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Soziale, Wirtschaftliche Und Rechtliche Folgen Von Uber

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Briefing SOZIALE, WIRTSCHAFTLICHE UND RECHTLICHE FOLGEN VON UBER UND ÄHNLICHEN FAHRDIENSTVERMITTLERN 1. Einleitung Der wirtschaftliche Erfolg und die massive Nutzung der Dienstleistungen von Unternehmen wie Uber stellen die Regulierungsbehörden in den Vereinigten Staaten und in der Europäischen Union vor eine Reihe von Fragen. Die wichtigste Frage dabei ist, ob derartige Online-Anwendungen oder -Plattformen ihren Erfolg ausschließlich Innovationen verdanken, oder ob dieser vielmehr auf der Ausnutzung von Gesetzeslücken basiert. Bürger und Verbraucherorganisationen fragen sich, ob die Reaktionen der Behörden auf diese innovativen Dienstleistungen von echten Befürchtungen in Bezug auf eine angemessene Regulierung von Beförderungsleistungen und Verbrauchersicherheit geleitet sind oder ob damit die herkömmlichen, auf dem Markt etablierten Verkehrsunternehmen geschützt werden sollen. Um diesen Fragen nachzugehen, hat der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments (EP) ein internes Briefing in Auftrag gegeben, in dem die sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte von Uber und ähnlichen Fahrdienstvermittlern untersucht werden. Dieses Briefing basiert auf Sekundärforschung und Literaturrecherchen; es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und entspricht nicht unbedingt dem Standpunkt des EP. 2. Fahrdienstvermittler Der englische Begriff „transportation network companies“ (TNCs) (Fahrdienstvermittler) wurde von der California Public Utilities Commission (CPUC), der Aufsichtsbehörde für öffentliche Versorgungsunternehmen im USBundesstaat Kalifornien, definiert. 2012 wurde die CPUC aufgefordert, eine Rechtsvorschrift in Bezug auf Uber, Lyft und SideCar zu erlassen. Sie definierte damals Fahrdienstvermittler als Unternehmen – seien es Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Einzelunternehmen oder andere Gesellschaftsformen –, die entgeltliche Beförderungsdienstleistungen anbieten, indem sie Fahrgäste über eine Online-Anwendung (App) oder -Plattform an Fahrer vermitteln, die ihr eigenes Fahrzeug nutzen1. Fahrdienstvermittler funktionieren auf der Basis eines neuartigen Geschäftsmodells und werden der „Sharing Economy“, auch „partizipative Wirtschaft“ oder „Kokonsum“ genannt, zugeordnet. Die „Sharing Economy“ ermöglicht die gemeinsame Nutzung von Waren und Dienstleistungen mithilfe von Internetplattformen und IKTAnwendungen. Der Nutzen der „Sharing Economy“ besteht darin, dass sie Verbraucher, die über bestimmte Ressourcen (Güter oder Fähigkeiten/Kompetenzen) verfügen, zum richtigen Zeitpunkt und zu vernünftigen Kosten mit Verbrauchern zusammenbringt, die diese Ressourcen benötigen2. Durch den mithilfe von IKTPlattformen verbesserten Zugang zu Informationen können sich Konsumenten schnell in „Prosumenten“3 oder Fachleute verwandeln, die mit Gütern, die sie bislang nur in ihrer Freizeit genutzt haben, Dienstleistungen erbringen. Derartige Zusatzangebote bieten Verbrauchern klare Vorteile. Gleichzeitig erzeugen sie in Bereichen 1 2 3 California Public Utilities Commission – Website zu Fahrdienstvermittlern und den damit zusammenhängenden Rechtsvorschriften. Dervojeda K. et al., The Sharing Economy, Accessibility Based Business Models for Peer-to-Peer Markets, Business Innovation Observatory, Europäische Union 2013. Der Begriff des Prosumenten bezeichnet Bürger, die gleichzeitig Konsumenten und Produzenten sind. DG IPOL Policy Department B - Structural and Cohesion Policies Authors: Filipa Azevedo, Policy Department B: Structural and Cohesion Policies Mariusz Maciejewski, Policy Department A: Economic, Scientific and Quality of Life Policies PE 563.398 October 2015 wie Beherbergung, Verkehr und Freizeit zusätzlichen Wettbewerbsdruck für herkömmliche Anbieter4. Für die Regulierungsbehörden kann es sich zudem als schwierig erweisen, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem aus einem Teilgeschäft ein marktübliches Geschäft wird5. Es gibt viele US-amerikanische Fahrdienstvermittler, die weltweit stark expandieren. In Europa wiederum gibt es Unternehmen wie Blablacar und Carpooling.com, die sich jedoch nicht als Fahrdienstvermittler betrachten, sondern als Mitfahrzentralen. Sie vermitteln Mitfahrgelegenheiten, bei denen die Fahrer das Ziel festlegen. Die Bezahlung der Fahrer dient lediglich dazu, ihre Kosten zu decken, nicht jedoch dazu, Gewinn zu erzielen. 3. Aktueller Stand der Dinge bei den EU-Organen Fahrdienstvermittler sind derzeit nicht durch sekundärrechtliche EU-Vorschriften erfasst. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments haben die Kommission in mehreren parlamentarischen Anfragen nach ihrer Meinung zur Regulierung von Beförderungsleistungen, zu Uber und zu Wettbewerbsproblemen in der Taxibranche befragt. Erst vor Kurzem hat das EP die Kommission in seiner Entschließung vom 9. September 2015 aufgefordert, „die Situation in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Verkehrsnetzunternehmen zu überwachen, die eine Vermittlung von Fahrern und Fahrgästen anbieten (das bekannteste Beispiel hierfür ist Uber), sowie eine Bewertung der rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen durchzuführen, die aufgrund der Tätigkeit derartiger Unternehmen entstehen, und gegebenenfalls unter Berücksichtigung der bestehenden Taxidienste entsprechende Maßnahmen oder Empfehlungen für die Entwicklung innovativer neuer Dienste in Europa auszuarbeiten“6. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ist von einem Richter aus Barcelona aufgefordert worden, eine Vorabentscheidung in Bezug auf Uber zu erlassen7. Die Entscheidungen des EuGH werden sicherlich bestimmend sein, wenn es darum geht, ob Fahrdienstvermittler als Beförderungsdienste oder Betreiber digitaler Plattformen/Technologieunternehmen einzustufen sind. Parallel dazu hat die Europäische Kommission zwei Studien in Auftrag gegeben. Eine Studie mit dem Titel „Passenger transport by taxi, hire car and ridesharing in the EU“ (Personenbeförderung per Taxi, Mietwagen und Mitfahrgelegenheit in der EU) wird von der Generaldirektion Mobilität und Verkehr erstellt, eine weitere mit dem Titel „Consumer issues in the sharing economy“ (Verbraucherbelange in der Sharing Economy) von der Generaldirektion Justiz und Verbraucher. Beide Studien werden voraussichtlich im zweiten Quartal 2016 erscheinen. Ausgehend von diesen Studien wird die Kommission beurteilen, ob Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich sind8. Zu den sonstigen Maßnahmen der Kommission gehört eine öffentliche Konsultation zum Regelungsumfeld für Plattformen, Online-Vermittler, Daten, Cloud Computing und die partizipative Wirtschaft9. Die partizipative Wirtschaft wird ebenfalls Thema der geplanten Binnenmarktstrategie für Waren und Dienstleistungen sein10. Am 21. Januar 2014 billigte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Initiativstellungnahme zum Thema Gemeinschaftlicher oder partizipativer Konsum. Darin fordert er weitere Maßnahmen zur Regelung der „entstehenden Praktiken des gemeinschaftlichen oder partizipativen Konsums [...], um die Rechte und Pflichten aller beteiligten Akteure festzulegen“11. 4 5 6 7 8 9 10 11 Demnächst erscheinende Studie des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Tourism sharing challenges and opportunities for the EU“. Im Handelsrecht und im Steuerrecht gibt es Instrumente, mit denen sich dieser Zeitpunkt bestimmen lässt. Entschließung des EP zur Umsetzung des Weißbuchs Verkehr von 2011, P8_TA(2015)0310, 9. September 2015. Judge refers Spanish Uber case to European Court of Justice, FT, 20. Juli 2015. Anfrage des EP an die Kommission, E-010930/2015, Antwort erteilt am 17. September 2015. Öffentliche Konsultation der Kommission zum Regelungsumfeld für Plattformen, Online-Vermittler, Daten, Cloud Computing und die partizipative Wirtschaft, eröffnet am 24. September 2015. Arbeitsprogramm der Kommission 2015, COM(2014) 910 final, 16. Dezember 2014. Stellungnahme des EWSA zum Thema Gemeinschaftlicher oder partizipativer Konsum: ein Nachhaltigkeitsmodell für das 21. Jahrhundert, 21. Januar 2014. 2 4. Soziale und wirtschaftliche Folgen von Uber und ähnlichen Fahrdienstvermittlern Uber und andere Fahrdienstvermittler haben in ganz Europa breit angelegte politische, wirtschaftliche und ideologische Diskussionen ausgelöst. Die Argumente, die für Uber und andere Fahrdienstvermittler sprechen, sind hauptsächlich deren attraktive Preise und die Tatsache, dass sie den Verbrauchern zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten bieten, wodurch die Zahl der Pkw-Besitzer sinken und neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Im Folgenden werden die genaueren Gründe für die von den Fahrdienstvermittlern erzielten und möglicherweise sowohl Verbrauchern als auch Fahrern zugutekommenden Effizienzgewinne aufgeführt: 12 13 14 15 16 17 18 19  geringere Kosten für die Taxisuche: Verbraucher auf der Suche nach einem Fahrdienst mussten bisher Kosten für die Suche auf sich nehmen, obwohl der Ausgang der Suche unsicher war; Verbraucher, die ein Taxi an der Straße heranwinken möchten, wissen nicht, wie lange sie auf das nächste freie Taxi warten müssen12. Wichtig ist, dass die Fahrdienstvermittler ihre Dienstleistungen weder Kunden, die ein Taxi an der Straße heranwinken möchten, noch Kunden an Taxiständen anbieten. Selbst auf dem Markt der vorbestellten Fahrten weicht das Angebot der Fahrdienstvermittler von dem der Taxizentralen ab: statt eine Taxizentrale anzurufen und auf das Taxi zu warten oder ein Taxi an der Straße heranzuwinken, können sie ein Fahrzeug vielmehr von zu Hause aus bestellen und anschließend beobachten, wie es sich ihrem Standpunkt nähert13. Fahrdienstvermittler können den Fahrern zudem Empfehlungen über den optimalen Zeitpunkt ihres Markteintritts bzw. -austritts geben, etwa indem sie Teilzeitfahrer ermuntern, am Wochenende einige Stunden nachts zu arbeiten14;  besserer Überblick über Qualität und Preise: Die Fahrer werden von den Verbrauchern bewertet und können aus dem System entfernt werden, falls ihre Bewertung einen bestimmten Wert unterschreitet. Die ungefähren Fahrpreise werden bereits im Voraus angegeben und können somit leicht mit anderen Anwendungen verglichen werden. Dies führt zu mehr Transparenz – genau darum hatte man sich im Rahmen der Regulierung des Taxigewerbes jahrelang bemüht, indem man von den Taxis verlangte, von innen und außen sichtbare Preislisten anzubringen15;  Fahrdienstvermittler stellen IKT-Dienste bereit, mit denen sie Fahrer unterstützen, die andernfalls aufgrund der für das Taxigewerbe geltenden Zugangsbeschränkungen keine Beförderungsdienstleistungen anbieten würden. Diese Zugangsbeschränkungen begrenzen – wenn auch vielleicht aus berechtigten Gründen – den Wettbewerb. Außerdem führen sie zu enormen Transferzahlungen von den Verbrauchern an die Produzenten, wirtschaftlichen Verzerrungen und den damit verbundenen Wohlfahrtsverlusten16. Dort, wo der Handel mit Taxikonzessionen erlaubt ist17, sind hohe und steigende Preise gang und gäbe. So war z. B. eine Pariser Taxikonzession 2007 zwischen 100 000 EUR und 125 000 EUR wert. Die Konzessionen in Sydney und Melbourne hatten einen Wert von 300 000 A$ (etwa 189 000 EUR) bzw. 500 000 A$ (etwa 313 000 EUR), während für eine Taxikonzession in New York sogar bis zu 600 000 US$ (etwa 535 000 EUR) bezahlt wurden. In den meisten dieser Städte wurde ein erheblicher Preisanstieg bei den Lizenzen verzeichnet. Derart hohe Preise sind ein Indiz für die beachtlichen Monopoleinkünfte, die mit der Nutzung knapper Taxikonzessionen erzielt werden können;  indem sie den Zugang zu Informationen erleichtern, können Fahrdienstvermittler eine bessere Nutzung von Wirtschaftsgütern18 und Fähigkeiten ermöglichen19; eine verbesserte Nutzung von Wirtschaftsgütern kann positive Auswirkungen auf das Verbraucherwohl und Effizienzgewinne bei Beförderungsdienstleistungen nach sich ziehen. OECD, Taxi Services: Competition and Regulation, OECD Competition Policy Roundtables, 2007 und erneut veröffentlicht 2015, S. 7. In manchen Ländern (z. B. im Vereinigten Königreich) haben Taxiunternehmen damit begonnen, Smartphone-Anwendungen zu entwickeln, um gegenüber Uber konkurrenzfähig zu bleiben. Rogers B., The Social Costs of Uber, The University of Chicago Law Review, 2015. Golovin S., The Economics of Uber, Bruegel, 2014. OECD, Taxi Services: Competition and Regulation, OECD Competition Policy Roundtables, 2007 und erneut veröffentlicht 2015, S. 7. Innerhalb Europas hat das Taxigewerbe unterschiedliche Ausprägungen angenommen. In manchen Ländern gibt es Vorschriften, in denen die maximal zulässige Anzahl der Taxis festgelegt und der Handel mit Konzessionen erlaubt ist (z. B. Frankreich). In anderen Ländern unterliegen Taxiunternehmen und Fahrer bestimmten Normen. Weiterführende Informationen in: ECMT Round Tables (De)Regulation of the Taxi Industry, OECD, Europäische Verkehrsministerkonferenz, 2007. Martin E., The Impact of Carsharing on Household Vehicle Holdings: Results from a North American Shared-use Vehicle Survey, 2011. Hall J.V. Krueger A.B., An Analysis of the Labor Market for Uber’s Driver-Partners in the United States, Working Papers 2015, Princeton University, Industrial Relations Section; 587. 3 Es gibt jedoch auch zahlreiche Behauptungen, wonach Fahrdienstvermittler ihren Wettbewerbsvorteil der Ausnutzung von Gesetzeslücken und einem niedrigeren Maß an Verbrauchersicherheit und Datenschutz verdanken. Einige der diesbezüglichen Argumente werden im Folgenden aufgeführt:  die Fahrdienstvermittler könnten auf unfaire Weise mit Taxifahrern konkurrieren, indem sie am Taximarkt teilnehmen, ohne sich an die Vorschriften oder die geltenden Fahrpreise zu halten;  die Fahrdienstvermittler könnten eine Monopolstellung anstreben;  die Fahrdienstvermittler könnten Kompromisse bei der Sicherheit oder beim Versicherungsschutz ihrer Fahrzeuge und Fahrer eingehen;  die Fahrdienstvermittler könnten die Privatsphäre ihrer Kunden verletzen;  die Fahrdienstvermittler könnten Diskriminierung durch Fahrer oder Fahrgäste möglich machen;  die Fahrdienstvermittler könnten die für die Arbeit von Taxifahrern geltenden Normen untergraben und ihre Fahrer schlecht bezahlen20 und  die Fahrdienstvermittler könnten Herausforderungen in Bezug auf ihre Besteuerung mit sich bringen. Um beurteilen zu können, ob diese Befürchtungen berechtigt sind, müssten die nationalen Bestimmungen eines jeden EU-Mitgliedstaats genau untersucht und darauf geprüft werden, inwieweit die rechtlichen Anforderungen zu dem Geschäftsmodell und dem vertraglichen Rahmen der Fahrdienstvermittler passen. Was die Mobilität betrifft, so belegen aktuelle Studien21, dass die Stadtbevölkerung noch immer stark von der Nutzung privater Pkws abhängig ist und dass eine hohe Verkehrsbelastung bedeutende unmittelbare wirtschaftliche Folgen hat. Beispiele für den Anteil einzelner Verkehrsträger am Gesamtverkehr zeigen, dass Stadtbewohner sich per Auto, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortbewegen (s. Abb. 1). Autos werden auf unterschiedliche Weise genutzt. So gibt es z. B. private Pkws, Taxis und herkömmliche Mietwagen22, aber auch neuere Entwicklungen wie Car-Sharing23, Car-Pooling und Beförderungsleistungen unter Privatpersonen, für die es keine einheitlichen Definitionen gibt. Fahrdienstvermittler – und besonders Uber – treten vor diesem Hintergrund als neuer Trend auf, mit dem Ziel, andere Mobilitätslösungen zu ergänzen. US-amerikanische Studien deuten darauf hin, dass Fahrdienstvermittler womöglich den Bedarf an schnellen, flexiblen und bequemen Fortbewegungsmöglichkeiten in städtischen Gebieten decken könnten und die Nutzer von Fahrdienstvermittlern in der Regel jung, gebildet und eher nicht in Besitz eines Autos sind. Fahrdienstvermittler werden überwiegend für Freizeitaktivitäten und soziale Zwecke genutzt. Die mit ihrer Hilfe zurückgelegten Strecken sind in der Regel etwas kürzer als bei Taxifahrten der Fall und die Fahrzeugauslastung ist höher als bei herkömmlichen Taxis24. Einer von Uber in Auftrag gegebenen Studie zufolge könnte die Zahl der in Stockholm pro Tag verzeichneten Pkw-Fahrten durch Beförderungsdienstleistungen unter Privatpersonen um 3 % sinken, während sich die Gesamtzahl der in der Stadt fahrenden Pkws um 5 % verringern könnte25. Andere Stimmen machen jedoch darauf aufmerksam, dass Fahrdienstvermittler „Verkehr erzeugen“ und negative Auswirkungen auf andere 20 21 22 23 24 25 Rogers B.,The Social Costs of Uber, The University of Chicago Law Review, 2015. Towards New Urban Mobility: The case of London and Berlin, LSE, 2015. TRT, Mobility Management, Europäisches Parlament, 2010. Mietwagen werden in den einzelnen Städten unterschiedlich bezeichnet: in London, Dublin und Berlin benötigen sie eine Zulassung und werden als Minicabs, Hackneys bzw. Mietwagen bezeichnet. In London können Mietwagen auf bis zu acht Fahrgastplätze ausgelegt sein. Für den Begriff des Car-Sharing gibt es keine einheitliche Definition, normalerweise handelt es sich jedoch um Fahrzeuge, die von den Endnutzern selbst gefahren werden. Car-Sharing kann in mehreren Varianten auftreten: als Round-Trip Car-Sharing, als Car-Sharing unter Privatpersonen oder als Synonym für Car-Pooling, bei dem Fahrgemeinschaften gebildet werden oder ein Auto nacheinander von mehreren Fahrern genutzt wird. Car-Sharing kann auch innerhalb von Unternehmen praktiziert werden, wobei sich mehrere Mitarbeiter ein Fahrzeug teilen. App-Based, On-Demand Ride Services: Comparing Taxi and Ridesourcing Trips and User Characteristics in San Francisco, University of California, August 2014. Economic benefits of peer-to-peer transport services, Copenhagen Economics, Studie im Auftrag von Uber, August 2015. 4 städtische Verkehrsträger haben könnten. Die Frage nach dem ökologischen Nutzen und den Folgen für das Verkehrsaufkommen bleibt also weiterhin offen und sollte gründlicher untersucht werden26. Abbildung 1: Anteil der einzelnen Verkehrsträger am Gesamtverkehr in Städten mit über 500 000 Einwohnern Pkw Öffentlicher Verkehr Fahrrad zu Fuß Quelle: Innovation in urban mobility Policy making and planning, Europäische Kommission, 2013 Die Tatsache, dass Fahrdienstvermittler die europäischen Märkte betreten haben, hat erheblichen Widerstand bei den bestehenden Taxiunternehmen hervorgerufen. Das Taxigewerbe beschäftigt in Europa mehr als eine Million Menschen, was 8 % der Beschäftigten im europäischen Verkehrssektor entspricht27. Gründe für die Proteste des Taxigewerbes sind der befürchtete wirtschaftliche Druck, der von den Fahrdienstermittlern ausgehen könnte, sowie Ärger über die für Taxifahrer geltenden restriktiven Rechtsnormen. Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass Fahrdienstvermittler Auswirkungen auf das Taxigeschäft haben. So ging etwa die Zahl der Taxifahrten in San Francisco zwischen Januar 2012 und August 2014 um 65 %28 zurück, was sich in niedrigeren Gewinnen der Taxiunternehmer und weniger Investitionen in Konzessionen niederschlug. Bei Kunden erfreut sich das Geschäftsmodell von Fahrdienstvermittlern offensichtlich einiger Beliebtheit, was in ihrem Wunsch nach fairen Dienstleistungen begründet liegt. Auch Investoren erachten das Geschäftsmodell offenbar als tragfähig (Uber, dessen Wert 2014 auf 13 Mrd. EUR geschätzt wurde, ist beispielsweise eines der erfolgreichsten Start-up-Unternehmen weltweit29). 5. Rechtliche Folgen von Uber und ähnlichen Fahrdienstvermittlern Uber bietet seine unterschiedlichen Dienstleistungen unter verschiedenen Marken an. Der Dienst, der in direkter Konkurrenz zum Taximarkt in den Mitgliedstaaten steht und auf private Fahrer angewiesen ist, heißt UberPop. Einige Regulierungsbehörden in den Mitgliedstaaten (z. B. in den Niederlanden, Portugal, Frankreich, Spanien und Deutschland) haben Maßnahmen auf der Grundlage der bestehenden Rechtsrahmen ergriffen, die zu verwaltungsrechtlichen und/oder strafrechtlichen Anklagen gegen die Fahrer und die Geschäftsleitung von Uber führten. Daraufhin reichte Uber bei der Kommission Beschwerde gegen die Verbote der spanischen, deutschen und französischen Gerichte ein, da diese nach Ansicht des Unternehmens gegen Artikel 49 (Niederlassungsrecht) und Artikel 56 (freier Dienstleistungsverkehr) des Vertrags über die Arbeitsweise der 26 27 28 29 Can Google, Uber, BlaBlaCar and Zipcar make mobility cleaner?, EurActiv, 4. Juni 2015. International Road Transport Association, Aufgerufen am 28. September 2015. The economics of Uber, Bruegel, September 2014; Taxis and accessible services division: Status of Taxi Industry, San Francisco Municipal Transportation Agency, 2014. Carsharing: evolution, challenges and opportunities, ACEA by the Centre for Transport Studies, Imperial College London, September 2014. 5 Europäischen Union verstoßen30. In anderen Ländern (z. B. Dänemark) stehen rechtskräftige Entscheidungen noch aus31. Insgesamt bleibt die Situation unklar, da das Geschäftsmodell von Uber diverse rechtliche Fragen aufwirft, auf die die bestehenden europäischen Rechtsvorschriften und die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten keine Antwort haben. Das erste Novum, das die Fahrdienstvermittler in rechtlicher Hinsicht mit sich bringen, ist die Tatsache, dass sie ganz eindeutig eine europäische Dimension aufweisen, und zwar in einem Bereich, in dem die Mitgliedstaaten einer europäischen Gesetzgebung von jeher sehr kritisch gegenüberstehen. Als Anbieter von Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologie unterliegen die Fahrdienstvermittler den europäischen Bestimmungen zum freien Dienstleistungsverkehr und zum Niederlassungsrecht, und ihre Dienstleistungen sind Bestandteil des digitalen Binnenmarkts. In ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt weist die Kommission darauf hin, dass neue Plattformen in den Bereichen Mobilitätsdienste, Tourismus, Musik, Audiovisuelles, Bildung, Finanzen, Beherbergung und Personaleinstellung die herkömmlichen Geschäftsmodelle schnell und tiefgreifend in Bedrängnis gebracht und dabei ein exponentielles Wachstum erzielt haben. Das Aufkommen dieser „Ökonomie des Teilens“ (Sharing Economy) bietet auch Chancen für Effizienzsteigerungen, Wachstum und Beschäftigung dank besserer Wahlmöglichkeiten der Verbraucher, wirft aber potenziell auch neue Fragen der Regulierung auf.32. Die europäische Dimension ließe sich bei Fahrdienstvermittlern jedoch auch aus dem engen Zusammenspiel zwischen IKT-Dienstleistungen und Beförderungsleistungen ableiten. Das Angebot von Fahrdienstvermittlern könnte auch als Bereitstellung von Informationen zu multimodalen Beförderungsdienstleistungen oder als Ergänzung solcher Dienstleistungen angesehen werden. Daher sind die europäischen Organe auch befugt, die einzelstaatlichen Reaktionen auf die Fahrdienstvermittler zusammenzuführen33. Dies könnte mithilfe von Rechtsvorschriften, Regulierungsmaßnahmen oder durch die Justiz erfolgen34. Zweitens lässt sich das bereits bestehende nationale Recht schlecht auf Fahrdienstvermittler anwenden, da es vor allem für die Regulierung des Taxigewerbes geschaffen wurde und mit entsprechenden regulativen Vorschriften arbeitet. In den Mitgliedstaaten gibt es anhaltende Diskussionen über den Nutzen einer Regulierung oder Deregulierung dieses Bereichs35. Da erste nationale Urteile ergangen sind, könnten die einzelstaatlichen rechtlichen Regelungen – mit einigen Schwierigkeiten – auf die Fahrdienstvermittler angewendet werden36, jedoch wurden die nationalen Gesetze nicht mit Blick auf internationale IKT-Unternehmen geschrieben. Bisher kamen Taxizentralen, die Anfragen per Telefon entgegennahmen, Fahrdienstvermittlern am nächsten, doch selbst deren Tätigkeit, die weniger stark europäisch ausgerichtet ist, unterscheidet sich grundlegend von der der Fahrdienstvermittler. Nach langwierigen Gesetzgebungsverfahren und erheblichen sozialen Kosten aufgrund 30 31 32 33 34 35 36 Uber and Europe is definitely a conversation worth having, EurActiv, April 2015. Uber in Denmark, Marie Jull Sørensen, Journal of European Consumer and Market Law, August 2015. Europäische Kommission, Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa, COM(2015) 192 final, 6. Mai 2015. Taxidienste galten immer als lokale Dienste und lagen somit außerhalb der Zuständigkeit der Europäischen Union. Fahrdienstvermittler hingegen unterliegen eindeutig den Bestimmungen zum freien Dienstleistungsverkehr (IKT-Dienstleistungen) und könnten zudem den Bestimmungen des Vertrags im Bereich Verkehr unterliegen, falls man zu dem Schluss gelangt, dass sie Beförderungsdienstleistungen erbringen. Der Gerichtshof der Europäischen Union ist ersucht worden, Vorabentscheidungen in Bezug auf Fahrdienstermittler zu erlassen. Die entsprechenden Entscheidungen werden sich jedoch nur mit bestimmten Fragen befassen und bis zu ihrem Erlass wird noch geraume Zeit vergehen. Reforming the Law of Taxi and Private Hire Services: A Consultation Paper, The Great Britain Law Commission, 2012. Die Mitgliedstaaten können allgemeine Bestimmungen über Informations- und Kommunikationsdienste sowie Bestimmungen über Beförderungsdienste, Wirtschaftstätigkeiten sowie steuer- und arbeitsrechtliche Bestimmungen, die für Taxis galten, auch auf rechtlich unterschiedlich qualifizierte Tätigkeiten von Fahrdienstvermittlern anwenden. Fahrdienstvermittler könnten rechtlich als Anbieter von IKTDienstleistungen oder Anbieter von Beförderungsdienstleistungen eingestuft werden, sofern ein funktionaler Zusammenhang zwischen diesen IKT- und Beförderungsdienstleistungen festgestellt wird (wobei für die Beförderungsdienstleistungen Genehmigungen oder Konzessionen erforderlich wären). Die Fahrer könnten als Taxifahrer und/oder unabhängige Beförderungsunternehmer (mit den für das Taxigewerbe geltenden Genehmigungen, lokalen Konzessionen und Auflagen) oder sogar als Angestellte (in Abhängigkeit vom tatsächlichen Rechtsverhältnis zwischen Fahrdienstvermittler und Fahrern sowie davon, ob das Arbeitsrecht die vertraglichen Bestimmungen aufheben kann) gelten. 6 von gerichtlichen Streitigkeiten, Zersplitterung und Unsicherheit könnten in den Mitgliedstaaten womöglich 28 unterschiedliche neue Rechtsvorschriften entstehen. Diese würden jedoch die möglicherweise unterschiedlichen nationalen Sichtweisen auf Fahrdienstvermittler und deren Vorteile widerspiegeln, die jedoch auf europäischer Ebene nicht unbedingt miteinander vereinbar wären. Die rechtliche Qualifizierung der Dienstleistungen von Fahrdienstvermittlern erweist sich als komplizierte Aufgabe. Die Definition des englischen Begriffs „transportation network companies“ (TNCs) wurde von der California Public Utilities Commission37 angewendet, als sie 2012 eine Rechtsvorschrift in Bezug auf Uber, Lyft und SideCar erließ. Die Rechtsvorschrift wurde in dem Verständnis erlassen, dass der Federal Communications Act von 1996 die Handlungsfähigkeit des Staates zwar einschränkt, wenn es darum geht, IP-basierte Dienste zu regulieren, jedoch zulässt, dass der Staat die Beförderung von Personen auf öffentlichen Straßen regelt. Es ist nicht ohne weiteres möglich, eine Definition anzupassen, die in einem anderen Rechtssystem (und noch dazu auf bundesstaatlicher Ebene) erdacht wurde. Dienste wie Uber, Lyft oder SideCar könnten vom Europäischen Gerichtshof oder den nationalen Gerichten in den Mitgliedstaaten rechtlich anders eingestuft werden. Dabei kommt es darauf an, welche Vertragsbestimmungen diese Unternehmen in Europa genau anwenden und welche Bestimmungen für Verträge, Wirtschaftstätigkeiten, Beförderungsdienste und Arbeitsrecht genau gelten. Letztendlich wird es angesichts der eindeutigen europäischen Dimension der Dienstleistungen von Fahrdienstvermittlern möglicherweise einer Definition vonseiten des europäischen Gesetzgebers bedürfen. Es scheint unstrittig, dass Uber und ähnliche Dienste als Online-Anwendungen (Apps) oder -Plattformen definiert werden können, die Fahrgäste an Fahrer vermitteln, die ihr eigenes Fahrzeug nutzen. Andere Aspekte der Definition könnten sich jedoch in der EU als kontrovers erweisen, z. B. könnte fraglich sein, ob Fahrdienstvermittler IKT-Dienstleistungen oder/und Beförderungsdienstleistungen erbringen, in welchem rechtlichen Rahmen diese Dienstleistungen erbracht werden38, ob die erbrachten Dienstleistungen als Taxidienste oder spezielle Beförderungsdienste eingestuft werden sollen und ob die EU oder die Mitgliedstaaten einen besonderen Rechtsrahmen für die Dienstleistungen von Fahrdienstvermittlern bereitstellen sollten, um die Möglichkeiten eines Marktversagens einzuschränken, wobei sich gegenwärtig die wichtige Frage stellt, ob Fahrdienstvermittler auf europäischer Ebene reguliert werden sollten. 6. 37 38 39 40 41 Allgemeine Schlussfolgerungen  Die Folgen von Fahrdienstvermittlern für Mobilität, Arbeitsmarkt und Umwelt müssen unabhängig untersucht werden.  Die von den Regulierungsbehörden in Reaktion auf Fahrdienstvermittler ergriffenen Maßnahmen müssen genauer untersucht werden (in Kalifornien und Colorado wurden z. B.39 besondere Regeln40 für Fahrdienstvermittler geschaffen).  Die nationalen Bestimmungen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten müssen genau untersucht und darauf geprüft werden, inwieweit die rechtlichen Anforderungen zu dem Geschäftsmodell und dem vertraglichen Rahmen der Fahrdienstvermittler passen.  Neue Mobilitätslösungen wie Car-Pooling und Car-Sharing könnten dazu beitragen, die Verkehrsüberlastung in europäischen Städten abzubauen, sollten jedoch gemeinsam mit anderen politischen Veränderungen und Initiativen in Angriff genommen werden.41  Im Verkehrssektor tätige Unternehmen der Sharing Economy stellen die Regierungen vor vielfältige Herausforderungen, bei deren Bewältigung die Aspekte Beschäftigung, Binnenmarktvorschriften, Umwelt, Besteuerung, Verbraucherschutz usw. Berücksichtigung finden sollten. Siehe Fußnote 1. Rogers K., Uber drivers' suit given class-action status, CNBC, 2. September 2015. When Apps Pollute: Regulating Transportation Network Companies to Maximize Environmental Benefits, K. Casey Strong, University of Colorado, 2015. Should Uber be allowed to compete in Europe? And if so How? Damien Geradin, CPI, Juni 2015. The Future economic and environmental costs of gridlock in 2030: An assessment of the direct and indirect economic and environmental costs of idling in road traffic congestion to households in the UK, France, Germany and the USA, Report for INRIX, Cebr, Juli 2014. 7 Haftungsausschluss Das Dokument richtet sich an die Mitglieder und Mitarbeiter des Europäischen Parlaments, ist für deren parlamentarische Arbeit bestimmt und entspricht nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Autoren Filipa Azevedo, Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik, und Mariusz Maciejewski, Fachabteilung A: Wirtschaft, Wissenschaft und Lebensqualität Wenn Sie uns Ihr Feedback mitteilen möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an das Sekretariat der Fachabteilung Struktur- und Kohäsionspolitik: [email protected] Feedback Fachabteilung B Die Fachabteilung B ist die Forschungseinheit innerhalb der Generaldirektion Interne Politikbereiche des Europäischen Parlaments, die den folgenden fünf parlamentarischen Ausschüssen technisches Fachwissen bereitstellt: Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums, Kultur und Bildung, Fischerei, regionale Entwicklung und Verkehr und Fremdenverkehr. Ihre Expertisen werden entweder intern oder extern erarbeitet. Alle Veröffentlichungen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr: http://www.europarl.europa.eu/studies ISBN: 978-92-823-8190-8 (paper) Catalogue number: QA-04-15-698-DE-C (paper) 978-92-823-8189-2 (pdf) QA-04-15-698-DE-N (pdf) doi:10.2861/763685 (paper) doi:10.2861/858562 (pdf) © Europäische Union, 2015