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Trisomie 21 oder
das Down-Syndrom Begriffsbestimmung: Obwohl bereits 1848 der Franzose Séguin das Syndrom beschrieben hat, wird die Erstbeschreibung in der Regel seit 1866 dem englischen Arzt John Langdon Down (1828-1896) zugeschrieben. Downs Beschreibung bediente sich rassistischer Stereotype. Er meinte, in diesem Syndrom bestimmte Parallelen zu der von ihm vermuteten Minderwertigkeit der mongolischen Rasse finden zu können. Daher die Benennung: Mongolismus oder „der mongolische Typ der Idiotie“.Die Ursache war ihm unbekannt, er beschrieb nur die äußeren Merkmale des Syndroms. Die eigentliche Ursache für das Down-Syndrom, die Chromosomenstörung, entdeckten 1959 Lejeune und seine Mitarbeiter in Paris. Es war das zusätzliche Chromosom 21. Sie bewiesen, dass Menschen mit dem Down-Syndrom das Chromosom 21 dreimal besitzen. Der Begriff „Mongolismus“ wird inzwischen deutlich abgelehnt, da die ihm zugrunde liegende Annahme über die Entstehung dieser Behinderung falsch und diskriminierend ist. Abgelöst wurde dieser Begriff in Anerkennung der Bemühungen von Langdon Down durch die Bezeichnung „Down-Syndrom“. Mittlerweile wird aber auch dieser international gebräuchliche Begriff vor allem von betroffenen Personen wegen der negativen Konnotation „down“ (= nieder) zunehmend abgelehnt. Der Anspruch der betroffenen Personen auf begriffliche Mitbestimmung wird heute immer mehr respektiert, wodurch sich nun der Begriff „Trisomie 21“ immer häufiger durchsetzt. Trisomie 21 tritt auf allen Erdteilen, bei allen Ethnien und, wie einige alte Darstellungen und Funde belegen, schon seit Jahrhunderten auf.
Ursachen: Zur Trisomie 21 kommt es, wenn die Zellteilung von der Stammzelle im Hoden oder Eierstock fehlerhaft verläuft. Der Mensch hat im Kern jeder seiner Körperzelle üblicherweise 46 Chromosomen, auf denen die genetische Information gespeichert ist. Zwei dieser Chromosomen sind Geschlechtschromosomen (bei Frauen zwei XChromosomen, bei Männern ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom). Die übrigen Chromosomen bilden 22 Paare gleich großer Chromosomen. Bei jedem Paar stammt eines vom Vater und eines von der Mutter. Die häufigste chromosomale Störung ist die Trisomie 21. Der Chromosomensatz zeigt anstelle von 46 Chromosomen (23 Paare) 47; das genetische Material im Chromosom 21 liegt ganz oder teilweise 3x vor = Trisomie 21. 1
Heute weiß man, dass die chromosomale Störung drei Varianten aufweist und zwar: 1. Die freie Trisomie 21 (betrifft 95 % der Down-Syndrom-Kinder) Zu einem Chromosomenpaar gesellt sich ein drittes freies dazu. 2. Translokationstrisomie (betrifft etwa 4 %) Ein Abschnitt eines zusätzlichen Chromosoms 21 verbindet sich mit einem anderen Teil eines Chromosoms (z.B. 13, 14, 15 oder 22). 3. Trisomie 21-Mosaikstruktur (ungefähr 1-2 %) In einem Teil der Zellen ist eine freie Trisomie vor, in einem anderen Teil aber nicht. Die Behinderung ist nicht so stark ausgeprägt. Körperliche Merkmale sind unauffälliger, die Entwicklung, das Verhalten und die kognitiven Fähigkeiten liegen näher am Durchschnitt. Die verschiedenen Formen der Trisomien, die dem Auftreten der Trisomie 21 zugrunde liegen, lassen sich zwar feststellen, aber es ist bisher nicht möglich die Faktoren anzugeben, die diese Teilungsstörungen verursachen. Immer wieder wurden Vermutungen geäußert, dass Strahlen, Viren, Umweltbelastungen oder Vitaminmangelzustände verursachend sein könnten. Dies konnte aber bis heute nicht bewiesen werden. Ein Zusammenhang, der jedoch vielfach bestätigt werden konnte, ist das Gebäralter der Mutter und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Trisomie 21. Bei Müttern, die älter als 35 Jahre sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Trisomie 21 zu bekommen, erheblich an.
Syndromtypische Merkmale Wichtig zu erwähnen ist, dass alle Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Trisomie 21 trotz der gleichen Diagnose, die bei ihnen gestellt worden ist, ebenso eine einzigartige Persönlichkeit sind wie alle anderen Menschen auch. Die Tatsache, dass Menschen mit Trisomie 21 Personen mit derselben genetischen Veränderung ähnlicher sehen als ihren leiblichen Eltern oder Geschwistern verleitet dazu, dass die typischen äußeren Merkmale als zu dominant und bestimmend gesehen werden. Die deutlichen Gemeinsamkeiten sollten nicht dazu führen die Wirkung der Trisomie 21 zu generalisieren und die zum Teil erheblichen individuellen Unterschiede zu übersehen. Es ist bewusst zu machen, dass ein Kind mit Trisomie 21 zuerst und erkennbar das Kind einer ganz bestimmten Familie ist, das deutliche Ähnlichkeiten mit den Eltern und Geschwistern hat und familientypische Vorlieben und Verhaltensweisen zeigt. Es werden zwar zahlreiche Symptome als syndromtypisch für Trisomie 21 angeführt, aber deren Ausprägung und Variabilität ist erheblich und kein Kind weist alle möglichen Veränderungen auf. Zudem können einzelne dieser typischen Kennzeichen auch bei nicht behinderten Kindern auftreten. Deshalb sind es weniger einzelne Merkmale als das typische Gesamtbild, das eine Diagnose schon beim ersten Eindruck zulässt. Die Kenntnis der individuellen Bedingungen und ihrer spezifischen Auswirkungen ist für die Förderung und Begleitung von Menschen mit Trisomie 21 wesentlich, denn die syndrombedingten Veränderungen des Aussehens und des Verhaltens sowie
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verschiedene typische gesundheitliche Probleme können zu speziellen Problemen führen. Zur Zeit sind etwa 120 Merkmale bekannt, die der Trisomie 21 zugeschrieben werden, aber kein Kind hat alle Merkmale zusammen. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch die auffällige Muskelschwäche (die durch Frühförderung wesentlich gebessert werden kann).
Die häufigsten Merkmale sind folgende: Körpergröße: Die Kinder wachsen langsamer als der Durchschnitt und sie bleiben auch meist unter dem allgemeinen Durchschnitt, wobei auch tendenziell davon auszugehen ist, dass Jugendliche mit Trisomie 21 zunehmend größer werden und sich die Angaben zur Größe entsprechend verändern werden. Körpergewicht: Das Gewicht der Kinder mit Trisomie 21 liegt bei der Geburt leicht unter dem Durchschnitt, bleibt aber während der Kindheit größtenteils überwiegend im Normalbereich. Neuere Studienergebnisse bestätigen die Tendenz zur starken Gewichtszunahme vor allem nach der Pubertät. Dabei scheinen Frauen mit Trisomie 21 häufiger übergewichtig zu sein als Männer. Eine wesentliche Ursache für dieses häufige Übergewicht ist vermutlich der genetisch bedingte geringere Kalorienbedarf. Augen: Der Augenabstand wirkt verbreitert und oft entsteht durch eine Lidfalte das „typische Aussehen“ das Langdon Down zur Namensgebung veranlasste („mongoloid“). Die Nase ist meist klein und der verengte Nasen-Rachen-Bereich kann zu einer Behinderung der Nasenatmung führen. Der Gaumen ist oft relativ hoch und schmal, der Mundraum ist eng und die Zunge etwas vergrößert bzw. das Zungenbändchen etwas kürzer. Zusätzlich zu der etwas schlaffen Muskulatur (der Lippen und Zunge) behindert dies die Kinder anfänglich beim Saugen, später auch beim Sprechen. Ihre Hände wirken oft kleinkindlich (Fettpölsterchen), sind breit und die Finger eher kurz. In Verbindung mit der Muskelschwäche können dadurch feinmotorische Fähigkeiten beeinträchtigt werden. Manchmal zeigt sich auch eine "Vierfingerfurche", d.h. die Handfläche wird von einer Linie durchzogen.. Muskeltonus: Die Gliedmaßen, der Hals und die Schließmuskel (After und Mund) sind anfänglich sehr schlaff (Hypotonie) und behindern das Kind in seiner Entwicklung. Bei Kindern mit Trisomie 21 sind die Arme und Beine im Verhältnis zum Rumpf kürzer. Das erschwert kleinen Kindern das freie Sitzen, so dass sie sich oft mit den Armen auf den Beinen abstützen. Die Haut kann mit zunehmendem Alter spezielle Probleme entwickeln. Sie kann trocken und schuppig werden und eine verstärkte Faltenbildung zeigen. Besonders 3
beeinträchtigend können Risse und Furchen an den Lippen sein. Diese Probleme können jedoch durch entsprechende Behandlung erheblich gelindert werden. Menschen mit Trisomie 21 weisen auch eine vermehrte Bindegewebsnachgiebigkeit auf. Zusammen mit der herabgesetzten Grundspannung der Muskulatur und einer Überstreckbarkeit der Gelenke können Hüftgelenksprobleme, Kniescheiben-instabilität und eine häufig vermehrte Beweglichkeit der oberen Halswirbeln zu orthopädischen Folgebeeinträchtigungen führen. Eine Reihe von Krankheiten treten bei Kindern mit Trisomie 21 häufiger auf als bei anderen Kindern. Dazu gehören u.a.: • Herzfehlbildungen • Infektionen der oberen Luftwege • Erkrankungen der Halswirbelsäule • Leukämie • Schilddrüsenerkrankungen • Funktionsbeeinträchtigungen der Augen und Ohren • Fehlbildungen des Magen-Darm-Traktes • Diabetes • Zöliakie • Chronische Schlafstörungen Die Lebenserwartung von Menschen mit Trisomie 21 hat sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich günstiger entwickelt. Während sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch bei ca. 9 Jahren lag, hat sie sich heute weitgehend jener der Durchschnittsbevölkerung angeglichen. Ein wesentlicher Grund für diese positive Entwicklung liegt in der besseren medizinischen Versorgung der Kinder mit angeborenen gesundheitlichen Problemen, wodurch die Frühsterblichkeit erheblich gesenkt werden konnte. Auch die heute gegebenen therapeutischen Möglichkeiten, besonders bei den typischen Infektionen (Lungenentzündung) und die entwicklungsbegleitende medizinische Betreuung bewirken wesentlich günstigere gesundheitliche Bedingungen. In diesem Zusammenhang dürfen auch soziale Aspekte (Integration…) nicht unterschätzt werden. Trotzdem haben erwachsene Menschen mit Trisomie 21 erheblich mehr gesundheitliche Probleme als andere Gleichaltrige. Sie benötigen deshalb mit zunehmendem Alter vorsorgende medizinische Begleitung und Behandlung.
Entwicklungsverlauf Die Entwicklung von Kindern mit Trisomie 21 wird – wie bei allen Kindern – bestimmt durch das individuelle Potenzial und die Bedingungen im sozialen Umfeld, aber auch von syndromspezifischen Problemen. Besonders die vielfältig möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die unterschiedliche Ausprägung der symptomtypischen Veränderungen führen zu einer großen Variationsbreite innerhalb der „Gruppe“ der Personen mit Trisomie 21, während fälschlicherweise oft von einer großen syndrombedingten Homogenität ausgegangen wird. 4
Um den unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen und Kompetenzen der Kinder gerecht zu werden, ist es deshalb wichtig, sowohl die individuellen Fähigkeiten als auch die unterschiedlich ausgeprägten syndromspezifischen Beeinträchtigungen differenziert zu erfassen. Die Entwicklung bei Kindern mit Trisomie 21 verläuft stetig, wenn auch meist langsamer als bei anderen Kindern. Vor allem in den ersten Jahren (Frühförderung) benötigen Kinder mit Trisomie 21 Unterstützung und Förderung vor allem in den Bereichen Bewegung, Reiz-Wahrnehmungsübungen und Sprache. Da die kognitive Entwicklung von Kindern mit Trisomie 21 meist beeinträchtigt ist, erlernen sie vieles etwas langsamer und weniger leicht. Wir wissen aber heute, dass bei entsprechender Unterstützung bzw. Förderung die Kinder viel mehr Fähigkeiten entwickeln und auch behalten, als man ihnen früher zutraute. Dazu im folgenden mehrere Textpassagen, welche die Entwicklung einer positiveren Haltung Menschen mit Trisomie 21 im Laufe der letzten 50 Jahre klar verdeutlichen: * Das große Lexikon für Eltern und Erzieher / Frankfurt am Main, 1962 „Mongolismus ist eine mit hochgradigem Schwachsinn verbundene angeborene Störung, die 2 bis 3 von 1000 Lebendgeborenen betrifft. .... Die geistige Entwicklung überschreitet kaum einmal das Niveau eines 6- bis 7jährigen, die Kinder sind nur sehr selten fähig, die ersten Klassen einer normalen Volksschule zu besuchen, und bedürfen einer Sonderschule. ... Sie erlernen eine primitive, kleinkindliche Sprache und mit der Zeit einfache, die Pflege erleichternde Handgriffe, z.B. sich ankleiden. Die Kinder sind in jungem Alter sehr träge, inaktiv, werden aber später überaktiv und zu läppischen, teils boshaften Späßen aufgelegt, aber selten im Zorn aggressiv. Ihre Widerstandskraft gegen Erkrankungen ist stark vermindert, so dass der Großteil die Pubertät nicht überlebt und das Erwachsenenalter nur ausnahmsweise erreicht. Solche älter werdende Mongoloide bedürfen der Versorgung in Anstalten. Sie sind nicht in der Lage, für ihren Unterhalt zu sorgen. ... Dabei ist es falsch und sinnlos, den Kindern durch intensiven, an Dressur grenzenden Unterricht Wissen "einzutrichtern" (z. kleine Gedichte oder das 1x1), mit dem sie nichts anfangen können. Man soll vielmehr alle Mühe auf Erlernung praktisch wichtiger Tätigkeiten wenden. Sie sollen sich selber anziehen, einfache Dinge des Alltages richtig erkennen und benennen, einfaches Werkzeug (wie z.B. den Besen) richtig gebrauchen lernen. ...“ * Enzyklopädisches Handbuch der Sonderpädagogik / Berlin 1969 „Mongolismus (Down-Syndrom) - multiple abartige vorgeburtliche Schädigungen des Kindes. Das psychische Verhalten des mongoloiden Kindes wird vordergründig bestimmt durch einen groben Schwachsinn, sowie ein schalkhaftes, munteres Wesen, das stets zu Streichen bereit ist. ... In der Regel ist der Mongoloide zutraulich, anhänglich, zärtlichkeitsbedürftig und gutmütig. ... die Bereitschaft zur Arbeit fehlt ihm; wegen seiner "Faulheit" und rascher Ermüdbarkeit bereitet er nicht selten Erziehungsschwierigkeiten. ... Seine Stimmungslage ist heiter, und echte Trauer vermag er nicht zu empfinden. ... Mit dem 13. Lj. hört der geistige Fortschritt langsam auf und es tritt die "Periode der Seneszenz" ein und die geistigen Fähigkeiten werden immer geringer. 5
(Seneszenz = das Altern und die dadurch bedingten körperlichen Veränderungen.)“ Wolfgang JANTZEN verweist in seiner Arbeit immer wieder auf den Sammelband von Nadel Lynn (Hrsg. des Sammelbandes zum Down-Syndrom / 1988): Die einzelnen Arbeiten daraus verweisen auf die hohe Bedeutung früher Stimulation für die Entwicklung des Zentralen Nervensystems von Kindern mit Trisomie 21. Wobei es noch unklar ist, wo die Grenzen der Förderbarkeit liegen und welche Art der Interventionsstrategien am erfolgreichsten zu sein verspricht. Sie verweisen auch darauf, dass der schlaffe Muskeltonus (und alle seine psychosozialen Begleiterscheinungen) deutlich die gesamte Entwicklung beeinflusst. Weiter auch, dass die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten von der zur Verfügung gestellten Förderung der Eltern und des Umfelds abhängt, bzw. mit der Gesamtbewältigungsfähigkeit der Konfrontation mit einem behinderten Kind. Heute weiß man, dass Kinder mit Trisomie 21 wie die meisten Kinder besonders gerne durch Nachahmung und durch positive Verstärkung (Erfolgserlebnisse) bzw. Zuwendung lernen. Ist dies der Fall können Kinder mit Trisomie 21 in vielen Bereichen Fähigkeiten entwickeln, die ihnen in früheren Zeiten nicht zugetraut wurden. Sehr unterstützend für eine möglichst positive Entwicklung sind auch Selbsthilfegruppen für Eltern von Kindern mit Trisomie 21 und die vermehrt integrativ geführten Kindergruppen, Kindergärten und Schulklassen, sowie Freizeitgruppen und Vereine.
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