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SWR2 Zeitwort 18.06.1821 Bereits schwer krank stellt Weber seinen "Freischütz" vor Von Kerstin Unseld Sendung: 18.06.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016
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Autorin: „Der Freischütz wurde mit unglaublichem Enthusiasmus aufgenommen!“, ….notierte Carl Maria von Weber nach der Uraufführung am 18. Juni 1821 im Königlichen Schauspielhaus Berlin. Erstmals hatte sich an diesem Tag – heute vor 195 Jahren – der Vorhang für eine Oper gehoben, die in Windeseile zur deutschen Nationaloper wurde und bis heute eines der meistgespielten Musiktheaterstücke überhaupt ist. Musik Autorin: Der Freischütz spielt – die Hörner lassen es anklingen - mitten im Wald. Beim mitternächtlichen Gießen von sieben Freikugeln, unter Anleitung des Teufels und allerhand Höllenzauber, verdunkelt sich dieser Wald zusehends. Aber es gibt auch die hellen Seiten, verpackt in eine gewaltige Portion Volkstümlichkeit. Ein Jägerchor singt, die Brautjungfern winden den Jungfernkranz. Erzählt wird die Geschichte um Max, den Jäger und Agathe, die Tochter des Erbförsters Kuno. Eine Liebesgeschichte mit Hindernissen – und Happy End. Mit unglaublich suggestiver Kraft setzte Weber seine Musik ein: Wie Dunkel und Hell klingen, wie sich das unheimlich Gespenstische und das realistisch Handfeste ausdrücken lässt, all das komponierte Weber fein aus, in seiner romantischen aber zuweilen auch höchst modernen Instrumentierkunst. Mit Erfolg. Denn seine Musik zündete – und das ab der allerersten Freischütz-Aufführung. Der Dirigent Carlos Kleiber beim Blick in die Partitur: O-Ton Carlos Kleiber: „Dies ist die Stelle, wo steht: „Der ganze Himmel wird schwarze Nacht, die Gewitter treffen furchtbar aufeinander, Flammen schlagen aus der Erde.“ Heutzutage ist ja auf der Bühne nicht mehr viel los, es wird halt finster und es krach a bissl, aber gedacht ist es eine furchtbare Naturkatastrophe. Schwarz in schwarz, schwarzer geht’s nimmer, das schwärzeste Schwarz was es je gab.“ Musik Autorin: Was in der berühmten Wolfsschluchts-Szene vorfällt, ist spektakulär und bald schon populär. Denn nach dem überwältigenden Erfolg des „Freischütz“ im Jahr 1821 dauerte es nicht lange, bis Webers Melodien überall zu hören waren. Musik Autorin: Es gibt von Heinrich Heine einen herzerfrischenden Brief, in dem er die Unmöglichkeit schildert, in Berlin dem „Jungfernkranz“, also dem Lied der Brautjungfern zu entkommen. Die Stadt muss voll gewesen sein von Webers Melodien, die als Gassenhauer, ja als Ohrwürmer allerorts gepfiffen und gesummt wurden. Paraphrasen entstanden, Bearbeitungen für allfältige Besetzungen, auch und vor allem mit dem Ziel, diese Musik näher an die Menschen heranzurücken. Zuhause zum Beispiel oder auf der Straße im Kreise von Freunden, von 1
Chorgemeinschaften, speziell für Schüler, für Bürger oder für Nichtoperngänger. Im Idealfall einfach für alle. Die Idee zu seiner Oper, die im Übrigen keineswegs in Deutschland sondern eigentlich in Böhmen nach dem Dreißigjährigen Krieg spielt, war Weber beim Blättern einer Sammlung von Geister- und Spukgeschichten aus dem Jahr 1810 gekommen. O-Ton Carlos Kleiber: „Glauben Sie an Gespenster? Ja! Das ist sehr gut. Es ist für die Ouvertüre wichtig. Für die Länge der Ouvertüre glauben sie bitte an Gespenster, ja?!“
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