Preview only show first 10 pages with watermark. For full document please download

Tanz Den Adolf Hitler - Bayerischer Rundfunk

   EMBED


Share

Transcript

Manuskript radioWissen SENDUNG: 07.08.2015 09.30 Uhr / B 2 AUFNAHME: STUDIO: RADIOWISSEN AM FREITAG TITEL: „Tanz den Adolf Hitler“ - Musik als Propagandamittel der Neonazis AUTOR: Thies Marsen REDAKTION: Nicole Ruchlak PRODUKTION: Martin Trauner TECHNIK: Susanne Harasim PERSONEN: Sprecher: Detlef Kügow Musik, Atmo ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 2 MUSIK CD 44738#1 Richard Strauss „Also sprach Zarathustra“ (Anm.: mit Nebengeräuschen, vielleicht besser Studioaufnahme spielen???) - darüber: SPR Oktober 2004 in der kleinen thüringischen Stadt Leinfelde, Bundesparteitag der NPD. Die Spitzen der Partei marschieren in die städtische Turnhalle ein – zu den Klängen von Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“. ZSP MUSIK – hoch NPD-Einmarsch Parteitag Leinefeld Richard Strauss „Also sprach Zarathustra“ - darüber: SPR Dramatisch, mächtig, kraftvoll – auch ein wenig unheimlich und bedrohlich – so will die neonazistische Partei erscheinen, und um diesen Eindruck zu erzeugen, kommt ihnen die Musik von Richard Strauss gerade recht. Strauss, ein Komponist, der einst mit den historischen Nationalsozialisten paktierte, ist auch bei den heutigen Nazis beliebt, ebenso wie der Antisemit Richard Wagner. Das liegt nicht nur an ideologischen Gemeinsamkeiten, sagt die Münchner Musikpädagogin Diemut Köhler. ZSP Diemut Köhler 11 Dann ist es einfach eine Musik, die ganz stark ans Gefühl geht und die auch schon durch diesen großen Orchesterapparat einfach unglaublich mächtig ist mit den vielen Blechblasinstrumenten. Hitler hat es geliebt, Wagner zu hören, Hitler hat es geliebt nach Bayreuth zu fahren und so hat man also die Wagner-Opern auch wirklich ganz, ganz stark benützt, und um mit Musik zu manipulieren, ist es sicher auch eine genial gewählte Musik. SPR ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 3 In Sachen Manipulation sind die Nationalsozialisten höchst modern. Sie bauen einen professionellen Propaganda-Apparat auf, erforschen wissenschaftlich, wie man Menschen am besten beeinflusst, setzen auf neue Techniken wie das Radio und perfektionieren nicht nur die visuelle Manipulation etwa durch Plakate, sondern auch die akustische. ZSP Diemut Köhler 02 – 15'' Man hat sehr viel über den Volksempfänger ausgestrahlt. Bei Aufmärschen, irgendwelchen Versammlungen, irgendwelchen Festen hat man sehr viel Musik gemacht und man hat damit immer versucht, also vor allem durch das Singen, das Gemeinschaftsgefühl der Leute zu stärken. ZSP Diemut Köhler 01 Da muss man vielleicht mal überlegen, warum Musik für so was gerade gut geeignet ist und zwar ist es so, dass der Gehörsinn und der Riechsinn ganz stark ans Kleinhirn gebunden sind, so das wir instinktiv reagieren. Kennen wir alle, wir hören irgendeinen Marsch, wir gehen automatisch so und es ist total schwierig, die Füße dagegen zu setzen, also das ist so was, was sich automatisch einstellt und das haben die Nazis sehr gut erkannt und so haben sie sehr stark die Musik mit reingezogen, um damit eine Wirkung zu erzielen, die sie erreichen wollten. ZSP MUSIK Horst-Wessel-Lied - darüber: SPR Bestes Beispiel: Das Horst-Wessel-Lied, geschrieben von und benannt nach dem 1930 erschossenen SA-Mann Horst Wessel. Das Lied ist die Parteihymne der NSDAP und nach der Machtübernahme der Nazis wird es die inoffizielle Nationalhymne Deutschlands. ZSP Diemut Köhler 04 Man hat eine Melodie genommen, die es also schon vorher gab. Die ist sehr eingängig, 4/4-Takt, auftaktig, schöner Marschrythmus, kann man von der Melodieführung wunderbar ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 4 mit Terz- oder Sextparallelen begleiten, was sehr ans Gemüt geht, was sehr innig ist. Zugleich kann man die Beine wieder mit recht-links-rechts-links im 4/4-Takt werfen und mitmarschieren. Und diese sehr eingängige Melodie, die haben sich also die Nationalsozialisten gewählt und haben da drunter den Text von Horst Wessel gesetzt, also „Die Fahnen hoch“ usw. ZSP MUSIK - hoch Horst-Wessel-Lied - darüber ZSP Diemut Köhler 03 So Leute im Alter unserer Eltern, Großeltern, die die Zeit erlebt haben, die sagen immer, sie haben das damals auch oft gerne gesungen, weil sie sich gar nicht groß Gedanken gemacht haben, was da dahinter steckt. Der Horst Wessel, der hat ihnen Leid getan, weil er ums Leben gekommen ist und dann haben sie das halt mitgesungen. SPR Nach 1945 erlassen die Alliierten ein Verbot des Horst-Wessel-Liedes, es gilt bis heute – es ist sogar illegal, öffentlich die Melodie zu spielen. Dennoch erklingt das Horst-WesselLied seither immer mal wieder: Früher auch schon mal gespielt bei Bundeswehr-Feiern und gesungen von betrunkenen Staatsanwälten, immer noch abgespielt bei Neonazifeiern. Dieses Musikstück dagegen ist nicht verboten: ZSP MUSIK CD58311#4 Badenweiler-Marsch (aus dem BR-Archiv) - darüber SPR Der Badonviller-Marsch, den die Nazis eindeutschten in „Badenweiler-Marsch“. Hitlers Lieblingsmarsch, der regelmäßig bei seinen Auftritten gespielt wurde. ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 5 Das Stück wurde zwar vor der NS-Zeit geschrieben, doch es ist sozusagen kontaminiert. Ein Volksmusikant spricht aus Erfahrung. ZSP 01 (Anm.: will nicht namentlich genannt werden) Also ich habe das öfter erlebt mit der Blasmusik im Festzelt, wenn der Pegel dementsprechend hoch war, also wenn die Leute viel getrunken haben, dann kamen welche und haben sich den Badenweiler-Marsch gewünscht und wenn die Musikkapelle diesen Badenweiler-Marsch dann angestimmt hat, dann sind tischeweise die Leute aufgestanden und haben diesen sogenannten Hitlergruß gemacht und ich habe mich irgendwann geweigert diesen Badenweiler mitzuspielen. SPR Viele Blasmusiker aber spielen ihn weiterhin - obwohl der Badenweiler Marsch für Adolf Hitler steht – oder vielleicht gerade weil? ZSP 02 Ja, es gibt die Blasmusiker, die sagen: Das ist ja so ein toller Marsch, der ist gigantisch. Er ist sehr martialisch, das gefällt ihnen scheinbar, aber das ist kein Argument, dass der musikalisch besonders hochwertig wäre. Und er wird bis heute deswegen gewünscht und auch gespielt. ZSP MUSIK – hoch (auf Schlussakkord schneiden) Badenweiler-Marsch SPR Militarismus, Aggression, Gehorsam, Gleichschritt, Disziplin, Volksgemeinschaft – die Ideologie der Nazis spiegelt sich in der Musik des sogenannten Dritten Reiches. Und was vor 1945 in Deutschland beliebt gewesen ist - vom Schlager über Strauss und Wagner bis zu Marschmusik und Volksliedern – bleibt es bei nicht wenigen auch nach der Befreiung. Jazz und Rock’n’Roll gelten als undeutsch, werden als „Negermusik“ diffamiert. ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 6 In der organisierten extremen Rechten, etwa in der 1964 gegründeten NPD, geben alte NSDAP-Parteigenossen den Ton an - und damit die Musik. Für diese Generation ist es ausgeschlossen, dass sich nationalsozialistische Ideologie und Rockmusik vereinbaren lassen. Doch das ändert sich Anfang der 80er Jahre. Und der Anstoß dazu kommt, wie so oft in der Populär-Musik, aus England. Dort ist kurz zuvor eine neue, im Wortsinne unerhörte Musikrichtung entstanden: ZSP MUSIK C118760#10 Sex Pistols: Anarchy in the UK (bei der Textzeile: “don’t know, what I want, but I know how to get it, I wanna destroy….”) - danach darüber SPR „Ich weiß nicht was ich will, aber ich weiß wie ich es bekomme, ich will zerstören“ singt die Punkrockband „Sex Pistols“ 1976. Heute gilt Punk gemeinhin als links, doch in ihren Anfängen ist die Jugendbewegung politisch ziemlich indifferent. Gemeinsamer Nenner ist das Dagegen-Sein. Der Sex Pistols-Bassist Sid Vicious etwa posiert mit Hakenkreuz-TShirt, was im einst von den Nazis bombardierten England weniger ein politisches Statement ist, sondern vor allem eine Provokation. Doch schon bald versuchen organisierte Neonazis gezielt die Anti-Haltung der Punks zu kanalisieren, allen voran die britische Neonazipartei National Front, sagt Martin Langebach, Herausgeber des Standardwerks „Rechtsrock“: ZSP Martin Langebach 04 – 32’’ Gerade wenn man sich die Lebenserinnerungen von frühen Punkmusikern anschaut, egal ob in England oder Deutschland, fällt auf, dass die politische Einschätzung der Leute oder politische Positionen zum Teil sehr diffus waren. Und genau in diese Diffusität stach damals auch die National Front hinein als sie versucht hat auf Punkkonzerten mit einfach Parolen Jugendliche anzusprechen, für sich zu gewinnen und gerade diese ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 7 nichtgefestigten Jugendlichen, die gelang es anzusprechen und dazu gehörte eben auch Ian Stuart Donaldson. SPR Ian Stuart Donaldson ist sozusagen der Urvater des Rechtsrock. Mit 18 besucht er ein Konzert der Sex Pistols, gründet daraufhin die Punk Band „Screwdriver“, drei Jahre später, 1979, tritt er in die National Front ein: ZSP Martin Langebach 05 Der Sänger wird Mitglied der Partei und auf der textlichen Ebene verändert sich das plötzlich – musikalisch bleibt es das Gleiche, Punk, Street-Punk, aber auf einer textlichen Ebene fängt er an, das umzusetzen, was er bei der Partei gehört hat. ZSP MUSIK Screwdriver: White Power (Refrain) - darüber: SPR White Power – weiße Macht, singt Ian Stuart Donaldson nun, und hetzt damit offen gegen nichtweiße Einwanderer. Nicht nur die Texte von Screwdriver ändern sich, sondern auch das Aussehen: Nun tragen die einstigen Punks hohe Schnürstiefel, hochgekrempelte Jeans, Hosenträger und kurz geschorene Haare – Screwdriver werden Skinheads. Die Skinheads sind eine Jugendbewegung aus der britischen Arbeiterklasse, die schon in den 60er Jahren entstanden ist. Sie geben sich proletarisch und kultivieren die Gewalt – bei Fußballspielen etwa, aber bald auch gegen asiatische Einwanderer. Zwar gibt es bis heute unpolitische, ja sogar linke Skindheads, doch in den Medien und schließlich auch in der Szene selbst dominiert bald der extrem rechte Flügel, der vor allem durch rassistische Übergriffe auf sich aufmerksam macht. Dabei ist die Skinhead-Musik ursprünglich schwarz. ZSP Michael Weiß 12 ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 8 Es gab auch in den 70er Jahren schon eine extrem rechte Skinheadszene in England, die damals mit der Musikform wie Reggae und Ska verhaftet waren, die dann im Punk ihre Musik erkannt haben, endlich eine europäische Musik, endlich müssen wir nicht mehr diese in Anführungsstrichen Negermusik hören und damit fing das eigentlich alles an. SPR Sagt Michael Weiß, Musikexperte beim antifaschistischen Bildungszentrum apabiz in Berlin. Die Nazi-Skins ignorieren dabei, dass auch der Punk, wie jede Form der Rockmusik, seine Wurzeln im schwarzen Blues hat: ZSP Michael Weiß SPR Doch so ganz lassen sich die offenkundigen Widersprüche nicht auflösen - zwischen der Skinhead-Subkultur, wo es vor allem um Alkoholkonsum und Gewaltexzesse geht, und der organisierten Neonaziszene, in der ideologische Schulung und Parteidisziplin im Vordergrund stehen. Das zeigt sich auch am Beispiel des Screwdriver-Sängers Ian Stuart Donaldson. 1987 tritt er aus der National Front aus und gründet seine eigene Organisation: “Blood & Honour” – Blut und Ehre – ein neonazistisches Musik-Netzwerk von der Szene für die Szene. Und mit einem bewaffneten Arm: “Combat 18”– die Zahl 18 steht für Adolf Hitler. Neonazis aus dem Umfeld von Combat 18 verüben Morde und Anschläge – darunter Briefbomben gegen farbige Sportler und Nagelbombenattentate auf Migrantenviertel und Schwulenbars in London Ende der 90er Jahre. In zahlreichen Ländern gründen sich “Blood & Honour”-Sektionen – auch in Deutschland, wo die Organisation zwar im Jahr 2000 verboten wird, aber nach wie vor aktiv ist. Ohne Blood and Honour hätte es vermutlich auch die Terrorgruppe NSU nicht gegeben. Als die drei Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe 1998 vor der Polizei flüchten, werden sie von dem Netzwerk jahrelang unterstützt - Blood and Honour-Aktivisten besorgen den angehenden Terroristen konspirative Wohnungen, versuchen Waffen zu besorgen und sammeln bei Neonazikonzerten Geld für die Untergetauchten. ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 9 ZSP MUSIK (7'' bis Wortbeginn drunter legen, dann freistehend bis Refrain: Deutschland, Deutschland - Vaterland) Böhse Onkelz: Deutschland - darüber SPR Das Lied “Deutschland” der Böhsen Onkelz, veröffentlicht 1984 auf dem Album “Der nette Mann”. Wegen nationalsozialistischer Tendenzen und Gewaltverherrlichung wird die Platte indiziert und schließlich sogar beschlagnahmt – der erste derartige Fall in der bundesdeutschen Geschichte. Und bei weitem nicht der letzte. Inzwischen werden jährlich weit über 100 Neonazi-Veröffentlichungen indiziert. Die Böhsen Onkelz sind so etwas, wie die deutschen Screwdriver, sagt der Rechtsrock-Experte Martin Langebach. ZSP Martin Langebach 07 Sie galten zumindest in der ersten Hälfte der 80er Jahre als Deutschlands Antwort auf Screwdriver. Und das kann man auch daran nochmal sehen, dass sie auf dem gleichen Plattenlabel damals waren wie Screwdriver. ZSP MUSIK- hoch Böhse Onkelz: Deutschland - darüber SPR In Großbritannien wird der Nazirock von der extrem rechten Partei National Front angestoßen, die gezielt in der Punkszene agitiert. In Deutschland dagegen formiert sich der Rechtsrock dank des britischen Vorbilds zunächst unabhängig von den organisierten Neonazis. ZSP Martin Langebach 09 Die schon in den 60er Jahren gegründete NPD hat lange gebraucht, die Skinheads in den eigenen Reihen zu akzeptieren. Anders bspw. jüngere Parteigründungen, wie die später ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 10 verbotene Nationalistische Front, die sich sehr, sehr früh für Skinheads geöffnet hat oder die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei, auch später verboten, die sehr früh begann, in der zweiten Hälfte der 80er Jahre auch Skinheads aufzunehmen. Und natürlich ist das die große Diskrepanz: Wie geht man mit diesen Jugendlichen, diesen jungen Erwachsenen um, die so undiszipliniert, so asozial sich verhalten haben, und eben nicht dem entsprachen, was man unter einem deutschen Nationalisten, einem aufrechten Nationalen gerne verstanden wissen wollte. SPR Inzwischen gibt es keine Berührungsängste mehr. Ganz im Gegenteil: Seit den 90er Jahren integriert die NPD gezielt die Neonazi-Musikszene in die Partei. Sie veranstaltet Konzerte, was den Vorteil hat, dass diese unter den Schutz des Parteiengesetzes fallen und schwerer verboten werden können. Und sie bringt selbst braune Töne unters Volk, etwa mit ihrem schlagzeilenträchtigen Projekt, der kostenlosen „Schulhof-CD“: SPR Doch Neonazis nutzen den Rechtsrock nicht nur zur Propaganda, sondern auch für den Profit: Maßgebliche Produzenten und Aktivisten des Rechtsrock sind zwischenzeitlich NPD-Mitglied oder sogar in den Parteivorstand gewählt worden und können ihre Geschäfte unter dem Deckmantel der Partei betreiben, sagt der Neonazi-Aussteiger Jan Zobel, der selbst jahrlang in NPD und Rechtsrock-Geschäft aktiv war: ZSP Jan Zobel 02 Es ist natürlich sehr lukrativ, wenn man Sachen für ein paar Cent irgendwo fertigen lassen kann und sie hier für das Hundertfache dann nachher verkaufen kann, da sind die Gewinnspannen ganz immens. SPR Nach der Wiedervereinigung ist der deutsche Rechtsrockmarkt geradezu explodiert. Dutzende Labels und Versandhäuser beliefern die rechte Kundschaft, CDs erscheinen inzwischen in Auflagen von mehreren Tausend. Verlässliche Zahlen gibt es zwar nicht, ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 11 aber es darf als sicher gelten, dass die Umsätze in die Millionen gehen, sagt Musikexperte Michael Weiß: ZSP Michael Weiß 08 – 33’’ Alleine von dem harten Nazirock haben wir bestimmt eine dreistellige Anzahl von Personen, die davon leben, wir haben Profimusiker in diesem Bereich, wir haben bestimmt 20 Versände und Labels, die hauptberuflich betrieben werden. ZSP Jan Zobel 03 – 15'' Es ist ja ein ganzes Angebot was gemacht wird, es ist ja nicht nur CDs oder nicht nur TShirts, sondern es ist inzwischen ja soweit, es gibt sogar Parfum – für die Frau Wallküre, dann für den Herrn Nationalist, der herbe Duft vom Großdeutschen Reich. Es wird ein rechtes Lifestyle angeboten. SPR Und der rechte Lifestyle besteht längst nicht mehr nur aus der Skinhead-Subkultur, betont Buchautor Martin Langebach. ZSP Martin Langebach 12 – 19’’ Wir haben in Deutschland zumindest seit Ende der 90er Jahre eine wachsende nationalsozialistisch geprägte Hard-Core-Szene, wir haben auch Elemente, dass Bands aus der extremen Rechten zugegangen sind auf die Black Metal Szene, auf die Heavy Metal Szene und wir haben – eines der jüngeren Beispiele – extrem rechten HipHop. ZSP MUSIK (10'' freistehen - drunterlegen) Sprachgesang zum Untergang: Nationaler Sozialismus – jetzt „Nationale Sozialisten auf die Straße voran... - darüber SPR Die Band Sprachgesang zum Untergang rappt Nazi-Parolen – ein Musikprojekt gegründet ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 12 von rechten Aktivisten. Selbst der ursprünglich afroamerikanische HipHop wird zum Träger von NS-Propaganda - nur ein Beispiel für die Ausweitung der Kampfzone. Kaum ein Genre scheint sicher zu sein vor brauner Vereinnahmung. Auch im Dark Wave versuchen Neonazis sich breit zu machen, insbesondere im sogenannten Neofolk. ZSP MUSIK (9'' freistehend - drunterlegen) Von Thronstahl: Dressed in black Uniforms „Dressed in Black Uniforms.... SPR Josef Klumb, Sänger der Band „Von Thronstahl“ besingt schwarze Uniformen – und meint damit ganz offensichtlich die SS. In Teilen der sogenannten Schwarzen Szene gibt es einen regelrechten Uniformfetischismus, der so manches Mal einhergeht mit einer nicht nur ästhetischen Begeisterung für den Nationalsozialismus. Immer wieder haben auch Musiker anderer Stilrichtungen sich der Ästhetik der NS-Zeit bedient – Rammstein etwa, die eines ihrer Videos aus Leni-Riefenstahl-Filmen montierten oder die slowenische Gruppe Laibach mit ihren martialischen Bühnenauftritten. Das Spiel mit Symbolen muss aber nicht gleichbedeutend sein mit brauner Ideologie, betont Michael Weiß: ZSP Michael Weiß 04 Das darf auch ein Künstler, er darf auch provozieren und da kann ich jetzt nicht auftreten und Geschmackspolizei spielen. Aber die spannende Frage ist doch: Wann wird Provokation zu Propaganda, wann wird Ambivalenz zur Eindeutigkeit. ZSP Michael Weiß 03 Wir haben da so Beispiele auch von Popbands gerade, die auch einen irrsinnigen Erfolg haben, Freiwild z.B. Diese Band vertritt ganz klar einen Südtiroler Nationalismus und sie vertritt auch ganz klar völkische Thesen, indem sie eben Zugehörigkeit zur Nation oder zu Südtirol über Brauchtum Tradition und ähnliches definiert. Da gibt es keine Brüche, da wird das Publikum nicht zum Nachdenken angeregt oder mit irgendwas Überraschenden ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 13 konfrontiert.) Aber diese Band sagt von sich: Wir sind unpolitisch, wir haben doch mit Politik gar nix zu tun. Und es sind auch 98 Prozent der Fans, die sagen, ja klar, die Band ist unpolitisch, die sagt das doch selber. SPR Wann ist Musik rechts? Eine Frage, die sich nicht nur bei Marschmusik, Volksliedern, Wagner und Strauß stellt, sondern auch bei der Populärmusik. Die Meinung gehen nicht nur bei Fans und Musikern auseinander, sondern auch bei Experten: ZSP Martin Langebach 01 Rechtsrock definieren wir im Kollegenkreis als moderne Musik, Rockmusik mit extrem rechten Texten, das heißt mit antisemitischen, rassistischen, nationalistischen Texten. Dabei wird nicht auf die Musik, also auf den Stil der Musik abgehoben. ZSP Michael Weiß 01 Ich finde das natürlich ein bisschen wacklig, weil Neonazirock und Rechtsrock müsste man eigentlich noch mal unterscheiden. Nazirock ist Nazirock und d.h. das sind Leute, die ein positives Verhältnis zum Nazismus, zum Neonazismus oder zum Nationalsozialismus haben und das mag ich bei einigen Bands nicht sehen, die aber von ihren Texten doch eindeutig sich politisch rechts positionieren, indem sie eben rechte Ideologieelemente transportieren wie Rassismus, wie Antisemitismus, wie Nationalismus. Rechtsrock ist eine Rockmusik, die über musikalische Botschaften rechte Inhalte transportiert, über Texte, über Ästhetik oder meistens einer Gemengelage aus all dem. ZSP MUSIK (fängt an mit Gegröle – drunterlegen - Gesang setzt ein bei 18'') Edei in Budapest: „Wir stellen die jüdische Drecksau zum letzten entscheidenden Schlag...“ - danach drüber gehen ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 14 SPR Manchmal aber ist die Sache doch ziemlich eindeutig – wenn etwa der bayerische Liedermacher Edei bei einem Auftritt 2007 in Budapest von der jüdischen Drecksau singt, die zum entscheidenden Schlag gestellt werden soll. Bis das Publikum begeistert „Juden raus“ grölt. ZSP MUSIK - hoch Edei in Budapest: 1'10 Lied-Ende, Publikum grölt „Juden raus“ - darüber SPR Neonazi-Rock ist eben mehr als ein Propagandamittel, er dient auch zur Selbstvergewisserung der Szene – und er ist der Soundtrack zu Hass und Gewalt. Hass und Gewalt sind immanenter Bestandteil der extrem rechten Ideologie – und damit auch der extrem rechten Musik. Laut der Amadeu-Antonio-Stiftung haben Neonazis in den 25 Jahren nach der Wiedervereinigung mindestens 184 Menschen umgebracht, weil sie nicht in ihr Weltbild passten. Und so mancher Mörder putscht sich vorher mit Musik auf. So auch im April 2008 in Memmingen: Ein polizeibekannter Neonazi hört in seiner Wohnung bei voller Lautstärke Rechtsrock. Als sich der 40jährige Nachbar beschwert, nimmt der Neonazi ein Bajonett und sticht zu. ENDE ___________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de