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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde „Violinen, Virtuosen, Vibrationen. Das Goldene Zeitalter der Teufelsgeiger“ „Erzengel und Satan“ (1) Von Wolfgang Scherer Sendung:
Montag, 27. Juni 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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„Musikstunde“ mit Wolfgang Scherer „Violinen, Virtuosen, Vibrationen. Das Goldene Zeitalter der Teufelsgeiger“ „Erzengel und Satan“ (1) SWR 2, 27. Juni – 01. Juli 2016, 9h05 – 10h00 Signet: SWR2 Musikstunde In dieser Woche mit Wolfgang Scherer: Guten Morgen! Und darum geht es bis kommenden Freitag: „Violinen, Virtuosen, Vibrationen. Das Goldene Zeitalter der Teufelsgeiger. Hören Sie heute Teil 1: „Erzengel und Satan“
Musik 1 (AMS 0132448 / 000) SWR2 Musikstunde Anfangsmusik Capriccio
Es war ein musikalischer Siegeszug, den sie mit ihren klangvollen Instrumenten anführten. Und sie kamen aus Italien. Überquerten die Alpen und zogen wie „musicalische Zugvögel“ kreuz und quer durch Europa, um irgendwo im Norden ihr Glück zu suchen: jene Geiger aus dem Goldenen Dreieck der Violine, die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ihre Heimat in Oberitalien verließen, wo sich die Werkstätten der geschicktesten Geigenbauer befanden. Im leichten Gepäck oft nicht viel mehr als einen Koffer mit einem kostbaren Instrument aus der Werkstatt eines norditalienischen Meisters, eroberten sie mit ihren spektakulären Violinkünsten im Handstreich die Metropolen der musikalischen Welt: Wien, Paris, Prag, Amsterdam, London – wo immer sie konzertierten, lag ihnen ein fasziniertes Publikum zu Füßen. Und die Violine avancierte zum Modeinstrument jener Ära und erlebte ihr Goldenes Zeitalter. „i virtuosi ambulanti“ wie sie die gleichnamige Opera buffa von Fioravanti Valentino in Paris noch einmal auf die Bühne bringen wird als ihr Stern längst am Sinken war… - diese „herumziehenden virtuosirenden Geiger“, die man „fast aller Orten zu sehen und zu hören bekommt“ wie es die Berliner Musicalische Zeitung noch 1793 schreibt -, sie waren die Botschafter eines italienischen Violin-Stils, der sich bald an den unerhörten musikalischen Neuerungen eines Corelli oder eines Vivaldi orientieren sollte. Ihr Aufbruch steht für jenen grundlegenden Aufbruch der Instrumentalmusik im 17. Jahrhundert, die sich als Musik ohne Text von den Fesseln des Vokalen befreit, um ganz eigene Spielarten, eine ganz eigene Idiomatik zu entwickeln. Bei diesem Prozess spielen die Violine und die Musik ihrer Virtuosen die vielleicht wichtigste Rolle. Carlo Farina, Biagio Marini, Antonio Bertali oder Nicola Matteis; Giuseppe Torelli, Francesco Geminiani, Francesco Maria Veracini, Pietro Locatelli und Giuseppe
3 Tartini oder später Carlo Zuccari, Gaetano Pugnani und Giovanni Battista Viotti – um nur einige zu nennen -: unter den Händen dieser Geiger, darunter nicht selten Persönlichkeiten von bizarrer Exzentrizität, fand die Violine zum Sound des barocken Zeitalters und avancierte zum Virtuosen-Instrument par excellence. Mit ihrem temperamentvollen Musizierstil, ihren Sonaten, ihren virtuosen Variationen und mit ihren mitreißenden Instrumentalkonzerten prägten sie das Repertoire der europäischen Hofkapellen ebenso wie die Programme des aufblühenden bürgerlichen Konzertlebens in den Metropolen der musikalischen Welt. Und es war die stupende Virtuosität dieser italienischen Musik-Stars avant-la-lettre, ihre schier unbegreifliche spieltechnische Brillanz, die allmählich der Gestalt des dämonischen Teufelsgeigers Raum geben wird, wie sie ein letztes, aber mächtiges Mal der legendäre musikalische Hexenmeister Niccolò Paganini verkörpern sollte. Denn mit dem Siegeszug des modernen Hammerklaviers wird das Goldene Zeitalter der italienischen Teufelsgeiger zu Ende gehen. Mithin auch das der Violine. Denn die neuen Virtuosen –: sie werden zukünftig an Klaviaturen Platz nehmen.
Musik 2 CD 2 takes 4 und 5 Arcangelo Corelli 4. Satz „Vivace“ und 5.Satz „Allegro“ aus: Concerto grosso op. VI Nr. 5 F-Dur Amandine Beyer, Violine und Leitung Gli incogniti Zig-Zag Territoires ZZT327, LC 10894
4´53
Amandine Beyer und Gli incogniti waren das, mit den Sätzen „Vivace“ und „Allegro“ aus dem Concerto grosso opus 6 Nr. 5 F-Dur von Arcangelo Corelli. Bis weit in die Mitte des 18. Jahrhundert hinein galt er als der größte Geiger aller Zeiten, als nuovo orfeo der Violinkunst. Tatsächlich war er der vielleicht wichtigste Wegbereiter des italienischen Violin-Stils und der konzertierenden EnsembleMusik. Und er war der erste, der mit seiner Musik international Furore gemacht und in den Musikmetropolen Europas eine regelrechte Corellimania ausgelöst hat. Wann genau sie ihren Anfang genommen hat, lässt sich schwer sagen, jedenfalls kennt die Corelli-Begeisterung nördlich der Alpen bald keine Grenzen mehr. In Paris komponierte Couperin nach seiner Manier, in Hamburg schrieb Telemann sogenannte „corellisierende“ Sonaten, in Amsterdam trat der CorelliSchüler Locatelli mit eigenen Concerti grossi in die Fußstapfen seines Lehrers und in London, da schürte sein Schüler Geminiani, mitunter begleitet von Georg Friedrich Händel, die Corelli-Mode: ganz Europa also im Corelli-Fieber. Dabei hat
4 Corelli selbst seine italienische Heimat nie verlassen und – nach einigen Lehrjahren in Bologna - den größten Teil seines Lebens in Rom verbracht. Fast vierzig Jahre lang hat „il Bolognese“, wie er damals genannt wurde, als einer der bedeutendsten Geiger und Komponisten, als Konzertmeister und zuletzt sogar als „guardiano“ der Congregazione di Santa Cecilia, als Vorsitzender also der Musiker-Gilde, das Musikleben Roms mitgestaltet und geprägt; allein zweimal wird man ihn als „guardiano“ wiederwählen. Bald nach seiner Ankunft in Rom war Corelli der Kapelle der kunstsinnigen schwedischen Ex-Königin Christina beigetreten, die nach ihrer freiwilligen Abdankung und Konvertierung zum katholischen Glauben im Palazzo Riario in Trastevere regelmäßig Akademien veranstaltete und dort zahlreiche, von ihr in Auftrag gegebenen Kompositionen im privaten Rahmen aufführen ließ. Außerdem hatte sie vor einigen Jahren das erste öffentliche Theater der Stadt eröffnen lassen, ein Theater, auf dessen Bühnen – anders als damals üblich – auch Frauen spielten und sangen. Ganz Rom war begeistert gewesen. Nur nicht der Papst. „Ich bin doch keine Betschwester“, soll Christina von Schweden gesagt haben. Aber umsonst. Papst Innozenz der Elfte hatte das Theater wieder schließen lassen und sämtliche Theater- und Opernaufführungen verboten. Christinas Antwort darauf war die Wiederbelebung ihrer Accademia, in der Corelli musizieren wird. Christina von Schweden hat Corelli denn auch sein Opus 1 gewidmet: eine Sammlung von zwölf Sonate a tre für 2 Violinen und Basso continuo. Hier ist daraus die TrioSonate Nr. 9.
Musik 3 CD takes 31 - 34 Arcangelo Corelli Sonata Op. 1 Nr. 9 G-Dur Rebel Violine und Leitung: Jörg-Michael Schwarz Dorian, DSL-90703, LC
6´45
Das Ensemble Rebel spielte die Triosonate opus 1 Nr. 9 G-Dur von Arcangelo Corelli. Bereits einige Jahre bevor Corelli sein Christina von Schweden gewidmetes Opus 1 veröffentlichte, erklärt er in einem Brief an den Herzog Laderchi von Faenza: „Meine sinfonie sind nur zu dem Zweck gemacht, die Violine hervortreten zu lassen – ein Zweck, zu dem mir jene anderen professori nicht sehr geeignet erscheinen. Ich komponiere gerade einige Sonaten, die in der Academia Ihrer Majestät, der Königin von Schweden aufgeführt werden sollen, in deren Dienste ich als Musico da Camera getreten bin.“ Nun, für den Barockgeiger Enrico Gatti und den Musikwissenschaftler Guido Olivieri sind diese
5 Zeilen ein eindeutiger Beleg dafür, dass Corelli bereits vor der Publikation seines Opus 1derlei sinfonie und sonate geschrieben und mithin nur einen geringen und sorgfältig ausgewählten Teil eines weitaus größeren Schaffens in den Druck gegeben hat. Folglich könnte die Musikforschung durchaus in Bibliotheken und Archiven auf weitere „apokryphe“ Werke von Corelli stoßen. Gut möglich also, dass auch jene zwölf, in einem Manuskript aus dem Franziskanerkloster in Assisi überlieferten und 1963 entdeckten Violinsonaten von keinem anderen als von Arcangelo Corelli stammen. Stilistisch sind sie jedenfalls typisch für Bologneser Sonaten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, weisen aber auch zahlreiche Elemente auf, die für Corellis Kompositionsweise charakteristisch sind. Es wären damit die frühesten erhaltenen Stücke des nuovo orfeo, die Corelli womöglich noch während seiner Zeit in Bologna geschrieben hat. Hier kommt aus diesen „Assisi“-Sonaten die Sonata Nr. 10:
Musik 4 CD take 2 3´56 Arcangelo Corelli (?) Sonata Nr. 10 G-Moll Ensemble Aurora Enrico Gatti, Violine; Gaetano Nasillo, Violoncello; Anna Fontana, Cembalo Glossa, GCD 921209, LC 00690
Enrico Gatti, Violine; Gaetano Nasillo, Violoncello; und Anna Fontana, Cembalo. Das Ensemble Aurora spielte die sogenannte Assisi-Sonate Nr. 10 g-Moll – möglicherweise während seiner Zeit in Bologna geschrieben von dem jungen Arcangelo Corelli. Der spielt im römischen Musikleben um 1700 bald buchstäblich die erste Geige. Ein so wohlhabender wie wohlwollender Mäzen löst den anderen ab. Erst zieht er in den Palazzo des Kardinals Benedetto Pamphili, dann wechselt er – als der zum päpstlichen Legaten in Bologna ernannt wird – in den prächtigen Palazzo della Cancelleria des Kardinals Pietro Ottoboni. Und immer im Schlepptau: sein unzertrennlicher Kollege, Freund und Schüler Matteo Fornari. Inzwischen weht ein frischer Wind aus dem Vatikan. Der neue Papst Alexander der Achte lockert die kunstfeindliche Politik seines gestrengen Vorgängers und macht seinen Großneffen Ottoboni zu seinem Vizekanzler. In seinem Palazzo verbringen Corelli und Fornari die beiden die nächsten dreiundzwanzig Jahre: angesehene Mitglieder im Hofstaat des musikbegeisterten Kardinalnepoten. Corelli komponiert für die dortigen Konzerte, leitet Opernaufführungen und betreut die Musik in der Titelkirche San Lorenzo in Damaso, die innerhalb des Palazzo liegt. Mehrfach wird von namhafter Seite versucht, ihn aus Rom abzuwerben. So will ihn zum Beispiel Francesco Secondo d´Este, tief beeindruckt
6 von den Violinkünsten Corellis, unbedingt nach Modena holen. Aber Corelli lehnt einmal mehr ab. Wieso sollte er seine lukrative Stellung in den Zentren des römischen Musiklebens, am Puls der Macht ohne Not aufgeben? Als 1706 zu Ehren der verstorbenen Christina von Schweden in Rom die von ihr inspirierte Accademia dell`Arcadia ins Leben gerufen wird, macht die exklusive Gesellschaft aus Literaten, Dichtern und Denkern eine Ausnahme und nimmt sogar drei Musiker in ihre Reihen auf: Arcangelo Corelli sowie seine beiden langjährigen Freunde und Musikerkollegen Bernardo Pasquini und Alessandro Scarlatti. Damit ist die konzertante Instrumentalmusik endgültig im Parnass der Künste angekommen. Als Emblem führt die Accademia eine Pan-Flöte in ihrem Wappen. Und Corelli führt jetzt – in Anspielung auf seine wunderbaren Bogenkünste - den Arkadiernamen Arcomelo Erimanteo. Und sein Freund Scarlatti: der komponiert nun sinfonie ganz im Stil seiner Concerti grossi.
Musik 5 CD 2 takes 3 - 5 Alessandro Scarlatti Sinfonia Nr. 1 F-Dur für 2 Blockflöten, Streicher und Basso continuo Capella Tiberina Brilliant Classics 2CD 94658, LC 09421
3´59
Die Capella Tiberina war das, mit der Sinfonia Nr. 1 F-Dur für 2 Blockflöten, Streicher und Basso continuo aus den 12 Sinfonie di concerto grosso von Alessandro Scarlatti. Arcangelo Corelli stand noch in Diensten der Christina von Schweden und war gerade zum Vorsitzenden der Congregazione di Santa Cecilia ernannt worden, da machte er die Bekanntschaft eines Kollegen, der aus dem fernen Salzburg angereist war, um bei Bernardo Pasquini zu studieren, damals dem größten Cembalo- und Orgelvirtuosen Italiens. Sein Name: Georg Muffat. In Savoyen geboren, hatte er schottische Vorfahren, hatte in Paris und in Straßburg studiert, sich erst in Wien, dann in Prag niedergelassen, um schließlich in die Dienste des Salzburger Erzbischofs zu treten, der ihm die Erlaubnis gewährte, nach Rom zu reisen. Nun, gewiss war Muffat beeindruckt von den Tastenkünsten Pasquinis. Aber was ihn geradezu faszinierte, das war jene Ensemblemusik, jene groß besetzten Concerti grossi, die der fabelhafte Geigenvirtuose mit dem Spitznamen„Il bolognese“ leitete. So etwas war ihm bei seinen vielen Reisen noch nie zu Ohren gekommen: nämlich – wie er schreibt -: „mit grosser Anzahl Instrumentisten auffs genaueste producirte Konzerte“ wie sie in Rom „vom kunstreichen Hrn. Arcangelo Corelli“ komponiert und aufgeführt wurden. Und das waren Kompositionen für zwei obligate Violinen und Violoncello als Concertino; und dazu nach Belieben zwei weitere Violinen, Viola und Basso, die mehrfach
7 besetzt werden konnten, als Concerto grosso, später auch Ripieno genannt. Zentraler kompositorischer Ausgangspunkt war also die Trio-Sonate. Das Neue daran: diese Musik spielte im so kunst- wie spannungsvollen Gegenüber von solistischem Trio-Satz und mindestens vierstimmigem Ensemble-Satz. Dabei konnte so ein Ensemble gut und gerne bis zu „gefühlten“ einhundert Streicher umfassen. Muffat jedenfalls war so hingerissen von dieser Musik, dass er noch in Rom eigene Versuche zu Papier brachte, die damals sogar „in der Wohnung des Herrn Arcangelo Corelli“ probiert worden sind. Muffats Konzerte, die nach seiner Rückkehr 1682 in Salzburg als Armonico Tributo erschienen sind, waren die ersten – und für einige Zeit – die einzigen Concerti grossi im Stile Corellis, die nördlich der Alpen in Umlauf kamen.
Musik 6 CD 1 takes 19 - 22 Georg Muffat Sonata III aus Armonico Tributo Ars Antiqua Austria Violine und Leitung: Gunnar Letzbor Panclassics PC 10253, LC 01554
5´00
Vier Sätze der Sonata III aus dem Armonico Tributo von Georg Muffat, mit Ars Antiqua Austria. Muffats Musik brachte das Concerto grosso im Stile Corellis über die Alpen. Es sollte über dreißig Jahre dauern, bis mit Corellis eigene Concerti grossi mit seinem Opus 6 diesen Weg nahmen. Gewiss, der Ruhm des „göttlichen Erzengels“ in Rom verbreitete sich wie ein Lauffeuer, aber Corelli selbst reiste nicht. Die Geiger, die Komponisten, die jungen Virtuosen – wer es zu etwas bringen wollte, der tat es Muffat gleich und pilgerte nach Rom, um den Meister zu hören und bei ihm Unterricht zu nehmen. So hielt es auch der Geiger Nicolaus Adam Strungk, als er mit seinem Dienstherrn, dem Kurfürsten Ernst August von Hannover auf Kavalierstour durch Italien zog. Im Rom begleitete er Corelli auf dem Cembalo. Dann griff er zur Violine, stimmte die Saiten um, und präludierte mit schwierigsten Griffen. Corelli staunte über den Einsatz der Skordatur – so nennt man das gezielte Um-Stimmen der Violinsaiten - und meinte in gebrochenem Deutsch: „Ich heiße Arcangelo, was in unserer Sprache Erzengel heißt; aber lassen Sie mich Ihnen sagen, dass Sie ein Archidiavolo sind: ein Erzteufel.“ Ein Wortspiel, gewiss, Corelli hatte einen Scherz, der Meister hatte dem Deutschen ein Kompliment gemacht. Aber gut einhundert fünfzig Jahre später sollte die Rede vom teuflischen Violinspiel bitterer Ernst werden… Jedenfalls: der Erzengel blieb in Rom. Es waren vor allem seine Schüler, die mit seiner Musik im Gepäck
8 über die Alpen zogen und ihren beispiellosen Erfolg begründeten; wir werden in dieser Musikstunden-Woche einigen von ihnen begegnen... Und es war sein Drucker in Amsterdam, Estienne Roger, damals einer der modernsten und gefragtesten Musikalienverleger Europas mit besten Geschäftsbeziehungen zu Kollegen in anderen Ländern, der die wachsende Corelli-Nachfrage mit ansprechenden Ausgaben zu befriedigen verstand. Noch bis Anfang des 19. Jahrhundert sollten Corellis Kompositionen die am meisten verlegten Werke der Musikgeschichte bleiben. Allein, die Veröffentlichung seines musikalischen Vermächtnisses, die Publikation seiner Zwölf Concerti grossi opus 6 bei Estienne Roger in Amsterdam, die hat Arcangelo Corelli nicht mehr erlebt. Er starb während der Vorbereitung der Ausgabe, am 16. Januar 1713. Es war Kardinal Pietro Ottoboni, der veranlasste, dass sein Leichnam einbalsamiert und im römischen Pantheon bestattet wurde, gleich neben dem Maler Raffael. Damit war Arcangelo Corelli der erste und der einzige Musiker, der an diesem Ort seine Ruhe fand.
Musik 7 CD 1 take 15 4´31 Arcangelo Corelli 1.Satz „Preludio – Largo“ aus Sonata op. 5 Nr. 78 e-Moll für Violine und Basso Enrico Gatti, Violine; Gaetano Nasillo, Violoncello; Guido Morini, Cembalo ARCANA, A 423, LC 20229
Enrico Gatti, Violine; Gaetano Nasillo, Violoncello; und Guido Morini, Cembalo. Sie spielten das “Preludio” aus der Sonata op.5 Nr. 8 e-Moll von Arcangelo Corelli. Als in Nizza am 27. Mai 1840 um 17 Uhr 20 die Totenglocke läutet, weiß jeder, dass er jetzt endlich gestorben ist: Niccolò Paganini, der berühmteste Geigen-Virtuose aller Zeiten. Und jeder weiß, dass der Teufel gekommen war, um sich seine Seele zu holen. Hatte er nicht dem Priester Caffarelli auf dem Totenlager alles gestanden? Dass er vor vielen Jahren einen Bund mit dem Satan geschlossen und damals seine Geliebte ermordet hatte, um aus ihrem Gedärm jene G-Saite zu gewinnen, auf der er ganze Konzerte spielte? Wie der Leichnam Corellis wurde auch die Leiche Paganinis konserviert. Man spritzte eine Lösung aus chlorsaurem Zink in die Venen und Arterien. Aber anders als Corelli, wurde Paganini nicht bestattet. Im Gegenteil: man ließ die Leiche im Sterbezimmer liegen, wo Schaulustige den toten Teufelsgeiger gegen Entgelt besichtigen konnten. Auch in den folgenden Tagen kam es zu keiner Bestattung. Nicht in den folgenden Wochen, Monaten, Jahren. Die kirchlichen und die politischen Behörden weigerten sich in Nizza ebenso wie in Paganinis Heimatstadt Genua, dem
9 Verstorbenen ein christliches Begräbnis zu gewähren. In ganz Italien fand sich kein Friedhof, der ihn aufnehmen wollte. Der Papst prüfte den Fall und verfügte eine Untersuchung durch den Erzbischof von Turin und seine Amtskollegen von Genua und Nizza, aber das Verbot einer Bestattung blieb bestehen. Nach einer vierjährigen Odyssee landete der Zinksarg schließlich im Keller der Villa Gaione in Parma, wo sein Sohn Achille inzwischen mit Frau und Kind wohnte. Ganze 32 Jahre lang sollte er hier mit der konservierten Leiche seines unsterblichen Vaters unter einem Dach leben. Dann kam es zu einem Deal. Rom könnte das Verbot des Bischofs von Nizza aufheben, nur müsse ein eindeutiges Zeugnis der Reue des Verstorbenen vorliegen. Achille wusste, worauf dies hinauslief. Wenn er alle Honorare, die sich Paganini mit Hilfe des Teufels erspielt hatte, an die Kirche zahlen würde, könnte er bestattet werden. Achille zahlte. Eine horrende Summe. Dann durfte Paganini in Parma beerdigt werden. Nachts. (Ca.: 2´46)
Musik 8 M0409234 / 005 Niccolò Paganini Capriccio Nr. 5 a-Moll „Agitato“ aus den 24 Capricen für Violine solo August Hadelich (Violine)
Augustin Hadelich spielte das Capriccio Nr. 5 a-Moll „Agitato“ aus den 24 Capricen für Violine solo von Niccolò Paganini. Zum Schluss der Musikstunde hörten Sie eine Live-Aufnahme vom 30. Januar 2015 in der Liederhalle Stuttgart. Mein Name ist Wolfgang Scherer. Ihnen wünsche ich noch einen angenehmen Tag, „Tschüss“ und – wenn Sie mögen – „Bis morgen!“