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Schwache Blase - Bayerischer Rundfunk

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Gesundheitsgespräch Schwache Blase – Was steckt dahinter? Sendedatum: 20.02.2016 Experte: Prof. Dr. Christian Stief, Direktor der urologischen Klinik am Klinikum der LMU in München Autor: Holger Kiesel Eigentlich ist die Blase gar kein kompliziertes Organ: Sie füllt sich ganz von alleine und meldet sich, wenn sie entleert werden muss. Dennoch haben Viele öfter mal Probleme mit ihr. Gerade Frauen kämpfen häufig mit Entzündungen, bei Männern drückt oft die sich vergrößernde Prostata auf die Harnblase. Viele Beschwerden sind vermeidbar oder recht effektiv zu beheben, wenn man auf ein paar Dinge achtet. Anders beim Blasenkrebs: Hier ist die rechtzeitige Entdeckung ganz entscheidend für Heilungschancen und Therapieerfolg. Und: Vieles hängt davon ab, wo genau der Tumor sitzt. Der Text beruht auf einem Interview von Holger Kiesel mit Prof. Dr. Christian Stief, Direktor der urologischen Klinik am Klinikum der LMU in München. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 1 Blasenschwäche - Was heißt das? Blasenvolumen Die menschliche Blase kann man sich in etwa wie einen Luftballon vorstellen, der sich ganz langsam füllt. Während dieser Füllungsphase empfindet man nichts. Harndrang entsteht erst, wenn sich die Blase ihrer Kapazitätsgrenze nähert. Im gesunden Zustand liegt diese bei durchschnittlich 300-500 Millilitern. Hält man den Harndrang zu lange zurück, treten immer stärkere Schmerzen auf. Stress schwächt die Blase Unsere Blase füllt sich unwillkürlich, also ohne unser aktives Zutun. Die dafür verantwortlichen Muskeln reagieren aber auf äußere Einflüsse wie z.B. Stress. Deshalb kann Nervosität (etwa vor einer Prüfung oder dem ersten Date) dazu führen, dass Menschen häufiger zur Toilette müssen. Die männliche und die weibliche Blase Bei Frauen ist die Blase deutlich anfälliger, etwa für Entzündungen. Der Grund: Die weibliche Harnröhre ist sehr kurz und führt direkt in die Blase. Auf diesem Weg können bei verschiedensten Aktivitäten - etwa beim Sport oder beim Sex Keime in die Blase eindringen. Deshalb leiden ungefähr acht bis zwölf Prozent der ganz jungen Frauen (ca. 14 - 25 Jahre) unter regelmäßigen Blasenentzündungen. Männer mit ihrer deutlich längeren Harnröhre haben dieses Problem dagegen nur sehr selten. Wie oft sollte man am Tag zur Toilette? Wer täglich ca. 1,5 Liter trinkt, muss täglich vier bis fünf Mal zur Toilette, auch sechs oder sieben Mal sind durchaus noch normal. Aber: Wer zu häufig zur Toilette geht, verringert das Volumen seiner Blase! Und: Wer nachts zweimal oder öfter raus muss, stört seinen Schlafrhythmus erheblich und sollte etwas unternehmen. Achtung: Viel Kaffee oder scharfes Essen reizen die Blase und man muss öfter zur Toilette! Für Alkohol gilt das – entgegen der landläufigen Meinung – nicht. Man kann die Blase trainieren Es ist möglich, die Blase zu trainieren, d.h. ihr Fassungsvermögen etwas erweitern, indem man den Gang zur Toilette öfter hinauszögert. Allerdings: Wenn man damit übertreibt, wird die Blasenwand allmählich immer schlaffer – wie bei einem Luftballon, der zu oft zu stark aufgeblasen wurde. Die Folge: Auf Dauer zieht sich die Blase dann nicht mehr richtig zusammen, dort verbleiben immer größere Mengen von Restharn und die Betroffenen leiden häufiger an Harnwegsinfekten. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 2 Harndrang und Blasenentzündung Wenn die Prostata auf die Blase drückt Bei älteren Männern liegt die Ursache für häufigeren Harndrang sehr oft in ihrer Prostata. Sie liegt direkt unterhalb des Ausgangs der Harnblase und beginnt etwa ab dem 35. Lebensjahr zu wachsen. Dadurch wird die Harnröhre mehr und mehr abgedrückt. In der Folge wird der Harnstrahl immer schwächer und die Betroffenen müssen häufiger zur Toilette. Harndrang nach dem Sex ist normal Bei der Frau liegt die Harnblase direkt neben der Scheide. Beim Mann befindet sich die Prostata, die sich beim Orgasmus erheblich zusammenzieht, gleich unterhalb der Blase. Daraus folgt: Ein gewisser Harndrang nach dem Sex ist durchaus normal. Blasenentzündung Natürlich kann auch eine akute Blasenentzündung zu häufigerem Harndrang führen. Außerdem verursacht die auch Zystitis genannte Blasenentzündung in der Regel Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen. Häufiger Harndrang kann auch als Folge verschiedener Erkrankungen, etwa eines Diabetes oder eines Schlaganfalls auftreten. Was löst Blasenentzündungen aus? Blasenentzündungen werden durch Bakterien ausgelöst, die natürlich im Darm vorkommen. Dazu können äußere Faktoren kommen, wie z.B.: - mangelnde Hygiene im Intimbereich - Kälte - eine geschwächte Immunabwehr Blasenentzündungen vermeiden Die wichtigste Maßnahme, um Blasenentzündungen vorzubeugen: Viel trinken! Mindestens 1,5 Liter pro Tag. Und zwar am besten Wasser oder Tee, keine kohlensäurehaltigen Getränke! Tipp 1: Wer da empfindlich ist, sollte einmal im Monat fünf bis sieben Tage lang morgens und abends einen Becher (150ml) Cranberrysaft trinken. Der wirkt im Urin auf natürliche Weise antibiotisch. Tipp 2: Sich ausreichend Zeit nehmen beim Wasserlassen, damit die Blase auch wirklich leer ist! Tipp 3: Besonders Frauen sollten nach dem Sex ihre Blase leeren, damit sich dort keine Bakterien vermehren! Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 3 Was tun bei Blasenentzündung? Bei einer akuten Blasenentzündung sollten Frauen, die wesentlich öfter betroffen sind, sich warmhalten, viel trinken und mindestens drei Tage lang ein Antibiotikum einnehmen. Männer dagegen sollten immer auch einen Arzt aufsuchen, um ihre Prostata kontrollieren zu lassen. Chronische Blasenentzündung Tritt eine Blasenentzündung häufiger auf, wird sie also chronisch, ist sie sehr viel schwerer zu bekämpfen, da sich häufig resistente Keime gebildet haben, etwa durch die unvollständige Einnahme von Antibiotika. Deshalb: Antibiotika unbedingt über die gesamte verschriebene Zeit einnehmen! Sind die Nieren betroffen, wird es kritisch Dramatisch wird eine Blasenentzündung dann, wenn sie nach oben steigt und die Nieren in Mitleidenschaft gezogen werden. Dann tauchen zusätzliche Symptome wie hohes Fieber, Abgeschlagenheit und Nierenschmerzen auf. Eine solche Nierenentzündung tritt meist bei Diabetikern, Männern mit stark vergrößerter Prostata oder Menschen mit viel Resturin in der Blase auf. Deutlich seltener ist sie die Folge einer schlecht ausgeheilten Blasenentzündung. Achtung: Eine Entzündung der Niere bedeutet immer einen (wenn auch vielleicht nur kleinen) Funktionsverlust, der sich nicht wieder regenerieren kann! Pflanzliche Mittel bei häufigem Harndrang Bei häufigem Harndrang preist die Werbung zahlreiche Phytotherapeutika, also Mittel auf pflanzlicher Basis (etwa aus Kürbiskernen), an. Deren Wirkung ist in der Regel nachweisbar, aber eher gering. "Solche Präparate kann man bei leichten Problemen mit der Blase ruhig mal ausprobieren. Sie haben meist kaum Nebenwirkungen und sind günstig. Allerdings sollte man sich keinen allzu großen Effekt erwarten." Prof. Dr. Christian Stief, Direktor der urologischen Klinik am Klinikum der LMU in München. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 4 Blasenkrebs Gutartige Tumoren der Blase Gutartige Tumoren oder Zysten im Bereich der Blase kommen extrem selten vor. Bei Männern mit einer stark verstopfenden (obstruktiven) Prostata bilden sich manchmal gutartige Schleimhaut-Aussackungen (Divertikel) in der Blase. Harnblasenkrebs Harnblasenkrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten auf der Welt. In Deutschland erkranken daran ca. 16 Tausend Menschen pro Jahr, Männer etwa doppelt so häufig wie Frauen. Die gute Nachricht: Die meisten Tumoren (etwa 85 Prozent) sind oberflächlich und deshalb bei frühzeitiger Diagnose leicht operativ zu entfernen. Die schlechte: Die restlichen 15 Prozent wachsen tief in die Blase hinein und sind meist sehr aggressiv und entsprechend lebensbedrohlich. Wird hier nicht schnell gehandelt, liegt die verbleibende Lebenserwartung der Betroffenen meist unter 18 Monaten. Warnsignale bei Blasenkrebs Bei Blasenkrebs ist das rechtzeitige Erkennen (durch eine Gewebeuntersuchung) besonders wichtig. Ein Warnsignal: Häufiger wiederkehrende starke Beschwerden wie bei einer Blasenentzündung, bei denen die Behandlung mit Antibiotika jedoch nicht anschlägt. Wichtig: Wer auch nur ein einziges Mal ohne Schmerzen Blut im Urin hat, sollte sich sofort auf Blasenkrebs untersuchen lassen! Risikofaktoren für Blasenkrebs Der Hauptrisikofaktor bei Blasenkrebs ist das Rauchen. Etwa zwei Drittel der Betroffenen sind Raucher. Dass Frauen seltener rauchen, ist einer der Gründe, dass wesentlich mehr Männer erkranken. Auch bestimmte Haarfärbemittel können Blasenkrebs befördern (bei Friseuren ist er deshalb als Berufskrankheit anerkannt). Gleiches gilt für einige Pestizide, die in Weinbergen oder Obstplantagen gegen Schädlinge eingesetzt werden. Warum fördert Rauchen Blasenkrebs? Das Rauchen trägt deshalb so stark zur Entstehung von Harnblasenkrebs bei, weil die Schadstoffe aus den Zigaretten über die Nieren ausgeschieden werden. Sie verbleiben daher oft sehr lange mit dem Urin in der Blase und greifen in dieser Zeit die Schleimhäute an. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 5 Behandlungsmöglichkeiten bei Blasenkrebs Welche Behandlungsmöglichkeiten es bei Blasenkrebs gibt, hängt ganz entscheidend davon ab, wo der Tumor im Einzelfall sitzt und wie aggressiv er ist. Oberflächliche Tumoren können meist vollständig endoskopisch entfernt werden. Bei aggressiveren oberflächlichen Karzinomen können zusätzlich Chemotherapeutika in die Harnblase eingefüllt werden. Bestrahlungen helfen in den meisten Fällen nicht, weil sich die Blase bewegt, während sie sich füllt und somit kaum effektiv bestrahlt werden kann. Auch Chemotherapie verlängert das Überleben der Betroffenen meist nur unwesentlich bei relativ schlechter Lebensqualität. Immunabwehr stärken Eine dagegen durchaus wirksame Therapiemöglichkeit bei oberflächlichen Blasentumoren ist es, die Immunabwehr des Patienten zu stärken. Dazu kann beispielsweise der Bazillus Calmette-Guerin (BCG), der auch bei Impfungen etwa gegen Pocken oder Tuberkulose Anwendung findet, in die Blase injiziert werden. Die entstehende Entzündungsreaktion aktiviert Abwehrzellen in der Blase, die dann den Krebs angreifen und bekämpfen. Total-OP der Blase Bei aggressiven Tumoren, die in die Harnblase hineinwachsen, hilft meist nur die totale operative Entfernung der Harnblase (Zystektomie). Dieser Eingriff hinterlässt zwar eine relativ große Narbe (10 - 11 cm), häufig kann aber aus Gewebe des Dünndarms eine neue Blase geformt und dann an die ursprüngliche Stelle gesetzt werden. Kontinenz nach der OP Muss die Blase komplett entfernt und durch eine neue aus Dünndarm ersetzt werden, bekommen die Patienten für die ersten zwei bis drei Wochen einen Katheter gesetzt, bis das neue Konstrukt innen zusammengewachsen ist. Nach dem Entfernen des Katheters folgen meist zwei bis drei Tage mit starker Inkontinenz, weil die neue Blase noch kein Volumen hat. Hat sie sich dann ausgedehnt, sind die meisten Patienten nach ca. drei Wochen, bis auf einige spezielle Situationen, in denen etwas Urin heraustropfen kann (husten, lachen, schwer heben), fast immer wieder vollständig kontinent. Nach weiteren ein bis drei Monaten kommen in der Regel auch diese gelegentlichen Fälle von Inkontinenz nicht mehr vor. Erhaltung der Potenz Muss Männern die Harnblase entfernt werden, geht es auch um die Frage, wie die Potenz des Patienten erhalten werden kann. Dies ist besonders schwierig und erfordert einen außerordentlich erfahrenen Operateur! Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 6 Wichtig: Man sollte auf jeden Fall nachfragen, wie oft eine Klinik bzw. der einzelne Arzt einen Eingriff schon gemacht hat! Eine Totalentfernung der Blase sollte der Operateur insgesamt bereits mindestens 100 Mal durchgeführt haben! Inkontinenz – Die Angst vor dem Malheur Expertin: Prof. Dr. Birgit Seelbach-Göbel, Ärztliche Direktorin in der Klinik St. Hedwig in Regensburg Autorin: Prisca Straub Ungewollter Harnverlust ist für die meisten Menschen eine große Belastung. Viele Patientinnen - die meisten sind Frauen - trauen sich nur noch selten auf die Straße, verlieren ihre Sozialkontakte und vermeiden Geschlechtsverkehr. Sie leben in ständiger Furcht, dass andere ihr Problem riechen könnten, denn Uringeruch ist beißend und lässt sich aus Matratzen und Polstern nur schwer entfernen. Lachen, Laufen, Treppensteigen - der ganz normale Alltag wird plötzlich zum Problem. Vier Millionen Menschen, so schätzt man, leiden in Deutschland an einer behandlungsbedürftigen Harninkontinenz. Die Dunkelziffer allerdings ist mindestens doppelt so hoch, denn noch immer ist Inkontinenz tabubehaftet und die Schamschwelle groß. Dabei kann, wer Warnsignale ernst nimmt, einiges dafür tun, damit das Tröpfeln nicht lebensbeherrschend wird. Dieser Textabschnitt beruht auf einem Interview von Prisca Straub mit Prof. Dr. Birgit Seelbach-Göbel, Ärztliche Direktorin in der Klinik St. Hedwig in Regensburg. Hilfe, es tröpfelt! Die Harnblase ist ein kugelförmiger und sehr dehnbarer Muskel, der über Niere und Harnleiter mit Urin gefüllt wird. Bei einer gewissen Füllmenge geben die Nerven den Impuls ans Gehirn: „Die Blase ist voll!“ Je nach Blasenkapazität ist das schon bei 300 oder erst bei 500 Millilitern der Fall. Je weniger Volumen eine Blase fassen kann, desto früher erfolgt die Meldung an das Gehirn. Normalerweise ist das kein Problem: Der gesunde Mensch hält den Urin so lange zurück, bis er durch ein bewusstes Öffnen des Verschlusssystems durch die Harnröhre abfließen kann. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 7 Ursachen für eine Harninkontinenz Im Volksmund wird Harninkontinenz gerne auch als „Blasenschwäche“ bezeichnet. Gemeint ist die Unfähigkeit, Urin bewusst zurückzuhalten. Genau genommen betrifft diese „Schwäche“ aber nicht die Blase, sondern ihre trichterförmige Ausflussöffnung, die normalerweise durch zwei Muskelringe fest verschlossen ist. Die Harnblase ist nur „dicht“, solange die Kraft des Beckenbodens und der Schließmuskeln groß genug ist, dem Füllungsdruck der vollen Blase standzuhalten. Drei Funktionsstörungen – nach Prof. Seelbach-Göbel Dranginkontinenz - Störung der Blasenmuskulatur In einigen Fällen zieht sich die Blasenmuskulatur spontan zusammen, ohne dass ein Harndrang vorliegt. Damit presst sie Urin aus der Harnröhre. Ein überaktiver Blasenmuskel wird häufig auch als Reizblase oder als Dranginkontinenz bezeichnet. Das kann psychisch bedingt sein, muss es aber nicht. Im Extremfall ist ein normales Leben aufgrund des ständigen Drangs, auf die Toilette gehen zu müssen, unmöglich. Belastungsinkontinenz - Störung des Verschlusssystems der Harnröhre Das Signal „Bitte schließen!“ wird zwar empfangen, kann aber nicht ausgeführt werden, weil der Schließmuskel nicht mehr kräftig genug ist. Das betrifft die Mehrzahl der Fälle, sowohl bei Harninkontinenz als auch bei analer Inkontinenz, bei der unwillkürlich Stuhl abgeht. Überlaufblase - Störung des Nervensystems Die Meldungen an das Gehirn oder die vom Gehirn kommenden Signale sind unterbrochen. Die Meldung, dass die Blase voll ist, kommt nicht im Bewusstsein an. Der Patient verspürt keinen Harndrang und die Blase läuft einfach über. Das ist bei einigen wenigen Patienten mit Querschnittslähmung der Fall. Ein Frauenleiden – Frauen trifft es häufiger… Aufgrund ihres schwächeren Bindegewebes und ihrer schwächeren Beckenbodenmuskulatur sind Frauen von Harninkontinenz viel häufiger betroffen als Männer. Von den Personen zwischen 20 und 75 Jahren, die darunter leiden, sind 80 Prozent Frauen und nur 10 Prozent Männer. Deshalb weisen Frauen, die mehrere Kinder geboren haben, ältere Frauen, Frauen, die körperlich schwer arbeiten, und übergewichtige Frauen häufig eine sogenannte Beckenbodeninsuffizienz auf. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 8 Warum Frauen häufiger von Inkontinenz betroffen sind Durch die übermäßige Belastung ist die Muskulatur überdehnt - mit unmittelbaren Auswirkungen auf den Verschluss der Harnröhre, der in die Beckenbodenmuskulatur eingebettet ist. Hinzu kommen hormonelle Veränderungen in der Menopause. Durch den Östrogenverlust wird das Gewebe schwächer und hält die Blase nicht mehr optimal fest. Geburten – nur ein möglicher Risikofaktor „Häufig wird der Beckenboden durch besonders viele oder besonders schwere Geburten gedehnt, überdehnt und geschwächt. Das ist aber nicht zwangsläufig so: Es gibt Frauen, die trotz mehrerer Geburten keine Probleme haben. Andererseits haben wir auch viele Patientinnen mit Beckenbodenproblemen, die nie geboren haben.“ Prof. Dr. Seelbach-Göbel Stress drückt auf die Blase Mit Stress bezeichnet die Gynäkologie nicht psychischen Stress, sondern eine Belastung, die von oben auf die Blase ausgeübt wird. Das geschieht beim Niesen, Husten, Lachen, Bücken und Treppensteigen. Der dabei entstehende Druck wirkt nach unten und drückt den Verschlussmechanismus der Blase auf. Diese Form der Blasenschwäche nennt man Stress- oder neuerdings Belastungsinkontinenz. In schweren Fällen verlieren die Patientinnen ihren Harn sogar im Ruhezustand. Der Fragebogen-Test Anhand von drei Fragen kann der Arzt feststellen, ob eine Frau an Inkontinenz leidet oder nicht: 1. Verlieren Sie Urin beim Husten, Lachen, Niesen? 2. Wie oft am Tag gehen Sie auf die Toilette? 3. Wie sehr beeinträchtigt Sie dieses Problem? Wenn die Psyche drückt „Psychischer Druck alleine bewirkt noch keine Inkontinenz. Die Prädisposition, also die Veranlagung dazu, wird allerdings gefördert. Wenn Frauen eine nervöse Blase, eine sogenannte Reizblase, bekommen, kann es gut sein, dass psychischer Stress - zum Beispiel Probleme in der Familie oder permanente Überforderung - diese Entwicklung begünstigt.“ Prof. Dr. Seelbach-Göbel: Warnzeichen Schwangerschaftsstreifen? Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 9 Nach einer US-amerikanischen Studie ist das Risiko, einen Uterusprolaps (Senkung bzw. Vorfall der Gebärmutter) und damit Inkontinenz zu bekommen, bei Frauen mit Schwangerschaftsstreifen dreifach erhöht im Vergleich zu Frauen ohne Schwangerschaftsstreifen (Fachausdruck Striae). „Sicher sind die Striae bzw. Dehnungsstreifen ein Hinweis auf ein schwaches Bindegewebe, also möglicherweise auch ein Hinweis auf eine Bindegewebsschwäche im Beckenbodenbereich. Ich kann mir gut vorstellen, dass es diesbezüglich einen Zusammenhang gibt.“ Prof. Dr. Seelbach-Göbel Hilfsprogramm – Mögliche Therapien bei Inkontinenz Aufbautraining heißt die Devise, denn der Beckenboden kann - auch vorbeugend - bestens trainiert werden. Für viele Menschen ist das die Lösung eines Problems, das sie schon Jahrzehnte mit sich herumtragen. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei der Störung tatsächlich um eine Beckenbodenschwäche handelt. In spezialisierten Kursen und Selbsthilfegruppen wird Beckenbodengymnastik besonders vor und nach einer Geburt angeboten, wenn die ganze untere Muskelplatte extrem belastet und überdehnt wird. Eine Inkontinenz, der eine nervliche Störung oder eine Reizblase (Dranginkontinenz) zugrunde liegt, kann ebenfalls mit Muskeltraining behandelt werden, hier sind die erzielten Erfolge allerdings nicht ganz so gut. Beckenbodengymnastik – leicht gemacht „Viele Menschen wissen gar nicht, wo genau sich ihre Beckenbodenmuskulatur eigentlich befindet. Deshalb ist es wichtig, dass der Frauenarzt, Urologe oder der Physiotherapeut der Frau ein Gefühl für den Beckenboden vermittelt, so dass dann gezielt ‚trocken’ und selbständig trainiert werden kann. Entsprechende Katheter, die in Darmausgang oder Scheide eingeführt und mit Muskelkraft am Herausfallen gehindert werden sollen, können nicht nur der eigenen Wahrnehmung (Bio-Feedback), sondern auch den Muskeln helfen. Wer seine Beckenbodenmuskulatur einmal ‚entdeckt’ hat, kann auch an der Bushaltestelle oder während der Arbeit auf dem Bürostuhl trainieren. Auch mit Hilfe von elektrischer Stimulation der Beckenbodenmuskulatur, bei der eine Sonde in Vagina oder Enddarm eingeführt wird, ist aus meiner Erfahrung eine gute Therapieoption in Ergänzung zum Beckenbodentraining. Und seit neuestem gibt es noch ein Vibrationstraining mit einem speziellen Trainingsgerät, mit dem der Beckenbodenmuskel hocheffizient trainiert wird.“ Prof. Dr. Seelbach-Göbel Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 10 Tipp: Bei Blasenschwäche, die sich mit solchen konservativen Therapiemethoden nicht bessert, sollte auch immer eine Blasendruckmessung beim Gynäkologen oder Urogynäkologen bzw. Urologen erfolgen. Hilfe mit dem Skalpell Für viele Patientinnen mit ausgeprägter Harninkontinenz ist langfristig ein operativer Eingriff die beste Therapie. Es gibt heute Operationsmethoden, die sehr schonend sind: In einer 20-minütigen Operation in kurzer Vollnarkose wird ein sogenanntes "Tension-free Vaginal Tape“, ein spannungsfreies Band, auch TVT oder TOT genannt, unter der Harnröhre durchgelegt. Dieses Band ist einen Zentimeter breit, netzförmig strukturiert und wird mit seinen beiden Enden in der Bauchdecke bzw. in den Schenkelbeugen verankert. Ziel der Therapie Auf diese Weise entstehen keine Spannungen im Gewebe, daher auch der Name „tension-free“, spannungsfrei. So kommt die Harnröhre etwas höher zu liegen und der Harn kann nicht mehr unwillkürlich ablaufen. In über 85 Prozent der Fälle wird eine signifikante Besserung erreicht. Hilfe im Alltag „Die allermeisten Patientinnen warten mit einem Arztbesuch so lange, bis sich ihre Inkontinenz nicht mehr verheimlichen lässt. Sie vermeiden Geschlechtsverkehr und improvisieren – meist jahrelang – mit Slipeinlagen und Damenbinden herum. Doch diese sind für Menstruationsblut, nicht aber für Urin gemacht. Blut ist eher dickflüssig, Urin aber dünnflüssig. Weil der Urin nicht optimal ins Innere einer Damenbinde geleitet werden kann, entsteht schnell die typische Geruchsbelästigung. Dieses Problem ist bei Inkontinenzeinlagen und höschen viel besser gelöst.“ Prof. Dr. Seelbach-Göbel Ein Pflaster gegen Inkontinenz? Heutzutage gibt es Pflaster, die den Wirkstoff Oxybutynin enthalten. Solche Pflaster müssen alle drei Tage gewechselt werden. „Sie sind gut geeignet für Patientinnen, die nicht so gerne viele Tabletten einnehmen. Außerdem fällt die Konzentration des für die Nebenwirkungen verantwortlichen Metaboliten deutlich geringer aus als bei oraler Applikation. Das bedeutet: Es kommt zu weniger unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen.“ Prof. Dr. Seelbach-Göbel Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 11 Medikamentöse Therapie Zur Behandlung der Belastungsinkontinenz (also Urinverlust bei körperlicher Anstrengung) gibt es das Medikament Duloxetin. Die Substanz ist ein Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Ursprünglich wurde Duloxetin als Antidepressivum entwickelt. Der Wirkstoff erhöht die Konzentration der Neurotransmitter und verbessert so die neuronale Aktivität und die Kontraktionsfähigkeit des Schließmuskels. „Als Nebenwirkungen können Übelkeit und Kreislaufbeschwerden auftreten. Eine Operation kann man mit Duloxetin jedoch nicht umgehen, da das Medikament vor allem bei leichten bis mittleren Beschwerden angewandt wird.“ Prof. Dr. Seelbach-Göbel Gegen Dranginkonitinenz, also einer Blasenspeicherungsstörung, bei der sich der Blasenmuskel bereits bei geringer Füllmenge der Blase zusammenzieht, gibt es neue Medikamente, z.B. Urivesc und Kentera, allerdings mit ähnlichem Nebenwirkungsprofil wie bei Duloxetin: Mundtrockenheit, Augendruck und kognitive Einschränkung. Hilfe bei Inkontinenz für Männer Auch für Männer ist es ratsam, den Beckenboden zu stärken - am besten unter Anleitung, damit die richtigen Muskeln trainiert werden, sagt auch Dr. Ricarda Bauer von der Urologischen Klinik und Poliklinik LMU München. Falls das nicht helfe, gäbe es operative Methoden, wie beispielsweise verschiedene Schlingenverfahren. Dabei wird die Harnröhre im Dammbereich leicht angehoben und komprimiert. Zum Wasserlassen ist bei diesen Verfahren keine Manipulation nötig. Wer einen schweren Schließmuskelschaden hat, für den gibt es auch noch den künstlichen Schließmuskel, der implantiert wird: Eine Manschette um den Harnleiter, die man manuell öffnen kann. Warnung vor falscher Vorsicht „Viele Menschen mit einer Inkontinenz stellen einfach das Trinken ein, weil sie meinen, das Problem so am einfachsten in den Griff zu bekommen. Das aber hat ganz fatale Folgen für den Organismus.“ Prof. Dr. Seelbach-Göbel Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 12