damit dem Patienten für den Durchbruchschmerz eine zusätzliche therapeutische Option zur Verfügung steht. Die zeitliche Entwicklung der Therapieoptionen beim Durchbruchschmerz zeigt Abbildung 4. „ Abb. 4: Therapieoptionen bei Durchbruchschmerzen 1998 2006/2008 2009 2008 2009 2009 2014 oral transmukosal ­Fentanyl Citrat (OTFC) FENTORA® (US)/ EFFENTORA™ (EU) ONSOLIS™ (US) FBSF, in den USA auf dem Markt Rapinyl™/ Abstral (EU), SLF Instanyl™ (EU), INFS NasalFent® (EU), FPNS Vellofent® (EU) Fentanyl sublingual Fentanyl Spray intranasal Fentanyl Pektin Nasalspray Actiq® transmukosal Effervescent Bukkaltablette Fentanyl ­bukkal mukoadhäsives Plättchen Fentanyl Sublingual­ tablette mit freundlicher Genehmigung von Prof. Likar 14 schmerz 1/2016 die PUNKTE Abb. 5: Opioid-Umrechnungstabelle8 Opioidumrechnung oral/transdermal Buprenorphin 100:1 Oxycodon 1:2 Morphin 5:1 Hydromorphon Tramadol 1:5 100:1 Fentanyl dieses Risiko bei korrekter Indikationsstellung und Anwendung retardierter Opioide sehr gering ist, begünstigen O ­ pioide mit schnellem Wirkeintritt sowie kurzwirksame Darreichungsformen die Entwicklung einer Abhängigkeit.10–12 Aus diesen Gründen sind vor dem Therapiebeginn mit Opioiden eine ausführliche Aufklärung sowie eine genaue Evaluation von Risikofaktoren notwendig, um die Patienten vorzeitig zu sensibilisieren und gute therapeutische Optionen zu ermöglichen. Zusammenfassung 3:1 Morphin i.v. Bei der Anwendung von Opioiden können auch Nebenwirkungen wie Schwindel, Schwitzen, Obstipation und sexuelle Impotenz auftreten, die zu einer schlechten Compliance bei der Einnahme führen. Die Patienten setzen deshalb häufig die verordnete Einnahme aus oder beginnen mit einer unregelmäßigen Einnahme von retardierten Präparaten, was w ­ iederum zum Gefühl der inadäquaten Schmerztherapie führt. Opiode und Sucht Eine weitere Besonderheit ist die Entstehung von Suchtverhalten im Zusammenhang mit der Einnahme von Opiaten. In einer Untersuchung von Dertwinkel9 wurde die Prävalenz von Abhängigkeit mit 0,03–24 % beschrieben. Als Ursachen für psychische Abhängigkeit werden biogenetische ­Disposition, individuelle psychische Merkmale, soziokulturelle ­Bedingungen und die abhängigkeitsauslösende Substanz genannt. Während Um eine suffiziente Schmerztherapie sicherstellen zu können, ist die strukturierte Ausbildung für den in der Schmerz­therapie tätigen Arzt unerlässlich. Dadurch kann gewährleistet werden, dass alle therapeutischen Optionen (medikamentös, interventionell, konservativ) ausgeschöpft werden und der Patient von der bestmöglichen Therapie profitiert. ■ Smith AK et al., Ann Intern Med 2010; 153:563–69 www.springer-gup.de/de/pharmazie/apotheke_marketing/5277-Zertifizierte_Fortbildung_Der_Wirkstoff_Tapentadol/p-1/ 3 www.schmerz-allianz.at/ 4 www.basg.gv.at/fileadmin/_migrated/content_uploads/131028_Diclofenac-1.pdf 5 www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_­library/Press_release/2013/06/ WC500144451.pdf 6 www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_­library/Referrals_document/Diclofenac-containing_medicinal_products/European_Commission_final_decision/ WC500155819.pdf 7 www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_­library/Press_release/2015/04/ WC500185426.pdf 8 Sittl R, Likar R, Nautrup PB. Clin Ther 2005; 27(2):225–37 9 Dertwinkel et al., Anaesthesist 1996; 45(6):495–505 10 Aronoff GM. Curr Rev Pain 2000; 4:112–21 11 Scharnagel R et al., Schmerz 2013; 27:7–19 12 Poelke T. Suchtmed 2014; 16(1):39–40 1 2 ÄRZTLICHER FORTBILDUNGSANBIETER: LECTURE BOARD: Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin, Wilhelminenspital Wien Univ.-Prof. i.R. Mag. pharm. Dr. Eckhard Beubler Univ.-Prof. Dr. Wilfried Ilias Fachkurzinformationen Lafene 12 (25; 50; 75; 100) Mikrogramm/h transdermales Pflaster Zusammensetzung: 1 Lafene transdermales Pflaster enthält 1,375 (2,75; 5,5; 8,25; 11) mg Fentanyl in einem Pflaster von 5 (10; 20; 30; 40) cm2, mit einer Freisetzungsrate von 12 (25; 50; 75; 100) Mikrogramm Fentanyl pro Stunde. Hilfsstoffe: Schutzfolie: Poly(ethylenterephthalat)folie mit Fluorkohlenstoff-Freisetzungsbeschichtung. Trägerfolie: Pigmentierter Poly(ethylenterephthalat)/Ethylenvinylacetat-Copolymerfilm. Wirkstoffhaltige Klebeschicht: Silikonklebstoff (Dimeticon, Silikatharz), Dimeticon. Kontrollmembran: Ethylenvinylacetat-Copolymerfilm. Hautklebeschicht: Silikonklebstoff (Dimeticon, Silikatharz), Dimeticon. Trennfolie: Poly(ethylenterephthalat)folie mit Fluorkohlenstoff-Freisetzungsbeschichtung. Drucktinte: Rote Tinte. Anwendungsgebiete: Erwachsene: Dieses Arzneimittel ist indiziert bei schweren chronischen Schmerzen, die nur mit Opioid-Analgetika ausreichend behandelt werden können. Kinder: Langzeitbehandlung von schweren chronischen Schmerzen bei Kindern mit einer Opioid-Therapie ab einem Alter von 2 Jahren. Gegenanzeigen: Lafene ist kontraindiziert bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegen Fentanyl oder einen der sonstigen Bestandteile des Pflasters; Akute oder postoperative Schmerzen, da eine Dosistitration bei kurzzeitiger Anwendung nicht möglich ist; Schwere Atemdepression; Schwere Beeinträchtigung des zentralen Nervensystems. Pharmakotherapeutische Gruppe: Nervensystem; Analgetika; Opioide; Phenylpiperidin- Derivate. ATC-Code: N02AB03. Abgabe: Suchtgift, Abgabe nur auf Suchtgiftrezept, apothekenpflichtig. Packungsgrößen: Packung mit 5 einzeln versiegelten transdermalen Pflastern. Kassenstatus: 5 Stk.: Green-Box. Zulassungsinhaber: Gebro Pharma GmbH, 6391 Fieberbrunn, Österreich. Stand der Fachkurzinformation: Oktober 2016. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit und Nebenwirkungen sowie Gewöhnungseffekten entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Astec 35 (52,5; 70) Mikrogramm/h transdermales Pflaster Zusammensetzung: Ein transdermales Pflaster enthält 20 (30; 40) mg Buprenorphin. Wirkstoffhaltige Fläche: 25 (37,5; 50) cm2. Nominale Abgaberate: 35 (52,5; 70) Mikrogramm Buprenorphin pro Stunde. Hilfsstoffe: Sojaöl. Adhäsive Matrix mit Wirkstoff: Styren-Butadien-Styren (SBS) und Styren-Butadien Blockcopolymer, Kolophonium Harz, Antioxidans (2,4-Bis(1,1-Dimethylethyl)phenyl phosphit (3:1); Tris(2,4-Di-Tert-Butylphenyl)phosphate), Aloe Vera Blätterextrakt Öl (enthält auch raffiniertes Sojaöl und all-rac-α-Tocophero-lacetat (Ph.Eur.)). Trägerschicht: Pigmentiertes Polyethylen, thermoplastisches Harz und aluminiumbedampftes überzogenes Polyester, blaue Beschriftungstinte. Abziehfolie mit Abziehhilfe: Polyesterfilm, einseitig silikonisiert (wird vor dem Aufkleben abgezogen). Anwendungsgebiete: Mäßig starke bis starke Tumorschmerzen und starke Schmerzen bei ungenügender Wirksamkeit nicht-opioider Schmerzmittel. Astec ist für die Behandlung von akuten Schmerzen nicht geeignet. Gegenanzeigen: Astec darf nicht ange-wendet werden: bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff Buprenorphin, Soja, Erdnuss oder einen der sonstigen Bestandteile; bei opioidabhängigen Patienten und zur Behandlung bei Drogensubstitution; bei Krankheitszuständen, bei denen eine schwergradige Störung des Atemzentrums und der Atemfunktion vorliegt oder sich entwickeln kann; bei Patienten, die MAO-Hemmer erhalten oder innerhalb der letzten 2 Wochen erhalten haben; bei Patienten mit Myasthenia gravis; bei Patienten mit Delirium tre-mens; in der Schwangerschaft. Pharmakotherapeutische Gruppe: Opioide, Oripavin-Derivate. ATC-Code: N02AE01. Packungsgrößen: Die Packungen enthalten 4, 5, 8, 10, 16 oder 24 (6x4) einzeln versiegelte transdermale Pflaster. Es werden möglicherweise nicht alle Packungsgrößen in den Verkehr gebracht. Abgabe: Suchtgift, Abgabe nur auf Suchtgiftrezept, apothekenpflichtig. Kassenstatus: Green-Box. Zulassungsinhaber: Gebro Pharma GmbH, 6391 Fieberbrunn. Stand der Fachkurzinformation: Juni 2014. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit und Nebenwirkungen sowie Gewöhnungseffekten entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. die PUNKTE schmerz 1/2016 die FRAGEN Opioidtherapie beim geriatrischen Schmerzpatienten Bitte beantworten Sie die nachfolgenden Multiple-Choice-Fragen. Für den Erwerb von 2 DFP-Punkten müssen 4 von 6 Fragen korrekt beantwortet sein. Eine Frage gilt als richtig ­beantwortet, wenn alle möglichen richtigen Antwortoptionen angekreuzt sind. Die erlangten Punkte werden direkt Ihrem Online-Fortbildungskonto gutgeschrieben. So kommen Sie zu Ihren Punkten: „„Online: www.diepunkteon.at/geriatrie-schmerz oder www.meindfp.at – dort haben Sie auch die Möglichkeit, die Teilnahmebestätigung herunterzuladen. 15 2 DFP-PUNKTE Gültigkeit des Fragebogens: November 2019  1 9 Geburtsdatum ÖÄK-Arztnummer Name Telefon oder E-Mail Ordinationsstempel „„ Post: Julia Reisenauer, MedMedia Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien „„ Fax: +43/1/522 52 70  itte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse an, um im Falle eines nicht bestandenen B Kurses benachrichtigt zu werden. 1. Welche Opioide akkumulieren nicht bei Niereninsuffizienz? (2 richtige Antworten) a) Morphin b) Oxycodon c) Buprenorphin d) Hydromorphon e) Fentanyl 4. Welche Aussagen in Bezug auf TTS sind richtig? Buprenorphin ... (2 richtige Antworten) ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ 2. Welche der folgenden Opioide lösen bei gleichzeitiger Einnahme von SSRI, SNRI oder Mirtazapin kein Serotonin-Syndrom aus? (2 richtige Antworten) a) Morphin b) Oxycodon c) Fentanyl d) Hydromorphon e) Tramadol ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ 3. Welche Aussage in Bezug auf transdermale Systeme (TTS) ist falsch? Für TTS typisch ... (1 richtige Antwort) a) sind lange Dosierungsintervalle. b) ist ein ausgeprägter First-Pass-Metabolismus. c) ist eine temperaturabhängige transdermale Diffusion. d) ist eine relative Trägheit des Systems mit langsamer An- und Abflutung. e) ist ein konstanter Plasmaspiegel. ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ a) wirkt als Partialagonist am µ-Rezeptor. b) zeigt aufgrund der antagonistischen Wirkung am -Rezeptor eine ­antidepressive Wirksamkeit. c) erfordert eine Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz. d) bietet bei multimorbiden Patienten mit einer Vielzahl an Begleit­ medikationen ein ausgeprägtes Wechselwirkungsspektrum. e) ist gekennzeichnet durch eine hohe Bindung an für andere Pharmaka relevante Proteine. ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ 5. Welche sind keine geeigneten Medikamente zur Behandlung ­nozizeptiver Schmerzen? (3 richtige Antworten) a) NSAR und Antidepressiva b) Metamizol und Opioide c) Antikonvulsiva und Tramadol d) NSAR und Buprenorphin e) NSAR, Metamizol und Antikonvulsiva ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ 6. Im Alter kommt es zu folgenden Veränderungen der Organfunktionen: (4 richtige Antworten) a) verzögerte Magenentleerung b) Zunahme des Gesamtkörperwassers c) Verringerung der Konzentration von Plasmaproteinen d) Abnahme des renalen Blutflusses e) reduzierte Rezeptordichte ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ 16 schmerz 1/2016 die PUNKTE die FRAGEN Starke Schmerzen: Therapievorschläge und Suchtproblem Bitte beantworten Sie die nachfolgenden Multiple-Choice-Fragen. Für den Erwerb von 2 DFP-Punkten müssen 5 von 7 Fragen korrekt beantwortet sein. Eine Frage gilt als richtig ­beantwortet, wenn alle möglichen richtigen Antwortoptionen angekreuzt sind. Die erlangten Punkte werden direkt Ihrem Online-Fortbildungskonto gutgeschrieben. So kommen Sie zu Ihren Punkten: „„Online: www.diepunkteon.at/schmerz-sucht oder www.meindfp.at – dort haben Sie auch die Möglichkeit, die Teilnahmebestätigung herunterzuladen. 2 DFP-PUNKTE Gültigkeit des Fragebogens: November 2019  1 9 Geburtsdatum ÖÄK-Arztnummer Name Telefon oder E-Mail Ordinationsstempel „„ Post: Julia Reisenauer, MedMedia Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien „„ Fax: +43/1/522 52 70  itte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse an, um im Falle eines nicht bestandenen B Kurses benachrichtigt zu werden. 1. Wie sollte eine effiziente Schmerztherapie beim chronischen Schmerzpatienten durchgeführt werden? (4 richtige Antworten) a) Der Patient sollte nur dann ein Medikament einnehmen, wenn er Schmerzen verspürt. b) Die orale Aufnahme ist immer zu bevorzugen. c) Die therapeutischen Schritte sollen dem WHO-Stufenschema ­entsprechen. d) Eine Kombination aus retardierten und schnellwirksamen Opioiden ist sinnvoll. e) Es können Nicht-Opioid-Analgetika mit Opioiden kombiniert werden. 5. Welche Aussage zu Nicht-Opioid-Analgetika trifft zu? (1 richtige Antwort) ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ a) Die Tagesmaximaldosis von Ibuprofen und Dexibuprofen ist gleich hoch. ¨ b) Coxibe sind bei einer Herzinsuffizienz kontraindiziert. ¨ c) Coxibe sind bei einer positiven Magenulkus-Anamnese kontraindiziert. ¨ d) Paracetamol wirkt sehr stark antiphlogistisch. ¨ e) Ibuprofen kann problemlos bis 3.600 mg pro Tag verabreicht werden. ¨ 6. Welche Aussagen zu Opioiden treffen zu? (2 richtige Antworten) 2. Für eine suffiziente Schmerztherapie ... (3 richtige Antworten) a) werden eventuell auch Antiepileptika verordnet. b) erhebt man eine Schmerzcharakteristik. c) wirkt Paracetamol immer. d) ist ein interdisziplinäres Vorgehen hilfreich. ¨ ¨ ¨ ¨ 3. Für Nicht-Opioid-Analgetika gilt: (2 richtige Antworten) a) Zur Gruppe der Nicht-Opioid-Analgetika gehören Pyrazolderivate. b) Acetylsalicylsäure ist ein COX-2-Hemmer. c) Es treten selten Nebenwirkungen auf. d) Coxibe wirken relativ selektiv. a) Die Wirkung von Opioiden ist rein zentral. b) Fentanyl ist 100 Mal potenter als Morphin. c) Die Verabreichung von bukkal wirksamen Opioiden ist eine Option für den Durchbruchschmerz. d) Ein Nebenalkaloid ist Morphin. e) Naloxon ist ein partieller Antagonist. ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ 7. Opioide und Suchtverhalten: (2 richtige Antworten) ¨ ¨ ¨ ¨ 4. Bei der Anwendung von Nicht-Opioid-Analgetika ... (3 richtige Antworten) a) kommt es durch COX-Hemmung zu Thrombozytenfunktionsstörungen.¨ b) führt die COX-2-Hemmung zu einer verbesserten Nierenfunktion. ¨ c) führt die COX-2-Hemmung zu einer geringeren Prostaglandin freisetzung. ¨ d) ist ein Insult eine mögliche Nebenwirkung. ¨ e) kommt es im Durchschnitt zu 11 Komplikationen bei 1.000 ­Anwendungen. ¨ a) Biogenetische Faktoren stellen eine Ursache für Abhängigkeit dar. b) Retardierte Opioide haben ein höheres Abhängigkeitsproblem als nicht retardierte. c) Kurzwirksame Darreichungsformen begünstigen die Entstehung einer Sucht. d) Auf eine ausführliche Aufklärung kann verzichtet werden. e) Die Substanz per se hat keinen Einfluss auf das Suchtverhalten. ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ die PUNKTE entgeltliche einschaltung 17 Schmerzpflaster in der Schmerztherapie geriatrischer Patienten Starke Opioide dienen zur Behandlung starker Schmerzen. Bei geriatrischen, oft multimorbiden Patienten müssen die unterschiedlichen Opioide aufgrund ihrer Pharmakologie gezielt ausgewählt und eingesetzt werden. Transdermale Opioidsysteme sind bei dieser Patientengruppe von besonderer Bedeutung. Diese sind auch bei gastrointestinalen Passagestörungen vorrangig einsetzbar. Worauf es bei der Anwendung ankommt, erklärt OÄ Dr. Waltraud Stromer, Abteilung für Anästhesie und allgemeine Intensivmedizin am Landesklinikum Horn. Redaktion: Mag. Sandra Standhartinger Welche Vorteile bietet die Schmerztherapie mit transdermalen Opioidsystemen im Vergleich zu den oralen Formen? Dr. Stromer: Der Vorteil besteht darin, dass es keinen First-Pass-Effekt gibt. Die Bioverfügbarkeit von Schmerzpflastern liegt bei etwa 92 % und damit deutlich höher als bei oralen Darreichungsformen. Darüber hinaus bieten transdermale Systeme eine nahezu stabile Wirkstoffkonzentration über 24 Stunden ohne Plasmaspitzen. Damit sind Opioidpflas­ ter bei Patienten mit konstantem Schmerz­bild eine attraktive und sinnvolle Therapieoption. Fachkurzinformationen siehe Seite 14 Worauf sollte man bei der Einstellung auf Opioidpflaster achten? Was sollte besonders beim geriatrischen Patienten beachtet werden? Der Patient muss darüber informiert werden, dass die Wirkung nicht unmittelbar, sondern erst nach 12 bis 21 Stunden einsetzt. Gerade bei geriatrischen, opioidnaiven Patienten heißt es: Vorsicht mit der Anfangsdosis! Für die Initial­dosis bei Opioiden gilt eine individuelle behutsame Dosistitration nach dem Motto „start low, go slow“. Damit es zu keinen Nebenwirkungen (z. B. Schwindel, Übelkeit, ...) und damit zu ComplianceProblemen kommt, können Matrixpflas­ ter bei geriatrischen Patienten geteilt oder sogar geviertelt werden. So hat der Patient Zeit, sich an diese Therapieform zu gewöhnen. Bei geriatrischen Patienten ist insbesondere Buprenorphin dem Fentanyl vorzuziehen, da es die kognitive Funktion studiengemäß weniger beeinträchtigt. Ist der Patient sehr kachektisch, kann aufgrund der fehlenden ­subkutanen Fettschicht und einer möglichen Kreislaufzentralisierung ein Pflasterwechsel 24 Stunden früher als angegeben nötig werden. Für die Schmerztherapie mit ­Opioid­pflastern stehen die beiden ­Wirkstoffe Fentanyl und Buprenorphin zur ­Verfügung. Für welche Patienten ­setzen Sie welches Pflaster ein? Fentanyl ist ein reiner µ-Rezeptoragonist und wirkt daher vorrangig bei nozizeptiven Schmerzen, wie z. B. Schmerzen der Muskeln, Bänder und Gelenke. Es ist für Patienten ohne Beeinträchtigung der Leber- oder Nierenfunktion geeignet. Bei einer Nierenfunktionsstörung muss bei einer glomerulären Filtrationsrate < 30 ml/min die Dosierung von Fentanyl um mindestens 25 % reduziert werden. Das bedeutet gleichzeitig, dass zur Dosis­ anpassung bei geriatrischen Patienten die Parameter der Nieren- und auch Leberfunktion öfter zu kontrollieren sind. Ansonsten droht eine Akkumulierung der Substanz mit deutlich gesteigertem Nebenwirkungspotenzial und einem womöglich daraus resultierenden Sturzrisiko. Bei starken Opioiden ist gerade bei geriatrischen Patienten auch Vorsicht bei gleichzeitiger Gabe von Sedativa, Neuroleptika und Antidepressiva geboten. In der Kombination von Fentanyl mit serotonergen Agonisten (z. B. SSRI, SNRI, MAO-Hemmer, trizyklische Anti­ depressiva, ...) kann es zu einem bedrohlichen Serotonin-Syndrom kommen. Buprenorphin ist ein partieller µ-Agonist und ϰ-Antagonist und aufgrund seiner pharmakodynamischen Wirksamkeit daher breit einsetzbar. Es wirkt bestens bei nozizeptiven und neuropathischen Schmerzen bzw. wenn beide in Kombination auftreten („mixed pain“), wovon gerade geriatrische Patienten sehr häufig betroffen sind. Bei Buprenorphin kommt es aufgrund minimaler Toleranzentwicklung zu kaum einer Wirkungsabnahme. Auch Entzugssyndrome unter Buprenorphin sind schwächer ausgeprägt als unter Fentanyl. Aufgrund des ϰ-Anta­ gonismus hat es auch eine antidepressive Wirkung, was gerade bei chronischen geriatrischen Schmerzpatienten einen zusätzlichen Benefit bedeutet. Weiters besitzt Buprenorphin eine geringere immunsuppressive Wirkung als Fentanyl – ein Faktor, der gerade bei Karzinompatienten relevant ist. Unter Buprenorphin muss weder bei Leber- oder Nieren­ suffizienz noch bei Dialysepatienten eine Dosisanpassung vorgenommen werden. Welche Begleitmedikation setzen Sie bei einer Opioidpflaster-Therapie ein? Was empfehlen Sie zusätzlich gegen Durchbruchschmerzen? Bei jedem Opioid muss obligatorisch zu Beginn eine antiemetische Prophylaxe erfolgen. Des Weiteren ist eine Obstipationsprophylaxe essenziell. In Bezug auf den Durchbruchschmerz ist zwischen Durchbruchschmerz bei chronischem Schmerz und Palliativmedizin zu differenzieren. Bei chronischen Schmerzen sollte man nur zu Beginn zur Dosisfindung nicht-retardierte Opioide einsetzen. Wird einem Patienten trotzdem wegen weiterhin zeitweilig durch bestimmte Tätigkeiten ausgelöster starker Schmerzen ein nicht-retardiertes Opioid verordnet, muss dieser Patient unbedingt diesbezüglich unter Observanz gehalten werden (Missbrauchspotenzial!). Im Fall von Fentanyl TTS kann orales Hydromorphon in unretardierter Form ergänzt werden. Für Palliativpatienten eignet sich transmukosales Fentanyl. Im Fall von Buprenorphin besteht bei Durchbruchschmerzen die Möglichkeit, Buprenorphin sublingual 0,2 oder 0,4 mg (Temgesic®) zu verabreichen. Temgesic® wirkt nach ca. 30 Minuten und die Wirkung hält in etwa 6 bis 8 Stunden an. ■ Fachkurzinformation siehe Seite 14