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Störung Des Mineral- Und Knochenstoff

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Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie 3 CME-Punkte Prof. Dr. med. Helmut Geiger, Universitätsklinikum Frankfurt VNR: 2760512015149360014 Gültigkeitsdauer: 01.10.2015–30.09.2016 Zertifiziert von der Ärztekammer Nordrhein Chronische Niereninsuffizienz Die Definition der chronischen Niereninsuffizienz (chronic kidney disease, CKD) nach den Guidelines der KDIGO (Kidney Disease Improving Global Outcomes) von 2012 [1] lautet: Eine chronische Niereninsuffizienz liegt vor, wenn Abweichungen der normalen Struktur oder Funktion der Nieren länger als drei Monate bestehen und von gesundheitlicher Relevanz sind. Die Definition der CKD ist gegenüber der bisherigen KDOQI-Guideline von 2002 weitgehend unverändert. Neu ist lediglich der Zusatz „…von gesundheitlicher Relevanz“. Dies bringt zum Ausdruck, dass es beispielsweise morphologische Auffälligkeiten, wie einzelne Nierenzysten, geben kann, die ohne Krankheitswert sind. In den Guidelines werden zwei Kriterien einer chronischen Nierenerkrankung genannt, von denen eine länger als drei Monate bestehen muss [1]: CKD-Kriterien Zeichen einer Nierenschädigung (ein oder mehrere) • Albuminurie (AER ≥ 30 mg / 24 h; ACR ≥ 30 mg/g) • Veränderungen des Urinsediments • Elektrolyt- und andere Veränderungen aufgrund tubulärer Störungen • Histologisch nachgewiesene Veränderungen • Durch bildgebende Verfahren nachgewiesene strukturelle Veränderungen • Nierentransplantation in der Anamnese Verminderte GFR • GFR < 60 ml/min/1,73 m2 (GFR-Kategorien G3a-G5) Tab. 1: CKD-Kriterien; AER = Albumin-Ausscheidungsrate (albumin exretion rate); ACR = Albumin/Kreatinin-Verhältnis (albumin-to-creatinine ratio), verändert nach [1] 1 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie CGA-Klassifikation Die chronische Nierenerkrankung wird durch die Grunderkrankung (cause), glomeruläre Filtrationsrate und Albuminausscheidung klassifiziert (sog. CGA-Klassifikation). Diese Klassifikation unterscheidet sich zu früheren CKD-Guidelines, die eine Einteilung nur anhand der GFR vornahmen, durch die Hinzunahme der Ursache der Erkrankung und der Höhe der Albuminausscheidung. Die Ursache der Erkrankung hat eine enorme Bedeutung bei der Vorhersage des CKD-Verlaufs und der Auswahl der ursachenspezifischen Behandlung. Das Ausmaß der Albuminurie wurde in die Klassifikation mit einbezogen, um den Schweregrad der Erkrankung noch besser zu beschreiben, da sie unter anderem eng mit der Progression der Nierenerkrankung assoziiert ist. Glomeruläre Filtrationsrate Die glomeruläre Filtrationsrate bleibt das wichtigste Maß für die Ausscheidungsfunktion der Nieren. In den KDIGO-Guidelines wird sie in folgende sechs Kategorien eingeteilt: GFR-Kategorie GFR (ml/min/1,73 m2) Beschreibung G1 ≥ 90 • Normal oder hoch G2 60–89 • Leicht eingeschränkt* G3a 45–59 • Leicht bis moderat eingeschränkt G3b 30–44 • Moderat bis hochgradig eingeschränkt G4 15–29 • Hochgradig eingeschränkt G5 < 15 • Nierenversagen Tab. 2: GFR-Kategorien bei der CKD, verändert nach [1] * bezogen auf junge Erwachsene Wenn keine Nierenschädigung nachgewiesen werden kann, erfüllen die Stadien G1 und G2 nicht die Kriterien einer CKD. Albuminurie Auch die Albuminausscheidung wird in unterschiedliche Kategorien eingeteilt: 2 Kategorie AER (mg/24 h) ACR (ungefähres Äquivalent) (mg/mmol) (mg/g) Beschreibung A1 < 30 <3 < 30 • Normal bis leicht erhöht A2 30–300 3–30 30–300 • Moderat erhöht* A3 > 300 > 30 > 300 • Stark erhöht** AER = Albumin-Ausscheidungsrate (albumin exretion rate); ACR = Albumin/Kreatinin-Verhältnis (albumin-to-creatinine ratio) *bezogen auf junge Erwachsene **einschließlich nephrotisches Syndrom (Albuminausscheidung normalerweise > 2200 mg / 24 h [ACR > 2220 mg/g; > 220 mg/mmol]) Tab. 3: Albuminurie-Kategorien bei der CKD, verändert nach [1] Der Nachweis und die Evaluierung geringerer Proteinmengen werden zunehmend bedeutender, da mehrere Studien deren diagnostische, pathogenetische und prognostische Bedeutung nachgewiesen haben. Es ist zu beachten, dass der Begriff Mikroalbuminurie in dieser Klassifikation nicht verwendet wird. Prävalenz der chronischen Nierenerkrankung Man geht davon aus, dass die Prävalenz der chronischen Nierenerkrankung/Insuffizienz bei der Allgemeinbevölkerung etwa 10-12 % beträgt, wenn man die glomeruläre Filtrationsrate zugrunde legt. Es wird aber angenommen, dass eine beträchtliche Dunkelziffer in der Bevölkerung vorliegt, da die chronische Nierenerkrankung zu Beginn weitgehend asymptomatisch verläuft [2]. Prognose der CKD Hinsichtlich der Prognose der CKD sollten folgende Parameter Berücksichtigung finden: • Ursache der CKD • GFR-Kategorie • Albuminurie-Kategorie • Andere Risikofaktoren und Komorbiditäten Wie groß der Einfluss dieser Faktoren ist, hängt von den jeweiligen Komplikationen ab. In den KDIGO-Leitlinien wird betont, dass bei allen (Folge-) Erkrankungen die Ursache der CKD, die GFR- und die Albumin-Kategorie nach wie vor einen wichtigen Einfluss als „Risikomultiplikatoren“ haben. Ihr Gesamteinfluss auf die Krankheitsvorhersage ist jedoch geringer als jener der krankheitsspezifischen Risikofaktoren [1]. In Abb. 1 ist die Prognose der CKD, abhängig von der GFR- sowie der Albuminuriekategorie, zusammengefasst, wobei ein niedriges Risiko grün dargestellt wird, ein leicht erhöhtes Risiko gelb, ein hohes orange und ein sehr hohes rot. Es ist unschwer zu erkennen, dass das Risiko in beide Richtungen (Verschlechterung der GFR-Kategorie sowie Steigerung der Albuminurie) ansteigt. 3 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie Persistierende Albuminurie-Kategorien Beschreibung und Bereich GFR-Kategorien (ml/min/1,73 m2) Beschreibung und Bereich Prognose der CKD G1 Normal oder hoch ≥ 90 G2 Leicht eingeschränkt 60–89 G3a Leicht bis moderat eingeschränkt 45–59 G3b Moderat bis hochgradig eingeschränkt 30–44 G4 Hochgradig eingeschränkt 15–29 G5 Nierenversagen < 15 A1 A2 A3 Normal bis leicht erhöht Moderat erhöht Starkt erhöht < 30 mg/g < 3 mg/mmol 30–300 mg/g 3–30 mg/mmol > 300 mg/g > 30 mg/mmol Altersstandardisierte Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse (pro 100 Personenjahre) Abb. 1: Prognose der CKD, abhängig von GFR- und Albuminuriekategorie, verändert nach [1] Kardiovaskuläre Ereignisse 40 35 36,60 30 25 20 21,80 15 10 11,29 5 0 2,11 ≥ 60 3,65 45–59 30–44 15–29 < 15 Geschätzte GFR (ml/min/1,73 m2) Anzahl der Ereignisse 73.108 34.690 18.580 8.809 Abb. 2: Altersstandardisierte Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse (pro 100 Personenjahre), verändert nach [24] 4 3.824 Eine große Untersuchung von Go et al., die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, zeigte, dass Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ein erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität aufweisen [24]. Hierbei wurde festgestellt, dass die Mortalitätsrate sowie die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse und Hospitalisationen (alle altersstandardisiert) deutlich zunahmen, je niedriger die geschätzte GFR der untersuchten Patienten war (s. Abb. 2). Glomeruläre Filtrationsrate und deren Abschätzung Die GFR stellt die wichtigste Größe zur Abschätzung der Nierenfunktion dar. Ziel ihrer Bestimmung ist es, die chronische Nierenerkrankung frühzeitig zu erkennen, um eine Progression zu verlangsamen. Sie kann unter Anwendung exogener und endogener Filtrationsmarker bestimmt werden. Da die Messung mit exogenen Markern (z.B. Inulin) zeitaufwändig und kostenintensiv ist, kommt im klinischen Alltag die Schätzung der GFR (eGFR) mit endogenen Filtrationsmarkern wie Kreatinin oder Cystatin C zum Einsatz. Die älteste und heute nur noch selten verwendete Formel dafür ist die 1973 entwickelte Cockcroft-Gault-Formel [6], die Alter, Körpergewicht, Geschlecht und Serumkreatinin berücksichtigt. Genau genommen schätzt diese Formel die Kreatinin-Clearance, nicht aber die GFR, und das Ergebnis ist nicht auf die Körperoberfläche bezogen. Da die Cockcroft-Gault-Formel die tubuläre Kreatininsekretion nicht berücksichtigt, werden, bezogen auf die GFR, systematisch zu hohe Clearancewerte geschätzt [5]. Die MDRD-Formel (Modification of Diet in Renal Disease) [7] berücksichtigt ebenfalls Alter, Geschlecht und Serumkreatinin. Statt des Gewichts findet die Ethnie Berücksichtigung bei der Berechnung. eGFR = 175 × (SKr)-1,154 × (Alter)-0,203 Korrekturfaktoren: für Frauen x 0,742; für Schwarze x 1,18 eGFR = estimated (geschätzte) GFR (ml/min/1,73 m2); SKr = Serumkreatinin, standardisiert [mg/dl]; Alter in Jahren Bislang hat sich die MDRD-Formel im klinischen Alltag durchgesetzt, erwies sich jedoch vor allem im Grenzbereich von gesunder und eingeschränkter Funktion (Bereich einer GFR von 60 ml/min und darüber) als problematisch (falsch positive Befunde). Zusatz zur CKD-EPI-Formel Weiße / andere a Schwarze b Männer c Frauen Männer 141 Frauen 144 Männer 163 Frauen 166 Männer 0,9 Frauen 0,7 Serum-Kreatinin ≤ 0,7 mg/dl -0,411 Serum-Kreatinin > 0,7 mg/dl -1,209 Serum-Kreatinin ≤ 0,7 mg/dl -0,329 Serum-Kreatinin > 0,7 mg/dl -1,209 Hier zeigte sich die 2009 publizierte CKDEPI-Formel (Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration) zuverlässiger [3]. In dieser Formel werden mit Alter, Geschlecht, Hautfarbe und Serumkreatinin zwar die gleichen Parameter wie bei der MDRD-Formel verwendet; es werden jedoch unterschiedliche Kreatininbereiche betrachtet und beim Serumkreatinin zwischen Frauen und Männern unterschieden. eGFR = a x (SKr/b)c x (0,993)Alter eGFR = estimated (geschätzte) GFR (ml/min/1,73 m2); SKr = Serumkreatinin [mg/dl] 5 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie Am Beispiel von kaukasischen Frauen mit einem Serumkreatinin ≤ 0,7 mg/dl lautet die CKD-EPIFormel also: eGFR = 144 x (SKr/0,7)-0,329 x (0,993)Alter Tendenziell kann festgehalten werden, dass die MDRD-Formel in den Bereichen einer GFR < 60 ml/min/1,73 m2 gut geeignet ist, für höhere Bereiche (≥ 60 ml/min/1,73 m2) jedoch nicht verwendet werden sollte; hier ist die CKD-EPI-Formel besser geeignet. Im Jahr 2012 wurde die CKD-EPI-Formel nochmals überarbeitet und neben dem Serumkreatinin Cystatin C im Serum zusätzlich berücksichtigt, was zu einer weiteren Schärfung der prognostischen Aussagekraft führte [4]. Aufgrund der höheren Kosten bleibt dieses Verfahren jedoch eher besonderen Fragestellungen vorbehalten. Neue und traditionelle Risikofaktoren Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung haben Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung ein erhöhtes Mortalitätsrisiko, hauptsächlich als Folge einer kardiovaskulären Erkrankung [8]. Viele Risikofaktoren und metabolische Störungen, die bei Urämie vorliegen, können zu diesem erhöhten Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen bei dieser Population beitragen. Während traditionelle Risikofaktoren wie Alter, Lebensstil, linksventrikuläre Hypertrophie, Diabetes mellitus etc. die kardiovaskuläre Mortalität bei Patienten mit leichter bis mittlerer CKD begünstigen, kommen neue CVD-Risikofaktoren (novel risk factors) wie beispielsweise Entzündung, endotheliale Dysfunktion, Sympathikus-Überaktivität, Protein-Energie-Mangelernährung (protein-energy was Traditionelle Neue und/oder urämie- ting, PEW), oxidativer Stress, Risikofaktoren bezogene Risikofaktoren Gefäßverkalkungen und Vo• Alter • Entzündung lumenüberlastung bei diesen • Männliches Geschlecht • Oxidativer Stress Patienten häufig vor und schei• Linksventrikuläre Hypertrophie • Endotheliale Dysfunktion nen eine viel wichtigere Rolle • Rauchen • Übermäßiger Protein-Energie-Verbrauch bei der Gefäßerkrankung als • Diabetes mellitus • Sympathikusaktivierung bei der Allgemeinbevölkerung • Dyslipidämie • Störungen der Gerinnung/Fibrinolyse zu spielen [8], s. Tab. 4. • Insulinresistenz • Genetische/epigenetische Faktoren • Gefäßverkalkung • Klassische urämische Toxine • Neue urämische Toxine • Volumen • Subklinische Hypothyreose • Adipokine • Anämie Tab. 4: Traditionelle sowie neue und/oder urämiebezogene biochemische Risikofaktoren, die erwiesenermaßen oder vermutlich kardiovaskuläre Erkrankungen oder das Outcome bei CKD-Patienten beeinflussen, verändert nach [8] 6 Bei der Diskussion des komplizierten Zusammenspiels zwischen traditionellen und neuen Risikofaktoren bei CKD sollte beachtet werden, dass Risikofaktoren selten unabhängig voneinander agieren. CKD-MBD (Chronic Kidney Disease – Mineral and Bone Disorder) Im Verlauf der chronischen Nierenerkrankung kommt es schon früh zu Veränderungen des Knochen-Mineralstoffwechsels sowie der Kalzium- und Phosphathomöostase, die mit abnehmender Nierenfunktion weiter fortschreiten. Diese Veränderungen werden unter dem Überbegriff „Chronic Kidney Disease – Mineral and Bone Disorder, CKD-MBD“, also der „Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung“ zusammengefasst [1]. Gemäß den KDIGO-Leitlinien zu den Störungen des Mineral- und Knochenhaushalts bei chronischer Nierenerkrankung von 2009 [9] wird die CKD-MBD wie folgt definiert: Systemische Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung, die sich manifestiert durch eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften: • Veränderungen des Kalzium-, Phosphat-, Parathormon- oder Vitamin-DStoffwechsels • Veränderungen im Umsatz, Volumen, linearen Wachstum, der Mineralisierung oder Stärke des Knochens • Weichteil- oder Gefäßverkalkungen Diese Definition verdeutlicht die Abkehr von der früher gängigen Ansicht, den sekundären Hyperparathyreoidismus und mit ihm verbundene Symptome und Laborveränderungen beinahe ausschließlich als Erkrankung des Knochens („renale Osteodystrophie“) zu betrachten. Entsprechend dieser Leitlinien sollte der Begriff „renale Osteodystrophie“ auf die Beschreibung der mit CKD assoziierten Knochenpathologie beschränkt werden. Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf die Laborbefunde bzw. -veränderungen gelegt, die im Rahmen der Diagnose und Therapie der CKD-MBD primäre Indikatoren darstellen. In den KDIGO-Leitlinien [9] werden für CKD-Patienten in den Stadien 3-5D jedoch auch Situationen aufgeführt, in denen die Durchführung einer Knochenbiopsie sinnvoll erscheint; unter anderen gehören hierzu ungeklärte Frakturen, anhaltende Knochenschmerzen oder bei CKD-MBD-Patienten die Erhebung eines Ausgangsbefundes vor einer Therapie mit Bisphosphonaten. Zudem sehen die Leitlinien bei CKD-Patienten in den Stadien 3-5D zum Nachweis oder Ausschluss von Gefäß- bzw. Herzklappenverkalkungen eine konventionelle laterale Abdomenröntgenaufnahme bzw. Echokardiographie als sinnvolle Alternativen zur CT-basierten Bildgebung an. 7 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie Pathogenese des Mineral- und Knochenstoffwechsels Mit der Abnahme der Nierenfunktion kommt es zu einer Verschlechterung der Mineralhomöostase mit veränderten Phosphat- und Kalziumkonzentrationen im Serum und Gewebe sowie zu Konzentrationsveränderungen zirkulierender Hormone (z. B. PTH). sHPT PTH FGF-23 Phosphat Kalzium Kalziumresorption Calcitriolproduktion Nierenfunktion Abb. 3: Pathophysiologie der CKD-MBD, verändert nach [16] Ab dem Stadium 3 der chronischen Nierenerkrankung nimmt die Fähigkeit der Niere ab, in adäquatem Maße Phosphat auszuscheiden. Dies führt zu einer Hyperphosphatämie, woraufhin von der Nebenschilddrüse vermehrt Parathormon abgegeben wird (s. Abb. 3). Die Osteoblasten des Knochens produzieren vermehrt FGF-23 (fibroblast growth factor 23). Der CalcitriolSpiegel im Blut sinkt infolge der verminderten Aktivierung von 25(OH)Vitamin-D zu Calcitriol. Im Darm nimmt die Kalziumresorption ab und mit ihr der Kalziumspiegel im Blut (Hypokalzämie). Dies führt wiederum zu einer vermehrten Freisetzung des Parathormons. Die beeinträchtigte Niere ist jedoch nicht mehr in der Lage, angemessen auf die erhöhten PTH- und FGF-23-Spiegel zu reagieren. In der Folge führen die erhöhten PTH-Spiegel zur Freisetzung von Kalzium und Phosphat aus den Knochen, deren Frakturrisiko damit erheblich steigt. Mit weiter abnehmender Nierenfunktion steigt die Phosphatkonzentration im Blut an, woraufhin Kalziumphosphat in den Weichteilen abgelagert wird. Es kommt zur VerCa Pi kalkung von Gefäßen und Weichteilgewebe, die in diversen kardioPTH Vitamin D vaskulären Komplikationen FGF-23 resultieren können (s.o. Definition). Klotho? Klotho (–) Gefäßverkalkung Linksventrikuläre Hypertrophie Herz-Kreislauf-Erkrankung Abb. 4: Rolle von FGF-23 bei der Pathogenese von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei der CKD-MBD, verändert nach [25]; Pi = anorganisches Phosphat 8 Die oben beschriebene gestörte Regulation des Kalzium-Phosphathaushalts mit einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen als Folge einer chronischen Nierenerkrankung wird mit dem Begriff des renalen sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) beschrieben. Jimbo und Shimosawa setzen in ihrem Review [25] die Rolle von FGF-23 gar in das Zentrum der Pathogenese der kardiovaskulären Erkrankung (CVD) im Rahmen der CKD-MBD, s. Abb. 4. Sie erläutern, dass immer mehr klinische Daten auf einen Zusammenhang zwischen FGF-23 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hindeuten und neuere Forschungsergebnisse eine direkte pathophysiologische Verbindung zwischen FGF-23 und CVD bei der chronischen Niereninsuffizienz nahelegten. Vitamin-D-Stoffwechsel Vitamine sind laut Definition Substanzen, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Beim Vitamin D handelt es sich jedoch eher um ein Steroidhormon als um ein klassisches Vitamin. 7-Dehydrocholesterol Haut 25-Hydroxycholecalciferol (25-Hydroxy-Vitamin-D) Sonne Niere 1,25-Dihydroxycholecalciferol (1,25-Dihydroxy-Vitamin-D) Cholecalciferol (Vitamin D3) Leber aktives Vitamin D Hauptquelle ist die endogene Photobiosynthese. In der Haut wird durch UV-Absorption aus 7Dehydrocholesterol Vitamin D3 (Cholecalciferol) gebildet (s. Abb. 5). Das ins Blut gelangte Vitamin D3 wird zur Leber transportiert, wo es zu 25-Hydroxycholecalciferol (25(OH)-Vitamin-D3) hydroxyliert wird. 25-Hydroxycholecalciferol gelangt zu seinen Zielgeweben wie z. B. die Niere, wo es zu 1,25Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol) aktiviert wird („aktives Vitamin D“). Letzteres fungiert als hauptsächlich aktivierender Ligand für den Vitamin-D-Rezeptor. Die Calcitriol-Bildung in der Niere ist fein reguliert. Unabhängig voneinander können beispielsweise ein erhöhter Parathormon-, ein verringerter Kalzium- sowie ein niedriger Phosphatspiegel im Blut dessen enzymatische Bildung fördern (s. auch Kapitel „Pathogenese des Mineral- und Knochenstoffwechsels“). Abb. 5: Vitamin-D-Stoffwechsel Wirkungen von Vitamin D im Körper Wie bereits beschrieben, wirkt Calcitriol in den Zellen der Zielorgane als Steroidhormon. Es wird an den Vitamin-D-Rezeptor (VDR) gebunden und in den Zellkern transportiert. Dies führt in der Folge zu Änderungen in der Proteinsynthese mit entsprechenden biologischen Wirkungen. Calcitriol wirkt auf zahlreiche Organe, sowohl in den klassischen Erfolgsorganen, wie Darm, Skelett, Nebenschilddrüsen, Nieren als auch in nicht klassischen Zielorganen, wie beispielsweise Immunsystem, Pankreas, Herz etc. [10]: 9 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie Erfolgsorgane von Vitamin D Klassisch • Nebenschilddrüse • Niere • Darm • Knochen Nicht klassisch • Herz-Kreislaufsystem • Pankreas • Immunsystem Wirkung Inhibition PTH-Synthese und PTH-Sekretion, Kontrolle der Hyperplasie Kalzium- und Phosphatreabsorption Kalzium- und Phosphatresorption Kalzium- und Phosphatresorption Antiproliferation und Differenzierung, Inhibition von Renin/Angiotensin II Insulin-Synthese und -Sekretion Immunmodulatorische Effekte in den T-Zellen, B-Zellen, Makrophagen, Monozyten und Lymphozyten Tab. 5: Wirkung von Vitamin D in klassischen und nicht klassischen Erfolgsorganen (Auswahl), adaptiert nach [10] In einer Übersichtsarbeit von Michael F. Holick wird beschrieben, dass 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D (Calcitriol) mehr als 200 Gene direkt oder indirekt kontrolliert [28]. Darunter sind Gene, die für die Regulation der Zellproliferation, -Differenzierung, -Apoptose und -Angiogenese verantwortlich sind. Es vermindert die Zellproliferation sowohl von normalen als auch von Krebszellen und induziert ihre terminale Differenzierung. Zudem wird erwähnt, dass Calcitriol in der Lage ist, die Reninsynthese zu hemmen sowie die Insulinproduktion und die Myokardkontraktilität zu steigern. Bestimmung von Vitamin D Im Rahmen einer chronischen Nierenerkrankung sind biochemische Veränderungen häufig und stellen primäre Indikatoren dar, durch die Diagnose und Therapie der CKD-MBD erfolgen. Die Autoren der KDIGO-Leitlinien schlagen vor, bei Patienten in den Stadien 3-5D einer chronischen Nierenerkrankung die Messung von 25(OH)-Vitamin-D-(Calcidiol-)Spiegeln in Betracht zu ziehen und wiederholte Bestimmungen von den Ausgangswerten und therapeutischen Interventionen abhängig zu machen (2C, s.u.). Des Weiteren wird vorgeschlagen, dass ein Vitamin-D-Mangel bzw. eine Vitamin-D-Insuffizienz entsprechend den Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung korrigiert wird (2C) [9, 11]. Die Buchstaben und Ziffern hinter den einzelnen Empfehlungen stellen die Graduierung der Evidenz (A = stark, B = mittel, C = gering, D = sehr gering) und die Stärke der Empfehlung (1 = stark, 2 = schwach) dar. Vitamin-D-Status und Mortalität Bei der Mehrheit der Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung liegt ein Vitamin-DMangel vor. Wie oben beschrieben, wird bei Patienten in den Stadien 3-5D empfohlen, den 10 25-Hydroxy-Vitamin-D-Spiegel zu bestimmen. In einer prospektiven Kohortenstudie gingen Pilz et al. der Frage nach, ob niedrige Vitamin-D-Spiegel mit einer höheren Mortalität assoziiert sind [12]. Hierfür untersuchten sie 444 Patienten mit einer eGFR < 60 ml/min/1,73 m2. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass niedrige 25(OH)-Vitamin-D-Spiegel bei CKD-Patienten sowohl mit einer erhöhten Gesamtmortalität als auch einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität assoziiert sind (s. Abb. 6). Gesamt- und CV-Mortalität 1,0 1,0 Vitamin-D-Status Vitamin-D-Status Ausreichend 0,6 Insuffizient 0,4 Moderater Mangel 0,2 Starker Mangel 0,0 Kumulatives Überleben Kumulatives Überleben Ausreichend 0,8 0,8 Insuffizient 0,6 Moderater Mangel 0,4 Starker Mangel 0,2 0,0 0 2 4 6 8 10 12 Follow-up (Jahre) 0 2 4 6 8 10 12 Follow-up (Jahre) Abb. 6: Kaplan-Meier-Kurven für die Gesamtmortalität (links) und für CV-Mortalität (rechts) in Abhängigkeit vom Vitamin-D-Status, verändert nach [12] Diese Ergebnisse unterstützen den therapeutischen Ansatz, einen Vitamin-D-Mangel auszugleichen (s. u.). Ob eine Vitamin-D-Supplementierung jedoch das Überleben verbessert, müsse den Autoren zufolge noch in randomisierten, kontrollierten Studien nachgewiesen werden. EXKURS: Modernes sHPT-Management Der unkontrollierte, sekundäre, renale Hyperparathyreoidismus wird als Ursache kardiovaskulärer und ossärer Komplikationen angesehen und ist mit einer erhöhten Mortalität verbunden. Obwohl 2012 drei große randomisierte, kontrollierte Studien veröffentlicht wurden (ADVANCE, PRIMO, EVOLVE), die moderne sHPT-Therapeutika primär hinsichtlich kardiovaskulärer Endpunkte bzw. des Überlebens untersuchten, konnte letzten Endes nicht geklärt werden, welche die optimale sHPT-Behandlungsstrategie darstellt. Aus diesem Grunde sind die Autoren einer in „Nieren- und Hochdruckkrankheiten“ veröffentlichten Übersichtsarbeit der Ansicht, dass die nephrologische Ärzteschaft die Herausforderung annehmen sollte, in der sHPT-Therapie auf praktischer Erfahrung beruhende Therapieansätze anzuwenden, statt das Fehlen von Evidence Based Medicine zu beklagen. Vor diesem Hintergrund erstellte ein Expertengremium eine praktische Vorgehensweise bei der sHPT-Therapie (im Folgenden „sHPT-Behandlungskonzept“ genannt), die als Orientierungshilfe dienen kann und auf die sich auch die vorliegende Arbeit wiederholt bezieht [13]. 11 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie Vitamin-D-Therapie Haufe und Mitarbeiter erläutern in ihrem Review [13], dass der Mangel an aktivem Vitamin D einer der wesentlichen Katalysatoren der sHPT-Pathogenese darstellt. Man vermute, dass dieser Mangel weniger durch Verlust an Nephronmasse als vielmehr durch steigende Serumkonzentrationen von Fibroblastenwachstumsfaktor 23 (FGF-23) entsteht (s. auch Abb. 3 und 4). CKD 3–5 (nonD) CKD 5 (D) Parathyreoidektomie Paricalcitol (akt. Vit. D ersetzend) Aktives Vitamin D Phosphatbinder Ernährung, natives Vitamin D Paricalcitol (akt. Vit. D ersetzend) +/- Cinacalcet Aktives Vitamin D Phosphatbinder Dialyse, Ernährung, natives Vitamin D Abb. 7: Ernährung und natives Vitamin D im sHPT-Behandlungskonzept (mod. nach [13]) Ihr sHPT-Behandlungskonzept empfiehlt für alle CKD-Patienten spätestens ab Stadium 3 eine Basisversorgung mit nativem Vitamin D, sofern ein Vitamin-DMangel vorliegt. Letzterer kann durch eine einmalige Bestimmung des 25-Hydroxy-Vitamin-D- (Calcidiol-) Spiegels oder Hinweise in der Anamnese nachgewiesen werden. Die Arbeitsgruppe empfiehlt einen Zielbereich von > 30 ng/ml. In allen weiteren Stadien der CKD wird die Therapie mit nativem Vitamin D beibehalten (s. Abb. 7). Hyperphosphatämie/Hyperkalzämie und Mortalität Zuordenbares Mortalitätsrisiko (%) Die Datenlage hinsichtlich einer Assoziation zwischen Hyperkalzämie und Mortalität ist nicht eindeutig. Moe und Chertow, die in ihrer Arbeit [15] eine große Kohortenstudie (39.530 Dialysepatienten) von Block et al. [14] Mortalitätsrisiko beschrieben, kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass eine Hyper20 kalzämie mit einer erhöhten 18 Mortalität assoziiert ist. Zudem 16 zeigten sie, dass Hyperphos14 phatämie ein sehr hohes zuor12 denbares Mortalitätsrisiko birgt, 10 das sogar größer ist als jenes einer 8 Anämie. Die Kombination von 6 Hyperphosphatämie, Hyper4 kalzämie und erhöhtem PTH 2 machte zusammen etwa 17,5 % 0 des Mortalitätsrisikos von Patienten Anämie Hohes PO Hohes Ca Hohes PTH PO + Ca + mit terminaler Niereninsuffizienz PTH erhöht Abb. 8: Zuordenbares Mortalitätsrisiko einer großen Kohorte von Hämodialysepatienten (ESRD) aus, s. Abb. 8. 4 4 für Hyperphosphatämie, -kalzämie, erhöhtem PTH allein und in Kombination als auch für Anämie, mod. nach [15] 12 Bestimmung von Kalzium und Phosphat Die KDIGO-Leitlinien empfehlen eine regelmäßige Kontrolle der Serumspiegel von Kalzium und Phosphat sowie Parathormon und alkalischer Phosphatase ab dem Stadium 3 der chronischen Nierenerkrankung (1C) [9, 11]. Zudem erscheint es den Autoren der Leitlinie bei Patienten in den Stadien 3-5D angebracht, sich bei der Häufigkeit der Überwachungsintervalle für Serum-Kalzium und -Phosphat, wie auch für PTH am Vorhandensein und Schweregrad der Laborabnormalitäten sowie am Verlauf der Progression der chronischen Niereninsuffizienz zu orientieren (zur Häufigkeit der Überwachungsintervalle s. auch Tab. 6). Zur klinischen Behandlungssteuerung sollte bei Patienten im Stadium 3-5D nicht das mathematische Konstrukt eines Kalzium-Phosphat-Produktes (Ca x P) verwendet, als vielmehr die Einzelwerte von Kalzium und Phosphat im Serum beide gemeinsam interpretiert werden (2D). Phosphat und Kalzium im Rahmen der Behandlung der Störungen des Mineral- und Knochenhaushalts bei CKD Die Hyperphosphatämie ist eine wichtige und unvermeidbare klinische Konsequenz fortgeschrittener CKD-Stadien. Die Rationale einer Serum-Phosphat-Kontrolle basiert auf epidemiologischen Daten, die nahelegen, dass die Hyperphosphatämie ein wichtiger Risikofaktor, nicht nur für den sekundären Hyperparathyreoidismus, sondern auch für kardiovaskuläre Erkrankungen darstellt [9]. So empfehlen die KDIGO-Leitlinien das Serum-Phosphat bei Patienten in den Stadien 3-5 im Normbereich zu halten (2C), im Stadium 5D sollten erhöhte Phosphatwerte in Richtung Normalbereich abgesenkt werden (2C). Auch das Serum-Kalzium sollte gemäß den Leitlinien in den Stadien 3-5D im Normalbereich gehalten werden (2D). Hinsichtlich der Behandlung einer Hyperphosphatämie wird für Patienten in den Stadien 3-5D eine diätetische Phosphatrestriktion als alleinige Maßnahme oder kombiniert mit anderen therapeutischen Ansätzen vorgeschlagen (2D). Zur Therapie einer Hyperphosphatämie können auch Phosphatbinder zum Einsatz kommen, deren Auswahl von folgenden Faktoren abhängig ist: • Stadium der Niereninsuffizienz • Begleittherapien • Vorliegen anderer CKD-MBD-Komponenten • Nebenwirkungsprofil Zudem sollte bei einer vorliegenden Hyperphosphatämie mit persistierenden oder rezidiviereden Hyperkalzämien die Dosis kalziumhaltiger Phosphatbinder und/oder von Calcitriol oder aktiver Vitamin-D-Analoga eingeschränkt werden (1B) [9]. 13 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie CKD 3–5 (nonD) CKD 5 (D) Parathyreoidektomie Paricalcitol (akt. Vit. D ersetzend) Aktives Vitamin D Paricalcitol (akt. Vit. D ersetzend) +/- Cinacalcet Aktives Vitamin D Phosphatbinder Ernährung, natives Vitamin D Phosphatbinder Dialyse, Ernährung, natives Vitamin D Abb. 9: Phosphatbinder im sHPT-Behandlungskonzept (mod. nach [13]) Allgemein sollte in den Stadien 3-5D von einer Langzeitbehandlung mit aluminiumhaltigen Phosphatbindern abgesehen werden (1C). Das sHPT-Behandlungskonzept sieht ebenfalls begleitende diätetische Maßnahmen vor, die eine übermäßige Phosphatzufuhr, aber auch eine Mangelernährung vermeiden sollten [13]. Es wird erwähnt, dass meist Phosphatbinder erforderlich sind (s. Abb. 9). Parathormon Die Hauptaufgabe des Parathormons besteht darin, den Kalzium-Spiegel im Blut in sehr engen Grenzen konstant zu halten. Diese Wirkung wird über vier Mechanismen erzielt [16]: • Freisetzung von Kalzium und Phosphat aus den Knochen • Verminderte Phosphatrückresorption in der Niere und dadurch erhöhte Phosphatausscheidung mit dem Urin • Erhöhte Kalziumrückresorption in der Niere • Vermehrte Produktion von Calcitriol in der Niere, dadurch indirekte Erhöhung der Kalzium- und Phosphatabsorption im Darm Weiter oben wurde im Rahmen der Pathophysiologie der CKD-MBD beschrieben, dass aufgrund der entstehenden Hyperphosphat- und Hypokalzämie vermehrt Parathormon abgegeben wird (s. Abb. 3), die beeinträchtigte Niere jedoch nicht mehr in der Lage ist, adäquat auf diese erhöhten PTH-Spiegel zu reagieren. Parathormon-Bestimmung Die KDIGO-Leitlinie empfiehlt eine regelmäßige Kontrolle der Serum-PTH-Spiegel ab dem Stadium 3 der chronischen Nierenerkrankung (1C), deren Häufigkeit, wie auch für SerumPhosphat und -Kalzium, am Vorhandensein und am Schweregrad der Laborabnormalitäten sowie am Verlauf der Progression der chronischen Niereninsuffizienz ausgerichtet werden sollten. Zur Orientierung werden von den Autoren folgende Überwachungsintervalle angegeben: 14 Fortgeschrittenes CKD-Stadium 3 CKD-Stadium 4 Kalzium und Phosphat 6–12 Monate 3–6 Monate 1–3 Monate PTH und alkalische Phosphatase Ausgangswert 6–12 Monate 3–6 Monate Calcidiol Ausgangswert Ausgangswert Ausgangswert CKD-Stadien 5 und 5D Tab. 6: Überwachungsintervalle unterschiedlicher Laborparameter, abhängig vom CKD-Stadium, verändert nach [9] Den Autoren zufolge erscheint es sinnvoll, die Bestimmungen häufiger durchzuführen, wenn bereits spezifische Behandlungen aufgrund von Störungen des Mineral- und Knochenhaushalts begonnen oder wenn entsprechende Störungen identifiziert wurden. So kann die Therapieeffizienz überwacht bzw. Nebenwirkungen erfasst werden. Erfassung von Trends In der KDIGO-Leitlinie wird das Konzept verfolgt, dass Therapieentscheidungen auf Trends anstatt auf einzelnen Laborwerten beruhen und alle vorliegenden Befunde zu Störungen des Mineral- und Knochenhaushalts berücksichtigt werden sollten. Die Leitlinie lässt jedoch offen, wie solche „Trends“ definiert sind, was im klinischen Alltag zu Verunsicherung führen kann. Infolgedessen erstellten Brandenburg et al. einen Praxisleitfaden zur Erfassung von PTH-Trends [17]. Sie sehen in der Variabilität dieses Markers das größte Problem bei der PTH-Bestimmung, die sich wiederum in die biologische, präanalytische (Probeentnahme und -transport) und analytische (Labormessung) Variabilität unterteilen lässt. Diese Variabilitätsbereiche können durch diverse Maßnahmen begrenzt werden (s. Tab. 7). Begrenzung der durch biologischen Variabilität • Probeentnahme zur gleichen Tageszeit • Probeentnahme am gleichen Wochentag • Konstanthaltung des Vitamin-D-Status des Patienten oder anderer PTH-beeinflussender Therapien präanalytischen Variabilität • korrekte Handhabung der Proben (Kühlkette) • Bote statt Postweg analytischen Variabilität • Verwendung des gleichen Assays • Adjustierung der Werte, wenn unterschiedliche Assays zur Anwendung kamen Tab. 7: Optimierte iPTH-Messung durch Begrenzung unterschiedlicher Variabilitäten, verändert nach [17] 15 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie Bezüglich der analytischen Variabilität ist zu betonen, dass sich aus den verwendeten Assays relevante Unterschiede ergeben, beispielsweise zwischen sog. Zweit- und Drittgenerationentests, da letztere um bis zu 50 % niedrigere absolute Werte ergeben; aber auch verschiedene Assays der Zweitgeneration liefern bei CKD-Patienten deutlich unterschiedliche PTH-Werte, obgleich sich die Referenzbereiche oftmals nur marginal unterscheiden, s. Abb. 10. Demzufolge ist zu empfehlen, immer den gleichen Test zu verwenden. Mittelwerte PTH-Messungen 500 450 Referenzbereich des jeweiligen Assays 400 iPTH (pg/ml) 350 300 250 200 150 100 50 0 DiaSorin N-tact IRMA Ortho Vitros Beckmann Access Roche Elecsys Scantibodies Total intact PTH DiaSorin Liaison N-tact Siemens Immulite Abbott Architect Abb. 10: Mittelwerte PTH-Messungen: identische Proben, gemessen mit verschiedenen Assays der 2. Generation, verändert nach [22] Den Autoren der Arbeitsgruppe zufolge lässt sich ein Trend an einer Messreihe mit mindestens drei Messpunkten ablesen. Aufgrund der großen intraindividuellen PTH-Schwankungen auch unter konstanten Bedingungen (etwa 26 %) liege ein Trend erst dann vor, wenn zweimal in Folge gleichgerichtete Veränderungen mit einer im Endwert wenigstens 20-30%igen Veränderung vom Ausgangswert festgestellt werden [17]. Nicht oxidiertes Parathormon (n-ox PTH) Abhängig von Entzündung und oxidativem Stress liegt bei Dialysepatienten neben dem biologisch aktiven, nicht oxidierten Parathormon (n-ox PTH) mehr oder weniger oxidiertes, biologisch nicht aktives, PTH vor. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Oxidation von PTH zum Wegfall der biologischen Wirkung führt [26]. Die klassischen PTH-Messmethoden berücksichtigen diesen Sachverhalt nicht, da sie nicht zwischen oxidiertem und nicht oxidiertem PTH unterscheiden können. Mit der von Hocher beschriebenen Methode [27] lässt sich das biologisch aktive n-ox PTH bestimmen, nachdem die oxidierten PTH-Moleküle mittels einer spezifischen Immunaffinitätssäule aus der Patientenprobe entfernt wurden. Derzeit ist unklar, welchen Stellenwert eine mögliche Messung von n-ox PTH im klinischen Alltag haben wird. 16 Parathormon im Rahmen der CKD-MBD-Therapie (nicht dialysepflichtige Patienten) Laut KDIGO-Leitlinien ist der optimale PTH-Bereich bei nicht dialysepflichtigen Patienten in den Stadien 3-5 nicht bekannt. Es wird jedoch empfohlen, dass Patienten mit iPTH-Werten oberhalb des Normalbereiches des jeweiligen Assays auf das Vorliegen einer Hyperphosphatund Hypokalzämie sowie eines Vitamin-D-Mangels untersucht und mit entsprechenden Maßnahmen behandelt werden sollten (diätetische Phosphatreduktion, Phosphatbinder, Kalziumsupplementierung, natives Vitamin D). Falls die PTH-Werte in dieser Patientengruppe trotz dieser Maßnahmen weiter steigen und bleibend über dem Normalbereich des jeweiligen Assays liegen, empfiehlt die Arbeitsgruppe eine Therapie mit Calcitriol oder aktiven Vitamin-D-Analoga [9]. In ähnlicher Weise wird im sHPT-Behandlungskonzept verfahren [13], in dem eine orale Behandlung mit aktivem Vitamin D (Calcitriol oder Alfacalcidol) in anfangs niedriger Dosis für jene Patienten vorgeschlagen wird, deren iPTHCKD 3–5 (nonD) Wert deutlich über dem jeweiligen Zielbereich liegt oder im Trend (s.o.) ansteigt und deren Calcidiolspiegel im Normbereich sind (s. Abb. 11). Paricalcitol (akt. Vit. D ersetzend) Aktives Vitamin D Phosphatbinder Ernährung, natives Vitamin D Abb. 11: Aktives Vitamin D im sHPT-Behandlungskonzept (mod. nach [13]) Bei Ausbleiben der gewünschten PTH-Korrektur empfehlen die Autoren des sHPT-Behandlungskonzepts, die Dosis des aktiven Vitamin-DPräparates zu erhöhen oder eine Umstellung auf Paricalcitol vorzunehmen. Dabei sollte auf eine engmaschige und initial häufigere Kontrolle des korrigierten Serumkalziumspiegels und des Serumphosphats geachtet werden. Vitamin-D-Rezeptor-Aktivatoren und Kalzimimetika Die Therapie des sekundären Hyperparathyreoidismus fußt heute hauptsächlich auf folgenden drei Säulen (s. Abb. 12): • Nicht selektive Vitamin-D-Rezeptor-Aktivatoren (VDRAs) • Selektive VDRAs • Kalzimimetika 17 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie Vitamin D Calcitriol Selektive VDRAs Alfacalcidol Paricalcitol Kalzimimetika Cinacalcet Abb. 12: Strukturformeln nicht selektiver und selektiver VDRAs sowie vom Kalzimimetikum Cinacalcet Unter den nicht selektiven VDRAs repräsentiert Calcitriol das Molekül der ersten Generation. Molekulare Veränderungen an seiner Seitenkette führten zu der Entwicklung der nicht selektiven VDRAs der zweiten Generation (Alfacalcidol, Doxercalciferol). Nicht selektive VDRAs werden in der Leber zu aktivem Vitamin D (Calcitriol) metabolisiert. Weitere Veränderungen an der Seitenkette und des A-Rings führten zu Paricalcitol, das im Gegensatz zu Vitamin-D-Analoga nicht zu Calcitriol verstoffwechselt wird und in unveränderter Form den Vitamin-D-Rezeptor aktiviert. Paricalcitol Vitamin D Koregulatoren Koregulatoren RXR VDR RXR VDR 1,25D Paricalcitol Abb. 13: Schematische Darstellung: unterschiedliche VDR-Aktivatoren rekrutieren verschiedene Koregulatoren; RXR = Retinoid-X-Rezeptor Wie in Abb. 13 schematisch dargestellt, unterscheiden sich Vitamin-D-Analoga (hellgrün) und Paricalcitol (blau) hinsichtlich ihrer Bindung an den Vitamin-D-Rezeptor (VDR) sowie der anschließenden Rekrutierung diverser Koregulatoren. Dies führt auch zu einer unterschiedlichen Genexpression [18], welche die Grundlage für die selektive Wirkung von Paricalcitol bildet. Die unterschiedliche Genexpression lässt sich am Beispiel des kalziumbindenden Proteins Calbindin verdeutlichen. So zeigten Untersuchungen, dass die Aktivierung der intestinalen Kalziumresorption unter Paricalcitol deutlich geringer ist als bei nicht selektiven VDRAs [21]. Beim intestinalen Kalziumtransport handelt es sich um einen aktiven Transport: Kalzium wird über einen transmembranen Transporter in die Darmzelle befördert und muss an Calbindin andocken, 18 um von dort in den Blutstrom zu gelangen, s. Abb. 14. Das Protein wird jedoch erst gebildet, wenn der Vitamin-D-Rezeptor aktiviert wird. Im Gegensatz zu Paricalcitol führt Calcitriol zu einer deutlich stärkeren Induktion von Calbindin [21]. Epithelzelle apikal basolateral Ca Transporter Ca2+-Calbindin Ca im Darmlumen 2+ Ca2+Kanal Calbindin mRNA VDR Ca ++ 2+ Ca++ Ca++ Ca++ Ca++ Ca++ extrazellulär Ca2+ im Blut DNA ParathyreoidZelle intrazellulär Parathormon Calcitriol Abb. 14: Kalziumbindendes Protein Calbindin in der Darmzelle Abb. 15: Cinacalcet steigert die Sensitivität des Calcium-sensitiven Rezeptors Kalzimimetika erweitern die Therapieoptionen des sHPT durch die Modulation der Empfindlichkeit des „Calcium-sensing“-Rezeptors (CaSR), die zu einer verminderten Freisetzung von Parathormon führt, s. Abb. 15. Parathormon im Rahmen der CKD-MBD-Therapie (dialysepflichtige Patienten) Der von der KDIGO empfohlene iPTH-Zielwertbereich für Dialysepatienten wird mit dem 2- bis 9-Fachen des oberen Normalbereichs des jeweiligen Assays angegeben [9, 11]. Bei erhöhten oder steigenden PTH-Werten wird dieser Patientengruppe die Verabreichung von Calcitriol, aktiven Vitamin-D-Analoga, Kalzimimetika oder einer Kombination von Kalzimimetika und Calcitriol oder aktiven Vitamin-D-Analoga empfohlen. CKD 3–5 (nonD) CKD 5 (D) Parathyreoidektomie Paricalcitol (akt. Vit. D ersetzend) Aktives Vitamin D Phosphatbinder Ernährung, natives Vitamin D Paricalcitol (akt. Vit. D ersetzend) +/- Cinacalcet Aktives Vitamin D Phosphatbinder Dialyse, Ernährung, natives Vitamin D Abb. 16: Paricalcitol und Cinacalcet im sHPT-Behandlungskonzept (mod. nach [13]) Patienten mit einer Hyperkalzämie (1B) sowie einer Hyperphosphatämie (2D) wird geraten, Calcitriol oder andere aktive Vitamin-D-Analoga zu reduzieren oder abzusetzen. Dies geht mit dem sHPT-Behandlungskonzept konform, das eine Begrenzung und nötigenfalls Beendigung einer Therapie mit aktivem Vitamin D fordert, wenn eine drohende oder manifeste Hyperkalzämie 19 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie und/oder Hyperphosphatämie bereits vorliegt oder im Trend (s.o.) ein Kalzium- und/oder Phosphatanstieg offensichtlich wird. Aufgrund seiner relativ geringen Neigung zur Induktion einer Hyperkalzämie kann der selektive VDRA Paricalcitol eine Therapiealternative darstellen (auch schon bei Prädialyse-Patienten), s. Abb. 16 (links). Für Dialysepatienten sind Paricalcitol und das Kalzimimetikum Cinacalcet verfügbar (rechts). 12 Paricalcitol 9 Placebo 11 8 10 7 9 6 Kalzium 8 5 7 4 Phosphat 6 5 3 0 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 2 Durchschnittlicher Phosphatspiegel (mg/dl) Durchschnittlicher Kalziumspiegel (mg/dl) Kalzium- und Phosphatspiegel Dass Paricalcitol nur minimale Auswirkungen auf den Kalziumspiegel hat, zeigte auch eine Arbeit von Coyne und Mitarbeitern, die 220 CKD-Patienten mit sHPT in den Stadien 3 und 4 in ihre Untersuchung einschloss [19]. Hinsichtlich der Kalzium- sowie der Phosphatspiegel im Serum ergaben sich zwischen Paricalcitol und Placebo im Beobachtungszeitraum keine signifikanten Unterschiede (s. Abb. 17). Haufe und Kollegen führen in ihrem sHPT-Behandlungskonzept weiter Abb. 17: Kalzium- und Phosphatspiegel im Serum bei Paricalcitol- und Placebo-Patienten aus, dass bei Dialysepatienten während der Behandlungsphase, verändert nach [19] aufgrund der vorliegenden Studiendaten eine Monotherapie mit Paricalcitol zur sHPT-Behandlung gut geeignet sei. Mit den von ihnen beschriebenen Dosierungen war es dem Cinacalcet hinsichtlich der Erreichung des KDOQI-PTH-Zielbereiches überlegen, so die Autoren weiter. Wochen seit der ersten Dosis der Studienmedikation Sie führen dies zurück auf die 2012 im „Nephrology Dialysis Transplantation“ veröffentlichte IMPACT-SHPTStudie von Ketteler und Kollegen BehandlungsEvaluationsScreening Washout phase phase [20], die Paricalcitol mit CinacalTag 1 bis Wochen ≤ 14 Tage 4 Wochen cet + niedrig dosiertem Vitamin Woche 28 21 bis 28 D bei Dialysepatienten mit sHPT verglich (s. Abb. 18). Die RandomiCinacalcet oral mit niedrig-dosiertem Vitamin D sierung und Analysen der 28-wöchigen Studie wurden anhand der VerAbb. 18: Studiendesign der IMPACT-SHPT-Studie, adaptiert nach [20 ] abreichung von Paricalcitol (i.v. oder oral) stratifiziert. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war der Anteil der Patienten, der in den Wochen 21–28 einen durchschnittlichen iPTH-Wert von 150-300 pg/ml erreichte. Insgesamt wurden 211 Patienten (101 im i.v.- und 110 im oralen Stratum) in die primäre Analyse einbezogen. Es zeigte sich, dass im i.v.-Stratum 57,7 % der Patienten in der Paricalcitol- und 32,7 % in der Cinacalcet-Gruppe den primären Endpunkt erreichten (p = 0,016). Im oralen Stratum lagen die entsprechenden prozentualen Anteile bei 54,4 % bzw. 43,4 % (p = 0,260), s. Abb. 19. Randomisierung 20 Paricalcitol (bei Hyperkalzämie: plus Cinacalcet) Zusammenfassend kommen die Autoren zu dem Schluss, dass eine Paricalcitol-basierte Therapie mit oder ohne Cinacalcet im Vergleich zu Cinacalcet plus niedrig dosiertem Vitamin D bei hämodialysepflichtigen Patienten mit sHPT zu einer stärkeren Senkung des iPTH-Spiegels in den Zielbereich führt – und dies mit minimaler Auswirkung auf den Kalziumspiegel. Ebenfalls bei CKD-5D-Patienten mit sHPT untersuchten Mitarbeiter der EVOLVE-Studie (Evaluation of Cinacalcet Hydrochloride Therapy to Lower Cardiovascular Events), ob eine Therapie mit dem Kalzimimetikum Cinacalcet die Mortalität und kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu Placebo zu senken vermag [23]. IMPACT: Primärer Endpunkt Anteil der Patienten (%) 70 Paricalcitol p = 0,016 60 Cinacalcet p = 0,260 57,7 50 54,4 40 43,4 30 32,7 In der randomisierten, doppelblinden Studie wurden beinahe 4000 Patienten für einen Zeitraum 10 von bis zu 64 Monaten untersucht. Der primäre, 0 kombinierte Endpunkt, definiert als Zeit bis 30/52 16/49 31/57 23/53 i.v.-Stratum orales Stratum zum Tod oder dem ersten, nicht tödlichen kardioAbb. 19: IMPACT-SHPT-Studie: Anteil der Patienten, der den primären vaskulären Ereignis (Myokardinfarkt, HospitalisieWirksamkeitsendpunkt erreichte, verändert nach [20] rung aufgrund instabiler Angina pectoris, Herzinsuffizienz oder eines peripheren vaskulären Ereignisses), wurde von 48,2 % der Cinacalcetund 49,2 % der Placebo-Gruppe erreicht (p = 0,11), s. Abb. 20. 20 In der nicht adjustierten ITT-Analyse reduzierte Cinacalcet das Mortalitätsrisiko und das Risiko großer kardiovaskulärer Ereignisse in dieser Patientengruppe also nicht signifikant. Primärer, kombinierter Endpunkt Anteil der Patienten ohne Ereignis (%) 100 Cinacalcet Placebo 90 80 70 60 50 Hazard Ratio 0,93 (95% CI, 0,85-1,02) p = 0,11 mit Log-rank-Test 40 0 0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 56 60 1109 1177 1053 1115 996 1051 940 989 650 679 404 399 114 113 Studienmonat Anzahl gefährdeter Patienten Placebo 1935 Cinacalcet 1948 1804 1842 1693 1739 1579 1638 1476 1556 1384 1472 1312 1384 1224 1303 1160 1230 Abb. 20: EVOLVE-Studie: ITT-Analyse des primären, kombinierten Endpunkts (Kaplan-Meier-Kurven), verändert nach [23] 21 Zertifizierte Fortbildung Störung des Mineral- und Knochenstoffwechsels bei chronischer Nierenerkrankung Empfehlungen für Diagnostik und Therapie CKD 5 (D) Parathyreoidektomie Paricalcitol (akt. Vit. D ersetzend) + /- Cinacalcet Aktives Vitamin D Phosphatbinder Dialyse, Ernährung, natives Vitamin D Abb. 21: Parathyreoidektomie im sHPT-Behandlungskonzept (mod. nach [13]) Bezüglich der beiden von der WHO als „Nebenschilddrüsenantagonisten“ klassifizierten sHPTTherapeutika Paricalcitol und Cinacalcet wird im sHPT-Behandlungskonzept [13] betont, dass die Therapie dynamisch ist und an den PTHVerlauf angepasst werden sollte (s. oben „Erfassung von Trends“). Den Autoren zufolge ist eine Kombinationstherapie von Cinacalcet mit aktivem Vitamin D oder Paricalcitol möglich und oft sinnvoll. Eine Parathyreoidektomie ist schließlich indiziert, wenn die Palette der medikamentösen Therapieoptionenen ausgeschöpft ist (s. Abb. 21). Zusammenfassung: Therapieprinzipien von CKD-MBD Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Therapie im Rahmen einer CKDMBD an folgenden Prinzipien orientieren sollte: • Therapie des Vitamin-D-Mangels • Ausgleich der Hypokalzämie • Therapie der Hyperphosphatämie • Senkung des Parathormonspiegels Hierzu geben die KDIGO-Leitlinien umfangreiche Empfehlungen unterschiedlicher Evidenzgrade zur Diagnose der Störungen des Mineral- und Knochenhaushalts bei chronischer Niereninsuffizienz sowie zu deren Behandlung. PTX Kombinationstherapie Paricalcitol plus Cinacalcet Einsatz von Paricalcitol (alle CKD-Stadien) oder Cinacalcet (CKD 5D) (= Nebenschilddrüsenantagonisten) Aufgrund der derzeitigen Datenlage zu den therapeuHochtitrieren der aktiven tischen Optionen lassen sich im klinischen Alltag Vitamin-D-Dosis unter Monitoring der Serum-Kalziumjedoch nicht immer eindeutige Konsequenzen abund Serum-Phospat-Spiegel oder Paricalcitol leiten. Angesichts dieser Problematik stellte ein Expertengremium eine praktische VorgehensEinsatz von aktivem Vitamin D weise mit pragmatischem Anspruch bei der in niedriger Dosierung plus Phospatkontrolle Therapie des sekundären Hyperparathyreoidismus vor, die als Orientierungshilfe für einen generellen, zusammenhängenden TherapieGabe von nativem Vitamin D ansatz dienen kann (s. Abb. 22). Die spezielle (wird über alle Phasen beibehalten) Situation des individuellen Patienten darf nach Ansicht der Autoren jedoch keinesfalls vernachlässigt werden. Abb. 22: Schematische Darstellung des sHPT-Behandlungskonzepts (mod. nach [13]) 22 Literatur: [1] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) CKD Work Group. KDIGO 2012 Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease. Kidney inter., Suppl. 2013;3:1-150. [2] Katja Segerer, Christoph Wanner. Niere und ableitende Harnwege. 2014. Springer Verlag Berlin Heidelberg. [3] Levey AS et al. 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