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ästhetische In(ter)ventionen Im öffentlichen Raum

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    August 2018
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Dr. Frauke Surmann Ästhetische In(ter)ventionen im öffentlichen Raum. Grundzüge einer politischen Ästhetik. Ästhetische In(ter)ventionen kann man nicht suchen, man kann sie nur finden. Genaugenommen sind sie es, die uns finden, indem sie uns plötzlich und unvorbereitet widerfahren. Und so war es auch die unmittelbare Konfrontation mit dieser mir damals noch unvertrauten Kunstpraxis, die den ursprünglichen Impuls zur vorliegenden Arbeit gab, einer Kunstpraxis, deren humorvolle und zuweilen verstörende Eingriffe in den öffentlichen Raum mich ebenso faszinierten wie meinen Forschergeist weckten. Ein Blick auf die aktuelle Forschungslage verriet schnell, dass über bloße Materialsammlungen und aktivistische Handbücher hinaus bislang kaum wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzungen mit dieser spezifischen Kunstform existierten. Allein im englischsprachigen Raum kursierten zu Beginn meiner Nachforschungen mehr als 50 gleichwertig nebeneinanderstehender Begriffe zur Beschreibung interventionistischer Kunstpraktiken im öffentlichen Raum. Das Ziel meiner Arbeit ist es, diese Forschungslücke zu schließen. Zu diesem Zweck habe ich, ausgehend von exemplarisch ausgewählten Fallbeispielen aus dem europäischen und US-amerikanischen Raum, eine wissenschaftliche Terminologie und damit zugleich ein analytisches Instrumentarium zur Beschreibung ästhetischer In(ter)ventionen im öffentlichen Raum in ihren materiellen und medialen Erscheinungsbedingungen, Funktionsweisen sowie politischen Implikationen entwickelt und gleichsam theoretisch fundiert. Die Innovation meine Ansatzes besteht darin, ästhetische In(ter)ventionen erstmals als Aufführungen zu begreifen. Das durch die Wahl jenes aufführungstheoretischen Ansatzes theaterwissenschaftlich begründete Untersuchungsfeld verschränkt sich dabei zugleich mit der Verhandlung städtebaulicher und raumpolitischer, soziologischer, politikwissenschaftlicher und gesellschaftsphilosophischer Fragen. In der Charakterisierung der ästhetischen In(ter)vention als Aufführung sowie der damit unmittelbar verbundenen interdisziplinären Ausrichtung der Forschungsperspektive erweist sich meine Methode gegenüber bisherigen von mir in der Arbeit dargelegten Theoretisierungsansätzen aus der Medientheorie, der Kunsttheorie und der Kulturwissenschaft in dieser Form als einzigartig. Was die ästhetische In(ter)vention nun auch und insbesondere in Hinblick auf ihr gesellschaftspolitisches Potential für mich so spannend macht, ist ihre radikale Selbstreferentialität. Die von mir untersuchten ästhetischen In(ter)ventionen lassen weder eine Ursache noch einen Zweck erkennen, der über sie selbst hinauswiese. Stattdessen erschöpfen sie sich in der transitorischen Ereignishaftigkeit ihres performativen Vollzugs und offenbaren sich derart in einer mal mehr mal weniger rätselhaften Selbstzweckhaftigkeit. Meine argumentationsleitende Absicht war es, diese ästhetischen In(ter)ventionen wesentlich inhärente Selbstreferentialität, wie sie keineswegs als Rückzug auf eine autonome, selbstgenügsame Position der Kunst missverstanden werden darf, ernst zu nehmen und die durch sie evozierte ästhetische Erfahrung im Zuge dessen als einen Ursprungsort des Politischen zu begreifen. Damit richtet sich meine Arbeit dezidiert gegen die sich aktuell insbesondere im angloamerikanischen Diskurs als soziale Wende abzeichnende Tendenz, das Politische der Kunst in ihrer Anwendbarkeit und ihrem soziopolitischen Nutzen zu verorten. Entscheidender als Inhalt, Ziel und Zweck einzelner In(ter)ventionen erweist sich für die Frage nach ihrem politischen Potential demnach die Analyse der ihnen eigentümlichen Materialität, Medialität und relationalen Praxis. 1 Das essentielle Ergebnis dieser Analyse spiegelt sich in der von mir gewählten Schreibweise der In(ter)vention wider: Indem ich die Silbe –ter– in Klammern gesetzt habe, verschränkt sich der Begriff der Intervention immer schon mit einem Akt der Invention. Mit dieser begrifflichen Neuschöpfung wird einer Ambivalenz Rechnung getragen, wie sie sich für ästhetische In(ter)ventionen als wesentlich konstitutiv erweist. So bringen ästhetische In(ter)ventionen einen performativen Widerspruch zur Aufführung, wie er sich in der ebenso untrennbaren wie antagonistischen Gleichzeitigkeit von negierendem Bruch auf der einen und produktiver Setzung auf der anderen Seite realisiert. In einem Akt der Intervention brechen ästhetische In(ter)ventionen in das normative Dispositiv ihres Erscheinungsraums ein. Zugleich öffnet sich mit jedem Bruch aber auch ein Möglichkeitshorizont der Invention im Sinne wirklichkeitskonstituierender Begegnungen, denen die Intervention überhaupt erst statt gibt. Dem Bruch als Aufbruch eignet folglich immer schon eine Dimension der Gestaltung. Die dieser für ästhetische In(ter)ventionen maßgeblichen Ambivalenz inhärente, produktive Spannung erweist sich als das Resultat eines räumlichen, körperlichen und damit immer auch schon intersubjektiven Grenzgangs. Entsprechend habe ich die Bedingungen und Auswirkungen ästhetischer In(ter)ventionen im Rahmen meiner Arbeit insbesondere in Bezug auf Prozesse der Verräumlichung, der Verkörperung und der Vergemeinschaftung hin analysiert. Zu Beginn einer jeden In(ter)vention, so der Ausgangspunkt meines Arguments, steht die Sondierung und Erschließung eines geeigneten Aufführungsorts. Dabei handelt es sich in der Regel um einen öffentlichen Raum, der als ortsspezifische Wahrnehmungs- und Verhaltenstopographie im Sinne eines sinnlich-sinnhaften Dispositivs einzelne Bewegungsströme ebenso wie intersubjektive Begegnungen ermöglicht und lenkt während er andere vereitelt. Diese normative Ordnung brechen ästhetische In(ter)ventionen auf und bringen im Zuge dieses Bruchs vorübergehend eine alternative Form materieller und symbolischer Räumlichkeit zur Aufführung, die der sozialen Wirklichkeit ihres Erscheinungsraums sowohl angehört als auch von ihr abgehoben ist. In diesem Sinne lässt sich die ästhetische In(ter)vention als Inszenierungsverfahren einer ambivalenten Topologie charakterisieren, wie sie sich im aufführenden Vollzug eines öffentlichen, das heißt von Körpern bevölkerte Räume entgrenzenden, Akts der Überschreitung realisiert. Diese öffentliche Grenzüberschreitung aber evoziert in den ihr Ausgelieferten, und das ist der zweite entscheidende Punkt meines Arguments, eine fundamentale, sinnlich-sinnhafte Wahrnehmungskrise. Durch den Entzug identitäts- und orientierungsstiftender Referenzpunkte versetzt die durch die ästhetische In(ter)vention in den öffentlichen Raum eingezogene, transitorische Räumlichkeit der Aufführung ihre Teilnehmer in einen liminalen Schwellenzustand, in dem vertraute Rezeptionsstrategien nicht mehr greifen, während alternative Strategien erst noch entwickelt werden müssen. Fundamental in Frage gestellt werden dadurch nicht nur die den öffentlichen Raum herkömmlicherweise bestimmenden sozialen Konventionen, sondern auch die je individuelle, subjektrelative Position sowie die Konfiguration des intersubjektiven Miteinanders innerhalb jenes Raums. Zugleich steigert und intensiviert die erfahrene Wahrnehmungskrise die Aufmerksamkeit und lädt die gerahmte raumzeitliche Situation mit einer Vielzahl an Bedeutungs- und Handlungspotentialen auf. Der derart durch die ästhetische In(ter)vention erzeugte Schwellenzustand evoziert in ihren Teilnehmern eine ästhetische Differenzerfahrung. Der einzelne Teilnehmer erfährt sich in eine raumzeitliche Situation jenseits seines gewohnten Wahrnehmungs- und Verhaltensdispositivs und damit gleichsam in eine Distanz zu sich selbst und seiner Umwelt versetzt. Diese Distanz aber ermöglicht gerade in ihrer entfremdenden Kraft neuartige, ungewohnte Begegnungen mit vermeintlich Vertrautem. In der durch die ästhetische In(ter)vention evozierten Differenzerfahrung öffnet sich somit ein Möglichkeitshorizont, um einander 2 ebenso wie sich selbst im Hier und Jetzt ihrer ambivalenten Topologie gleichsam wie zum ersten Mal zu begegnen. Als Aufführungssituation, die einerseits Aufmerksamkeit bündelt und intensiviert, während sie sich andererseits erst im einmaligen Zusammenspiel relationaler Verkörperungsprozesse konstituiert, erweist sich die ästhetische In(ter)vention als eine Bühne des Begegnens. Jede Begegnung ereignet sich dabei als ein einzigartiger, unvorhersehbarer Akt der reziproken Verkörperung, der die Bühne der ästhetischen In(ter)vention sowohl besetzt und einnimmt als auch neu vermisst und mitgestaltet. In diesem Sinne offenbart sich die Bühne der ästhetischen In(ter)vention als Herausforderung an jeden Einzelnen, die Distanz zwischen sich selbst und dem, was er hier verkörpert, immer wieder neu zu erproben und auszumessen. Dabei findet er sich zugleich in einen theatralen Wahrnehmungsmodus versetzt, wie er sich in der Simultanität eines wechselseitigen Affizierens und AffiziertWerdens manifestiert. Die Herausforderung zur Begegnung mit dem Fremden, und das ist entscheidend, wird dabei nicht als Bedrohung, sondern als lustvoll erfahren. Indem es die Wahrnehmungskrise erforderlich macht, mit sich selbst als organisierendem Zentrum der eigenen Wahrnehmung und damit mit sich selbst als sinngebender Instanz zu beginnen, die den in der ästhetischen In(ter)vention vorübergehend aufscheinenden Freiraum auf die ihm immanenten Handlungspotentiale hin erprobt, erfährt sich jeder Teilnehmer zugleich als gleichberechtigter Miterzeuger einer geteilten Realitätserfahrung. Die sinnlich-sinnhafte Erschließung einer ästhetischen In(ter)vention impliziert folglich neben ihrer aneignenden Vermessung immer auch schon einen Akt der hervorbringenden Verkörperung und spielerisch-modifizierenden Gestaltung. In dieser Doppelstruktur der ästhetischen Differenzerfahrung zwischen Raum nehmender Erfahrung auf der einen und Raum generierender Erfahrung auf der anderen Seite, realisiert sich eine schöpferische Subjektivierungspraxis, die auf der Freiheit beruht, eine eigene Haltung zu und innerhalb der veränderten Wahrnehmungs- und Verhaltenstopographie einzunehmen und auf ihre Praktikabilität zu prüfen. In diesem Sinne gibt die Schwellenerfahrung der ästhetischen In(ter)vention einem ebenso kurzweiligen wie lustvoll erfahrenen Abenteuer der Neuorientierung und Erprobung alternativer Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums sowie damit unmittelbar zusammenhängender Formationen von Subjektivität und Intersubjektivität statt. Die durch die ästhetische In(ter)vention evozierte Differenzerfahrung richtet sich dabei nicht zuletzt auch auf die anderen zur selben Zeit am selben Ort anwesenden Körper. In der geteilten Erfahrung des absoluten Ausgesetztseins an die liminale Sinn- und Grundlosigkeit der ästhetischen In(ter)vention in ihrer radikalen Selbstreferentialität, erfährt sich der Einzelne immer schon als ebenso rezeptiver wie produktiver Teil einer temporären, theatralen Gemeinschaftsformation. Diese Gemeinschaftsformation aber zeichnet sich, wie an den unterschiedlichen Fallbeispielen ersichtlich, durch die unvereinbare Heterogenität ihrer einzelnen Mitglieder aus, die nichts miteinander verbindet als die Erfahrung ihrer radikalen Exposition. In Ermangelung eines finalen, allgemeingültigen Grundes wie der Umsetzung eines konkreten Ziels, der Durchführung eines Projekts oder der Zugehörigkeit zu einer bereits existenten oder noch zu konstituierenden Gruppe, zwingt die ästhetische In(ter)vention als Schwellenraum ihre Teilnehmer dazu, sich ausschließlich aneinander zu orientieren und sich die Situation im Zuge dessen gleichsam einander mitteilend zu erschließen. Als Konsequenz dessen offenbaren sich intersubjektive Beziehungen somit nicht als Resultat, sondern als Projekt einer wesentlich körperbasierten Tätigkeit, das als solches immer wieder neu begründet, ausgehandelt und gestaltet werden muss. Die theatrale Gemeinschaft realisiert sich folglich im immer provisorischen Erkunden, Erforschen und Praktizieren des eigenen Mitseins und also im ebenso unabschließbaren wie prozessualen Austausch darüber, was es 3 bedeutet, eine Gemeinschaft zu verkörpern. In einem Spiel, das weder eindeutige Regeln noch Lösungen kennt, und ob seiner konstitutiven Offenheit an keine teleologische Handlungsdirektive geknüpft ist, offenbart sich die theatrale Gemeinschaft der ästhetischen In(ter)vention als provisorische Vollzugswirklichkeit, die immer wieder kritisch hinterfragt werden muss und als solche permanenten Modifikationen und Verwandlungen unterworfen ist. So setzt die ästhetische In(ter)vention nicht nur die hegemoniale Ordnung ihres Erscheinungsraums auf Spiel, sondern realisiert sich im selbstreferentiellen Vollzug ihrer kollektiven Verkörperung zugleich als transitorischer Entwurf einer alternativen Öffentlichkeitsformation. Damit sind ästhetische In(ter)ventionen als Entwürfe einer kollektiven Utopie des öffentlichen Raums zu verstehen, die nicht nur imaginiert, sondern im Vollzug ihrer Aufführung von allen Anwesenden zugleich mitgestaltet und immer wieder neu erfunden wird. Diese Utopie realisiert sich im körperlichen Antizipieren, Verhandeln und Erproben alternativer Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums ebenso wie ungewohnter zwischenmenschlicher Begegnungen im Hier und Jetzt ihres ereignishaften Erscheinens und verfügt in ihrer Prozessualität über keine eindeutig zu bestimmende und/oder prädeterminierende Gestalt. In diesem Sinne lässt sich eine ästhetische In(ter)vention folglich auch nur retroaktiv als solche bestimmen. Statt der Einlösung eines prädeterminierten utopischen Gesellschaftsideals affirmiert die theatrale Gemeinschaft der ästhetischen In(ter)vention im selbstreferentiellen Vollzug ihrer interdependenten (Mit)Teilung vielmehr ihre eigene Grundlosigkeit und begibt sich gerade dadurch – so die Kernthese meiner Arbeit – auf das Terrain des Politischen. Dieser Erkenntnis liegt ein postfundamentalistischer Begriff des Politischen zugrunde, wie er sich als ontologisches Moment einer kollektiven Differenzerfahrung sowie eines damit unmittelbar einhergehenden Stiftungsakts erweist. Das politische Potential ästhetischer In(ter)ventionen besteht also nachgerade darin, die symbolische Ordnung des öffentlichen Raums auf das performative Moment ihrer kollektiven sozialen Genese zurückzuführen und somit in ihrer Kontingenz offenzulegen, ohne zugleich auf eine gezielte und/oder nachhaltige Umstrukturierung dieser Ordnung zu drängen. Weniger also als in der zielgerichteten Konstitution einer spezifischen Form von Öffentlichkeit im Sinne der Herbeiführung einer realen gesellschaftspolitischen Veränderung besteht die politische Wirkkraft ästhetischer In(ter)ventionen also vielmehr darin, die dem öffentlichen Raum inhärente Wahrnehmungsökonomie in ihrer singulären Exklusivität ebenso wie die ihr impliziten Dispositive auf das Moment ihrer kollektiven Instituierung und somit auf ihre potentielle Veränderbarkeit zurückzuführen. Wie ich anhand mehrerer Fallbeispiele zeigen konnte, realisiert sich diese politische Wirkkraft der ästhetischen In(ter)vention im Prozess ihrer medialen und narrativen Überlieferung auch über das Hier und Jetzt ihrer Aufführung hinaus immer wieder neu und wird als solche kontinuierlich fort- und umgeschrieben. Was sich dabei überliefert, ist das schöpferische Vermögen, in Realitätskonstitutionen zu intervenieren und diese in einem Akt der kollektiven Verkörperung gleichsam von innen heraus umzugestalten. Zusammenfassend ist es mir mit meiner Arbeit also gelungen, die ästhetische In(ter)vention als kollektive Aufführung einer ambivalenten Topologie im öffentlichen Raum zu charakterisieren. Diese topologische Ambivalenz, wie sie sich in einer postfundamentalen Wahrnehmungskrise manifestiert, korrespondiert mit einer ästhetischen Differenzerfahrung. Während die ästhetische In(ter)vention einerseits die vermeintliche Selbstverständlichkeit gegebener Formationen des Öffentlichen fundamental in Frage stellt, ruft sie andererseits wirklichkeits4 konstituierende Begegnungen in Form der reziproken Verkörperung räumlicher, körperlicher und intersubjektiver Grenzgänge hervor. In ihrer performativen Selbstreferentialität als Aufführung macht sie so die schöpferische Formation des Öffentlichen zur gemeinsamen Verantwortung und Aufgabe. Hierin aber besteht ihr wahrnehmungs- und damit zugleich ihr gesellschaftspolitisches Potential. Nun ist dieses der ästhetischen In(ter)vention in ihrer eigentümlichen Ambivalenz inhärente Potential, soziale Realitäten in Frage zu stellen und auf ihre Veränderung hin zu öffnen keineswegs allein der Kunst vorbehalten. Stattdessen intervenieren, wie ich in meiner Doktorarbeit anhand einiger einschlägiger Beispiele zeigen konnte, neben der Kunst auch die Politik und die Ökonomie in die symbolische Ordnung des öffentlichen Raums. Zu diesem Zweck bedienen sich politisch und ökonomisch motivierte Werbe- und Marketingkampagnen gleichermaßen interessanterweise des Vokabulars und der Strategien einer interventionistischen Ästhetik, wie sie sich ursprünglich im Bereich der Kunst etabliert hat. Die im Zuge der ästhetischen In(ter)vention kollektiv zur Aufführung gebrachte soziale Utopie dient dabei in der Regel als lukrativer Imageträger und/oder als politisches Agitations- respektive Kontrollinstrument. Ein Ziel meiner Arbeit ist es zu zeigen, dass und inwiefern interventionistisch operierende Artikulationen der Kunst, Politik und Ökonomie um die symbolische Autorität über Zeichenregime und mediale Codes, über Fiktionen, Affekte und Geschichten und damit um nicht weniger als um die Macht der Formation des Öffentlichen miteinander konkurrieren. Während allerdings politische und ökonomische In(ter)ventionen in ihrer zielgerichteten Zweckmäßigkeit auf die Wiederherstellung eines verbindlichen Referenzrahmens drängen, überantwortet die ästhetische In(ter)vention das unabschließbare Projekt einer kollektiven Öffentlichkeitsformation als performativ hervorzubringenden Vollzugswirklichkeit gänzlich den mitunter zufällig an ihr Teilhabenden und erschöpft sich somit als einzige im transitorischen Ereignis ihrer situativen Verkörperung. Das bedeutet aber auch, dass sich die von mir entwickelte Konzeptualisierung der ästhetischen In(ter)vention als Medium einer pluralen, sich kontinuierlich aktualisierenden und also nicht eindeutig bestimmbaren Praxis offenbart, die sich erst im Vollzug ihrer konkreten Realisation mit Bedeutung auflädt. Ihr Begriff impliziert somit einen raumzeitlich übertragbaren Handlungsmodus, wie er sich in einer Vielzahl möglicher – vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger – Erscheinungsformen zu implementieren vermag. Die ästhetische In(ter)vention offenbart sich demnach als ein wesentlich offenes, permanente Fort- und Umschreibungen unterlaufendes Konzept, das ein interventionistisches Verhältnis auch zu seiner eigenen begrifflichen Fixierung unterhält. Um ihren Fortbestand als interventionistische Kunstpraxis nicht zuletzt auch in Abgrenzung von den Vereinnahmungsversuchen durch Politik und Ökonomie zu sichern, ist die ästhetische In(ter)vention auf die beständige Wiedereinführung neuer Selbstwidersprüche angewiesen. So führt die ästhetische In(ter)vention immer wieder an den Ort des Politischen als schöpferischem Ungrund jeder politischen Aktualität zurück. Von diesem Ort aus stellt sich die Frage nach den Grenzverläufen einer gesellschaftlichen Ordnung und somit auch die Frage nach Formationen des Ein- und Ausschlusses immer wieder neu. Dabei steht nicht nur die kollektive Genese von Räumen, Körpern und Gemeinschaften, sondern auch derjenigen diskursiven Grenzverläufe und Konzepte auf dem Spiel, die diese Ordnungen wesentlich determinieren. Hierzu zählt nicht zuletzt auch die Grenzziehung zwischen Kunst und Politik selbst. Statt diese als unverrückbar gegeben anzuerkennen, macht die ästhetische In(ter)vention sie vielmehr zur Verhandlungs- und Gestaltungssache, die mit jeder konkreten Manifestation gleichsam neu zu sondieren und auszuhandeln ist. Als politisch erweist sich die ästhetische In(ter)vention folglich nicht deshalb, weil sie sich auf einen Bereich der 5 politischen Aktivität entgrenzte, sondern vielmehr deshalb, weil sie das Verhältnis von Kunst und Politik nachhaltig in Frage stellt und zur kollektiven Verhandlungssache macht. 6