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Tiefgreifende Herausforderungen für den Vertrieb bei Energieversorgern Die wichtigsten Ergebnisse der Vertriebsstudie Der Veränderungsdruck auf den Vertrieb von Energieversorgungsunternehmen wird weiter zunehmen, das zeigen die Ergebnisse einer Befragung von 103 Vertriebsleitern und Vertriebsmitarbeitern von Stadtwerken, die von Prof. Dr. Ulrich Vossebein, von der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und Gabriele Hildmann, Geschäftsführerin der KAIROS GmbH durchgeführt wurde. Die Treiber der Entwicklung sind veränderte Kundenbedürfnisse ebenso wie der Wettbewerb, der zunehmend durch das Eindringen Branchenfremder geprägt wird. „Ziel unserer Untersuchung war es, eine Einschätzung der Notwendigkeiten zur Veränderung des Vertriebs aus der Praxis zu bekommen. Darüber hinaus wollten wir die Schwarmintelligenz nutzen, um eine brauchbare Grundlage für praxisnahe Change-Management-Prozesse gewinnen“, erläutert Prof. Ulrich Vossebein die übergeordneten Ziele der Studie. Die Vertriebspraktiker wurden u.a. befragt, welche Einflüsse aus ihrer Sicht zukünftig an Bedeutung gewinnen oder verlieren. Margen- und Innovationsdruck weiter zunehmen, so sind sich die Befragten einig. Auch die Notwendigkeit Kundendaten stärker als bisher zu nutzen, die digitale Unterstützung des Vertriebs zu verbessern sowie neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, werden als Impulsgeber der Veränderung von den Experten genannt.
Die Bewertung erfolgte anhand einer 5-er Skala, wobei 1 für „wird abnehmen“ und 5 für „wird sehr deutlich an Bedeutung zunehmen“ steht. Die Studie zeigt, dass die Befragten Praktiker auf die Herausforderungen vor allem mit einer Intensivierung der Kundenbindungsmaßnahmen antworten wollen. Die Etablierung neuer Vertriebswege und die verstärkte Ausrichtung der Vertriebsorganisation auf den Kunden stehen ebenfalls ganz oben auf der Agenda zur strategischen Ausrichtung des Vertriebs. Auch im operativen Bereich, so zeigt sich, sind Änderungen notwendig. Den größten Veränderungsbedarf sehen die Fachleute im Bereich der Vertriebsunterstützung. An erster Stelle stehen Rückgewinnungsprogramme, die als dringende Antwort auf den zunehmenden Kundenverlust zu verstehen sind. Als nachhaltige Antwort auf die Erosion der Kundenbindung
steht die Fähigkeit der Unterscheidung zwischen einzelnen Kunden(-gruppen) und die Verbesserung der systematischen Identifizierung der „relevanten“ Kunden. Der sich abzeichnende stärker kundenorientierte Vertrieb stellt natürlich veränderte Anforderungen an die Kompetenzen der Vertriebsmitarbeiter. Welche das sein sollen, wurde ebenfalls in der Studie erhoben. Die klare Antwort: Frühzeitiges und nachhaltiges Eingehen auf den Kunden, d.h. Service- und Dienstleistungsorientierung stehen ganz oben auf der zukünftigen Kompetenzskala. Aber auch andere „Skills“ gewinnen nach Ansicht der Vertriebspraktiker an Bedeutung. Unter den fünf wichtigsten Kompetenzbereichen, denen der größte Bedeutungszuwachs zugemessen wird, sind vier Kompetenzen, die im Umgang mit dem Kunden wesentliche Bedeutung haben.
Die Bewertung erfolgte auch hier anhand einer 5-er Skala mit 1= „Bedeutung wird abnehmen“ und 5 = „Bedeutung wird sehr deutlich zunehmen“ Veränderungen beschränken sich aber nicht nur auf die Fähigkeiten der Mitarbeiter, sondern betreffen die gesamte Vertriebsorganisation. Angesichts der notwendigen neuen Fähigkeiten der Mitarbeiter steht konsequenter Weise die kontinuierliche Weiterbildung an erster Stelle. Aber auch über die Flexibilität der Arbeitszeit im Vertrieb, die eingesetzten Anreizsysteme sowie eine gezielte Personalentwicklung im Vertriebsbereich haben eine hohe Priorität.
Standardlösungen versus individuellen Lösungen Die Ergebnisse der Befragung zeigen auch, dass es keine allgemeingültigen Empfehlungen für die Gestaltung der Zukunft bei den Stadtwerken gibt. Zu unterschiedlich sind die Ausgangspunkte, aus denen sich die zielführenden Aktionsmuster ableiten lassen. Ein gutes Beispiel ist der zunehmende Margendruck. Dieser kann sowohl wettbewerbs- (Konzentration auf dem Energiemarkt, neue Geschäftsmodelle, Wettbewerber aus anderen Branchen) als auch kundenindiziert (Vertrauen in die Energieversorger, Glaubwürdigkeit der Kundenberater, Wechselbereitschaft) sein.
Wie soll beispielsweise ein Stadtwerk reagieren, das feststellt, dass die Wechselbereitschaft zunimmt? Die befragten Experten wollen in diesem Fall den Vertrieb stärker auf Kundenbindungsmaßnahmen auszurichten. Die Verbesserung der Vertriebsunterstützung u.a. die Identifizierung der strategischen Kunden und die Pflege bzw. der Aufbau des CRM-System werden als notwendige Voraussetzung angesehen. Das Ziel, die Kundenbindungsmaßnahmen in den Fokus des Vertriebs zu stellen, bedingt jedoch auch Aktivitäten in weiteren Handlungsfeldern, ohne die das Ziel nicht erreicht werden kann. Welche Aktivitäten das sind und wie stark die wechselseitigen Abhängigkeiten sind, verdeutlicht die nachfolgenden Abbildung. Die Zahlen in Klammern geben den Korrelationskoeffizienten im Hinblick auf die Kundenbindungsmaßnahmen an. In der graphischen Darstellung wurde sich auf die drei wesentlichen Faktoren pro Bereich beschränkt. Alle Werte sind hochsignifikant.
Es zeigt sich, dass im Personal- und Führungsbereich das Coaching der Mitarbeiter intensiviert werden muss. Ohne gleichzeitige gezielte Personalentwicklung und eine Verbesserung der Reflexion der Arbeit mit dem Vorgesetzten steht das Ziel der höheren Kundenbindung allerdings auf tönernen Füßen. Wer erfolgreich Kundenbindungsmaßnahmen etablieren will, kann das auch nicht ohne die klare Vorgabe von Zielen, überzeugende Nutzenversprechen an den Kunden und eine allgemein stärkere Ausrichtung der Vertriebsorganisation auf die Bedürfnisse der Kunden tun, so die übereinstimmende Meinung der befragten Vertriebsexperten. Diese generelle Ausrichtung bleibt aber ohne vertriebsunterstützende Maßnahmen eher wirkungslos. An erster Stelle der To-do-Liste steht die Pflege/der Aufbau des CRMSystems, ohne dessen Informationen gezielte Kundenbindungsaktionen kaum umgesetzt werden können. Dafür ist weitere Vorarbeit nötig, denn im Vorfeld müssen die strategischen Kunden mit hohem Kundenwert identifiziert sein. Diese Veränderungen können aber nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn die Kompetenzen des Vertriebs an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Ganz oben steht bei den
Methodenkompetenzen die Fähigkeit zur Kundensegmentierung. Im Bereich der Personalkompetenzen sind Engagement und Veränderungsbereitschaft gefragt. Einzelkämpfertum verliert zunehmend an Bedeutung, denn die veränderten Rahmenbedingungen fordern die Fähigkeit mit externen und internen Partnern effektiv zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus setzt die unabdingbare Weitergabe von Wissen und Informationen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kollegen voraus. Dass die IT-Erfahrung auszubauen ist, gehört in einem stärker digitalisierten Vertrieb sicherlich zu den Selbstverständlichkeiten. Parallel zu dem dargestellten Beispiel „Kundenbindungsmaßnahmen“ konnten aufgrund der Studie eine Vielzahl von Systemen bestehend aus Zielen, personal- und organisatorischen Rahmenbedingungen, genereller Ausrichtung des Vertriebs, vertriebsunterstützenden Maßnahmen und Kompetenzen der Mitarbeiter validiert werden. „Unsere Untersuchung zeigt, dass mit Einheitslösungen den Herausforderungen nicht begegnet werden kann. Es zeigt sich zudem, dass in Abhängigkeit von den strategischen Vertriebszielen, nur ein Zusammenspiel spezieller, systemrelevanter Faktoren zum Erfolg führen kann“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Vossebein. Wer sich aus strategischen Überlegungen für verstärkte Innovationen entscheidet, muss andere Rahmenbedingungen und Kompetenzen schaffen, als derjenige, der auf die Verbesserung der Kundenbindung setzten. Wichtig ist aus Sicht der Studienleiter vor allem, das Zusammenspiel der relevanten Erfolgsfaktoren. Was nützt die beste Innovation, wenn der Vertrieb nicht in der Lage ist, die Produkte im Markt zu platzieren, weil es ihm an der notwendigen IT-Ausstattung fehlt?
Dinge an denen die Stadtwerke in jedem Fall arbeiten sollten Bei aller Individualität die Studie auch auch, dass es fünf „Must-does“ gibt, die zur Bewältigung der Herausforderungen nötig sind. Diese „Big Five“ sind: 1. Kundendaten, die zusammengeführt, ergänzt, analysiert und intensiver genutzt werden müssen; 2. Prozesse, die digitalisiert werden, so dass sie die Reaktions- und Umsetzungszeiten im Marketing/Vertrieb verkürzen (und die Kosten senken) 3. Qualifizierte Kundendatenbank, die als zentrale Informationsquelle die Grenze zwischen Vertrieb und Marketing auflöst 4. Schulungen, die zur Erweiterung der Kompetenzen im Umgang mit Kundendaten führen 5. Ein konsistentes Change-Management, das den Vertrieb auf dem Weg zum neuen Vertriebssystem begleitet.
Wie sieht die Umsetzung der Ergebnisse in der Praxis aus „Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Veränderung mit einer tiefgehenden Situationsanalyse im Unternehmen stattfinden muss. Hierzu haben sich in der Vergangenheit Checklisten bewährt“, informiert Gabriele Hildman. Anschließend muss konkretisiert werden, welche Veränderungen für das Stadtwerk relevant sind und welche strategischen und operativen An-
passungsprozesse sich hieraus ergeben. Die Implementierung von standardisierten Lösungen führen zumeist zu unterdurchschnittlichen Ergebnissen, vor allem, weil die Zusammenhänge zwischen den Komponenten nicht beachtet werden. „Die besten CRM-Systeme nutzen wenig, wenn die Vertriebskompetenzen nicht entsprechend weiterentwickelt werden, betont Prof. Dr. Vossebein. Die Studienergebnisse zeigen den Kontext, in dem sich das ChangeManagement bewegen muss. Schon vor über 2000 Jahren stellte Cicero fest: „Aller Eifer, etwas zu erreichen, nutzt freilich gar nichts, wenn du das Mittel nicht kennst, das dich zum erstrebten Ziele trägt und leitet.“ Die Ergebnisse der Studie legen diese Mittel offen. Mehr Informationen zur Studie können per Mail unter
[email protected] anfordern. [Gabriele Hildmann, Geschäftsführende Gesellschafterin KAIROS Gesellschaft für Unternehmensberatung mbH Prof. Dr. Ulrich Vossebein, Technische Hochschule Mittelhessen] Kontakt:
[email protected]