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Tumormarker unter besonderer Beachtung der Prävention Zusammenfassung Tumormarker sind körpereigene Substanzen, überwiegend Glykoproteine, deren Auftreten Rückschlüsse auf das Vorliegen eines Tumors ermöglichen. Die wichtigsten Einsatzgebiete der Messung eines Tumormarkers sind die Diagnose, die Verlaufsbeurteilung, die Prognose und die Nachsorge einer Tumorerkrankung. Nur sehr eingeschränkt eignen sich Tumormarker zum Zwecke des Screenings. Leider steht letzteres in deutlichem Gegensatz zum Wunsch vieler Patientinnen und Patienten nach Messung eines Tumormarkers zur Bestätigung ihrer Gesundheit.
Einsatzbereiche und Probleme der Tumormarkermessung Die meisten Tumormarker verfügen nur über eine sehr eingeschränkte Organ- und Tumorspezifität, zudem kommen sie als körpereigene Substanzen auch bei Gesunden in meist geringer Konzentration im Blut vor. Aus diesen Gründen eignen sich die meisten Tumormarker nur für die Verlaufskontrolle und Rezidiverkennung bei bereits diagnostizierten Tumoren. Manche Tumormarker, z. B. das HCG bei Keimzelltumoren, werden auch im Staging und damit zur Prognosebeurteilung erfolgreich eingesetzt. Wegen der guten und schonenden Verfügbarkeit und im Vergleich zu invasivapparativen Techniken auch vermeintlich preiswerten „Alternative“ werden Tumormarker aber auch immer wieder frühzeitig im diagnostischen Prozess im Blut bestimmt, wobei der Einsatz häufig als Mittel zur „Krebsfrüherkennung“ bei Gesunden genutzt wird, auch auf Verlangen der Patientinnen und Patienten. Aufgrund der eingangs erwähnten geringen Organ- und Tumorspezifität hat dieses Vorgehen oftmals zwei Fallstricke: Zum einen kommt es des Öfteren zu erhöhten Werten, die nicht in Zusammenhang mit einer Tumorerkrankung stehen. Neben der psychischen Belastung hat im Zweifelsfall die weitere Abklärung zur Absicherung, dass kein Tumor vorliegt, weitere Kosten zur Folge. Die zweite Kehrseite der Medaille ist die Gefahr falsch negativer Resultate. Tumore haben nicht immer Tumormarker, die über dem Referenzbereich liegen zur Folge, weswegen diese bei
einem unauffälligen Ergebnis der Tumormarkerbestimmung unentdeckt bleiben würden. In der Folge würde der Patient in falscher Sicherheit gewiegt werden und weitere wichtige Diagnostik und Therapie würde unterbleiben. Zusammenfassend empfehlen wir nur dann die Bestimmung eines Tumormarkers, wenn sich aus dem Wert auch Konsequenzen in differentialdiagnostischer, therapeutischer oder diagnostischer Hinsicht ergeben, prinzipiell gilt dieses aber natürlich für jede medizinische Untersuchung.
Sinnvoller Einsatz im Screening Belegt ist der Nutzen eines Screenings mit Tumormarkern nur in gewissen Risikogruppen, bei denen mit einer erhöhten Krankheitshäufigkeit gerechnet werden kann. So ist die Bestimmung des AFP (in Kombination mit einer Ultraschalluntersuchung) bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Hepatitis B/C, Fettleberhepatitis und/oder Leberzirrhose durchaus geeignet ein eventuelles hepatozelluläres Karzinom frühzeitig zu entdecken. Auch die Calcitonin-Bestimmung bei Verwandten von Personen mit C-Zellkarzinom kann frühzeitig ein solches Karzinom entdecken, wobei diese Untersuchung heute zunehmend durch die molekulargenetische RET-OnkogenBestimmung ersetzt wird. Inwieweit sich die Bestimmung von HE4 in der Früherkennung eines Ovarialkarzinoms und die Messung des proGRP zur Früherkennung eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms eignen, muss sich noch erweisen.Beide Marker scheinen aber perspektivisch nach bisheriger Datenlage sinnvoll für diese Indikationen zu sein.
Kostenübernahme Prinzipiell sind die meisten Tumormarker für den kurativen Einsatz im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten. Der Einsatz im Sinne einer Prävention (Ausnahme Schnelltest auf occultes Blut im Stuhl sowie Calcitonin und AFP bei Risikogruppen) ist hier aber nicht vorgesehen und kann daher nur als IGe-Leistung abgerechnet werden.
Bitte beachten Sie auch, dass sowohl im EBM als auch in der GOÄ Höchstwerte etabliert sind, die die Anzahl der anforderbaren Tumormarker pro Blutentnahme bzw. Auftrag regeln: Bei GKV-Versicherten sind maximal 2 Tumormarker pro Auftrag abrechenbar, bei PKV-Versicherten sind es 3 bis maximal 4 Bestimmungen (je Betrag der Einzelleistung).
Sonderfall 1: PSA PSA besitzt als Substanz eine hohe Organspezifität für die Prostata, kommt in anderen Geweben also nur in Spuren vor, weswegen sich die PSA-Bestimmung auch in Screening-Situationen anbietet. Allerdings konnte bisher nicht eindeutig belegt werden, dass eine frühzeitige Entdeckung eines Prostatakarzinoms auch das Überleben der betroffenen Patienten verlängert. Aus diesem Grund soll die PSA-Bestimmung als „Krebsfrüherkennung“ nicht aktiv propagiert werden. Andererseits sollte aber Männern im Alter ab 40 Jahren und mit einer mutmaßlichen Lebenserwartung von mehr als 10 Jahren, die aus eigenem Antrieb die PSA-Bestimmung als Screeningparameter wünschen, nach sorgfältiger Aufklärung und Einwilligung die PSA-Bestimmung nicht vorenthalten werden.
Sonderfall 2: NMP22 Das nukleäre Matrixprotein 22 (NMP22) im Urin wird als Früherkennungsmarker für ein Blasenkarzinom propagiert, wobei diese Indikation in Fachkreisen aufgrund der schlechten Datenlage nicht unumstritten ist. In einer großen prospektiven Studie (UroScreen) konnte 2012 gezeigt werden, dass sich NMP22 aufgrund der hohen Zahl falsch-positiver Befunde (Sensitivität <40 %) nicht zur Früherkennung von Blasenkrebs eignet. Für die Nutzung in der Nachsorge bei Patientinnen und Patienten mit Blasenkrebs zeigten sich jedoch vielversprechende Ansätze. Insgesamt können wir die Untersuchung von NMP22 zum Screening auf einen Blasenkarzinom aufgrund der derzeitigen Studienlage nicht empfehlen.
Sonderfall 3: Hämoglobin im Stuhl Schon länger ist der Schnelltest auf occultes Blut im Stuhl in den Krebsfrüherkennungs-Richtlinien verankert und damit Bestandteil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen. Alternativ steht
dem Schnelltest der immunologische Nachweis von Hämoglobin im Stuhl gegenüber, der den Vorteil bringt, nur humanes Hämoglobin zu erfassen und somit unabhängig von einer fleischlosen/fleischreduzierten Ernährung ist. Auch die bisher vorliegenden Studien weisen in der Mehrzahl eine Überlegenheit der immunologischen Hämoglobin-Nachweise gegenüber den Schnelltesten auf occultes Blut nach, so dass auch die aktuelle S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom den immunologischen Nachweis als Alternative zum herkömmlichen Test aufführt. Leider ist der immunologische Nachweis von Hämoglobin im Stuhl nicht im GKV-System erstattungsfähig und kann daher nur als IGe-Leistung abgerechnet werden. Als mögliche Alternativen zur Früherkennung eines kolorektalen Karzinoms sind noch „genetische Stuhltests“, die DNA-Veränderungen in Kolonepithelzellen aus Stuhlproben nachweisen, der M2-PK Stuhltest und der Nachweis von Nachweis von methyliertem Septin-9 im Blut zu nennen. Zu allen Verfahren ist die derzeitige Studienlage noch nicht ausreichend, um die Nachweise für die Vorsorge/Früherkennung eindeutig empfehlen zu können. Allerdings scheint es gerade für den genetischen Stuhltest in den USA eine vielversprechende Neuentwicklung zu geben, die es wert ist, beobachtet zu werden („Cologuard“).
Welchen Tumormarker bei welcher Lokalisation? Für die reine Diagnose einer Tumorerkrankung sind die wenigsten Tumormarker wirklich hilfreich, hier kommt den bildgebenden Verfahren und der Pathologie bzw. Zytologie eine wesentlich wichtigere Bedeutung zu. Im Rahmen der Primärdiagnose ist es aber dennoch empfehlenswert, diejenigen Tumormarker zu bestimmen, die mit der größten Wahrscheinlichkeit von einem bestimmten Karzinom freigesetzt werden. So kann das Freisetzungsmuster des Tumors festgelegt werden, das in der Nachsorge nützliche Informationen liefern kann. An dieser Stelle möchten wir auch darauf hinweisen, dass manche onkologischen Leitlinien keine Kontrolle in der Nachsorge vorsehen, z. B. die Leitlinien für das Mamma-, NSCL-, Magenoder Pankreaskarzinom. Diese Vorgehensweise ist aber gerade auch im Hinblick auf die Nachsorge des Mammakarzinoms nicht unumstritten.
Nachfolgend haben wir Ihnen die wichtigsten Tumormarker je nach Lokalisation aufgestellt, wobei die Marker der ersten Wahl jeweils fett hervorgehoben sind.
HNO SCC CEA CYFRA 21-1 HAUT S100 SCHILDDRÜSE Calcitonin Thyreoglobulin CEA LEBER AFP CA 19-9 GALLENWEGE CA 19-9 PANKREAS CA 19-9 CEA OVAR CA 125 HE4 CA 72-4 BLASE NMP 22 (Urin) CYFRA 21-1 HODEN AFP ß-HCG PLAP HCG
LUNGE NSE CEA CYFRA 21-1 pro GRP SCC ÖSOPHAGUS CEA SCC CYFRA 21-1 MAMMA CA 15-3 CEA HER-2/neu CA 125 MAGEN CA 19-9 CA 72-4 CEA KOLON / REKTUM CEA CA 19-9 Hb im Stuhl UTERUS / ZERVIX SCC CEA PROSTATA PSA NEUROENDOKRINE TUMORE Chromogranin A NSE
Nützliches und weniger nützliches Wissen zu diversen Tumormarkern - Ein häufiger Grund für erhöhte CEA-Werte ist das Rauchen. - Ein häufiger Grund für erhöhte PSA-Werte ist eine benigne Prostatahyperplasie oder Prostatamanipu lationen vor der Blutentnahme. Bei Werten des PSA im Bereich von 4 ng/ml bis 10 ng/ml empfiehlt sich die zusätzliche Bestimmung des freien PSA und die Bildung des PSA-Quotienten. Quotienten >15 % spre chen eher für eine benigne Genese des erhöhten PSA. Bei einem Gesamt-PSA von mehr als 10 ng/ml lässt sich der Quotient nicht verwerten. - Schwangere haben CA 15-3-Werte.
physiologisch
erhöhte
- Personen mit der Blutgruppe Lewis-a-b-negativ (Häufigkeit 6 %) können kein CA 19-9 bilden. - Bei Cholestase ist das CA 19-9 teilweise stark er höht im Blut messbar, genauso wie bei akuter Cho langitis oder Pankreatitis. - SCC gilt als „Marker“ für Plattenepithelkarzinome jeglicher Lokalisation, ist aber auch erhöht bei Nie reninsuffizienz und benignen Hauterkrankungen. - CA 125 findet sich auch bei benignen Erkrankungen wie Myomen oder Endometriose sowie bei Patien tinnen und Patienten mit Aszites, Pleuraerguss oder Perikarderguss jeglicher Genese erhöht im Blut. - Für CYFRA 21-1 und SCC finden sich hohe Werte im Blut bei Niereninsuffizienz. - Deutlich erhöhte Werte für CA 15-3 (>100 U/ml, abhängig vom Testsystem) sprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit, bzw. Spezifität für ein Karzinom
nach Beendigung der ersten Therapie. Die eigentli chen Referenzbereiche haben für die individuelle Nachsorge so gut wie keine Bedeutung! - Die mit unterschiedlichen Messsystemen ermittelten Tumormarkerkonzentrationen können sich aus der gleichen Probe teilweise deutlich voneinander un terscheiden! Achten Sie bei Verlaufskontrollen im mer darauf, dass die Werte mit dem gleichen Sys tem ermittelt wurden! Nur dann sind sie vergleich bar! - CEA und CFRA 21-1 sind von den gebräuchlichsten Tumormarkern diejenigen, die die geringste Organ spezifität haben - Die prätherapeutisch ermittelten CEA-Werte korre lieren beim kolorektalen Karzinom genauso wie das AFP beim hepatozellulären Karzinom, das CA 72-4 beim Magenkarzinom und das CA 15-3 beim Mam makarzinom zur Überlebenszeit und haben damit prognostische Aussagekraft. - CA 72-4 weist eine ausgeprägte interindividuelle und intraindividuelle Spannbreit auf. So können deutlich erhöhte Konzentrationen auch bei Gesun den vorkommen. - Tumormarkerwerte im Referenzbereich bedeuten nicht automatisch „gesund“ und Werte außerhalb des Referenzbereichs bedeuten nicht automatisch „Krebs“! - Auch bei benignen Mamma-Erkrankungen kann das CEA erhöht sein. - HE4 wird nur sehr selten bei benignen Erkrankun gen positiv und kann daher gut zwischen malignen und benignen Erkrankungen des Ovars unterschei den.
- Erst massiv erhöhte Werte für CA 19-9 (>20.000 U/ml, abhängig vom Testsystem) sprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit bzw. Spezifität für ein Karzinom.
- Der aus onkologischer Sicht wohl einzige Fall, bei dem die Bestimmung von mehr als vier Tumormarker sinnvoll erscheint, ist die Suche nach dem Primarius bei unklaren Raumforderungen in Leber, Lunge oder Skelett (“CUP-Syndrom“). - Wichtig für die Nachsorge sind die individuellen Ba siswerte eines Tumormarkers, erhoben ca. 30 Tage
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- Nur PSA, Thyreoglobulin und Calcitonin haben eine hohe Organspezifität.