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Sehnsucht Nach Schönheit«

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12 / JuN / 15 »sehnsucht nach schönheit« Portraitkonzert mit Werken des Münchner Komponisten Hans-Jürgen von Bose Konzert mit Stipendienvergabe MHL / Großer Saal FR / 12 / JUN / 15 »sehnsucht nach schönheit« 20 Uhr / MHL / Großer Saal Portraitkonzert mit Werken des Münchner Komponisten Hans-Jürgen von Bose (*1953) Anna Herbst Sopran Robert Roche Klavier Danang Dirhamsyah Klavier Myrto Michalopoulou Flöte, Piccolo Daniela Sanchez Flöte, Altflöte Ivan Denisenko Oboe Martin Fuchs, Anna Gagane Klarinette Marco Tarradei Fagott Etsuko Suzuki a.G. Horn Daniel Abrunhosa, Julius Beck, Abigail McDonagh Violine Tigran Gregorian a.G. Viola Belén Sanchez Violoncello Carl-Johann Ellert Kontrabass Robert Krampe Leitung programm Hans-Jürgen von Bose (*1953) aus: Fünf Lieder (1994 / 2006) Nonett (1988) für (hohen) Sopran und Klavier für Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, auf Gedichte von Thomas Bernhard Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass I. Mein Gebet hört Gott auch I. Achtel = 104 II. Am Abend II. Inquieto mosso III. Im Garten der Mutter III. Presto V. Psalm IX IV. Viertel = 48 Anna Herbst Sopran Myrto Michalopoulou Flöte, Piccolo Robert Roche Klavier Daniela Sanchez Flöte, Altflöte Ivan Denisenko Oboe Befragung (1988) Martin Fuchs Klarinette Sextett für Klarinette in A und Streicher Marco Tarradei Fagott Anna Gagane Klarinette Etsuko Suzuki a.G. Horn Daniel Abrunhosa, Julius Beck Violine Abigail McDonagh Violine Tigran Gregorian a.G. Viola Tigran Gregorian a.G. Viola Belén Sanchez Violoncello Belén Sanchez Violoncello Carl-Johann Ellert Kontrabass Carl-Johann Ellert Kontrabass Robert Krampe Leitung Robert Krampe Leitung Labyrinth II für Klavier solo (1987) Danang Dirhamsyah Klavier »Sehnsucht nach Schönheit« — Anmerkungen zum Leben Und Schaffen von Hans- Jürgen von Bose Berechtigung und ihre Intensität aus ihrer Inhaltlichkeit, ihrem Aussagewillen und von Robert Krampe Mitassoziieren und zum Darüberhinausdenken anregen kann.“ Boses Musikschaf- ihrer Aussagekraft schöpft.“ Sie wird zu einem Medium, das „durch sinnliche Reize Emotionen, Gemütszustände auslöst, die im besten Fall den Hörer zum Mitfühlen, fen ist geprägt von dem Glaube an und der Suche nach einer verlorengegangenen „Es ist tatsächlich mein großer Wunsch, eine direkt auffassbare, lapidare Musik zu Schönheit und Sinnlichkeit. So bezeichnete Siegfried Mauser den Komponisten schreiben. Das aber wäre nicht ‚Neue Einfachheit‘, sondern einfach gute Musik.“ Bose einmal als „expressiven Strukturalisten“ und seine Kompositionen als „struk- Hans-Jürgen von Bose, 1978 turelles Espressivo“. Hans-Jürgen von Bose (Jahrgang 1952) gehört der Komponistengeneration an, Die zentrale Gattung in Hans-Jürgen von Boses Schaffen ist die Oper, von de- die Ende der 1970er Jahre mit ihrem Auftreten bei den Darmstädter Ferienkursen nen vor allem 63: Dream Palace (1988) und Schlachthof 5 (1995/96) herausragen. für Neue Musik und den Donaueschinger Musiktagen, jenen Einrichtungen also, Und wie bei allen großen Opernkomponisten sind die nicht musikdramatischen die sich (fast ausschließlich) der avancierten Musik verschrieben hatten, für Furore Werke Reflexe der Opern, Nach- und Vorausklänge, oder wie Hans Werner Henze sorgte. Nach den strukturell überladenen seriellen und postseriellen Werken der es formuliert hat: „Alles bewegt sich auf das Theater hin und kommt von dort her 1950er bis 70er Jahre, bei denen die Konzepte hinter der Musik oft wichtiger waren zurück.“ So können auch die Werke des heutigen Abends in diesem Kontext als das Klangergebnis selbst, präsentierten diese jungen, nach 1945 geborenen gehört werden. Drei der Werke (Labyrinth II, Nonett und Befragung) stammen aus Komponisten (neben Hans-Jürgen von Bose vor allem Wolfgang von Schweinitz, dem Umkreis der Purdy-Oper Dreampalace, während die Thomas Bernhard-Lieder Manfred Trojahn und Detlef Müller-Siemens) Werke, die sich traditioneller Form- zum einen Nachklänge des großen Bernhard-Zyklus In hora mortis für Sprecher und Sprachmittel bedienten, klassische Zeitverläufe („Erzählstrukturen“) bevorzug- und Streichorchester (1991 geschrieben für Marianne Hoppe) sind bzw. in die Zeit ten und tonale Klänge, Allusionen oder auch Zitate aus Werken klassisch-romanti- seines Kafka-Projekts (K-Projekt 12/14 – Musiktheater nach Kafkas Die Verwandlung scher Komponisten einbanden. Im Zentrum des Interesses stand dabei das Werk [2002]) fallen. von Gustav Mahler. Der verordnete Zwang zu ständiger Innovation und zum Experiment wich einer Neuen Musik, die nicht mehr verschrecken, sondern emotional Das Nonett ist im Auftrag der Stiftung Mozarteum in Salzburg entstanden und bei ansprechend und verständlich sein wollte. Auf Grund dieser Tendenzen wurden die den Salzburger Festspielen 1988 vom Ensemble Wien-Berlin (bestehend aus Musi- Komponisten in eine Schublade gesteckt, die mit dem Verdikt „Neue Einfachheit“ kern der Wiener und der Berliner Philharmoniker) uraufgeführt worden. Es besteht versehen wurde. ganz klassisch aus vier Sätzen. Dabei beginnt der erste einstimmig, durch Instrumentenwechsel in der Melodie entstehen kleine farbliche Nuancierungen. Langsam Hans-Jürgen von Bose, der von jeher versucht hat, diesem „nicht zutreffenden und fächert sich die Musik zur Heterophonie und schließlich zur Polyphonie auf. Kleine kontraproduktivem ‚Kollegtivtopf‘ zu entkommen“, ist sicher einer der eigenwilligs- rhythmisch repetitive „Störelemente“ durchziehen den Satz und verweisen dabei ten Komponisten dieser Generation. Aribert Reimann bezeichnete ihn als einen der auf die Idee der zeitlichen Pulsation. Der zweite Satz, eine Art Intermezzo, beginnt „wenigen großen Begabungen der jüngeren Komponistengeneration“. Schon früh wieder mit einer langgespannten Melodie, dieses Mal zweistimmig, in dunklen, fand er zu einer eigenständigen musikalischen Sprache, die sich seitdem weiter- warmen Klangfarben instrumentiert, die wiederum in einen mehrstimmigen Kom- entwickelt und verfeinert hat. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Problematik der plex mündet. Der dritte Satz ist, recht traditionell, ein kurzes Scherzo mit „verschro- Zeitgestaltung ein, der Konflikt zwischen dem „Komponieren innerhalb bzw. außer- bener, pseudo-balkanischer“ Rhythmik. Im letzten Satz, einem „Lied ohne Worte“, halb der Zeit“ (Xenakis), also der Beziehung zwischen messbar fließender und er- scheint die bis dahin pulsierende Zeit still zu stehen. Akkorde werden ruhig anein- lebter Zeit. Doch über allem steht Boses 1978 formuliertes Credo, dass „Musik ihre andergesetzt, so dass eine lyrisch verträumte Atmosphäre das Werk beschließt. Labyrinth II für Klavier ist Teil eines Zyklus von Werken (Streichquartett Nr. 3, Laby- hoffenden Gewissheit Nachdruck. Die mittleren Lieder, schlichter von der Sprache, rinth I für großes Orchester; alle entstanden zwischen 1986 und 1988) in dem sich musikalisch nicht minder vielschichtig und anspruchsvoll, könnten als „hintersinni- der Komponist mit der „Problematik der Zeitgestaltung und der Verzeitlichung von ge Naturbeschreibungen“ verstanden werden. Das zweite Lied erinnert mit seinem gedachtem Raum“ auseinandersetzt. Vorangestellt ist dem Klavierstück ein Zitat strophischen Aufbau und Boses an Brahms gemahnenden Beginn (in es-Moll) von T. S. Elliot: „Only through time time is conquered.“ Angeregt von der Lektüre an ein Kinderlied. Das dritte Lied Im Garten der Mutter gleicht mit seinen vielen verschiedener Romane und Abhandlungen über Semiotik, wurde Bose mit der Melismen („Sternen“, „Herkunft aus Blumen und Blättern“, „das rostige Tor“, „die „Idee des Labyrinths“ konfrontiert. Das Labyrinth als ein Raum, den man von ver- feurigen Zungen“) einer Koloraturarie. In einem Einführungstext gibt der Komponist schiedenen Stellen aus betreten kann, der aber, obwohl er derselbe Raum bleibt, seine Beweggründe an, warum er sich so intensiv mit dem „Klavierlied“ ausein- durch den Betretenden immer wieder anders wahrgenommen wird. Bose versuchte andersetzt, der Gattung also, die in der avancierten Neuen Musik als anachronis- den räumlichen Begriffsrahmen (das literarische Bild) in einen zeitlichen (einen tisch abgelehnt wird: „Die Tradition des Klavierliedes hat mich während eigentlich musikalischen Ablauf) zu verwandeln. Verschiedene Pulse durchziehen das Stück meiner gesamten Arbeitszeit als Komponist immer beschäftigt […]. Insbesondere als Grundidee. Diese stehen für die chronometrische Zeit und werden mit einer bedeutet mir die Auseinandersetzung mit der Gattung ‚Lied‘ sehr viel. […] Ich bin zeitlichen Gegenwelt konfrontiert. Bose schreibt zu dem Klavierstück: „Formal han- der festen Überzeugung, dass, solange Menschen singen werden und solange es delt es sich um die siebenfache Umrundung eines imaginären Zentrums, das aber Lyrik gibt, Lieder − in welcher Form auch immer − eine genuine Daseinsberechti- als solches nie in Erscheinung tritt. Echo-Wirkungen, sowohl struktureller als auch gung haben. Zudem ist jedes ernstzunehmende Lied ein vielschichtiger, komposi- klanglicher Art, spielen eine ebenso große Rolle wie die Ausgestaltung der Zeit torischer Mikrokosmos und als solches Gebilde − zumindest für mich persönlich durch ganz verschiedene Pulstempi, Läufe, Stockungen, auch Zeit-Rückungen.“ − eine hochinteressante und immer wieder lohnende Aufgabe.“ Die Fünf Lieder auf Texte von Thomas Bernhard, Boses zweiter Beschäftigung mit Das letzte Stück des Abends, Befragung – Sextett für Klarinette und Streicher, ent- der nach wie vor unterschätzten Lyrik des österreichischen Dramatikers, entstan- stand ebenso wie das Nonett im Jahr 1988. Es ist wiederum ein typisches Beispiel den zu verschiedenen Zeitpunkten, 1994 und, als Auftrag von Aribert Reimann, für Hans-Jürgen von Boses Arbeitsweise, durch eine strenge Behandlung des mu- im Jahr 2006. Über die Lyrik Thomas Bernhards schreibt Peter Matt: „Im Unter- sikalischen Materials zu einer expressiven und emotional aufgeladenen Klangspra- schied zu den Romanen und Theaterstücken wissen Bernhards Gedichte noch che zu gelangen. Der poetisch anmutende Titel bezieht sich auf die „Befragung von beidem: von Paradies und Glück, von wohligen Tagen und von der gänzlich des Materials“. Alle Parameter des Stückes sind von der Fibonacci-Reihe abgelei- verkohlten Welt. Deshalb können sie auch vom Umschlag reden, vom Sturz in die tet (jener schon bei den alten Griechen bekannten unendlichen Zahlenfolge, die in Finsternis. […] Beides ist unbedingt, ein Äußerstes. Die berüchtigte Absolutheit der Summe zweier aufeinanderfolgender Zahlen die unmittelbar danach folgende der Bernhardschen Superlative leitet sich her von der Absolutheit dieser Hölle und Zahl ergibt: also 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55…, die von Leonardo Fibonacci im dieses Paradieses.“ Bernhards bildreiche Sprache mit ihrer Emphase lädt gera- Jahr 1202 zur Beschreibung des Wachstums einer Kaninchenpopulation benutzt dezu ein, sich ihr musikalisch zu nähern, sie herauszufordern, zu hinterfragen, zu wurde und seitdem vielfältige Verwendung in allen Künsten gefunden hat). Als Ton- unterstützen und manchmal zu konterkarieren. Umrahmt wird der Zyklus von zwei material liegt dem Stück eine durch Vierteltöne mikrotonal aufgespaltene 24-tönige Geistlichen Liedern. Beginnt das erste Lied noch eher unsicher und fragend „Mein Skala zu Grunde, die den Akkorden und Klängen eine besondere Ausdruckskraft Gebet hört Gott […]“, so steigert es sich zur jubelnden Gewissheit: „Gott hört mich verleiht. Die Klarinette (primus inter pares) ist zum Teil heterophon, zum Teil kontra- in jedem Winkel der Welt.“ Mit dem gleichen „Jubel“ beginnt das letzte Lied Psalm punktisch zu den Streichern gesetzt. Viele im Nonett angedeutete Elemente finden IX – „Ich fürchte mich nicht mehr. Ich fürchte nicht mehr, was jetzt kommen wird.“ sich in Befragung wieder. Was im ersten Werk noch kleine, nebensächliche Störele- In zwei großen Steigerungsbögen erreicht der Zyklus sein Ziel: „Ich erwarte dass mente waren, ist jetzt zu einem Hauptelement geworden: das Pulsieren der Klänge mich der Herr erwartet.“ Das Klavier verleiht in einem kleinen Nachspiel dieser als Abbild der vergehenden Zeit.