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Thermodynamik Und Statistik - Institut Für Theoretische Physik

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Institut f¨ ur Theoretische Physik Technische Universit¨ at Berlin Theoretische Physik IVa Thermodynamik und Statistik Udo Scherz Wintersemester 2006/07 1 Temperatur und W¨ armemenge Wir untersuchen in dieser Vorlesung thermodynamische Systeme, die aus sehr vielen, etwa N A = 6·1023 , gleichartigen Teilchen, d.h. Atomen oder Molek¨ ulen, bestehen. Dies k¨ onnte z.B. 1 Liter He-Gas sein, oder auch eine Mischung verschiedener Teilchen, also etwa Luft, sowie Fl¨ ussigkeiten oder Feststoffe. Die Zahl der Freiheitsgrade aller Teilchen ist dann proportional zu N A und wir messen makroskopische Gr¨ oßen wie Druck p, Volumen V , Gesamtmasse M , Massendichte ρ = M/V , Magnetisierung M oder elektrische Polarisation P, die das System als Ganzes charakterisieren. Es werden dann Gesetze zwischen diesen wenigen makroskopischen Observablen gesucht, die unabh¨ angig sind von den Werten der vielen mikroskopischen Observablen der Einzelteilchen. Anders ausgedr¨ uckt: Es wird davon ausgegangen, dass es sehr viele mikroskopische Zust¨ ande der NA Teilchen gibt, die die gleichen Werte der makroskopischen Observablen erzeugen. Die Vorlesung gliedert sich in zwei Teile: Im gr¨ oßeren Teil der ph¨ anomenologischen Thermodynamik werden die Gesetze zwischen den makroskopischen Observablen besprochen und ihre technische Anwendung behandelt. Im k¨ urzeren Teil der Statistik werden die Grundlagen einer axiomatischen Herleitung der ph¨ anomenologischen Thermodynamik aus den mikroskopischen Eigenschaften behandelt. 1.1 Grundbegriffe A Temperatur Zu den bisher erw¨ ahnten makroskopischen Observablen kommt als neue Messgr¨ oße die Temperatur ¨ hinzu: Bei der Kontaktierung verschiedener K¨ orper kann es zu Anderungen des Volumens oder des Druckes kommen, sodass eine Reihenfolge der K¨ orper auf einer Geraden hergestellt werden kann. Zu einer einheitlichen Messgr¨ oße Temperatur gelangt man durch die Vorschrift, dass das Thermometer als Maßstab eine so kleine Masse besitzt, dass sich die makroskopischen Observablen des zu messenden Objektes durch die Kontaktierung praktisch nicht a ¨ndern. Die Temperaturskala in ◦ C erh¨ alt man, indem f¨ ur schmelzendes Eis t = 0 ◦ C und f¨ ur siedendes Wasser t = 100 ◦ C bei einem Druck von p = 1 b = 105 Pa gesetzt wird. Zum Beispiel kann ein Thermometer die Volumen¨ anderung einer Fl¨ ussigkeitss¨ aule, die Kr¨ ummung eines Bimetallstreifens, die elektrische Spannung eines Thermoelementes oder den elektrischen Widerstand eines Halbleiters messen. Zwischen diesen Thermometern kann es zu kleinen Abweichungen kommen, sodass f¨ ur eine allgemein g¨ ultige ph¨ anomenologische Thermodynamik eine materialunabh¨ angige Temperaturskala gesucht werden muss. Im Temperaturbereich von 0 bis 100 ◦ C erf¨ ullen einige Gase, wie z. B. Helium, die Gesetze von . Boyle-Mariotte pV ist bei fester Temperatur eine Konstante, . Gay-Lussac V (t) = V0 (1 + αt) bei p = konst. mit α = 1/273.2 ◦ C, p(t) = p0 (1 + αt) bei V = konst., . Avogadro M Bei gleichem Druck und gleicher Temperatur verhalten sich die Dichten V zweier Gase wie ihre Molekulargewichte m M1 M2 m1 V 1 m2 V 2 Volumen : = m1 : m2 oder = = . V1 V2 M1 M2 Anzahl der Teilchen Unter einem Mol ist diejenige Stoffmenge definiert, die aus der gleichen Anzahl von Teilchen (Molek¨ ulen oder Atomen) besteht, wie 12 Gramm des Kohlenstoffisotops 12 C. Dann ist das Volumen eines Mols oder das Molvolumen v f¨ ur alle diese Gase gleich und es gilt die gleiche Gasgleichung mit der absoluten Gastemperatur T = 273.2 ◦ C + t in K (Kelvin) pv = p0 v0   p0 v0 t = 1+ T = RT 273.2 ◦ C 273.2 ◦ C und der Gaskonstante R = 8.3145 JK−1 mol−1 . Betrachtet man das Volumen V = nv von n Molen eines Gases, so lautet die Zustandsgleichung des idealen Gases pV = nRT. Es gilt außerdem das Gesetz von . Dalton Bei einem Gemisch zweier Gase, z.B. Luft, nimmt jedes Einzelgas das gleiche Volumen V ein, und der Gesamtdruck p = p1 + p2 ist die Summe der Partialdr¨ ucke p1 und p2 p1 V = n1 RT und p2 V = n2 RT . Zusammen ergibt das pV = (n1 + n2 )RT , n1 n2 und man erh¨ alt f¨ ur die Partialdr¨ ucke p1 = p und p2 = p. n1 + n 2 n1 + n 2 Die Zustandsgleichung des idealen Gases kann durch Messung von pv/R in einem begrenzten Temperaturbereich als materialunabh¨ angiges Thermometer verwendet werden. Durch die sp¨ ater u ¨ber den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik eingef¨ uhrte thermodynamische Temperatur lassen sich dann auch Temperaturen mit Hilfe der adiabatischen Entmagnetisierung bis in den Mikro-Kelvin-Bereich und mit Hilfe der spektralen Intensit¨ atsverteilung der elektromagnetischen Strahlung auch Temperaturen oberhalb der Schmelztemperaturen technischer Feststoffe messen. B Makroskopische Observable Bei den Observablen thermodynamischer Systeme unterscheidet man die extensiven Gr¨ oßen, deren Wert proportional zur Stoffmenge ist, z.B. Anzahl der Mole, von den intensiven Gr¨ oßen, die von der Stoffmenge unabh¨ angig sind: extensive Gr¨ oßen sind: intensive Gr¨ oßen sind: V , M , elektrische Polarisation P, Magnetisierung M, p, T , Dichte ρ = M/V , elektrische Feldst¨ arke E, Magnetfeld H. Die makroskopischen Observablen denken wir uns als r¨ aumliche und zeitliche Mittelwerte der mikroskopischen Observablen. Gemittelt wird dabei u ¨ber kleine Volumina (∆x) 3 bzw. u ¨ber Zeitintervalle ∆t, die kleiner sind als das r¨ aumliche bzw. zeitliche Aufl¨ osungsverm¨ ogen der Messapparatur. Innerhalb von (∆x)3 sollen sich noch eine große Anzahl von Teilchen befinden und innerhalb von ∆t gibt es viele zeitliche Ver¨ anderungen der mikroskopischen Gr¨ oßen. F¨ ur die makroskopischen Gr¨ oßen wird dann ρ(x) angenommen, dass sie sich innerhalb ∆x bzw. ∆t nur wenig a ¨ndern. Die Mittelung soll ferner so durchgef¨ uhrt werden, dass sich die makroskopischen Observablen im Rahmen der Messgenauigkeit differenzieren lassen. ∆x x Ein thermodynamischer Zustand liegt vor, wenn alle Observablen bzw. Variablen eindeutig gegeben sind. Im thermodynamischen Gleichgewicht a ¨ndert sich der Zustand des Systems bei konstanten Nebenbedingungen nicht. Ein Gleichgewichtszustand h¨ angt also davon ab, welche Gr¨ oßen festgehalten werden und welche sich frei a ¨ndern k¨ onnen. C Zustands¨ anderungen Wir beschr¨ anken uns vorl¨ aufig auf Systeme im thermodynamischen Gleichgewicht und wollen ¨ Anderungen von a ¨ußeren Variablen, z.B. Volumen¨ anderungen, so langsam vornehmen, dass sich die Systeme praktisch immer im Gleichgewicht befinden. Kommt man bei solchen Zustands¨ anderungen auf den Anfangszustand zur¨ uck, so nennt man das einen Kreisprozess. Er l¨ asst sich dann beliebig wiederholen, was bei periodisch arbeitenden W¨ armekraftmaschinen von Bedeutung ist. Werden an einem thermodynamischen System Zustands¨ anderungen so durchgef¨ uhrt, dass keine W¨ arme in das System hinein oder hinaus gelangen kann, ist es also thermisch isoliert, so nennt man das einen adiabatischen Prozess. Werden die Zustands¨ anderungen an einem thermodynamischen System durchgef¨ uhrt, das sich in st¨ andigem Kontakt mit einem großen W¨ armespeicher der Temperatur T befindet, so a ¨ndert sich seine Temperatur nicht, und es handelt sich um isotherme Zustands¨ anderungen. D W¨ armemenge Wird an einem thermodynamischen System Arbeit geleistet, so erh¨ oht sich dessen Temperatur. Solche Arbeiten sind z.B. (H Magnetdeld, M Magnetisierung, E elektrisches Feld, P Polarisation) dA = −p dV Volumenarbeit dA = V µ0 H · dM Magnetisierungsarbeit dA = V E · dP Polarisationsarbeit. Eine Temperatur¨ anderung tritt auch durch Kontakte mit anderen thermodynamischen Systemen ein. Weil die Temperatur¨ anderung bei unterschiedlichen Stoffen unterschiedlich groß ist, wird der Begriff der W¨ armekapazit¨ at eingef¨ uhrt ∆Q C(T ) = . ∆T Hiebei ist ∆Q die zugef¨ uhrte W¨ armemenge und ∆T die Temperaturerh¨ ohung. Man z¨ ahlt die einem System zugef¨ uhrte Energie (Arbeit oder W¨ arme) positiv und die abgef¨ uhrte Energie stets negativ, sodass die W¨ armekapazit¨ at immer positiv ist. Energien in Form von Arbeiten oder W¨ armemengen werden in Einheiten J = Ws gemessen. Die Einheit Kalorie, die fr¨ uher durch die W¨ armemenge definiert war, die erforderlich ist, um 1 g Wasser um 1 ◦ C zu erw¨ armen, ist heute durch 1 cal = 4.1868 J festgelegt, und wurde als mechanisches W¨ arme¨ aquivalent bezeichnet. Wird die W¨ armekapazit¨ at auf 1 Mol eines Stoffes bezogen, so spricht man von der molaren W¨ armekapazit¨ at c(T ) oder der Molw¨ arme. Extensive Gr¨ oßen, die auf 1 Mol bezogen sind, werden u ¨blicherweise durch kleine Buchstaben gekennzeichnet. 1.2 Erster Hauptsatz der Thermodynamik Wir betrachten ein thermodynamisches System, dem wir eine beliebige W¨ armemenge δQ zuf¨ uhren, und an dem wir eine Arbeit dA leisten wollen. Werden umgekehrt dem System solche Energien entnommen, so gilt der Erfahrungssatz: Es ist unm¨ oglich ein perpetuum mobile” erster Art zu konstruieren. Dies ist ” eine von der Umwelt isolierte Maschine, die st¨ andig Arbeit abgibt ohne Energie aufzunehmen. Daraus schließt man auf einen Energieerhaltungssatz, der mit Hilfe der inneren Energie U formuliert wird. Zur Vereinfachung betrachten wir speziell p-V -T -Systeme, d.h. thermodynamische Systeme, die durch p, V und T vollst¨ andig beschrieben sind. Als Arbeit kommt dann nur Volumenarbeit dA = −p dV in Betracht. Zwischen diesen Variablen soll eine mathematische Beziehung, die sog. Zustandsgleichung, bestehen, so dass nur zwei von ihnen unabh¨ angig sind. Wir w¨ ahlen hierf¨ ur p und V , sodass die Temperatur dadurch festliegt T = T (p, V ), und die innere Energie nur von p und V abh¨ angt U = U (p, V ). Der Energieerhaltungssatz ist gew¨ ahrleistet durch dU = δQ − p dV erster Hauptsatz der Thermodynamik, wobei dU =  ∂U ∂p  V dp +  ∂U ∂V  p dV ein totales Differenzial ist. Hierbei ist U (p, V ) eine Zustandsfunktion und das Integral von einem Zustand p1 , V1 in einen Zustand p2 , V2 ist vom Wege unabh¨ angig p Z p2 ,V2 Z p2 ,V2  δQ + dA . dU = U (p2 , V2 ) − U (p1 , V1 ) = p2 , V 2 p1 ,V1 p1 ,V1 B A Zur Veranschaulichung nehmen wir im Gegenteil an, dass das Integral auf den Wegen A und B verschiedene Werte hat, dann gilt z.B. Z 2 (δQ + dA) < 1A Z 2 (δQ + dA) oder 1B Z AB AB V 2 (δQ + dA) + 1A Zusammengefasst beschreiben die Integrale einen Kreisprozess I I I (δQ + dA) = δQ + dA < 0 oder AB p1 , V 1 Z 1 (δQ + dA) < 0. 2B I δQ < AB I (− dA). AB H Dies bedeutet aber, dass die durch den Kreisprozess abgegebene Arbeitsenergie AB (− dA) gr¨ oßer H ist als die vom System aufgenommene W¨ armemenge AB δQ. Da sich der Kreisprozess beliebig oft wiederholen ließe, w¨ are das ein Widerspruch zum Energiesatz. Infolge dessen muss im ersten Hauptsatz H der Thermodynamik die innere Energie U eine Zustandsfunktion mit dU = 0 sein. Anwendungen . Versuch von Gay-Lussac L¨ asst man He-Gas in einem Gef¨ aß mit dem Volumen V adiabatisch in ein Vakuum expandieren, so a ¨ndert sich die Temperatur nicht. Bei dieser Zustands¨ anderung wird He-Gas Vakuum keine W¨ arme zu- oder abgef¨ uhrt δQ = 0 und keine Arbeit geleistet dA = 0. Dr¨ uckt man dann die innere Energie U durch die unabh¨ angigen Varaiblen V und T aus U (V, T ), so ergibt der erste Hauptsatz der Thermodynamik wegen dT = 0, dV 6= 0         ∂U ∂U ∂U ∂U 0 = δQ + dA = dU = dV + dT = dV mit der Folge = 0. ∂V T ∂T V ∂V T ∂V T Die innere Energie des idealen Gases ist also vom Volumen unabh¨ angig. . W¨ armekapazit¨ at Bei p-V -T -Systemen unterscheidet man die W¨ armekapazit¨ aten bei konstantem Volumen bei konstantem Druck mit der Enthalpie I = U + pV .    δQ ∂U CV = = wegen dA = −p dV = 0, δT V ∂T V         δQ dU + p dV ∂(U + pV ) ∂I Cp = = = = δT p δT ∂T ∂T p p p  . Zustandsfunktion innere Energie Weil nur zwei der Variablen p, V , T wegen der Zustandsgleichung (etwa pV = nRT beim idealen Gas) unabh¨ angig sind, gibt es drei M¨ oglichkeiten die beiden unabh¨ angigen auszuw¨ ahlen     ∂U ∂U U = U (p, V ) mit dem totalen Differenzial dU = dp + dV ∂p V ∂V p     ∂U ∂U U = U (p, T ) mit dem totalen Differenzial dU = dp + dT ∂p T ∂T p     ∂U ∂U U = U (V, T ) mit dem totalen Differenzial dU = dV + dT. ∂V T ∂T V In der Thermodynamik ist es u ¨blich, f¨ ur diese drei verschiedenen Funktionen denselben Buchstaben U zu verwenden. Um Missverst¨ andnisse zu vermeiden, sollen deshalb die unabh¨ angigen Variablen stets angegeben werden und bei den partiellen Ableitungen ist die konstant zu haltende Variable immer als Index hinzuzuf¨ ugen. . Differenz der W¨ armekapazit¨ aten Aus dem ersten Hauptsatz ergibt sich mit der inneren Energie U (V, T )     h  ∂U  i ∂U ∂U δQ = dU + p dV = dT + dV + p dV = CV dT + + p dV. ∂T V ∂V T ∂V T Zur Umrechnung auf die Variablen p und T hat die Zustandsgleichung in der Form V = V (p, T ) das totale Differenzial dV =  ∂V ∂p  T dp +  ∂V ∂T  dT. p Eingesetzt wird daraus δQ = CV dT +  ∂U ∂V  +p T   ∂V ∂p   dp + T ∂V ∂T   ,  dT , p und man erh¨ alt f¨ ur die W¨ armekapazit¨ at bei konstantem Druck Cp =  δQ dT  = CV + p  ∂U ∂V  +p T  ∂V ∂T  . p bzw. f¨ ur die Differenz der W¨ armekapazit¨ aten Cp − C V = Speziell beim idealen Gas ist Cp − CV = nR mit cv = CV Cp und cp = . n n  ∂U ∂V  T  ∂U ∂V  T +p  ∂V ∂T p T = 0 und V (p, T ) = nR mit p  ∂V ∂T  p = nR , und man erh¨ alt p oder f¨ ur die Molw¨ armen des idealen Gases cp − cv = R 1.3 Zustands¨ anderungen Zustands¨ anderungen lassen sich je nach den Nebenbedingungen auf unterschiedliche Weise durchf¨ uhren. Bei p-V -T -Systemen sind das z.B. adiabatische Zustands¨ anderungen mit δQ = 0 isotherme Zustands¨ anderungen mit dT = 0 isobare Zustands¨ anderungen mit dp = 0 isochore Zustands¨ anderungen mit dV = 0. Bestimmung der Zustandsgleichung Insbesondere bei Festk¨ orpern und Fl¨ ussigkeiten wird die Zustandsgleichung durch isotherme Messung des Kompressionsmoduls   ∂p B(T, p) = −V (T, p) mit B = p beim idealen Gas ∂V T und durch isobare Messung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten   ∂V 1 1 α(T, p) = mit α = beim idealen Gas V (T, p) ∂T p T bestimmt, und es gilt αB = pβ mit dem Spannungskoeffizienten   ∂p 1 1 β(T, V ) = und β = beim idealen Gas. p(T, V ) ∂T V T Zum Beweis der Zustandsgleichung αB = pβ gehen wir von der Form p = p(T, V ) aus und betrachten eine isobare Zustands¨ anderung           ∂p ∂V ∂p ∂p ∂p 0 = dp = dT + dV oder 0 = + = pβ − Bα. ∂T V ∂V T ∂T V ∂V T ∂T p Adiabatische Zustands¨ anderungen ¨ Bei p-V -T -Systemen folgt aus den ersten Hauptsatz δQ = dU +p dV = 0. Die Anderungen der inneren Energie U lassen sich u ¨ber die W¨ armekapazit¨ at Cp und CV bestimmen, und man erh¨ alt aus Cp − CV von Abschn. 1.2 mit U = U (V, T )         ∂U ∂V ∂U ∂U Cp − C V = +p und δQ = 0 = dU + p dV = dV + dT + p dV ∂V T ∂T p ∂V T ∂T V und mit der Zustandsgleichung T = T (V, p) bzw. dT = " #  ∂T ∂V  dV + p Cp − C V Cp − C V   dV + CV 0= − p dV + C dT + p dV = V ∂V ∂V oder ∂T p Cp CV ∂T  ∂T ∂V  dV + p  ∂T ∂p  V p dp = 0   ∂T ∂V ∂T ∂p   dp V dV + CV p Adiabatengleichung.  ∂T ∂p  dp, V F¨ ur adiabatische Zustands¨ Gases erh¨ alt man daraus mit der Zustandsgleichung  anderungn des    idealen ∂T p V ∂T pV = nRT wegen und = = ∂V p nR ∂p V nR 0= oder ln p = − Cp p V dV + dp CV nR nR =⇒ Cp ln V + konst., und es folgt CV Cp dV dp + = 0 oder CV V p d ln p = − Cp d ln V CV pV Cp /CV = konst. 1.4 Reale Gase Die realen Gase verhalten sich nicht nur in der N¨ ahe ihrer Siedetemperatur anders als die Zustandsgleichung der idealen Gase pv = RT mit dem Molvolumen v = V /n. Bei einer Korrektur m¨ ussen die anziehenden van-der-Waals-Kr¨ afte zwischen den Molek¨ ulen ber¨ ucksichtigt werden. Der experimentell gemessene , entsteht durch Impuls¨ Druck ubertrag der an der Wand reflektierten Molek¨ ule. Durch die Anziehungskraft der u ¨brigen Molek¨ ule ist der Druck niedriger als beim idealen Gas, so dass eine positive Korrektur n¨ otig wird. Sie ist proportional zur Zahl der St¨ oße an die Wand, bzw. proportional zur Dichte ρ ∼ 1/v, und ist außerdem proportional zu den anziehenden Kr¨ aften, die ebenfalls a proportional zu ρ ∼ 1/v sind. Man hat also an Stelle von p nun p + 2 in der Zustandsgleichung zu v setzen.                Ber¨ ucksichtigt man andererseits, dass jedes Molek¨ ul ein gewisses Volumen einnimmt, wodurch der Bewegungsraum der Molek¨ ule kleiner ist, als das gemessene Volumen, so ist bei V eine negative Korrektur erforderlich. Die Zustandsgleichung hat dann nach van der Waals die Form  a p + 2 v − b) = RT v , mit vom Gas abh¨ angigen Parametern a und b. Die Abbildung zeigt die Isothermen. p pk 2 T > Tk Tk  1 T < Tk 0 0 1 2 3 4 v vk Die Isothermen haben im p-V -Diagramm bei tiefen Temperaturen ein Minimum und ein Maximum. Man definiert die kritische Temperatur Tk , den kritischen Druck pk und das kritische Volumen vk durch die Bedingungen  ∂p ∂v   =0 ; T 2 ∂ p ∂v 2  =0 ; T    a vk − b = RTk , pk + 2 vk und erh¨ alt daraus pk = a 27b2 ; vk = 3b ; Tk = 8a 27Rb bzw. a = 3pk vk2 ; b= 1 vk 3 ; R= 8 pk vk . 3 Tk Einige Werte der kritischen Gr¨ oßen sind in der Tabelle angegeben, und bei den Gasen wurden unterschiedliche Abweichungen von den Isothermen der van-der-Waals-Gleichung festgestellt. Gas H2 O CO2 O2 Luft N2 H2 He Tk (K) 647 304 154 133 126 33 5.2 pk (b) 221 73.8 51 39 35 13 2.3 F¨ ur  T < Tk gibt es zwischen Minimum und Maximum der Isothermen einen unphysikalischen Bereich ∂p mit > 0. Die beobachteten Zust¨ ande erh¨ alt man jedoch durch eine Gerade p D (T ) mit der ∂V T Maßgabe gleicher Fl¨ achen zur Isotherme. p pk 2 T > Tk Tk 1 T < Tk 0 0 1 2 3 4 v vk Die eingezeichnete Gerade, die die physikalischen Zust¨ ande bezeichnet, gibt den Dampfdruck p D (T ) bei der Temperatur T an und beschreibt die Zust¨ ande, bei denen ein Teil des Gases fl¨ ussig ist, sodass der Druck in diesem Bereich praktisch unabh¨ angig vom Volumen wird. An der vergr¨ oßerten Abbildung erkennt man, dass die Isothermen auch einen Kondensationsverzug und einen Siedeverzug beschreiben, der unter geeigneten experimentellen Voraussetzungen beobachtet wird. p pk 1 Kondensationsverzug Siedeverzug 0 0 1 2 v vk 2 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik Nicht alle thermodynamischen Zustands¨ anderungen, die mit der Zustandsgleichung und dem ersten Hauptsatz m¨ oglich sind, kommen in der Natur vor. Insbesondere gibt es Beobachtungen, die eine Zeitrichtung auszeichnen, also nicht umkehrbar sind. Ein heißer Becher Kaffee z.B. k¨ uhlt sich auf Zimmertemperatur ab, w¨ ahrend der umgekehrte Vorgang einer Erw¨ armung des Kaffees bei Abk¨ uhlung der umgebenden Luft nur bei Eiskaffee, nicht aber bei heißem Kaffee m¨ oglich ist. Man bezeichnet solche Prozesse als unumkehrbar oder irreversibel und es ist n¨ otig dies durch den zweiten Hauptsatz festzulegen. Dazu gibt es zwei Erfahrungss¨ atze, . den von Clausius: es gibt keinen Prozess mit der einzigen Wirkung W¨arme von einem k¨alteren auf einen w¨ armeren K¨ orper zu u ¨bertragen, und . den von Thomson: es gibt keinen Prozess mit der einzigen Wirkung einem System W¨arme zu entziehen und vollst¨ andig in Arbeit zu verwandeln (perpetuum mobile zweiter Art). Beide Aussagen bedingen einander, denn wenn der Erfahrungssatz von Clausius falsch w¨ are, k¨ onnte man mit der u ¨bertragenen W¨ arme eine W¨ armekraftmaschine betreiben, die Arbeit leistet, was nach Thomson nicht geht. W¨ are andererseits der Erfahrungssatz von Thomson falsch, k¨ onnte man die gewonnene Arbeit in W¨ arme verwandeln und einen w¨ armeren System zuf¨ uhren, was im Widerspruch zur Aussage von Clausius steht. 2.1 Carnot’scher Kreisprozess Dieser Kreisprozess beschreibt eine ideale, d.h. idealisierte W¨ armekraftmaschine in zweierlei Hinsicht: 1) Als Arbeitsgas wird ein ideales Gas angenommen, und 2) die Zustands¨ anderungen sollen reversibel sein, was nur durch einen a ¨ußerst langsamen Ablauf angen¨ ahert werden kann. Die W¨ armekraftmaschine entnimmt einem großen W¨ armespeicher der festen Temperatur T1 die W¨ armemenge Q1 > 0 und gibt die W¨ armemenge Q2 < 0 an den anderen W¨ armespeicher der festen Temperatur T2 < T1 ab, wobei die Arbeit A geleistet wird. Der Prozess verl¨ auft im p-V -Diagramm entlang Isothermen und Adiabaten mit den Zustandsgleichungen nRT p= V p1 V1γ p= Vγ W¨ armespeicher T1 Q1 A C f¨ ur Isothermen mit γ = Cp 5 = CV 3 Q2 f¨ ur Adiabaten. Die graphische Darstellung ist f¨ ur 1 Mol des idealen Gases gezeichnet, mit dem Molvolumen bei p0 = 1 b und der Temperatur von RT0 = 22.7 · 10−3 m3 = 22.7 l. 0 ◦ C bzw. T0 = 273, 2 K von v0 = p0 W¨ armespeicher T2 Die vier Phasen des Kreisprozesses sind im p-V -Diagramm f¨ ur n = 1 Mol dargestellt. I: isotherme Entspannung von 1 nach 2 p / 100 b Wegen T = T1 = konst. gilt dU = 0 bzw. Z 2 Z 2 2 0= δQ + dA = Q1 + A12 1 1 1 mit A12 = − Z 2 p dV = − 1 = −nRT1 ln Z 2 1 nRT1 dV V 2 V2 < 0. V1 1 T1 II: adiabatische Entspannung von 2 nach 3 A23 = − Z 2 3 p dV = − Z 2 p2 V2γ dV Vγ 1−γ  3 p2 V2γ 1−γ =− − V2 V 1−γ 3 "  # 1−γ nRT1 V3 =− −1 1−γ V2 =− T2 nR(T1 − T2 ) < 0. γ−1 4 3 0 0 1 v/l T1 = 600 K, T2 = 300 K, p1 = 200 b, p3 = 20 b  V4 > 0. V3 nR(T2 − T1 ) =− = −A23 > 0. γ−1 III: isotherme Kompression von 3 nach 4 mit A34 = −nRT2 ln IV: adiabatische Kompression von 4 nach 1 mit A41 Die insgesamt durch den Kreisprozess abgegebene Arbeit ist A = A12 + A23 + A34 + A41 = A12 + A34 = −nRT1 ln V2 V4 − nRT2 ln . V1 V3 Aus der Zustandsgleichung und der Adiabatengleichung folgt f¨ ur den Prozess von 2 nach 3 p2 V2γ = p3 V3γ =⇒ p 2 V2 p 3 V3 = V21−γ V31−γ =⇒ nRT1 nRT2 = V21−γ V31−γ =⇒  V3 V2 Entsprechernd erh¨ alt man f¨ ur den Prozess von 4 nach 1  V1 V4 1−γ = T1 T2 mit der Folge V3 V4 = V2 V1 oder und die insgesamt durch den Kreisprozess geleistete Arbeit ist A = −nR(T1 − T2 ) ln V2 < 0. V1 V4 V1 = , V3 V2 1−γ = T2 . T1 abgegebene Arbeit aufgenommene W¨ armemenge, und man erh¨ alt f¨ ur den Wirkungsgrad ηC der Carnot-Maschine wegen Q1 = −A12 Der Wirkungsgrad einer W¨ armekraftmaschine ist definiert durch η = nR(T1 − T2 ) ln VV21 |A| T1 − T 2 ηC = = = , Q1 T1 nRT1 ln VV21 oder ηC = 1 − T2 T1 mit 0 ≤ ηC < 1 f¨ ur T1 , T2 > 0. Der Wirkungsgrad h¨ angt allein von den Temperaturen der beiden W¨ armespeicher ab. Weil der Carnot-Prozess reversibel ist, l¨ asst er sich auch umgekehrt durchlaufen, wodurch er als W¨ armepumpe arbeiten kann, die dem W¨ armespeicher mit T1 die W¨ armemenge Q1 zuf¨ uhrt. Die abgegeben W¨ armemenge Leistungszahl einer W¨ armepumpe wird definiert durch εW = aufgenommene Arbeit εW = −Q1 1 T1 = = A T1 − T 2 ηC mit 1 < εW < ∞. Wird der Prozess dagegen als K¨ altemaschine eingesetzt, die dem Speicher mit T 2 die W¨ armemenge Q2 aufgenommene W¨ armemenge entzieht, wird die Leistungszahl definiert durch εK = aufgenommene Arbeit εK = Q2 T1 T2 A + Q1 1 = −1 + = =− = −1 + A A ηC T1 − T 2 T1 − T 2 mit 0 < εK < ∞. Der Carnot’sche Kreisprozess hat den gr¨ oßtm¨ oglichen Wirkungsgrad aller W¨ armekraftmaschinen. Zum Beweise sei eine beliebige W¨ armekraftmaschine mit dem Wirkungsgrad η mit einer als W¨ armepumpe arbeitenden Carnot-Maschine derart gekoppelt, dass die Carnot-Maschine die W¨ armemenge Q1 in den W¨ armespeicher mit T1 zur¨ uckbef¨ ordert. W¨ are der Wirkungsgrad η von K gr¨ oßer als der der CarnotMaschine η > ηC , k¨ onnte das System insgesamt die Arbeit A1 nach außen abgeben, was aber im Widerspruch steht zum Erfahrungssatz von Thomson. W¨ armespeicher T1 Q1 Q1 A C K A1 Q2 W¨ armespeicher T2 Der Wirkungsgrad aller reversibel arbeitenden W¨ armekraftmaschinen ist gleich dem der Carnot-Maschine. Arbeiten beide W¨ armekraftmaschinen gegeneinander, folgt einmal η ≤ η C und einmal η ≥ ηC , je nachdem, welcher Kreisprozess als W¨ armepumpe eingesetzt ist, und es folgt η = η C . Die Carnot-Maschine hat zwar den gr¨ oßten m¨ oglichen Wirkungsgrad einer W¨ armekraftmaschine, sie arbeitet jedoch reversibel, also unendlich langsam, und liefert damit die Leistung Null. Bei technisch verwendbaren W¨ armekraftmaschinen kommt es darauf an, m¨ oglichst große Leistungen zu erbringen. Wir berechnen dazu den technischen Wirkungsgrad einer CarnotMaschine mit zwei zus¨ atzlichen Zwischenspeichern, bei der die Leistung maximal sein soll. Die W¨ armemenge pro Zeiteinheit Q˙ 1 , die in den Zwischenspeicher mit T10 fließt, ist der Temperaturdifferenz proportional Q˙ 1 = KF (T1 − T10 ) und entsprechend −Q˙ 2 = KF (T20 −T2 ), wobei K den W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten W¨ armespeicher T1 Q˙ 1 T10 und F die Kontaktfl¨ ache bezeichnen. Dann gilt nach dem ersten Hauptsatz f¨ ur die Arbeitsleistung A˙ C Q˙ 1 + Q˙ 2 + A˙ = 0. T20 Aus dem Wirkungsgrad der Carnot-Maschine folgt −A˙ =  1−  0 T2 T10 Q˙ 1 , A˙ Q˙ 2 W¨ armespeicher T2 und man erh¨ alt   0 T A˙ = −Q˙ 1 − Q˙ 2 = KF (−T1 + T10 + T20 − T2 ) = − 1 − 20 KF (T1 − T10 ). T1 Mit Hilfe dieser Bedingung kann man T20 eliminieren. Man erh¨ alt tung h¨ angt noch von T10 ab A˙ = KF " T20 T10 T2 = , und die Arbeitsleis2T10 − T1 # T2 − T2 − T1 + T10 . T1 2 − T0 1 Das Maximum der abgegebenen Arbeitsleistung A˙ bei Variation von T10 ergibt sich aus der Bedingung dA˙ = 0 oder dT10 T2 T1 0 2 0 = − 2 0 2 + 1 =⇒ T1 T2 = (2T1 − T1 ) , T1 2 − TT10 1 und der technische Wirkungsgrad der Carnot-Maschine mit maximaler Leistung ergibt sich wegen T20 T2 T2 √ ηT = 1 − 0 = 1 − = 1 − T1 2T10 − T1 T 1 T2 zu ηT = 1 − r T2 T2 < ηC = 1 − . T1 T1 Dieser Wirkungsgrad ist die Obergrenze f¨ ur alle W¨ armekraftmaschinen bez¨ uglich der abgegebenen Leistung. Bei der oben gezeichneten Carnot-Maschine ist T1 = 600 K, T2 = 300 K und es ergibt sich ηC = 0.50 und ηT = 0.29 sowie T10 = 512 K und T20 = 362 K. 2.2 Thermodynamische Temperatur Der Wirkungsgrad des Carnot-schen Kreisprozesses war bei Anwendung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik Q1 + Q2 + A = 0 mit Q1 > 0, Q2 < 0, A < 0 ηC = −A Q1 + Q 2 Q2 |Q2 | T2 = =1+ =1− =1− Q1 Q1 Q1 Q1 T1 =⇒ |Q2 | T2 = . Q1 T1 Dieser Zusammenhang l¨ asst sich als Messvorschrift f¨ ur die Temperatur auffassen, indem die beiden W¨ armemengen Q1 und Q2 eines beliebigen reversiblen Kreisprozesse bestimmt werden. Man definiert die thermodynamische Temperatur ϑ durch die Messung der W¨ armemengen reversibler Kreisprozesse. Zur Herleitung betrachten wir drei Isothermen der Temperaturen p, −µ0 H ϑ1 , ϑ2 , ϑ3 und zwei Isobaren bei Volumenarbeit dA = −p dV im p-V -Diagramm oder bei Magnetisierungsarbeit dA = µ0 H dM 1 Q1 im −µ0 H-M -Diagramm. Auf den Isothermen werden jeweils 2 die W¨ armemengen Q1 , Q2 , Q3 mit den W¨ armespeichern ausgeϑ1 4 tauscht. Bei den reversiblen Kreisprozessen ist der Wirkungsgrad Q2 |Q2 | |Q2 | 3 η12341 = 1 − und = f (ϑ1 , ϑ2 ) 6 Q1 Q1 ϑ2 Q3 |Q3 | |Q3 | 5 η43564 = 1 − und = f (ϑ2 , ϑ3 ) |Q2 | |Q2 | ϑ3 |Q3 | |Q3 | η12561 = 1 − und = f (ϑ1 , ϑ3 ). V, M Q1 Q1 Multipliziert man die Gleichungen, so erh¨ alt man |Q2 | |Q3 | |Q3 | = Q1 |Q2 | Q1 oder f (ϑ1 , ϑ2 )f (ϑ2 , ϑ3 ) = f (ϑ1 , ϑ3 ) und f (ϑ, ϑ) = 1, und daraus ergibt sich f (ϑ1 , ϑ2 ) = Θ(ϑ2 ) Θ(ϑ1 ) und f¨ ur den Wirkungsgrad η = 1 − Θ(ϑ2 ) |Q2 | =1− . Q1 Θ(ϑ1 ) Zur Festlegung der Temperaturskala von ϑ werden wie bisher die Fixpunkte von siedendem Wasser ϑ1 = 100 und schwelzendem Eis ϑ2 = 0 verwendet η =1− |Q0 | Θ(0) =1− = 0.26798 bzw. Q100 Θ(100) Θ(100) 1 = = 3, 7316. Θ(100) − Θ(0) 0.26798 Setzt man dann Θ(100) − Θ(0) = 100 K, so folgt Θ(0) = 273, 16 K, und die thermodynamische Temperatur ist mit der der idealen Gasgleichung identisch. Sie ist jedoch allgemeiner definiert, erm¨ oglicht Temperaturmessungen u ¨ber beliebige reversible Kreisprozesse, und ist nicht wie die ideale Gasgleichung auf einen bestimmten Temperaturbereich beschr¨ ankt. 2.3 Entropie Nach den Erfahrungss¨ atzen von Clausius und Thomson gibt es irreversible Prozesse, die eine Zeitrichtung auszeichnen, und deren Umkehrungen in der Natur nicht vorkommen. Auch die Expansion eines idealen Gases in ein Vakuum ohne Arbeitsleistung und ohne Temperatur¨ anderung nach dem Versuch von Gay-Lussac, vergl. Abschn. 1.2, z¨ ahlt dazu. Um zu einem Unterscheidungsmerkmal zwischen reversiblen und irreversiblen Prozessen zu kommen, betrachten wir bei p-V -T -Systemen Zustands¨ anderungen zwischen den Zust¨ anden A und B im p-V Diagramm, die wegen der Zustandsgleichung zwei wohldefinierte thermodynamische Zust¨ ande festlegen. F¨ uhrt man isotherme und reversible Zustands¨ anderungen durch, so gelangt man auf einem bestimmten Weg von A nach B und es gilt nach dem ersten Hauptsatz p Z B dU = A Z B A δQ + Z B A dA oder UB − UA = QAB + Aisoth AB . A adiabatisch Es gibt aber keinen Weg nur adiabatischer Zustands¨ anderungen von B zur¨ uck nach A, denn wenn dem so w¨ are, so g¨ alte nach dem ersten Hauptsatz UA − UB = Aadiab und man erhielte BA adiab QAB + Aisoth AB = −ABA isoth bzw. QAB = Aadiab AB − AAB > 0. Dabei w¨ are Arbeit gewonnen bei Abk¨ uhlung eines W¨ armespeichers, was nach dem Erfahrungssatz von Thomson nicht m¨ oglich ist. isotherm B V Der Carnot’sche Kreisprozess zeigt jedoch, dass es geschlossene reversible Prozesse gibt. Die Bedingung daf¨ ur, welche reversiblen Zustands¨ anderungen auf einem beliebigen geschlossenen Weg Γ m¨ oglich sind, findet man, indem der Weg Γ durch einen Zickzackweg u ¨ber Isothermen und Adiabaten wie bei der Carnot-Maschine approximiert wird. Das Integral u ¨ber den geschlossenen Weg ist dann die Summe der vielen kleinen Carnot-Prozesse im Innern, weil die Integrale auf den kleinen Teilst¨ ucken jeweils in beiden Richtungen durchlaufen werden und sich somit herausheben. F¨ ur jeden einzelnen der kleinen Carnot-Prozesse gilt dann: p Ein W¨ armeaustausch mit den W¨ armespeichern findet nur auf den Isothermen statt, f¨ ur die nach Abschn. 2.1 gilt Γ Z 2 Z 2 V2 Q1 V2 0= δQ + dA = Q1 − nRT1 ln oder = nR ln V1 T1 V1 1 1 und 0= Z 4 δQ + 3 Z 3 4 dA = Q2 − nRT2 ln V4 V1 = Q2 − nRT2 ln , V3 V2 und man erh¨ alt f¨ ur jeden einzelnen kleinen Carnot-Prozess  Q1 Q2 V2 V1 + = nR ln + ln T1 T2 V1 V2  = 0. V Beim Aufsummieren aller kleinen Carnot-Prozesse innerhalb Γ bleiben nur die Wege am Rande Γ u ¨brig und man erh¨ alt im Grenzfall I I δQ δQ = 0 bzw. = dS. dS = 0 mit T T Γ Γ Dieses Integral verschwindet f¨ ur jeden beliebigen geschlossenen Integrationsweg Γ, und deshalb muss δQ der Integrand ein totales Differenzial sein = dS mit der Entropie S als Zustandsfunktion. T Wodurch unterscheidet sich nun ein irreversibler Prozess von einem reversiblen? Dazu betrachten wir den reversiblen Weg von A nach B auf der vorigen Abbildung mit Z B δQ = T | A {z } Z B A dS = SB − SA > 0 mit SB = S(pB , VB ) und SA = S(pA , VA ). reversibel Z Z B δQ δQ Auf dem adiabatischen und irreversiblen Weg gilt dagegen =0< = SB − SA T T | A {z } | A {z } B irreversibel reversibel und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik lautet δQirrev δQrev < = dS T T oder δQ ≤ dS T f¨ ur n irreversible Prozesse reversible Prozesse. Was f¨ ur die infinitesimalen Zustands¨ anderungen gilt, muss auch f¨ ur geschlossene Wege gelten I Γirrev δQ < T I Γrev δQ = T F¨ ur alle Prozesse gilt also I dS = 0 I bzw. Γrev δQ ≤ T dS δQ ≤ 0 f¨ ur T n irreversible Prozesse reversible Prozesse. mit dem Gleichheitszeichen nur f¨ ur reversible Prozesse, und beim Einsetzen in den ersten Hauptsatz erh¨ alt man eine Kombination beider Haupts¨ atze dU ≤ T dS + dA f¨ ur n irreversible Prozesse reversible Prozesse mit der inneren Energie U und der Entropie S als Zustandsfunktionen. L¨ auft in einem abgeschlossenen System ein Prozess adiabatisch, d.h. ohne W¨ armeaustausch mit der Umgebung mit δQ = 0 ab, so erh¨ oht sich im irreversiblen Fall die Entropie wegen δQirred δQrev 0= < dS , bleibt aber im reversiblen Fall wegen 0 = = dS erhalten. T T Dazu drei Beispiele. Beispiel 1: Isotherme Expansion eines idealen Gases Dieser reversible Prozess entspricht der ersten Phase des Carnot-Prozesses mit einer Expansion von V 1 nach V2 . Die aufgenommene W¨ armemenge Q1 ist wegen dU = 0 gleich der abgegebenen Arbeit Q1 = −A12 = nRT1 ln V2 , V1 und die Entropie¨ anderung des Gases ist ∆SGas = Z 2 1 δQ V2 Q1 = nR ln > 0. = T T1 V1 Andererseits ist die Entropie¨ anderung des W¨ armespeichers ∆SSpeicher = −Q1 V2 = −nR ln < 0, T1 V1 und f¨ ur das abgeschlossene Gesamtsystem gilt ∆S = ∆SGas + ∆SSpeicher = 0, sodass sich die Gesamtentropie nicht a ¨ndert. W¨ armespeicher T1 ideales Gas A12 Beispiel 2: Adiabatische Expansion eines idealen Gases ins Vakuum Dieser Versuch von Gay-Lussac beschreibt einen irreversiblen Prozess. Die Temperatur T des Gases a ¨ndert sich dabei nicht, sodass die Expansion von V1 nach V2 isotherm ist. Es gilt daher wie im vorigen Beispiel V2 ∆SGas = nR ln > 0. V1 Die positive Entropie¨ anderung gilt f¨ ur das abgeschlossene System mit ∆SGas = S2 − S1 oder S2 = S1 + nR ln He-Gas Vakuum V2 > S1 . V1 Die nach dem zweiten Hauptsatz m¨ ogliche Arbeitsleistung wurde nicht genutzt. Der Prozess ist irreversibel, denn um den Anfangszustand wiederherzustellen m¨ usste a ¨ußere Arbeit geleistet werden. Beispiel 3: Temperaturausgleich zwischen zwei K¨ orpern Zwei gleiche K¨ orper K1 , K2 mit den Anfangstemperaturen T1 > T2 und der gleichen W¨ armekapazit¨ at C werden in Kontakt gebracht und haben danach die gemeinsame Temperatur T0 . Dann gilt T1 K1 T0 = T1 + T 2 2 ; T1 = T0 + ϑ ; T 2 = T0 − ϑ mit ϑ = T1 − T 2 . 2 T2 K2 Weil keine Arbeit geleistet wird, gilt bei reversiblen Zustands¨ anderungen dU = T dS mit dU = C dT . F¨ ur jeden den beiden K¨ orper findet man die Entropie dS = dU dT =C = C d ln T T T und S = S0 + C ln T T0 mit S0 = S(T0 ). Ist jetzt Svor die Summe der Entropien beider K¨ orper vor demTemperaturausgleich Svor = 2S0 + C ln T1 T2 + C ln T0 T0 und Snach = 2S0 die Summe der Entropien nach dem Temperaturausgleich, so erh¨ alt man f¨ ur die Entropie¨ anderung beider K¨ orper zusammen ∆S = Snach − Svor = −C ln T1 T2 T1 T2 − C ln = −C ln 2 , T0 T0 T0 und aus T1 T2 = (T0 + ϑ)(T0 − ϑ) = T02 − ϑ2 erh¨ alt man wegen ϑ < T0   ϑ 2  T02 − ϑ2 > 0. ∆S = −C ln = −C ln 1 − T02 T0 Der Temperaturausgleich ist also irreversibel, denn die Entropie hat sich erh¨ oht und es wurde keine Arbeit geleistet. Mit Hilfe eines Carnot-Prozesses w¨ are es aber m¨ oglich gewesen, reversibel Arbeit zu gewinnen. Der urspr¨ ungliche Zustand ließe sich dann mit der gewonnenen Arbeit wieder herstellen. 3 Folgerungen aus dem zweiten Hauptsatz 3.1 Berechnung von innerer Energie und Entropie Zur Bestimmung der inneren Energie U und der Entropie S aus direkt messbaren Gr¨ oßen betrachten wir der Einfachheit halber nur reversible Zustands¨ anderungen von p-V -T -Systemen. Dann lautet die Kombination der beiden Haupts¨ atze dU = δQ − p dV und δQ = T dS dU = T dS − p dV . Wir w¨ ahlen T und V als unabh¨ angige Variable und erhalten f¨ ur das totale Differenzial der inneren Energie U = U (T, V ) dU =  ∂U ∂T  V dT +  ∂U ∂V  dV = CV dT + T  ∂U ∂V  dV mit CV = T  δQ dT  = V  ∂U ∂T nach Abschn. 1.2, und entsprechend f¨ ur die Entropie S = S(T, V ) 1 p CV 1 dS = dU + dV = dT + T T T T  ∂U ∂V   + p dV = T  ∂S ∂T  V dT +  ∂S ∂V  dV. T  V   ∂U mit Hilfe der direkt messbaren Zutsandsgleichung p = p(T, V ) bestimmen. ∂V T Dazu nutzen wir die Vertauschbarkeit der Differenziationen aus und bilden   ∂2S 1 ∂2U ∂  CV  = = ∂V ∂T ∂V T T ∂V ∂T T          ∂2S ∂U 1 ∂U 1 ∂2U 1 ∂ 1 ∂p = +p = − 2 +p . = + ∂T ∂V ∂T T ∂V T T ∂T ∂V T ∂T V T ∂V T Nun kann man Die beiden rot unterstrichenen Terme sind gleich und heben sich beim Vergleich der rechten Seiten heraus, also findet man  ∂U ∂V  T =T  ∂p ∂T  V − p. Eingesetzt erh¨ alt man f¨ ur die innere Energie U = U (T, V ) und die Entropie S = S(T, V )     ∂p dU = CV dT + T − p dV ∂T V   CV ∂p dS = dV. dT + T ∂T V Die W¨ armekapazit¨ at CV und die Zustandsgleichung p = p(T, V ) lassen sich jedoch nur bei Gasen auf direktem Wege messen, weil bei Zustands¨ anderungen von Feststoffen oder Fl¨ ussigkeiten das Volumen im Gegensatz zu T und p kaum kontrolliert werden kann. Speziell beim idealen Gas mit der Zustandsgleichung pV = nRT und dU = CV dT und dS =  ∂p ∂T  = V nR erh¨ alt man V CV nR dT + dV, T V 3 und aus der kinetischen Gastheorie findet man CV = nR. Hieraus lassen sich die innere Energie 2 U (T, V ) und die Entropie S(T, V ) bis auf eine Konstante berechnen. Bei Feststoffen oder Fl¨ ussigkeiten geht man von den direkt messbaren Gr¨ oßen der W¨ armekapazit¨ at bei konstantem Druck Cp und von der Zustandsgleichung in der Form αB = pβ mit dem Kompressionsmodul B(T, p), dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten α(T, p) und dem Spannungskoeffizienten β(T, V ) mit 1 α(T, p) = V (T, p)  ∂V ∂T  p und B(T, p) = −V (T, p)  ∂p ∂V  T 1 und β = p  aus, vergl. Abschn. 1.3, und es folgt aus der Zustandsgleichung  ∂p ∂T  = pβ = αB V was direkt messbar ist. und somit  ∂U ∂V  =T T  ∂p ∂T  V − p = T αB − p, ∂p ∂T  V Die W¨ armekapazit¨ at bei konstantem Druck Cp unterscheidet sich nur wenig von CV und l¨ asst sich aus der Differenz nach Abschn. 1.2 bestimmen         ∂V ∂U ∂V ∂p Cp − C V = +p =T = T αBV α. ∂V T ∂T p ∂T V ∂T p Zur Absch¨ atzung der Differenz betrachten wir Siliciumkristalle in Gr¨ uneisen-N¨ aherung αB = γ CV V mit der Gr¨ uneisen-Konstante γ, die bei 300 K f¨ ur Si den Wert γ = 0.44 hat. Damit erh¨ alt man mit α = 2.63 · 10 −6 K−1 bei T = 300 K Cp − C V = T γα = 300 K · 0.44 · 2.63 · 10−6 K−1 ≈ 3.5 · 10−4 . CV Zur Berechnung der inneren Energie U und der Entropie S kann man gen¨ ahert C p ≈ CV setzen, und wegen der sehr geringen relativen Volumen¨ anderungen α spielen die dV -proportionalen Terme praktisch keine Rolle, sodass gilt dU ≈ Cp dT und dS ≈ Cp dT, T was bereits beim Beispiel 3 im Abschn. 2.3 so verwendet wurde. 3.2 Joule-Thomson-Effekt Reale Gase k¨ uhlen sich bei nicht zu hohen Temperaturen durch adiabatische Expansion ab, was zum Bau von K¨ altemaschinen ausgenutzt wird. In der Versuchsanordnung wird das Gas aus der linken Kammer unter dem Druck p1 adiabatisch, d.h. ohne W¨ armeaustausch mit der Umgebung, durch das enge Rohr in die rechte Kammer derart gedr¨ uckt, dass w¨ ahrend des ¨ Uberstr¨ omens beide Dr¨ ucke p1 > p2 konstant bleiben. Dann wird auf der linken Seite die Arbeit p1 , T 1 Z A1 = − p2 , T 2 0 p dV = p1 V1 mit V1 = V (T1 , p1 ) V1 geleistet, und auf der rechten Seite die Arbeit A2 = − Z 0 V2 p dV = −p2 V2 mit V2 = V (T2 , p2 ) nach außen abgegeben. Da der Vorgang adiabatisch ablaufen soll, d.h. ohne W¨ armeaustausch δQ = 0, folgt aus dem ersten Hauptsatz dU = δA oder U2 − U 1 = A 1 + A 2 = p 1 V 1 − p 2 V 2 bzw. U1 + p1 V1 = U2 + p2 V2 , d.h. bei diesem Vorgang bleibt die Enthalpie I = U + pV konstant. Zur Berechnung der Temperatur¨ anderung bei diesem Prozess betrachten wir die Enthalpie I als Zustandsfunktion von T und p. Da sich die Enthalpie nicht a ¨ndert, gilt         ∂I ∂I ∂I ∂I 0 = dI = dT + dp = Cp dT + dp mit = Cp ∂T p ∂p T ∂p T ∂T p mit der W¨ armekapazit¨ at bei konstantem Druck Cp nach Abschn. 1.2. Die Temperatur¨ anderung durch die Expansion wird bestimmt durch den Joule-Thomson-Koeffizienten δ   ∂I     ∂p ∂I dT 1 δ= = − ∂I T = − mit einer Abk¨ uhlung bei δ > 0. dp I C ∂p p T ∂T p   ∂I Zur Bestimmung von verwenden wir wieder die Kombination der beiden Haupts¨ atze der Ther∂p T modynamik dU = T dS − p dV und erhalten dI = d(U + pV ) = dU + d(pV ) = dU + p dV + V dp = T dS + V dp. Schreibt man die Entropie als totales Differenzial, so folgt mit obigem Ausdruck f¨ ur dI   1 V V Cp 1 ∂I dS = dI − dp = dp − dp dT + T T T T ∂p T T        Cp ∂I ∂S ∂S 1 = − V dp = dT + dp. dT + T T ∂p T ∂T p ∂p T Aus der Vertauschbarkeit der beiden Ableitungen der Entropie erh¨ alt man nun ∂2S ∂2S ∂  Cp  ∂ = = = ∂p∂T ∂p T T ∂T ∂p ∂T oder wegen Cp =  ∂I ∂T  p  1 T  ∂I ∂p  T −V  p ∂  Cp  1 ∂2I und = ∂p T T T ∂p∂T 1 ∂2I 1 =− 2 T ∂p∂T T  ∂I ∂p  T  1 ∂2I 1 −V + − T ∂T ∂p T  ∂V ∂T  . p Daraus findet man die gesuchte Ableitung von I  ∂I ∂p  T = −T  ∂V ∂T  + V mit der Folge p δ=− 1 Cp  ∂I ∂p  T "  #  ∂V 1 T = −V , Cp ∂T p sodass der Joule-Thomson-Koeffizient δ durch die Zustandsgleichung V = V (T, p) bestimmt wird. Er verschwindet f¨ ur ideale Gase mit   nRT nR ∂V V V = = wegen = , p ∂T p p T so dass bei idealen Gasen bei adiabatischer Expansion keine Temperatur¨ anderung eintritt. Eine Temperaturabnahme wird vielmehr durch die anziehenden Kr¨ afte zwischen den Molek¨ ulen verursacht, wodurch bei Volumenvergr¨ oßerung Energie verbraucht wird. Zur Untersuchung, unter welchen Bedingungen der Joule-Thomson-Koeffizient positiv ist, d.h. eine Abk¨ uhlung durch adiabatische Expansion m¨ oglich ist, betrachten wir reale Gase, die gen¨ ahert durch die van-der-Waals-Gleichung  a RT = p + 2 v − b) v f¨ ur ein Mol Substanz mit dem Molvolumen v beschrieben werden. Wir vernachl¨ assigen das Produkt der kleinen Korrekturterme und erhalten RT ≈ pv + a − pb mit R v  ∂T ∂v  p ≈p− a v2 und  ∂v ∂T  p =  ∂T ∂v  !−1 p = R . p − va2 F¨ ur den Joule-Thomson-Koeffizient δ folgt dann gen¨ ahert δ= 1 cp ≈ 1 cp "  #        − pb ∂v RT 1 2a 1 1 RT − pv + av v T ≈ −v ≈ a −v = a ∂T p cp p − v 2 cp p − v2 cp p − va2         2a − pvb 1 2a − pvb 1 2a 1 2a ≈ = −b ≈ −b . pv − av cp pv cp pv cp RT Man erkennt, dass positive δ > 0 nur f¨ ur tiefe Temperaturen T < Tinv m¨ oglich sind, deren Obergrenze 2a durch die Inversionstemperatur Tinv ≈ mit δ ≈ 0 gegeben ist. Rb Zur Absch¨ atzung ersetzen wir die Korrekturparameter a, b durch die kritischen Gr¨ oßen p k , vk und Tk nach Abschn. 1.4 a = 3pk vk2 ; b= 1 vk 3 ; R= 8 pk vk 3 Tk mit 27 2a = Tk , Rb 4 und erhalten als Bedingung f¨ ur eine Abk¨ uhlung bei adiabatischer Expansion gen¨ ahert T < Tinv mit der Inversionstemperatur Tinv ≈ 27 Tk , 4 wobei Tk die kritische Temperatur bezeichnet. Die Inversionstemperatur h¨ angt in Wirklichkeit noch vom Druck p ab, was aber hier durch die Vernachl¨ assigungen nicht ersichtlich ist. Da die realen Gase die van-der-Waals-Gleichung nur n¨ aherungsweise erf¨ ullen, unterscheiden sich max die experimentell gefundenen maximalen Inversionstemperaturen Tinv nicht unwesentlich von den hier berechneten. Zum Vergleich gibt die Tabelle die Werte f¨ ur einige Gase an. Gas He H2 N2 Luft CO2 max Tinv [K] 27 4 Tk [K] 40 35 202 223 621 851 603 898 1500 2052 3.3 Adiabatische Entmagnetisierung Die Erzeugung tiefer Temperaturen ist mit dem Joule-Thomson-Effekt nur bis zur Verfl¨ ussigung des Arbeitsgases m¨ oglich. Weitere Abk¨ uhlungen kann man aber mit Feststoffen durch adiabatische Entmagnetisierung paramagnetischer Salze erreichen. Das Grundprinzip besteht in der Erw¨ armung des paramagnetischen Salzes (z.B. Eisen-Ammonium-Alaun FeNH4 (SO4 )2 × 12H2 O oder Chrom-KaliumAlaun CrK(SO4 )2 × 12H2 O) durch die Magnetisierung mit Hilfe eines von außen angelegten Magnetfeldes H. F¨ uhrt man diese W¨ arme an einen W¨ armespeicher der Ausgangstemperatur T A ab, so k¨ uhlt sich das paramagnetische Salz beim Abschalten des Magnetfeldes ab. Zur Berechnung der Temperaturerniedrigung m¨ oge die paramagnetische Substanz im Magnetfeld C H die Magnetisierung M = χH mit der Suszeptibilit¨ at χ = und der Curie-Konstanten C hervorT rufen. Dann ist die bei der Magnetisierung zu leistende Magnetisierungsarbeit A beim Einschalten von H = 0 bis H = H0 nach Abschn. 1.1 unter der Bedingung konstant gehaltener Temperatur T = T a dA = V µ0 H dM = V µ0 H d  CH  T V µ0 C H dH = Ta und A = Z H0 0 V µ0 C V µ0 C 2 H dH = H0 , Ta 2Ta mit dem Volumen V und der magnetischen Feldkonstante µ0 . Die Volumenarbeit ist vernachl¨ assigbar klein und die Kombination der beiden Haupts¨ atze lautet dU = δQ + dA = T dS + V µ0 H dM mit der Zustandsgleichung M = C H. T Wir w¨ ahlen f¨ ur die Zustandsfunktionen innere Energie U und Enthalpie I = U − V µ 0 HM als unabh¨ angige Variable T und H und erhalten f¨ ur die W¨ armekapazit¨ at bei festgehaltenem Magnetfeld H    δQ   dU − V µ H dM   dU − d(V µ HM )  ∂I 0 0 CH = = = = . dT H dT dT ∂T H H H Dann ist das totale Differenzial der Enthalpie       ∂I ∂I ∂I dI = dT + dH = CH dT + dH. ∂T H ∂H T ∂H T   ∂I Zur Bestimmung der Ableitung betrachten wir wieder das totale Differenzial der Entropie ∂H T 1 H H M 1 V µ0 1 dU − V µ0 dM = dI + d(HM ) − V µ0 dM = dI + V µ0 dH T T T T T T T    ∂I CH 1 = + V µ0 M dH dT + T T ∂H T     ∂S ∂S = dT + dH. ∂T H ∂H T dS = Aus der Gleichheit der zweiten Ableitungen findet man ∂2S 1 ∂2I ∂  CH  ∂2S = = = ∂H∂T ∂H  T T  T ∂H∂T ∂T     ∂H  ∂ ∂I 1 ∂I 1 ∂2I 1 V µ0 ∂M = + V µ0 M = − 2 + V µ0 M . + ∂T T ∂H T T ∂T ∂H T ∂T T ∂H H T H Aus dem Vergleich beider Ausdr¨ ucke erh¨ alt man mit der Zustandsgleichung  ∂I ∂H  + V µ0 M = T V µ 0 T  ∂M ∂T  H  ∂ CH  V µ0 CH , = T V µ0 =− ∂T T H T und die Entropie¨ anderung bei adiabatischer Entmagnetisierung δQ = T dS = 0 ergibt sich zu dS = CH V µ0 CH dH = 0. dT − T T2 Die W¨ armekapazit¨ at CH bei konstantem Magnetfeld findet man aus den zweiten Ableitungen 2 ∂ S ∂2S ∂  CH  ∂  V µ0 CH  = = =− ∂H∂T ∂H T T ∂T ∂H ∂T T2 H oder  ∂CH ∂H  T = 2V µ0 CH , T2 und man erh¨ alt durch Integration f¨ ur CH (T, H) wegen CH (T, 0) = CV (T ) = AT 3 in Debye-N¨ aherung 4 12π nR bei tiefen Temperaturen T  Θ mit der Debye-Temperatur Θ und A = f¨ ur n Mole Substanz 5 Θ3  Z H Z H ∂CH 2V µ0 C V µ0 C 2 dH = CH (T, H) − CH (T, 0) = H dH = H . 2 2 ∂H T T 0 0 T Damit erh¨ alt man f¨ ur die W¨ armekapazit¨ at CH und die Entropie¨ anderung H2 CH (T, H) = AT + V µ0 C 2 T 3 und H2 H 0 = dS = AT dT + V µ0 C 3 dT − V µ0 C 2 dH. T T 2 Zur Integration der Entropie f¨ ur T von Ta bis Te und des Magnetfeldes H von H0 bis H = 0 beachtet man     0 = S(Te , 0) − S(Ta , H0 ) = S(Te , 0) − S(Ta , 0) + S(Ta , 0) − S(Ta , H0 ) und integriert 0= Z Te Ta =  ∂S ∂T  H=0 dT + Z 1 V µ0 C A(Te3 − Ta3 ) + 3 2 0  H0 H02 , Ta2 ∂S ∂H  Ta dH = Z Te Ta 2 AT dT − Z 0 V µ0 C H0 H dH Ta2 und man erh¨ alt f¨ ur die Endtemperatur Te nach der adiabatischen Entmagnetisierung Te3 = Ta3 3 V µ0 C H02 − . 2 A Ta2 Hier bezeichnet C die Curie-Konstante und A die Konstante des Debye’schen T 3 -Gesetzes. Die Temperaturerniedrigung ist umso gr¨ oßer, je gr¨ oßer die Anfangsmagnetisierung H 0 und je niedriger die Anfangstemperatur Ta ist. 3.4 Messung tiefer Temperaturen Die Messung von Temperaturen unterhalb der Grenze, an der Heliumgas nicht mehr der Zustandsgleichung des idealen Gases gehorcht, kann z.B. mit elektrischen Widerstandsthermometern geschehen. Diese materialabh¨ angigen Thermometer m¨ ussen jedoch bez¨ uglich der thermodynamischen Temperatur nach Abschn. 2.2 geeicht werden. In Zusammenhang mit der Erreichung tiefer Temperaturen durch adiabatische Entmagnetisierung paramagnetischer Salze lassen sich die zugeh¨ origen Temperaturen u ¨ber C das Curie’sche Gesetz M = H durch unabh¨ angige Messungen der Magnetisierung M und der magT netischen Feldst¨ arke H finden. Dazu geht man von einer S bekannten Temperatur T0 aus, um die Curie-Konstante C zu erhalten, und M wird gemessen, indem man die Probe an einem Faden h¨ angend im Magnetfeld schwingen l¨ asst. Die f¨ ur T < T0 durch Messung von M und H bestimmte CH Curie-Temperatur TC = ist materialabh¨ angig und M kann mit Hilfe eines reversiblen Kreisprozesses mit der thermodynamischen Temperatur verglichen werden. Zur Bestimmung einer Eichkurve f¨ ur die CurieTemperatur betrachten wir den im S-T -Diagramm gezeichneten reversiblen Kreisprozess zwischen der bekannten Temperatur T0 und den niedrigeren Temperaturen T2 < T1  T0 und den Magnetfeldern H0  H1 < H2 . H0 H1 1 2 4 T2 T1 H2 3 T0 T ¨ Die Kurven konstanten Magnetfeldes H ergeben sich aus der Anderung der Entropie nach Abschn. 3.3 H2  H dS = AT + V µ0 C 3 dT − V µ0 C 2 dH T T  2 H2 mit V µ0 C 3 > AT 2 T im hier relevanten Temperaturbereich. Gezeichnet ist die qualitative Form der Kurven f¨ ur die Magnetfelder 0 < H0  H1 < H2 . Der reversible Kreisprozess besteht aus den vier Phasen I adiabatische Magnetisierung von 1 → 2 mit Erw¨ armung von T 1 auf T0 , II isotherme Magnetisierung von 2 → 3 mit Messung der an den W¨ armespeicher bei T 0 abgegebenen W¨ armemenge Q0 < 0, III adiabatische Entmagnetisierung von 3 → 4 mit Abk¨ uhlung von T 0 auf T2 , IV schwache Erw¨ armung von 4 → 1 bei H0 = konstant durch Zufuhr der W¨ armemenge Q2 , wobei in den Phasen I und III δQ = 0 und somit dS = δQ/T = 0 ist. F¨ ur den reversiblen Kreisprozess gilt dann I I δQ Q2 Q2 T2 + T 1 Q0 0= dS = + ¯ mit T¯ = ≈ oder T¯ ≈ T0 , T T0 2 |Q0 | T CH und T¯ kann dann mit der mittleren Curie-Temperatur TC = verglichen werden M   1 + T T 1 CH C2 C1 0 T¯C = , + = 2 2 M4 M1 wobei M4 und M1 die Magnetisierungen sind, die an den Punkten 4 und 1 gemessen werden. 4 Thermodynamische Methoden Von den verschiedenen Vorgehensweisen, mit denen sich thermodynamische Fragestellungen mit Hilfe der Haupts¨ atze beantworten lassen, seien nur die beiden wichtigsten vorgestellt. Die Kombination der beiden Haupts¨ atze lautet dU = T dS + dA, und von den bisher behandelten Arbeiten dA = −p dV und dA = V µ0 H dM soll nur die Erstere f¨ ur p-V -T -Systeme betrachtet werden. 4.1 Thermodynamische Potenziale Die beiden Haupts¨ atze bedingen, dass die innere Energie U und die Entropie S Zustandsfunktionen der Zustandsvariablen p, V , T und n sind, die noch durch eine Zustandsgleichung verkn¨ upft sind. A Abgeschlossene Systeme Wir betrachten zun¨ achst ein abgeschlossenes System, bei dem keine W¨ arme δQ = 0 oder Arbeit dA = 0 oder Materie dn = 0 zu- oder abgef¨ uhrt wird. Dann gilt nach Abschn. 2.3 f¨ ur irreversible bzw. reversible Prozesse 0 = δQ ≤ T dS. Nur bei irreversiblen Prozessen w¨ achst die Entropie S und, nachdem diese Prozesse abgeklungen sind, hat das System im thermodynamischen Gleichgewicht die maximale Entropie. Das thermodynamische Gleichgewicht kann also durch eine Variationsaufgabe der Entropie bez¨ uglich der inneren Freiheitsgrade gefunden werden δS = 0 und S muss ein Maximum haben. bei δQ = 0, dA = 0, dn = 0, Beispiel: In einem isolierten Zylinder seien zwei ideale Gase mit festen Molzahlen n 1 , n2 durch einen ur das Gleichgewicht beweglichen Kolben getrennt. Aus δQ = δQ1 + δQ2 = 0 folgt dann f¨ 0 = dS = δQ1 δQ2 δQ1 δQ1 + = − T1 T2 T1 T2 und es ergibt sich T1 = T2 . Es bleibt dann nur noch p und V zu variieren und wegen dU1 = n1 cV dT1 = 0 und dU2 = n2 cV dT2 = 0 und V = V1 + V2 = konstant mit der Folge dV1 = − dV2 findet man aus den Haupts¨ atzen p1 , V 1 p2 , V 2 n1 , T 1 n2 , T 2 0 = T dS = dU + p dV = dU1 + dU2 + p1 dV1 + p2 dV2 = p1 dV1 − p2 dV1 oder p1 = p2 . Die Volumina und der Druck ergeben sich dann aus der Gasgleichung pV = nRT . B Systeme bei konstanter Temperatur Bei Systemen in Kontakt mit einem großen W¨ armespeicher der Temperatur T finden reversible Zustands¨ anderungen immer mit dT = 0 statt. Wir definieren die freie Energie F als Zustandsfunktion durch F = U − T S, dann gilt wegen dT = 0: dF = dU − T dS − S dT = dU − T dS und aus den ¨ beiden Haupts¨ atzen dU ≤ T dS + dA folgt dF ≤ dA. Die Anderung der freien Energie bezeichnet die maximal isotherm abgebbare Arbeit. Leistet das System keine Arbeit dA = 0, so gilt bei isothermen Zustands¨ anderungen dF ≤ 0, und der Gleichgewichtszustand ergibt sich aus einer Variationsaufgabe δF = 0 bei dT = 0, dA = 0, dn = 0, und F hat im Gleichgewicht ein Minimum. Beispiel: Es wird das thermodynamische Gleichgewicht der beiden getrennten idealen Gase mit dem Molzahlen n1 bzw. n2 mit dem festen Gesamtvolumen V = V1 + V2 unter isothermen Bedingungen T = T1 = T2 gesucht, wobei sich die Dr¨ ucke und Volumina durch den beweglichen Kolben frei einstellen k¨ onnen. F¨ ur die intensive Gr¨ oße der freien Energie gilt dann F1 (V1 , T ) + F2 (V2 , T ) = F (V1 , V2 , T ), und das p1 , V 1 p2 , V 2 thermodynamische Gleichgewicht ergibt sich unter den n1 , T n2 , T isothermen Bedingungen dT = 0 aus dF = 0 bei Variation der beiden Volumina V1 und V2         ∂F ∂F ∂F1 ∂F2 0 = dF = dV1 + dV2 = dV1 + dV2 , ∂V1 T ∂V2 T ∂V1 T ∂V2 T und wegen 0 = dV = dV1 + dV2 erh¨ alt man     ∂F1 ∂F2 0= dV1 − dV1 ∂V1 T ∂V2 T oder  ∂F1 ∂V1  T =  ∂F2 ∂V2  . T Die freie Energie ist gegeben durch F = U − T S und mit den Haupts¨ atzen dU = T dS − p dV folgt     ∂F ∂F dF = dU − T dS − S dT = −p dV − S dT = dV + dT, ∂V T ∂T V     ∂F ∂F also gilt p = − und S = − . Angewendet auf die beiden Gase erh¨ alt man ∂V T ∂T V     ∂F1 ∂F2 V1 n1 p1 = − und p2 = − mit der Folge p1 = p2 und = . ∂V1 T ∂V2 T V2 n2 C Systeme bei konstantem Druck und konstanter Temperatur Insbesondere bei Feststoffen und Fl¨ ussigkeiten werden unter Laborbedingungen Zustands¨ anderungen isobar dp = 0 und oft isotherm dT = 0 durchgef¨ uhrt. Dazu definiert man die freie Enthalpie G durch G = U − T S + pV = F + pV = I − T S mit der freien Energie F = U − T S und mit der Enthalpie I = U + pV. Dann gilt mit den beiden Haupts¨ atzen dU ≤ T dS − p dV dG = dU − T dS − S dT + p dV + V dp = dU − T dS + p dV ≤ T dS − p dV − T dS + p dV = 0. Unter den Bedingungen dp = 0 und dT = 0 gilt also dG ≤ 0 und das thermodynamische Gleichgewicht ergibt sich aus einer Variationsaufgabe δG = 0 bei dp = 0, dT = 0, dn = 0, und G hat im Gleichgewicht ein Minimum. Beispiel: Bei gegebenem Druck p und gegebener Temperatur T ist im thermodynamischen Gleichgewicht mit dG(T, p) = 0 ein Phasen¨ ubergang zwischen zwei Modifikationen d.h. Kristallstrukturen derselben Substanz mit den freien Enthalpien G1 (T, p) bzw. G2 (T, p) unter der Bedingung G1 = G2 m¨ oglich. Daraus folgt G1 (T, p) = F1 + pV1 = F2 + pV2 = G2 (T, p) oder p = − F1 − F 2 , V1 − V 2 ¨ und der Ubergangsdruck l¨ asst sich aus den berechneten freien Energien F1 (T, V ) bzw F2 (T, V ) bestimmen. Zum Beispiel wurden f¨ ur kubische Kristalle aus molekularem Wasserstoff die freie Energie pro Atom F1 = −3.35 · 10−18 J und das Volumen pro Atom V1 = 6.60 · 10−30 m3 und f¨ ur metallischen Wasserstoff mit Diamantgitter F2 = −2.77 · 10−18 J und V2 = 3.05 · 10−30 m3 bei T = 0 K mit der Dichtefunktionaltheorie der Quantenmechanik berechnet. Daraus ergibt sich ein Umwandlungsdruck von p = 1.6 · 1011 Pa = 1.6 · 106 b, was oberhalb der technisch m¨ oglichen Grenze liegt. D Thermodynamische Potenziale mit geeigneten unabh¨ angigen Variablen Die innere Energie ist durch die beiden Haupts¨ atze dU = T dS − p dV gegeben, und man erh¨ alt daraus U dU = T dS − p dV innere Energie I = U + pV dI = T dS + V dp Enthalpie dF = −S dT − p dV freie Energie dG = −S dT + V dp freie Enthalpie. mit F = U − TS G = U − T S + pV W¨ ahlt man z.B. f¨ ur die freie Energie T und V als unabh¨ angige Variable, so findet man aus dem totalen Differenzial dF = die Beziehungen  ∂F ∂T  V  ∂F ∂T  = −S dT + V  und ∂F ∂V  ∂F ∂V   dV T T = −p. Aus dem Vergleich der zweiten Ableitungen ergibt sich ferner ∂2F ∂2F = ∂V ∂T ∂T ∂V oder  ∂S ∂V  = T  ∂p ∂T  , V und eine Ableitung der Entropie l¨ asst sich aus der Zustandsgleichung p = p(T, V ) berechnen. 4.2 Kreisprozesse Manche thermodynamischen Fragestellungen lassen sich mit Hilfe eines geeigneten Kreisprozesses beantworten. Dazu betrachten wir zwei Beispiele. p Beispiel 1: Maxwell’sche Regel Bei realen Gasen, die z.B. der van-der-Waals-Gleichung nach Abschn. 1.4 gehorchen, liegen die Zust¨ ande isothermer Verfl¨ ussigung im p-V -Diagramm auf einer Geraden B mit p = p0 = konstant derart, dass sich die Fl¨ achen zwiE schen der Geraden und der unphysikalischen Isothermen C A zu Null erg¨ anzen. Zum Beweise f¨ uhren wir den in der D Abbildung gezeichneten reversiblen Kreisprozess u ¨ber die V Punkte ABCDECA isotherm durch I I I I I I δQ 1 1 1 1 0= dS = δQ = dU + p dV = p dV, = T T T T T und es gilt 0= I p dV = Z p dV + ABCDE wodurch der Fl¨ achensatz bewiesen ist. Z p dV ECA oder Z p dV = EDCBA Z p dV, ECA Beispiel 2: Dampfdruckkurve Bei der isothermen Verfl¨ ussigung eines realen Gases h¨ angt wie in Beispiel 1 der Dampfdruck p von der Temperatur ab. Um die Temperaturabh¨ angigkeit zu bestimmen, f¨ uhren wir im nebenstehenden p-V -Diagramm den reversiblen Kreisprozess u ¨ber die Punkte 1234 durch. I Auf dem Wege von 1 → 2 wird die Fl¨ ussigkeit isotherm bei T1 und p1 vollst¨ andig verdampft, wodurch die W¨ armemenge Q als latente W¨ arme aus dem W¨ armebad aufgenommen wird. Die dabei geleistete Arbeit ist A12 = − p p1 p2 1 4 T1 T2 V1 Z 1 2 3 V2 V 2 p dV = −p1 (V2 − V1 ). II Bei einer kleinen adiabatischen Expansion von 2 → 3 k¨ uhlt sich das Gas auf die Temperatur T2 < T1 ab mit T1 − T2  T1 . III Das Gas wird durch eine isotherme andig verfl¨ ussigt Z Kompression von 3 → 4 bei T2 und p2 vollst¨ 4 und es wird die Arbeit A34 = − 3 p dV = p2 (V3 − V4 ) ≈ p2 (V2 − V1 ) aufgenommen. IV Die Fl¨ ussigkeit wird etwas erw¨ armt und komprimiert und so auf den Punkt 1 zur¨ uckgef¨ uhrt. Der Kreisprozess stellt eine reversibel arbeitende W¨ armekraftmaschine dar und besitzt deshalb den T1 − T 2 Wirkungsgrad der Carnot-Maschine ηC = T1 Vernachl¨ assigt man die kleinen W¨ armemengen und Arbeiten auf den Wegen von 2 → 3 und 4 → 1 und setzt gen¨ ahert p1 − p2 ≈ dp und T1 − T2 ≈ dT , sowie p1 = p und T1 = T , so erh¨ alt man f¨ ur den Wirkungsgrad der W¨ armekraftmaschine η = ηC = dT | dA| |A12 + A34 | (p1 − p2 )(V2 − V1 ) dp(V2 − V1 ) = = = = . T Q Q Q Q Daraus ergibt sich die Differenzialgleichung der Dampfdruckkurve dp Q = dT T (V2 − V1 ) Clausius-Clapeyron’sche Gleichung. Hier ist Q die latente W¨ arme beim Phasen¨ ubergang und V2 − V1 die Differenz der Volumina im gasf¨ ormigen und im fl¨ ussigen Zustand bei der Temperatur T und dem Dampfdruck p. Um die Dampfdruckkurve pD (T ) zu erhalten, m¨ ussen die Volumina V2 = V2 (T, p) sowie die latente W¨ arme Q(T ) bestimmt werden. nRT Setzt man gen¨ ahert 0 = V1  V2 = nach der idealen Gasgleichung und Q = konstant an, so p ur die Dampfdruckkurve folgt durch Integration von p0 bis p bzw. von T0 bis T f¨ dp p Q 1 Q 1 Qp dp Q dT 1 oder ln , =− =− = oder = d − dT T nRT p nR T 2 nR T p0 nR T T0 und man erh¨ alt gen¨ ahert f¨ ur n Mole Substanz mit einem Referenzdruck p 0 bei der Temperatur T0     Q Q exp − . pD (T ) ≈ p0 exp nRT0 nRT 5 W¨ armeleitung Wir untersuchen Systeme mit o ¨rtlich und zeitlich unterschiedlichen Temperaturen T (r, t), die sich also außerhalb des thermodynamischen Gleichgewichts befinden, und betrachten homogene feste, fl¨ ussige oder gasf¨ ormige Stoffe und schließen einen Materialtransport durch Str¨ omen oder Mischen aus. 5.1 W¨ armeleitungsgleichung Das Material von n Molen m¨ oge sich in einem festen Volumen V befinden, sodass bei p-V -T -Systemen keine Volumenarbeit auftritt. Dann lautet der erste Hauptsatz dU = δQ + dA = δQ und die  δQ  ∂U W¨ armekapazit¨ at ist gegeben durch dU = CV dT mit CV = = , die wir als temdT V ∂T V peraturunabh¨ angig annehmen wollen. Z Die innere Energie im Innern des Volumens V ist U = u(r, t) d3r V und berechnet sich aus der inneren Energie pro Volumeneinheit u(r, t)   mit u(r, t) = Jm−3 . Sie a ¨ndert sich durch die W¨ armestromdichte   jW (r, t) durch die Oberfl¨ ache ∂V von V hindurch mit jW = Jm−2 s−1   und durch eine W¨ armeerzeugung ηW (r, t) mit ηW = Jm−3 s−1 innerhalb des Volumens V , z.B. die Joule’sche W¨ arme eines elektrischen Stromes oder die W¨ arme durch radioaktive Strahlung oder Kernreaktionen. jW T (r, t) ηW V ∂V Die Bilanz der W¨ arme innerhalb des Volumens V ist wegen u(r, t) = c V T (r, t) mit der W¨ armekapazit¨ at J pro Volumeneinheit cV mit [cV ] = 3 nach dem Integralsatz von Gauß Km Z Z Z Z ∂ ∂u(r, t) ∂T (r, t) ∂T (r, t) 3 d3r = d3r = cV dr u(r, t) d3r = cV ∂t V ∂t ∂t ∂t V V Z Z ZV Z =− jW (r, t) · d2f + ηW (r, t) d3r = − ∇ · jW (r, t) d3r + ηW (r, t) d3r. ∂V V V V Da dies f¨ ur jedes beliebige Volumen V gelten muss, erh¨ alt man die lokale W¨ armebilanzgleichung cV ∂T (r, t) = −∇ · jW (r, t) + ηW (r, t). ∂t Die W¨ armestromdichte jW ist in guter N¨ aherung proportional zum Temperaturgradienten und man J erh¨ alt mit der W¨ armeleitf¨ ahigkeit κ mit [κ] = die W¨ armeleitungsgleichung msK jW (r, t) = −κ∇T (r, t) und cV ∂T (r, t) = ∇ · κ∇T (r, t) + ηW , ∂t κ m2 und, falls κ nicht vom Ort abh¨ angt, mit der Temperaturleitf¨ ahigkeit K = mit [K] = cV s ∂T ηW ηW κ ∆T + = K∆T + . = ∂t cV cV cV Die W¨ armeleitungsgleichung ist eine lineare partielle parabolische Differenzialgleichung f¨ ur die Temperatur T (r, t), die eine Zeitrichtung auszeichnet, und deren L¨ osungen von den Rand- und Anfangsbedingungen abh¨ angen. Zur Erl¨ auterung sei in der Abbildung der t r¨ aumlich eindimensionale Fall betrachtet. Ist z.B. im t-x-Diagramm auf der Strecke von x1 bis x2 die Temperatur T (x, t0 ) zur Zeit t0 als Anfangsbedingung vorgegeben, so interessieren die Temperaturen T (x, t) zu sp¨ ateren Zeiten t > t0 , also im schraffierten Bereich. Es gibt auch F¨ alle, bei denen die Temperatur an den Randpunkten auch zu sp¨ ateren Zeiten T (x1 , t) oder T (x2 , t) als Randbedingungen vorgegeben wird. t0 x x1 x2 5.2 W¨ armeleitung beim linearen Stab Wir betrachten eine d¨ unne, homogene, unendlich ausgedehnte Stange mit konstantem Querschnitt ohne W¨ armezufuhr ηW = 0 und ohne W¨ armeverluste an der Oberfl¨ ache nach außen durch W¨ armeleitung oder W¨ armestrahlung. Dann hat die W¨ armeleitungsgleichung f¨ ur die Temperatur gen¨ ahert im linearen Fall das Aussehen ∂T ∂2T =K 2, ∂t ∂x und die L¨ osung des Anfangswertproblems f¨ ur 0 < t ist   Z ∞ 0 2 1 ) (x − x T (x, t) = √ dx0 . T (x0 , 0) exp − 4Kt 4πKt −∞ Wir setzen als Anfangswert bei t = 0 eine Deltafunktion T (x, 0) = Aδ(x−x 0 ) an, mit der Gesamtw¨ arme Z ∞ cV T (x0 , 0) dx = cV A, die zur Zeit t = 0 an der Stelle x0 konzentriert ist. Dann im Stab Q = U = −∞ ergibt sich die Temperaturverteilung zur Zeit t > 0 zu   A (x − x0 )2 T (x, t) = √ exp − 4Kt 4πKt T 0.5 mit Z ∞ cV T (x0 , t) dx0 −∞   Z ∞ cV A (x − x0 )2 dx =√ exp − 4Kt 4πKt −∞ = cV A, U= und die Gesamtw¨ arme bleibt konstant. Die L¨ osung beschreibt den Temperaturverteilung in Einheiten von A in gleichm¨ aßigen Zeitschritten. Die Verbreiterung in beliebigen Einheiten von x ist zu Anfang am st¨ arksten, f¨ uhrt aber f¨ ur t → ∞ 0 zu einer gleichm¨ aßigen Temperatur. x 8 x0 16 5.3 Periodische Temperaturschwankungen Bei der K¨ uhlung von Kolbenmotoren oder beim Eindringen von j¨ ahrlichen Temperaturschwankungen in den Erdboden treten periodische Temperatur¨ anderungen an der Oberfl¨ ache eines W¨ armeleiters auf. Zur L¨ osung der W¨ armeleitungsgleichung mit einer solchen Randbedingung betrachten wir die ebene Oberfl¨ ache eines homogenen W¨ armeleiters in der x-y-Ebene, und untersuchen die W¨ armeausbreitung eindimensional in das Innere in z-Richtung derart, dass die Temperatur T (z, t) nur von z und t abh¨ angt. Als Randbedingung soll die Temperatur der Oberfl¨ ache periodisch mit der Schwingungsdauer τ um die mittlere Tempe- W¨ armeleiter z ratur T0 schwanken T (0, t) = T0 + (T1 − T0 ) cos ωt mit ω = 2π . τ x 0 T (0, t) T1 T0 Da wir zur L¨ osung der W¨ armeleitungsgleichung im W¨ armeleiter ∂2T 1 ∂T − =0 ∂z 2 K ∂t 0 τ t keine Einschwingvorg¨ ange untersuchen wollen, machen wir an Stelle einer Anfangsbedingung einen zeitlich periodischen L¨ osungsansatz der Form T (z, t) = T0 + (T1 − T0 ) exp {λz} exp {iωt} . Setzt man den Ansatz ein, erh¨ alt man als Bedingungsgleichung f¨ ur die Unbekannte λ wegen  √  ω 2 λ −i T (z, t) − T0 = 0 oder λ = ± i K r ω =± K r ω +i 2K r √ 1+i i= √ 2  ω . 2K Da die Temperaturschwankungen beim Eindringen in den W¨ armeleiter mit z abnehmen m¨ ussen, erh¨ alt man die L¨ osung  r     ω z  T (z, t) = T0 + (T1 − T0 ) exp − z exp iω t − √ , 2K 2ωK die sich auch in der Form einer in den W¨ armeleiter eindringenden ged¨ ampften Temperaturwelle schreiben l¨ asst   n  z o z T (z, t) = T0 + (T1 − T0 ) exp − exp iω t − z0 v mit der Eindringtiefe z0 , bei der die Amplitude der Welle auf den e-ten Teil abgeklungen ist, und der Phasengeschwindigkeit v der ebenen Welle im Innern des W¨ armeleiters z0 = r 2K = ω r τK π und √ v = 2ωK = r 4πK . τ Man erkennt, dass der Realteil dieser L¨ osung die obige Randbedingung bei z = 0 erf¨ ullt. Zur Veranschaulichung untersuchen wir das Eindringen von Temperaturschwankungen in den Erdboden, dessen mittlere Temperaturleitf¨ ahigkeit etwa K = 2 · 10−7 m2 s−1 betr¨ agt. Betrachtet man die j¨ ahrlichen Temperaturschwankungen, so ist τ = 1 Jahr = 3.15 · 10 7 s, und die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Temperaturwelle ist v = 2.82 · 10−7 ms−1 = 24 mm 74 cm 9m = = . Tag Monat Jahr F¨ ur die Eindringtiefe erh¨ alt man z0 = 1.4 m. Dieser Wert ist unabh¨ angig von der Gr¨ oße der Temperaturschwankungen T 1 − T0 an der Erdoberfl¨ ache und hat seine Bedeutung z.B. f¨ ur die Verlegung von unterirdischen Wasserleitungen, die im Winter nicht einfrieren sollen. F¨ ur die t¨ aglichen Temperaturschwankungen ist zwar die Phasengeschwindigkeit v gr¨ oßer, aber die Eindringtiefe z0 kleiner. Bei Eiszeiten hingegen mit τ = 20000 Jahren betr¨ agt die Eindringtiefe 200 m und die Phasengeschwindigkeit 63 m in 1000 Jahren. Zum Vergleich seien die Temperaturleitf¨ ahigkeiten K einiger Stoffe bei T = 300 K angegeben Silber 1.7 · 10−4 m2 s−1 Ziegelstein 3.7 · 10−7 m2 s−1 Kupfer 1.1 · 10−4 m2 s−1 Glas 2.2 · 10−7 m2 s−1 Eisen 2.1 · 10−5 m2 s−1 Styropor 1.2 · 10−7 m2 s−1 6 Transporttheorie Die statistische Mechanik behandelt die Ableitung makroskopischer Eigenschaften thermodynamischer Systeme aus deren mikroskopischer Beschreibung, vergl. Kapitel 1. Wir untersuchen hier Gase und Fl¨ ussigkeiten und zwar Systeme aus vielen gleichartigen Teilchen, also Atomen oder Molek¨ ulen oder auch Elektronen, wie sie als Elektronengas in Metallen und Halbleitern vorkommen. Die N  1 Teilchen, etwa NA = 6 · 1023 , sollen sich in einem gegebenen Volumen V befinden, und es gibt sehr viele mikroskopische Zust¨ ande, die zu den gleichen Werten der makroskopischen Observablen f¨ uhren. 6.1 Phasenraum In diesem Kapitel gehen wir von der klassischen Mechanik zur Beschreibung der Atome oder Molek¨ ule als unver¨ anderliche Massenpunkte aus, die durch ihre Masse m, ihren Ort r und ihre Geschwindigkeit v bestimmt sind. Dazu f¨ uhren wir den 6-dimensionalen vx ∆τ x Phasenraum r, v oder µ-Raum ein, so dass jedes der N Teilchen durch x1 x2 einen Punkt im Phasenraum, durch r und v vollst¨ andig beschrieben ist. Zur Bestimmung der makroskopischen Observablen f¨ uhren wir makroskopisch kleine 6-dimensionale Zellen ∆τ im µ-Raum ein, und definieren eine Verteilungsfunktion f (r, v, t) als Teilchendichte im Phasenraum derart, dass jede Zelle noch sehr viele Teilchen f (r, v, t)∆τ  1 enth¨ alt. Die Verteilungsfunktion wird als stetig und differenzierbar angenommen. Dies ist m¨ oglich, weil die Zellen so klein gew¨ ahlt werden k¨ onnen, dass die Unterschiede von Zelle zu Zelle makroskopisch nicht mehr wahrgenommen werden k¨ onnen. Aus der sich dann makroskopische Observable bestimmen, z.B. Z Z Teilchenzahl N= d3r d3vf (r, v, t) mit ZV Teilchendichte n(r, t) = f (r, v, t) d3v mit Z 1 vf (r, v, t) d3v Geschwindigkeit v(r, t) = mit n(r, t) Z Massenstromdichte j(r, t) = mvf (r, v, t) d3v mit Z 3 2 1 Energiedichte E(r, t) = mv f (r, v, t) d v mit 2 Verteilungsfunktion lassen [N ] = 1 1 m3 m [v] = s kg [j] = 2 m s J [E] = 3 . m [n] = Auf diese Weise werden Systeme außerhalb des thermodynamischen Gleichgewichtes beschrieben. In Abwesenheit a ¨ußerer Kr¨ afte sind die makroskopischen Observablen von Ort und Zeit unabh¨ angig, und mit der Gleichgewichtsverteilung f0 (v) = f0 (−v) findet man f¨ ur die Teilchendichte n0 = N/V , die 3 Geschwindigkeit v0 = 0, die Massenstromdichte j = 0 und die Energiedichte E0 = n0 kB T mit der 2 −1 −23 Boltzmann-Konstanten kB = 1.3804 · 10 JK . Im folgenden Abschnitt wird eine Methode behandelt die Verteilungsfunktion zu berechnen, die das Streben ins thermodynamische Gleichgewicht beschreibt, und die als Spezialfall die Gleichgewichtsverteilung ergibt. W¨ ahrend die klassische Mechanik invariant ist gegen¨ uber der Zeitumkehr, wird bei diesem Berechnungsverfahren eine Zeitrichtung ausgezeichnet. 6.2 Boltzmann-Gleichung  Zur Herleitung einer Gleichung f¨ ur die Verteilungsfunktion f (r, v, t) im Phasenraum geht man von der Bewegung der einzelnen Punkte aus, die durch die Bahnkurven r(t) der Teilchen der Masse m unter dem Einfluss der a ¨ußeren Kraft F bestimmt ist F ˙ r(t + ∆t) ≈ r(t) + r˙ (t)∆t = r(t) + v(t)∆t und v(t + ∆t) ≈ v(t) + v(t)∆t = v(t) + ∆t. m Befinden sich dann f (r, v, t)∆τ Teilchen zur Zeit t an der Stelle r, v im Phasenraum, so ist die Zahl F der Teilchen zur Zeit t + ∆t in der Zelle ∆τ 0 am der Stelle r + v∆t, v + m ∆t gegeben durch F f (r + v∆t, v + ∆t, t + ∆t)∆τ 0 = f (r, v, t)∆τ + ∆fSt ∆τ 0 . m vx 0 Hier bezeichnet ∆fSt ∆τ die Zahl der Teilchen, die nicht durch Str¨ omung, sondern durch St¨ oße in die Zelle ∆τ 0 hineingestreut wurden abz¨ uglich der Teilchen von ∆τ , die durch St¨ oße in andere Zellen gestreut wur∆τ ∆τ 0 den. Bei den St¨ oßen zweier Teilchen ver¨ andern sich ihre      Geschwindigkeiten, nicht aber ihre Orte in so kurzer Zeit im Vergleich zu ∆t. y x  Stoß zweier Teilchen x Setzt man gen¨ ahert die beiden Phasenvolumina gleich ∆τ = ∆τ 0 und entwickelt die Verteilungsfunktion in eine Potenzreihe nach der kleinen Gr¨ oße ∆t f (r + v∆t, v + F ∂f F ∂f ∂f ∆t, t + ∆t) ≈ f (r, v, t) + ∆tv · + ∆t · + ∆t m ∂r m ∂v ∂t = f (r, v, t) + ∆fSt , so erh¨ alt man nach Division durch ∆τ und ∆t die Differenzialgleichung zur Bestimmung von f ∂f ∂f F ∂f +v· + · = ∂t ∂r m ∂v mit dem Stoßterm in der Schreibweise  ∂f ∂t   St ∂f ∂t  = ∆fSt . ∆t Boltzmann-Gleichung St Der Stoßterm auf der rechten Seite der Boltzmann-Gleichung wird n¨ aherungsweise nur aus den Zweierst¨ oßen berechnet, die nicht nur in verd¨ unnten Gasen die dominierende Rolle spielen. Der Stoßterm h¨ angt vom differenziellen Wirkungsquerschnitt bei der Streuung der Stoßpartner und vom Produkt der beiden Verteilungsfunktionen ab. Die Boltzmann-Gleichung ist somit nichtlinear in der Verteilungsfunktion. Aus den L¨ osungen der Boltzmann-Gleichung ergeben sich die folgenden wichtigen Eigenschaften: . Die L¨osungen der Boltzmann-Gleichung beschreiben Systeme außerhalb des thermodynamischen . . Gleichgewichtes. Die L¨ osungen der Boltzmann-Gleichung f (r, v, t) beschreiben das Streben ins thermodynamische Gleichgewicht. Sie zeichnen damit eine Zeitrichtung aus, und erf¨ ullen das sogenannte H-Theorem, was durch den nichtlinearen Stoßterm verursacht wird. Ohne a ¨ußere Kr¨ afte F = 0 lautet die Boltzmann-Gleichung f¨ ur die orts- und zeitunabh¨ angige Gleichgewichtsverteilung f0 (v) ∂f ∂f F ∂f +v· + · = ∂t ∂r m ∂v  ∂f ∂t  = 0, St und aus dem verschwindenden Stoßterm erh¨ alt man die Maxwell-Boltzmann-Verteilung f0 (v) = n0  m 2πkB T 3/2  mv2 exp − 2kB T  mit der Teilchendichte n0 und der mittleren kinetischen Energie pro Teilchen ε0 = n0 = Z f0 (v) d3v 1 und ε0 = n0 Z 1 3 mv2 f0 (v) d3v = kB T. 2 2 E0 n0 6.3 Kontinuit¨ atsgleichung Bei elastischen Zweierst¨ oßen gelten die Erhaltungss¨ atze der Masse m, des Impulses mv und der Energie 1 2 ur die Summe aus beiden Teilchen vor und nach dem Stoß. Ist dann χ(v) einer dieser 2 mv jeweils f¨ drei Erhaltungsgr¨ oßen, so gilt f¨ ur den Stoßterm der Boltzmann-Gleichung in Zweierstoßn¨ aherung Z χ(v)  ∂f ∂t  d3v = 0 und somit St Z   ∂f F ∂f ∂f χ(v) d3v = 0. +v· + · ∂t ∂r m ∂v Setzt man χ(v) = m, so erh¨ alt man bei Verwendung der Teilchendichte n(r, t) = der Massendichte ρ(r, t) = mn(r, t) durch Integration ∂n m + m∇ · ∂t Z vf (r, v, t) d3v + F · mit der Massenstromdichte j(r, t) = Z Z ∂f 3 ∂ρ dv= +∇·j+ ∂v ∂t Z Z f (r, v, t) d3v und  ∂ · Ff d3v = 0 ∂v mvf (r, v, t) d3v. F¨ ur den letzten Term wurde ∂ ∂v ·F = 0 ¨ ausgenutzt, was auch f¨ ur die Lorentz-Kraft gilt. Uberf¨ uhrt man ihn bei einem endlichen Volumen mit dem Satz von Gauß in ein Oberfl¨ achenintegral, so muss dieses verschwinden, wenn das Volumen u ¨ber alle Grenzen w¨ achst, weil f → 0 f¨ ur |v| → ∞ gilt. Damit ergibt sich die Kontinuit¨ atsgleichung der ∂ρ Massenerhaltung oßen χ(v) ergeben sich die u ¨brigen + ∇ · j = 0. Aus den anderen Erhaltungsgr¨ ∂t Eulerschen Gleichungen der Hydrodynamik. 6.4 Relaxationszeitn¨ aherung In manchen F¨ allen, bei nur geringer Abweichung vom thermodynamischen Gleichgewicht, l¨ asst sich zur Berechnung der Verteilungsfunktion der Stoßterm in der Boltzmann-Gleichung durch eine einfache N¨ aherung ersetzen. Ist der Unterschied zur Gleichgewichtsverteilung f 1 = f − f0 klein |f1 |  f0 , so aherung setzt man in Relaxationszeitn¨ ∂f ∂f F ∂f f1 +v· + · =− ∂t ∂r m ∂v τ ∂f mit der Relaxationszeit τ . Speziell im homogenen Fall = 0 und ohne a ¨ußere Kr¨ afte F = 0 ergibt ∂r sich dann aus der Boltzmann-Gleichung   ∂f t ∂(f0 + f1 ) ∂f1 f1 , f1 (v, t) = f1 (v, 0) exp − = = =− mit der L¨ osung ∂t ∂t ∂t τ τ so dass die Abweichung von der Gleichgewichtsverteilung mit der Relaxatioszeit τ abklingt. Sind a ¨ußere Kr¨ afte vorhanden F 6= 0, kann man eine station¨ are N¨ aherungsl¨ osung f¨ ur |f 1 |  f0 im r¨ aumlich homogenen Fall finden, indem man setzt ∂f ∂f0 ∂f1 ∂f0 = + ≈ ∂v ∂v ∂v ∂v mit dem Ergebnis f (v) − f0 (v) = f1 (v) ≈ −τ F ∂f0 · . m ∂v Man erh¨ alt so eine station¨ are Abweichung von der Gleichgewichtsverteilung, was z.B. zur Berechnung der elektrischen Leitf¨ ahigkeit in Metallen und Halbleitern angewendet wird. 6.5 Diffusionsgleichung Bei der Diffusion zweier Gase, z.B. bei der Emission von Abgasen in die Atmosph¨ are, berechnen wir nur die Verteilungsfunktion des Fremdgases in der Form f (r, v, t) = f 0 (v) + f1 (r, v, t) aus der Boltzmann-Gleichung ohne a ¨ußere Kraft F = 0. Unter der Annahme |f 1 |  f0 erh¨ alt man mit der Relaxationszeitn¨ aherung ∂f1 ∂f1 f1 +v· =− ∂t ∂r τ oder f (r, v, t) = f0 (v) − τ ∂f1 ∂f1 − τv · . ∂t ∂r Die Gleichgewichtsverteilung f0 , die Teilchendichte n(r, t) und die Teilchendichte im Gleichgewicht n 0 sind gegeben durch  3/2   Z Z 2 m mv f0 (v) = n0 ; n(r, t) = f (r, v, t) d3v und n0 = f0 (v) d3v. exp − 2πkB T 2kB T Wir nehmen gen¨ ahert lokales thermodynamisches Gleichgewicht an f (r, v, t) = und erhalten f (r, v, t) = f0 (v) − n(r, t) f0 (v), n0 τ ∂n τ f0 (v) f0 (v)v · ∇n. − n0 ∂t n0 Der Diffusionsstrom j(r, t) ist der Massenstrom des Fremdgases und ergibt sich wegen aus dem Integral j(r, t) = Z τm mvf (r, v, t) d3v = − (∇n) · n0 Z vvf0 (v) d3v. R vf0 (v) d3v = 0 Zum Ausrechnen des Integraltensors setzen wir zur Abk¨ urzung C = n0 v = (v1 , v2 , v3 ) Z  m 2πkB T 3/2 und erhalten mit    Z 2 2 mv mv vi vj f0 (v) d3v = C vi vj exp − d3v = Cδij vi2 exp − d3v 2kB T 2kB T   Z Z 1 1 2 n0 mv2 1 2 = Cδij v exp − d3v = δij mv2 f0 (v) d3v = δij kB T. 3 2kB T 3m 2 m Z  Damit findet man f¨ ur den Diffusionsstrom mit der Massendichte ρ(r, t) = mn(r, t) j(r, t) = −τ kB T ∇n = −D∇ρ(r, t) mit der Diffusionskonstanten D= τ kB T. m Setzt man diese Gleichung, die auch Fick’sches Gesetz genannt wird, in die Kontinuit¨ atsgleichung ∂ρ + ∇ · j = 0 ein, so erh¨ alt man die Diffusionsgleichung ∂t ∂ρ = D∆ρ. ∂t Sie hat dieselbe mathematische Form wie die W¨ armeleitungsgleichung und beschreibt irreversible Diffusionsvorg¨ ange mit einem Streben ins thermodynamische Gleichgewicht, und zeichnet somit eine Zeitrichtung aus. 7 Statistik In diesem Kapitel werden die theoretischen Ans¨ atze besprochen, um von der mikroskopischen Beschreibung von thermodynamischen Systemen aus sehr vielen Teilchen zu den Gesetzen der makroskopischen Observablen zu kommen. Dabei beschr¨ anken wir uns auf Systeme im thermodynamischen Gleichgewicht, wie sie in den Kapiteln 1 bis 4 behandelt wurden. Verglichen mit den wenigen makroskopischen Observablen wie Volumen, Druck oder Temperatur hat das thermodynamische System aus sehr vielen Einzelteilchen bei mikroskopischer Betrachtung eine sehr große Anzahl von Freiheitsgraden. Grundlage der Statistik ist daher die Annahme, dass es sehr viele mikroskopische Zust¨ ande gibt, die zu denselben Werten der makroskopischen Observablen f¨ uhren. Außerdem fehlt uns die M¨ oglichkeit einzelne mikroskopische Zust¨ ande zu bestimmen. Im Rahmen der klassischen Mechanik w¨ aren dazu die Anfangsbedingungen, d.h. die Orte und Impulse jedes einzelnen Teilchens vonn¨ oten. Im Rahmen der Quantenmechanik kommt noch die Unbestimmtheit aufgrund der Unsch¨ arferelationen hinzu, die von prinzipieller Natur ist. Ausgangspunkt der Statistik muss also die unvollst¨ andige Information sein, die wir u ¨ber die mikroskopischen Zust¨ ande des thermodynamischen Systems haben. Anstelle einer mathematisch strengen Ableitung geht man in der Statistik also von verschiedenen Postulaten aus, die dann zu den Gesetzen der ph¨ anomenologischen Gleichgewichtsthermodynamik f¨ uhren. Dabei zeigt es sich, dass sich die richtigen makroskopischen Beobachtungen ergeben, gleichg¨ ultig ob man die mikroskopischen Teilchen mithilfe der klassichen Mechanik beschreibt, wie L. Boltzmann die Statistik im 19. Jahrhundert entwickelt hat, oder ob man von den quantenmechanischen Zust¨ anden der Atome und Molek¨ ule ausgeht. Wir wollen hier den quantenmechanischen Weg beschreiten, weil er verst¨ andlicher ist, und sich mathematisch auch einfacher gestaltet. 7.1 Quantenstatistik Quantenmechanisch Zsind die Zust¨ ande ψ(x, t) des N -Teilchen-Systems Elemente eines Hilbert- Raumes H mit hψ|ψi = ψ ∗ (x, t)ψ(x, t) dτ = 1, wobei x ein Vektor im Konfigurationsraum ist, der z.B. aus den Orten und Spins aller Elektronen und Atomkerne besteht, und dτ ein Volumenelement in diesem Konfigurationsraum bezeichnet. Befindet sich die Gesamtheit in einem bestimmten Zustand ψ, ist der Erwartungswert einer beliebigen mikroskopischen Observablen mit dem Operator A gegeben durch M (A) = Sp{ρA} = hψ|A|ψi mit ρ = |ψihψ| und hψ|ψi = 1 und Sp{ρ} = 1, wobei der statistische Operator ρ ein Projektionsoperator auf den Zustand ψ ist. F¨ ur das thermodynamische Gleichgewicht setzen wir voraus, dass die Operatoren der makroskopischen Observablen nicht von der Zeit abh¨ angen. Also ist auch der Hamilton-Operator H(x) zeitunabh¨ angig und der quantenmechanische Zustand entwickelt sich zeitlich nach der Schr¨ odinger-Gleichung − h ¯ ∂ψ(x, t) = H(x)ψ(x, t). i ∂t Die Eigenfunktionen φn (x) des Hamilton-Operators erf¨ ullen die Eigenwertgleichung H(x)φn (x) = En φn (x) mit hφn |φm i = hn|mi = δnm , und bilden ein vollst¨ andiges Orthonormalsystem im Hilbert-Raum H, wobei n einen geeigneten Satz von Quantenzahlen bezeichnet. Entwickelt man den quantenmechanischen Zustand ψ nach den zeitunabh¨ angigen φn (x) X X ψ(x, t) = cn (t) φn (x) = cn (t)|ni n n mit zeitabh¨ angigen Entwicklungskoeffizienten cn (t), so schreibt sich der Erwartungswert in der Form M (A) = hψ|A|ψi = X c∗n (t)cm (t)hn|A|mi. n,m ¨ Um die zeitliche Anderung des Erwartungswertes zu untersuchen, betrachten wir speziell die Zust¨ ande des Energieoperators ψn (x, t) = exp n o i − En t φn (x) h ¯ als L¨ osungen von − h ¯ ∂ ψn (x, t) = H(x)ψn (x, t), i ∂t deren Phasenfaktoren sich innerhalb von Zeitschritten in der Gr¨ oßenordnung skopischen Energien in der Gr¨ oßenordnung von 1 J w¨ aren das 6.6 · 10 −34 s. 2π¯ h a ¨ndern. Bei makroEn F¨ ur die makroskopischen Observablen hat man also die zeitlichen Mittelwerte des zugeh¨ origen quantenmechanischen Erwartungswertes zu nehmen M (A) = X c∗n (t)cm (t)hn|A|mi. n,m Im thermodynamischen Gleichgewicht sind alle makroskopischen Observablen zeitlich konstant. Die mikroskopisch m¨ oglichen Messwerte der inneren Energie En liegen jedoch so dicht beieinander, dass sie makroskopisch nicht einzeln beobachtet werden k¨ onnen. Ist etwa ∆E die kleinste messbare Energiedifferenz, so werden zwischen E und E + ∆E noch sehr viele Energieniveaus E n liegen. Wegen der quantenmechanischen Energie-Zeit-Unbestimmtheitsrelation l¨ asst sich eine makroskopisch konstante h ¯ Energie nur in Zeitintervallen ∆t feststellen, f¨ ur die gilt ∆t ≥ , denn fr¨ uhestens nach Ablauf 2∆E ¨ dieser Zeitspanne ∆t kann eine zeitliche Anderung des Erwartungswertes einer selbst zeitunabh¨ angigen Observablen A festgestellt werden. Das zeitliche Mittelungsintervall f¨ ur die obigen Mittelwerte muss also diese Bedingung erf¨ ullen. Bei makroskopischer Beobachtung ist es nicht m¨ oglich, zwischen den einzelnen Energieniveaus zu unterscheiden, die zwischen E und E + ∆E liegen. Zur Definition eines statistischen Operators f¨ ur ein thermodynamisches System der makroskopischen Energie E im thermodynamischen Gleichgewicht entsteht daraus die Frage, wie groß im zeitlichen Mittel die Wahrscheinlichkeit ist, das System in einem Zustand anzutreffen, dessen Energie zwischen E und E + ∆E liegt. Als Antwort f¨ uhren wir die ersten beiden Postulate ein. Postulat 1 der unkorrelierten Phasen: Im zeitlichen Mittel gilt c∗n (t)cm (t) = 0 f¨ ur n 6= m. Postulat 2 der gleichen a-priori-Wahrscheinlichkeit der mikroskopischen Zust¨ ande: Der Gleichgewichtswert einer makroskopischen Observablen ergibt sich durch Mittelung u ¨ber alle m¨ oglichen mikroskopischen Zust¨ ande, wobei jeder Zustand das gleiche Gewicht erh¨ alt. Dann gilt bn (E) |cn (t)|2 = C(E) mit bn (E) =  1 f¨ ur E ≤ En < E + ∆E; 0 sonst, und C(E) = X bn (E), n wobei C(E) die Zahl der Zust¨ ande mit Energieniveaus zwischen E und E + ∆E bezeichnet. Aus den beiden Postulaten erh¨ alt man f¨ ur die makroskopischen Observablen die gemittelten Erwartungswerte P X bn hn|A|ni M (A) = c∗n (t)cm (t)hn|A|mi = n P . b n n n,m F¨ ur den makroskopischen Mittelwert definieren wir den nicht normierten statistischen Operator ρ Sp{ρA} M (A) = Sp{ρ} mit ρ(E) = X bn (E)|nihn|, n wobei |nihn| der Projektionsoperator auf die Eigenfunktionen |ni = φ n von H zum Eigenwert En ist. Zum Beweise beachten wir hn|mi = δnm und berechnen Sp{ρ} = X n,m hm|bn (E)|nihn|mi = X n hn|bn (E)|ni = X bn (E), n und Sp{ρ} gibt die Zahl der Zust¨ ande mit Energien zwischen E und E + ∆E an. Ferner ist Sp{ρA} = X n,m sodass hm|bn (E)|nihn|A|mi = X bn (E)hn|A|ni, n ρ einen normierten statistischen Operator darstellt. Sp{ρ} 7.2 Mikrokanonische Gesamtheit Wir betrachten ein abgeschlossenes thermodynamisches System mit gegebener Teilchzahl N . Der Einfachheit halber beschr¨ anken wir uns auf p-V -T -Systeme, sodass nur Volumenarbeit zugelassen wird. Hat das System die makroskopische Energie zwischen E und E + ∆E, so ist die Anzahl der mikroskopischen Realisierungsm¨ oglichkeiten nach dem vorigen Abschnitt durch Sp{ρ} gegeben. Die innere Energie U ist dann der makroskopisch gemittelte Erwartungswert der Energie des mikroskopischen Systems und es ist mit hn|H|ni = En U = M (H) = P bn hn|H|ni nP = b n n P Sp{ρH} n bn E n P = . b Sp{ρ} n n Die Gesetze der ph¨ anomenologischen Gleichgewichtsthermodynamik ergeben sich nun aus den folgenden Postulaten von L. Boltzmann. Postulat 3. Die Entropie des thermodynamischen Systems ist bis auf eine additive Konstante  S(E, V ) = kB ln Sp ρ(E, V ) , wobei kB die Boltzmann-Konstante ist, und ρ u ¨ber den Hamilton-Operator vom Volumen V abh¨ angt. Postulat 4. Die Temperatur T ist gegeben durch 1 ∂S(E, V ) = . T ∂E Postulat 5. Der Druck p ist gegeben durch ∂S(E, V ) . ∂V p=T Bildet man das totale Differenzial der Entropie S(E, V ) dS =  ∂S ∂E  dE + V  ∂S ∂V  dV = E 1 p dE + dV, T T so erh¨ alt man mit der inneren Energie dU = dE die Kombination der beiden Haupts¨ atze der Gleichgewichtsthermodynamik f¨ ur p-V -T -Systeme mit fester Teilchenzahl und dem Volumen V als freien Parameter: dU = T dS − p dV. 7.3 Kanonische Gesamtheit Die mikrokanonische Gesamtheit beschreibt nur isolierte thermodynamische Systeme. In vielen F¨ allen werden jedoch isotherme Zustands¨ anderungen von Systemen untersucht, die sich in Kontakt mit einem großen W¨ armespeicher der Temperatur T befinden. In diesem Falle findet man die einzelnen Systeme der Gesamtheit in allen m¨ oglichen Energiezust¨ anden, deren H¨ aufigkeitsverteilung durch die Temperatur bestimmt ist. Der makroskopisch gemittelte Erwartungswert der Observablen eines Systems im thermodynamischen Gleichgewicht mit fester Teilchenzahl N , festem Volumen V und gegebener Temperatur T wird dann festgelegt durch Sp{ρk A} M (A) = Sp{ρk } mit dem statistischen Operator ρk Sp{ρk }   H(V ) , mit ρk = exp − kB T wobei der Hamilton-Operator zeitunabh¨ angig ist, und die Exponentialfunktion durch die Potenzreihe gegeben ist. Man definiert dann die Zustandssumme Z(T, V ) durch Z(T, V ) = Sp{ρk } = Sp  exp n H(V ) o − kB T    n H(V ) o E X X D En (V ) , n exp − exp − = n = k T k T B B n n wobei u ¨ber alle Zust¨ ande |ni = φn mit n H(V ) n = En (V ) zu summieren ist. Speziell f¨ ur die makroskopische Energie bzw. die innere Energie U ergibt sich mit β =  1 kB T     n Sp ρk H(V ) En 1 H o 1 X 1 ∂Z U = M (H) = En exp − = Sp H exp − . = =− Sp{ρk } Z kB T Z n kB T Z ∂β   1 En Das bedeutet, dass die mikroskopischen Energieniveaus En mit der Wahrscheinlichkeit exp − Z kB T in der Gesamtheit vertreten sind. Dies entspricht gerade dem klassischen idealen Gas, wenn man En → 12 mv2 setzt, denn dann ergibt sich die Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung. F¨ ur die makroskopischen Variablen freie Energie F , Entropie S und Druck p verwendet man die Postulate der kanonischen Gesamtheit:  freie Energie: F (T, V ) = −kB T ln Z(T, V ) Entropie: S(T, V ) = −  ∂F ∂T  V und Druck: p(T, V ) = − wobei letztere p = p(T, V ) auch Zustandsgleichung genannt wird.  ∂F ∂V  T , Das totale Differenzial der freien Energie findet man damit zu     ∂F ∂F dF = dT + dV = −S dT − p dV, ∂T V ∂V T und die innere Energie ist wegen β = 1 kB T  1 ∂Z ∂F ∂ ln Z ∂ F ∂ 1 ∂F ∂F U =− = F − T =− = = =F+ = F + T S. βF = F + β Z ∂β ∂β ∂β kB T ∂β ∂β T ∂ T1 ∂T Also erh¨ alt man aus den Postulaten die Kombination der beiden Haupts¨ atze der ph¨ anomenologischen Gleichgewichtsthermodynamik dU = dF + T dS + S dT = T dS − p dV. Anwendungsbeispiel: Wir berechnen die innere Energie U bzw. den u ¨ber die kanonische Gesamtheit gemittelten Erwartungswert der Energie eines harmonischen Oszillators der Kreisfrequenz ω mit den Energieniveaus  1 En = h mit n = 0, 1, 2, . . . , ¯ω n + 2 der sich aus der Zustandssumme Z bestimmt U = M (H) = − 1 ∂Z Z ∂β mit β = 1 . kB T Die Zustandssumme berechnet sich zu     X X  n   ∞ ∞    h ¯ω 1 h 1 En h ¯ω ¯ω Z= exp − = exp − = n+ exp − exp − kB T kB T 2 2 kB T n=0 kB T n=0 n=0   ¯ω 1 1 h o. n = exp − 2 kB T 1 − exp − h¯ ω kB T ∞ X Der Mittelwert der makroskopisch gemessenen Energie ist die innere Energie U = −   1  h ¯ω ¯ω 1 h U = − − Z − exp − Z 2 2 kB T  h ¯ ω exp  n n − kh¯BωT 1 − exp − kh¯BωT  h ¯ω 1 1 o n = , +h ¯ω =h ¯ω n ¯+ h ¯ω 2 2 exp kB T − 1 o  1 ∂Z Z ∂β n − kh¯BωT o h ¯ ω exp ¯ω  h o n + o 2  = h ¯ω 2 1 − exp − kB T und die mittlere Besetzungszahl n ¯ des harmonischen Oszillators ist durch die Bose-Einstein-Verteilung gegeben 1 n ¯= exp n h ¯ω kB T o 1 hω, T ) mit fBE (E, T ) = = fBE (¯ −1 exp n E kB T o . −1 Wir betrachten jetzt ein thermodynamisches System aus N gleichen harmonischen Oszillatoren, wie sie z.B. in Festk¨ orpern vorkommen. Die einzelnen Oszillatoren haben die Energieniveaus E nj = h ¯ ω nj + 12 ) mit nj = 0, 1, 2, . . . und j = 1, 2, . . . N, und die Gesamtenergie der N Oszillatoren, die nicht miteinander gekoppelt sind, ergibt sich aus dem Gesamt-Hamilton-Operator H = H 1 + H2 + . . . H N zu En1 n2 ...nN = En1 + En2 + . . . EnN . Bei der Berechnung der Zustandssumme der N Oszillatoren ist das Pauli-Prinzip durch die Ununterscheidbarkeit der Oszillatoren zu beachten. Haben Nj von ihnen die gleiche Energie Ej , so gibt es PN daf¨ ur Nj ! M¨ oglichkeiten, die Oszillatoren auszusuchen, und es gilt j=1 Nj = N . Insgesamt gibt es N ! M¨ oglichkeiten, die Oszillatoren auf die zu besetzenden Energieniveaus zu verteilen. Also ist die Entartung des Energieniveaus En1 n2 ...nN gegeben durch Zahl der M¨ oglichkeiten f¨ ur En1 n2 ...nN N1 !N2 ! . . . NN ! 1 = ≈ , Zahl aller M¨ oglichkeiten f¨ ur N Oszillatoren N! N! denn f¨ ur nicht zu tiefe Temperaturen T machen wir die Annahme, dass die Zahl aller Energieniveaus groß ist im Vergleich zu N , sodass es nur selten vorkommt, dass zwei Oszillatoren die gleiche Energie haben. N¨ aherungsweise gilt dann Nj = 0 oder 1 f¨ ur j = 1, 2, . . . N mit der Folge Nj ! = 1. Die Zustandssumme ZN des Systems aus N ungekoppelten harmonischen Oszillatoren berechnet sich dann zu   ∞ ∞ ∞ X 1 X X En1 n2 ...nN ZN = ··· exp − N ! n =0 n =0 n =0 kB T 1 2 N   ∞ ∞ X ∞ X X 1 E n + E n2 + . . . E nN = ··· exp − 1 N ! n =0 n =0 n =0 kB T 1 2 N  ∞      ∞ ∞ X E n1 X E n2 E nN 1 X ··· exp − exp − exp − = N ! n =0 kB T n =0 kB T kB T nN =0 1 2 !N  ∞ X 1 En 1 N = exp − 1 = Z N ! n =0 kB T N! 1 1 mit der Zustandssumme Z1 f¨ ur nur einen Oszillator. F¨ ur die freie Energie F erh¨ alt man daraus mit der Stirling-N¨ aherung N ! ≈ N N exp {−N } f¨ ur 1  N n   F = −kB T ln{ZN } = −kB T N ln{Z1 } − ln{N !} ≈ −kB T N ln{Z1 } + kB T N ln N o exp {1} und F berechnet sich n¨ aherungsweise proportional zu N und erweist sich damit als eine extensive Variable. Die freie Energie f¨ ur N Oszillatoren besteht also aus dem N -fachen der freien Energie eines einzelnen Oszillators F1 = −kB T ln{Z1 } plus einem temperaturabh¨ angigen Entartungsterm, der durch das quantenmechanische Pauli-Prinzip hinzutritt. Dann ist auch die Entropie S = − ∂F eine extensive Variable. Bei der Berechnung der inneren Energie ∂T U = F + TS = F − T ∂F ∂T mit der freien Energie n N o N o F = −kB T N ln{Z1 } + kB T N ln = N F1 + kB T N ln exp {1} exp {1} n hebt sich der Entartungsterm kB T N ln  N exp {1}  heraus, und man findet mit der freien Energie eines Oszillators F1 und der inneren Energie U1 eines Oszillators    ∂F ∂N F1 ∂F1 1 U =F −T = N U1 = N h ¯ω n ¯+ = N F1 − T = N F1 − T ∂T ∂T ∂T 2 mit der Bose-Einstein-Verteilung n ¯ n ¯= 1 exp  h ¯ω kB T −1 . In einem System aus N ungekoppelten harmonischen Oszillatoren sind im thermodynamischen Gleichgewicht bei gegebener Temperatur T die Oszillatoren nach der Bose-Einstein-Verteilung angeregt.