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Landkreis Esslingen
Psychologische Beratungsstellen für Familie und Jugend in Nürtingen und Esslingen Jahresbericht 2003 Schulverweigerndes Verhalten
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Inhalt
Schulverweigerndes Verhalten 1. Schulangst ...................................................4 Leistungsüberforderung.............................4 Gewalt / Mobbing durch Mitschüler...........5 Gestörte Beziehung zu Lehrkraft...............5 2. Schulphobie..................................................6 3. Schulschwänzen.........................................10 Anhang.............................................................13 Adressen der Psychologischen Beratungsstellen Handreichung Schulverweigerung
Schulverweigerung - ein aktuelles Problem westlicher Industriestaaten Schulverweigerung ist ein relativ häufig beobachtetes Phänomen bei Kindern und Jugendlichen mit offenbar steigender Tendenz in westlichen Gesellschaften. Aktuelle Zahlenangaben aus Deutschland gehen von ca. 5 - 8% aller schulpflichtigen Kinder aus. Allerdings sind empirische Befunde über die Häufigkeit schulverweigernden Verhaltens oft unzureichend und schwer vergleichbar, da es sich um kein einheitliches Störungsbild handelt; sehr unterschiedliche psychische bzw. psychosoziale Konstellationen können sich dahinter verbergen.
Schulverweigerung gefährdet die Gesamtentwicklung Schulverweigerung wird in den letzten Jahren verstärkt als Problem von hoher individueller und gesellschaftlicher Bedeutung untersucht und diskutiert. Forschungs...
-3ergebnisse machen deutlich, dass Fehlzeiten in der Schule die Gesamtentwicklung gefährden und in Zusammenhang stehen mit gravierenden Folgeproblemen wie Schulabruch oder fehlendem Schulabschluss, späteren sozialen oder psychischen Problemen und auch Delinquenz.
Man unterscheidet drei Verweigerungsformen Um die Tragweite schulverweigernden Verhaltens einschätzen und adäquat intervenieren zu können, ist eine differenzierte diagnostische Abklärung der be-
stehenden Problematik notwendig. In Abhängigkeit von den zugrunde liegenden Faktoren unterscheidet man im deutschen Sprachraum drei Verweigerungsformen: 1. Schulangst: Die Angst bezieht sich unmittelbar auf schulische Belastungen. 2. Schulphobie: Hauptsymptom ist eine Trennungsangst. 3. Schulschwänzen: Es liegt eine dissoziale Störung vor. Die ersten beiden Formen der Schulverweigerung sind somit angstbedingt, und die Kinder bleiben der Schule meist mit Wissen der Eltern fern. Schulschwänzen dagegen gründet sich nicht auf Angst, sondern auf Unlust und geschieht in der Regel ohne Wissen der Eltern. Auch wenn je nach Diagnose unterschiedliche Hilfen angezeigt sind, so gilt doch für jede Verweigerungsform: es besteht ein hohes Risiko der raschen Chronifizierung, was bei allen Formen eine möglichst frühzeitige Intervention erfordert. ...
-41. Schulverweigerung aufgrund extremer Schulangst Angstauslöser liegen im System Schule, seinen konkreten schulischen Anforderungen, Belastungen und seinen Personen (Mitschüler / Lehrer) begründet. Schulangst ist reale Angst vor überfordernden oder traumatisierenden sozialen Belastungssituationen, die im schulischen Kontext entstehen. Man unterscheidet drei Auslöser für Schulangst: - Angst vor Schulversagen bzw. Überforderung - Angst vor den Mitschülern - Angst vor einem oder mehreren Lehrern Leistungsüberforderung als Angstauslöser Als Auslöser für Schulangst ist das Gefühl der Überforderung von zentraler Bedeutung. Die Erfahrung, schulischen Anforderungen nicht zu genügen, trifft das Selbstwertgefühl und löst Angst vor Scheitern, Prüfungs- oder Versagensangst aus. Im Rahmen der Angstentstehung können - als Reaktion auf Überforderung - körperliche Beschwerden wie Übelkeit und Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Schlafstörungen auftreten, oft auch verbunden mit Konzentrationsstörungen und depressiver Verstimmung. Übersteigen schulische Aufgabenstellungen immer wieder die eigenen Möglichkeiten, kann eine generalisierte Schulangst sich entwickeln. Manche Kinder versuchen, der für sie bedrohlichen schulischen Situation auszuweichen. Durch das schulverweigernde Verhalten entsteht eine psychische Entlastung und Erleichterung, da die angstauslösende Situation wegfällt. Allerdings besteht die Gefahr, dass das Ausweichverhalten dadurch verstärkt wird und die Schulangst zunimmt. Kinder mit Schulangst sind oft sehr angepasste, leistungswillige und fleißige Kinder, die die Erwartungen ihrer Eltern nicht enttäuschen wollen. Die Eltern selbst zeigen ein hohes Engagement für die schulische Entwicklung ihrer Kinder. Es sind meist sehr fürsorgliche und liebevolle Eltern, die ihren Kindern viel aufmunternde Unterstützung geben. Manche der später schulängstlichen Kinder verbringen schon in der Grundschulzeit mehrere Stunden täglich mit der Erledigung von Hausaufgaben und Nacharbeiten des Unterrichtsstoffes. Wachsende schulische Anforderungen, z.B. beim Übergang zur weiterführenden Schule, können dann zunehmend die intellektuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten des Kindes übersteigen, die Überforderung kann nicht mehr durch Fleiß und intensives Üben kompensiert werden. ...
-5 Reale Bedrohungen durch Gewalt/ Mobbing als Angstauslöser Schulangst und darauf gründende Schulverweigerung sind in diesem Fall Folge von realen Bedrohungen durch Mobbing, Erpressung oder Gewalt durch Mitschüler. Die Kinder sind unmittelbarer, offener Gewalt ausgesetzt in Form körperlicher oder psychischer Aggression oder mittelbarer Gewalt in Form von sozialer Isolierung und absichtlicher Ausgrenzung. Aufgrund eines asymmetrischen Kräfteverhältnisses sind die Kinder nicht in der Lage, sich effektiv zu wehren. Wenn Kindern Gewalt, Schikane, Demütigung, Ausgrenzung oder körperliche Gewalt wiederholt und über einen längeren Zeitraum widerfährt, hat dies gravierende psychische Auswirkungen.
Gewalt/Mobbing findet meist im Verborgenen statt Kinder, die Gewalt oder Mobbing ausgesetzt sind, sprechen oft nicht über ihre schlimmen Erfahrungen, da sie sich beschämt fühlen durch das, was ihnen geschieht, und sie sich oft selbst die Schuld geben. Insbesondere Jungen fällt es schwer, sich Erwachsenen anzuvertrauen, da die Rolle des Opfers mit ihrem männlichen Rollenverständnis nicht vereinbar erscheint und eine massive Kränkung ihres Selbstwertes bedeutet. Daher bleiben Mobbing und Gewalthandlungen oft für Lehrer, aber auch Eltern, im Verborgenen und die Kinder mit ihrer Not und Angst allein. Leistungsabfall, depressive Verstimmung, psychosomatische Beschwerden, aber auch Schulangst und Schulverweigerung sind die Folge. Bei Schulverweigerung aufgrund erfahrener Gewalt brauchen Kinder dringend Hilfe von Außen, da es für sie unmöglich ist, sich selbst aus dieser Situation durch in der Regel wirkungslose Gegenwehr zu befreien. Ängste durch Störungen im Lehrer-Schüler-Verhältnis Auch Beziehungsprobleme mit einem bestimmten Lehrer bzw. mehreren Lehrern können zu einer Angstentwicklung führen und eine Schulverweigerung nach sich ziehen. Dies kann z.B. durch ungerechtes, hartes oder verletzend - entwürdigendes Verhalten der Lehrkraft ausgelöst werden. Gefühle der Demütigung, Ohnmacht und Angst auf Seiten des Schülers können so massiv werden, dass ein Vermeiden der unerträglichen Situation als einziger Ausweg für das Kind erscheint. Angstfaktoren müssen vor Rückkehr in die Schule geklärt sein Vor einer Rückkehr in die Schule ist es notwendig, dass die ängstigenden Faktoren und Themen geklärt bzw. ausgeräumt sind.
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-6Handelt es sich um eine Schulangst aufgrund einer etwaigen Überforderung, ist eine Abklärung von Intelligenz und Leistungsfähigkeit (auch im Hinblick auf Teilleistungsstörungen wie Aufmerksamkeitsdefizit oder Wahrnehmungsstörungen) erforderlich. Je nach diagnostischen Erkenntnissen stehen z.B. Nachhilfestunden an, manchmal auch ein Wechsel der Schule bzw. Schultyps oder eine Rückstufung. Oft müssen Eltern wie Kinder sich von überhöhten Bildungszielen verabschieden. Wenn Kinder aufgrund von Gewalt oder Mobbing den Schulbesuch vermeiden, müssen durch Intervention im schulischen Bereich, über Klassenlehrer und
Schulleitung, manchmal mit Hilfe psychologischer Beratung, die Gefährdungen für die Kinder beendet werden. Oft sind Kinder, die eine Schulangst entwickeln, eher sensibel, sozial unsicher und wenig durchsetzungsfähig und kommen aus einem überbehütenden Elternhaus. Daher sind auch nach erfolgreich wieder aufgenommenem Schulbesuch manchmal weitere (therapeutische) Maßnahmen notwendig, die z.B. eine Stärkung des Selbstwertgefühls, der Kontaktfähigkeit, der Frustrationstoleranz oder der sozialen Kompetenz zum Ziel haben. ...
-72. Schulphobie: Trennungsangst hindert am Schulbesuch Vom äußeren Erscheinungsbild zeigt Schulverweigerung auf der Grundlage einer schulphobischen Entwicklung große Ähnlichkeit mit einer schulängstlichen Verweigerung. Auch hier bestehen intensive Ängste vor dem Besuch der Schule, verbunden mit meist - noch massiveren - psychosomatischen Symptomen. Erst eine differenzierte Diagnostik erhellt, dass keine auf die Schule gerichtete reale Angst vorliegt, sondern im Kern eine Trennungsangst, eine Angst vor der Trennung aus einem vertrauten Milieu. Schule ist Anlass, aber nicht Ursache der Angst Schule ist letztlich nur Schauplatz des Problems und hat selbst nur wenig Einfluss auf das schulphobische Verhalten.(Dennoch ist die frühzeitige Reaktion der Schule auf die Verweigerung oft von ausschlaggebender Bedeutung, um eine Chronifizierung zu vermeiden.) Am häufigsten tritt eine schulphobische Entwicklung in der späteren Kindheit (> 11Jahre), aber auch bei Übergängen wie z.B. bei Schuleintritt oder Wechsel zur weiterführenden Schule sowie in der Adoleszenz auf. Die Trennungsangst manifestiert sich als panische Angst Die Angst ist meist verbunden mit Schreiattacken und heftigem Weinen. Sie tritt oft antizipierend auf (z.B. am Vorabend vor dem Einschlafen), während der Trennungssituation, wenn das Kind z.B. das Haus verlassen soll oder auch danach (im Klassenzimmer). Trotz nachdrücklicher Bemühungen der Eltern mit Strenge, gutem Zureden oder Beruhigung gelingt es ihnen nicht, das Kind zum Schulbesuch zu bewegen. Die Trennungsangst ist fast immer verbunden mit einer Reihe körperlicher Symptome wie Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen und Unwohlsein, Blässe, Kopfschmerzen, Kreislauflabilität, Diarrhö oder Appetitlosigkeit. Wiederholt durchgeführte medizinische Untersuchungen ergeben keinen organischen Befund. Enge familiäre Beziehungen und Loyalitäten behindern Autonomie Die familiären Beziehungen sind meist durch enge Bindungen und Verstrickungen sowie hohe Loyalitätserwartungen geprägt. Die innerfamiliären Bindungen sind dabei so stark, dass die Anziehungskräfte der Schule dagegen machtlos sind. In vielen Fällen besteht eine überaus enge Bindung zwischen Mutter und Kind. Überbehütendes und einengendes Erziehungsverhalten lässt wenig Raum für Autonomie und Ablösung. Oft haben die Mütter selbst Trennungsschwierigkeiten und trauen den ...
-8Kindern wenig Eigenständigkeit und keine altersgerechten Freiräume zu. Die Außenwelt wird bedrohlich erlebt, mit großen Risiken und Gefahren. Loslassen und Alleinlassen (oft ist auch der Vater aus der engen Mutter-Kind-Beziehung ausgeschlossen bzw. steht am Rand) ist in altersangemessenem Rahmen kaum möglich, weil die Mutter Autonomie der Kinder nicht aushält. So fehlen den Kindern Erfahrung, Sicherheit und Selbstwertgefühl, um sich in der Außenwelt zurechtzufinden. Verstärkt wird eine schulphobische Entwicklung durch hilfloses, unsicheres Erziehungsverhalten, aber auch durch besondere familiäre Belastungen wie z.B. Depressivität / Suizidalität eines Elternteils, drohende Trennung der Eltern oder familiäre Verlusterlebnisse. Die betroffenen Kinder selbst sind in der Regel – im Gegensatz zu den leistungsund schulängstlichen - eher leistungsfähige Kinder mit guten Noten und normalen sozialen Kontakten. Folgen einer chronifizierten Schulverweigerung sind häufig Verschlechterung der schulischen Leistungen und der Beziehung zu Gleichaltrigen, manchmal auch ein extremes Rückzugsverhalten, wodurch die Angstproblematik noch verstärkt wird. Ebenfalls verstärkend wirken sich ärztliche Atteste oder krankheitsbedingte Freistellungen aus.
Nur durch Konfrontation wird Angst überwunden Wenn körperliche Symptome vorliegen, ist es vorrangig, ein organisches Krankheitsbild als Ursache der Beschwerden vom Kinderarzt ausschließen zu lassen. Liegt kein organischer Befund vor, ist eine möglichst rasche Reintegration des Kindes in die Schule vorrangiges Therapieziel. Eltern, Kind und Lehrkräfte müssen überzeugt werden, dass die Angst und die damit verbundenen körperlichen Symptome nur durch Konfrontation überwunden werden können. Das Kind muss erfahren, dass es Angst und körperliche Begleitbeschwerden aushalten kann und es den Belastungen des Schulbesuchs gewachsen ist. Dieser Prozess kann mehrere Wochen dauern. Außerdem ist eine Rückfallprävention dringend notwendig, in die Lehrer und Mitschüler eingebunden werden können; außerdem können Anreize für das Aushalten der Trennungsangst eingesetzt werden, die einen Rückfall verhindern helfen. Die höchste Rückfallwahrscheinlichkeit besteht in der Regel am ersten Schultag nach den Ferien, nach Erkrankungen oder auch nach dem Wochenende. Allerdings reicht es in der Regel nicht, dass das Kind den Schulbesuch wieder aufgenommen hat. Fast immer ist eine weitere therapeutische Begleitung von Eltern und ...
-9Kind notwendig. Ziel ist eine Lockerung der Eltern-Kind-Beziehung und damit ein abnehmender elterlicher Einfluss. Mehr Autonomie, Abgrenzung und Distanz eröffnen dem Kind größere psychische Entwicklungschancen.
Prognostisch ist eine möglichst frühzeitige Intervention erfolgversprechend Die Prognose bei Schulphobie ist abhängig vom Alter des Kindes, vom Schweregrad der Symptomatik und von der Kooperationsbereitschaft der Eltern. Die Gefahr der Chronifizierung ist sehr groß. Je früher die Behandlung beginnt und je geringer der Schweregrad, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Professionelle Hilfestellung erfolgt meist ambulant. Wenn es nicht zur baldigen Aufnahme des Schulbesuchs kommt, kann eine stationäre Aufnahme in eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie (mit angeschlossener Klinikbeschulung) notwendig sein.
Handreichung für die Schule Aufgrund der Tatsache der raschen Chronifizierung der schulphobischen Entwicklung und der sich schnell verschlechternden Prognose wurde auf Anregung der Schulpsychologischen Beratungsstelle in Esslingen zusammen mit der Psychologischen Beratungsstelle für Familie und Jugend des Landkreises eine Handreichung für die Schule formuliert, die eine günstige Vorgehensweise und die möglichen Hilfen beschreibt. (s. Anhang) 3. Schulschwänzen – keine Lust auf Schule Von den drei Verweigerungsformen ist Schulschwänzen die häufigste Ursache für das Fernbleiben vom Unterricht und ein in den letzten Jahren offenbar zunehmendes Verhalten. Auch wenn keine empirischen Befunde für ganz Deutschland vorliegen, gehen regionale Untersuchungen derzeit von ca. 8% aller Schüler aus, die regelmäßig die Schule schwänzen, unter Hauptschülern sogar 15%. Die intensiveren Formen des Schwänzens betreffen eher Jungen als Mädchen, bezogen auf den Schultyp eher Haupt- und Sonderschüler (80%). Besonders häufig tritt Schulschwänzen während und nach der Pubertät auf. Schätzungen gehen momentan von ca. 65- bis 70 000 Schüler/innen in Deutschland aus. Manifestes Schulschwänzen gefährdet den Schulabschluss
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- 10 Die Brisanz dieser Befunde ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen Schwänzen und fehlendem Schulabschluss (Jedes Jahr verlassen 80.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Die Zahl der Schüler ohne Abschluss wird als Indikator für Schulverweigerung genommen, denn wer oft den Unterricht versäumt, hat kaum eine Chance, einen Abschluss zu machen.) Eine ausgeprägte Schulmüdigkeit ist zentral Bei dieser dritten Variante der Schulverweigerung spielt Angst vor der Schule als ursächlicher Faktor in der Regel keine Rolle. Die Schule ist den Kindern bzw. Jugendlichen „egal“ (geworden), Desinteresse und chronische Schulunlust sind vorherrschend. Schulschwänzen ist eine psychosoziale Störung Schulschwänzen wird als Störung des Sozialverhaltens bzw. Symptom der Dissozialität eingeordnet: Neben der Verweigerung von Anstrengungsbereitschaft fallen die Kinder und Jugendlichen allgemein durch oppositionelles, aufsässiges und aggressives Verhalten auf; es fällt ihnen schwer, sich an Regeln und Grenzen zu halten. Meist bestehen starke Bindungen an eine Peergruppe, deren Mitglieder ebenfalls sozial auffälliges Verhalten zeigen. Oft wird gemeinsam die Schule geschwänzt, insbesondere Jungen streunen in ihrer Clique durch die Stadt, halten sich in Kaufhäusern oder Computerläden auf. Dabei kommt es auch zu gemeinsamen Diebstählen oder aggressiven Handlungen. In Konkurrenz mit anderen Interessen und Unternehmungen wird schulisches Lernen zunehmend unattraktiv, langweilig, lästig und sinnlos. Einsicht und Leidensdruck fehlen. Meist sind die Eltern wenig präsent Häufig kommen die Kinder aus einem schwierigen familiären Milieu und einem problematischen Wohnumfeld. Die Lage der Eltern ist oft durch soziale Benachteiligung und Chancenarmut geprägt. Schwierig ist die Eltern-Kind-Beziehung: Es fehlt eine altersadäquate elterliche Betreuung mit ausreichender Fürsorge und Kontrolle. Insgesamt sind die Eltern wenig präsent und wissen meist auch nicht, dass ihr Kind die Schule schwänzt. Die Kinder sind überfordert, weil sie bei Problemen allein gelassen und insgesamt zu früh sich selbst überlassen sind. Bei Jugendlichen haben die Eltern meist so wenig Einfluss, dass es ihnen z.B. nicht gelingt, dafür zu sorgen, dass die Kinder rechtzeitig zum Schulbesuch das Bett verlassen. Schulschwänzen entwickelt sich über einen langen Zeitraum hinweg ...
- 11 Manifestes Schulschwänzen entwickelt sich meist unauffällig und allmählich, in der Regel über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren hinweg. Einer totalen Schulverweigerung geht oft eine längere Zeit der Schulmüdigkeit voraus; die Kinder nehmen zwar am Unterricht teil, sind aber oft geistig abwesend oder stören. Schulische Misserfolge häufen sich, es kommt zu Klassenwiederholungen, die Beziehungen zu Mitschülern und Lehrkräften verschlechtern sich. Teufelskreise verfestigen das Problemverhalten Teufelskreise von (durch Fehlzeiten bedingten) zunehmenden Leistungsdefiziten, Frustration und Vermeidungsverhalten entstehen und verfestigen sich. Nach ein / zwei Jahren chronifiziertem Vermeidungsverhalten gelingt es kaum mehr, sich in den regulären schulischen Rhythmus zu integrieren. Die Chance auf einen erfolgreichen Schulabschluss schwindet. Ohne Schulabschluss gehören Jugendliche zur Risikogruppe mit sehr eingeschränktem Zugang zum Arbeitsmarkt und der damit verbundenen Gefahr des Abgleitens in eine dissoziale Karriere.
Schulisches Ignorieren des Schwänzens verstärkt das Problem Da die Chancen eines regulären Schulbesuchs mit zunehmenden Fehlzeiten geringer werden, ist ein frühes Eingreifen schon bei den ersten Anzeichen geboten. Wird das Fernbleiben vom Unterricht zu einem frühen Zeitpunkt bemerkt und sowohl Schule als auch Elternhaus intervenieren, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Schwänzen gestoppt werden kann. Wird allerdings das Schwänzen von der Schule ignoriert, fördert dies das Fernbleiben.
Bei chronifizierter Verweigerung sind meist Jugendhilfemaßnahmen gefragt Bei manifestem und bereits chronifiziertem Verweigerungsverhalten sind die üblichen schulischen und ambulant-therapeutischen Interventionen wenig erfolgversprechend. Dagegen greifen vor allem psychosoziale Maßnahmen der Erziehungs- und Jugendhilfe, wozu u.a. die Einschaltung des Jugendamtes (ASD) notwendig ist und oft ein Milieuwechsel ansteht. In der öffentlichen Diskussion sind derzeit sowohl verstärkte ordnungspolitische Interventionen als auch das Angebot von pädagogischen Sonderprojekten für Schulmüde aktuell.
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- 12 Zusammenfassung: Bei aller Unterschiedlichkeit der Ursachen und notwendigen Interventionsstrategien hinsichtlich der drei Formen der Schulverweigerung bestehen einige wesentliche gemeinsame Faktoren: Schulverweigerung ist meist ein sich über einen längeren Zeitraum entwickelnder Prozess, der häufig durch unzureichende Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus beschleunigt und verstärkt wird. Bei jeder Variante besteht eine hohe Gefahr der Chronifizierung, die Prognose kann sich rasch verschlechtern. Daher ist ein schnelles Intervenieren, von Schulseite aus schon ein Handeln in möglichst frühem Stadium sinnvoll bzw. notwendig und erfolgversprechend in enger Kooperation mit dem Elternhaus. Literatur: W. Oelsner und G. Lehmkuhl: Schulangst. Ein Ratgeber für Eltern und Lehrer. Düsseldorf und Zürich: Walter, 2002 Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie: Themenheft "Therapeutische Hilfen bei Ängsten vor der Schule". 2003, 52, Heft 6 F. Mattejat: Schulphobie: Klinik und Therapie Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 1981, 30, 292 - 298 M. Lotzgeselle: Schulphobisches Verhalten. Entstehungsbedingungen und Verläufe. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 1990, 39, 18-25 Elisabeth Longen · Dipl.-Psychologin · Leiterin der Beratungsstellen
Anhang: Schulpsychologische Beratungsstelle Esslingen, Psychologische Beratungsstellen für Familie und Jugend, Landkreis Esslingen in Esslingen und Nürtingen
Handreichung zum Verständnis und Vorgehen bei angstbedingter Schulverweigerung Man unterscheidet drei Formen von Schulverweigerung mit jeweils unterschiedlichem psychischen Hintergrund: ...
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Schulangst: Angst vor konkreten Belastungen in der Schule
Schulphobie: Kindliche Trennungsangst als primär familiäres Beziehungsproblem bzw. weitergehende Sozialphobie
Schulschwänzen: Symptom der Dissozialität; Verweigerung des Schulbesuchs ohne Wissen der Eltern; meist keine Angstsymptomatik; Schulunlust und Desinteresse, gepaart mit schlechten Schulleistungen, sind charakteristisch.
Im Folgenden geht es um die beiden Formen angstbedingter Schulverweigerung:
Schulangst Schulangst ist Angst vor der Schule; zum einen kann es sich dabei um Schwierigkeiten mit Leistungsanforderungen bis zur Leistungsüberforderung handeln, aber auch Mobbing oder Gewalt durch MitschülerInnen können Schulangst auslösen, ebenso Beziehungsschwierigkeiten mit LehrerInnen.
Schulphobie Diese Kinder haben nicht primär Angst vor der Schule ( meist sind sie den Leistungsanforderungen der Schule gut gewachsen), sondern Angst vor der Trennung von den Eltern, insbesondere der Mutter bzw. Trennung von einem ihnen vertrauten Milieu; meist sind es sehr gebundene Kinder, die außerhalb des Systems Familie mit einem Gefühl mangelnden Selbstwerts und geringer Autonomie reagieren. - Die Angst der Kinder / Jugendlichen geht mit körperlichen Symptomen einher wie: Kopfschmerzen, Schwindel, Herzrasen, Zittern der Hände, Atembeschwerden Schweißausbrüche Übelkeit und Erbrechen Magen- /Darmbeschwerden, Durchfall, Appetitlosigkeit Weinen, depressive Verstimmung, Suizidgedanken
Wann sollte die Entwicklung einer angstbedingten Schulverweigerung in Betracht gezogen werden? Fehlen im Unterricht, anfangs nur in der ersten Stunde oder an Tagen, an denen Klassenarbeiten geschrieben werden; im Verlauf der Zeit auch häufiges Fehlen an Montagen oder nach den Ferien Antriebsstörungen, extreme Passivität Rückzug, Verheimlichen, Lügen, Realitäten „erfinden“ Vermeidung von Gesprächen und Kontakten
Was ist zu tun?
Eltern auf die häufigen Fehlzeiten des Kindes ansprechen und Schulpflichterfüllung einfordern
Auf Besuch beim Kinderarzt und medizinische Abklärung der geklagten Beschwerden hinwirken, im Einzelfall amtsärztliches Gutachten verlangen.
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- 14 Die Kontaktaufnahme mit einer Schulpsychologischen Beratungsstelle oder einer Psychologischen Beratungsstelle (Erziehungs- und Familienberatungsstelle) empfehlen.
Schulleiter können sich wegen fachlicher Beratung über ein mögliches Vorgehen bei schulverweigernden SchülerInnen an die (Schul-) Psychologischen Beratungsstellen wenden (s. Anhang). Sinnvoll ist die Kooperation aller Beteiligten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt und ggf. die Einberufung einer Helferkonferenz (Eltern, Schule, Kinderarzt, Beratungsstelle, Psychotherapeut, Sozialer Dienst...). Wichtig sind dabei Vereinbarungen über Zeitgrenzen hinsichtlich der Wiedereingliederung in die Schule. Eine möglichst schnelle Reintegration des Kindes in die Schule ist vordringlichstes Ziel, da die Schulangst und die damit verbundenen körperlichen Symptome nur durch Konfrontation überwunden werden können, d.h. das Kind muss erfahren, dass es stark genug ist, den Unterricht zu besuchen und Angst und Begleitsymptome auszuhalten. Dieser Prozess kann mehrere Wochen dauern. Es ist wichtig, einer Chronifizierung vorzubeugen, da sonst nur noch sehr schlechte Heilungsprognosen zu stellen sind. Mit der Chronifizierung geht häufig eine Generalisierung der Ängste einher. Die Schule kann hier entscheidende Beiträge zur Vorbeugung leisten. Bei Verdacht auf Schulphobie machen die Beratungsstellen in der Regel ein kurzfristiges Terminangebot an die Eltern, um eine rasche erste Intervention zu ermöglichen. Achtung: Klassen- oder Schulwechsel kann hilfreich sein, ist aber selten die Lösung! © E. Schrade und E. Longen Ernst Schrade Schulpsychologische Beratungsstelle Merkelstraße 16, 73728 Esslingen, Telefon: 0711/39 63 70 Elisabeth Longen Psychologische Beratungsstelle für Familie und Jugend, Landkreis Esslingen Europastraße 40, 72622 Nürtingen, Telefon: 0711/3902-2828 http://www.psychologische-beratung-nuertingen.de und Psychologische Beratungsstelle für Familie und Jugend, Landkreis Esslingen Uhlandstraße 2, 73734 Esslingen , Telefon: 0711 39 02 – 26 71 http://www.psychologische-beratung-esslingen.de
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