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Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 118, 2003 Inhalt und Zusammenfassungen Inhalt S. Moraw Schönheit und Sophrosyne. Zum Verhältnis von weiblicher Nacktheit und bürgerlichem Status in der attischen Vasenmalerei B. Schmaltz – M. Salta Zur Weiter- und Wiederverwendung attischer Grabreliefs klassischer Zeit G. Platz-Horster Der Silberfund von Paternò in der Antikensammlung Berlin. Mit Beiträgen von B. Niemeyer, I. Reiche und A. Denker sowie C. de Simone J. Meischner Die Skulpturen des Hatay Museums von Antakya
Zusammenfassungen S. Moraw Schönheit und Sophrosyne. Zum Verhältnis von weiblicher Nacktheit und bürgerlichem Status in der attischen Vasenmalerei Die attische Keramik des 6. bis 4. Jahrhunderts v. Chr. wird in einzelnen chronologischen Abschnitten unter folgenden Gesichtspunkten untersucht: Wie sieht die körperlich und moralisch vorbildhafte bürgerliche Frau aus? Und welche Bedeutung hat die Darstellung des nackten Frauenkörpers? Zeitgleiche Zeugnisse aus Großplastik und Literatur werden jeweils kontrastierend herangezogen. Weibliche Vorbildhaftigkeit und weibliche Nacktheit schließen sich zunächst gegenseitig aus. Nacktheit bedeutet anfänglich für die derart Dargestellte vor allem etwas Negatives. Erst ab ca. 500 v. Chr. kann damit auch neutral ›Schönheit‹ ausgedrückt werden. Seit dem Reichen Stil schließlich wird es zumindest in der Vasenmalerei möglich, explizit als solche gekennzeichnete bürgerliche Frauen in jetzt aphrodisisch überhöhender Nacktheit zu präsentieren. Dennoch haftet dem Phänomen weiterhin etwas Problematisches an: In anderen Gattungen bleibt die Darstellung einer nackten Bürgerin undenkbar. Auf den Vasen muß Nacktheit durch das Bildthema legitimiert sein, vollständige Entblößung entgegen der bildinternen Realität ist nicht möglich. Die Darstellung des Genitals ist tabu. Die negativen Implikationen, die von Anfang an mit weiblicher Nacktheit verbunden waren, leben in anderen Gattungen (z. B. der Komödie) und in anderen Bildthemen fort. Ethische Werte können anhand des weiblichen Körpers nicht zum Ausdruck gebracht werden. Das Konzept der ›idealen Nacktheit‹ ist auf die Darstellungen von Frauen nicht übertragbar. B. Schmaltz – M. Salta Zur Weiter- und Wiederverwendung attischer Grabreliefs klassischer Zeit Bei sorgfältiger Betrachtung attischer Naiskosstelen klassischer Zeit sind immer wieder Unregelmäßigkeiten in der Bearbeitung der Oberfläche zu erkennen, sei es an den Figuren selbst, sei es an ihren Gesichtern, Gewändern oder Attributen wie am Hintergrund zwischen den Figuren. Im Einzelfall liegt der Gedanke an handwerkliche Unzulänglichkeiten nahe, doch lassen die Addition solcher Indizien, die motivischen und/oder trachtgeschichtlichen Ungereimtheiten (vgl. z. B. ›halbierte‹ Frisuren), die extreme Flachheit mancher Hintergrundfiguren sowie die mehrfach zu beobachtenden Korrekturen in den Inschriften (Ergänzungen und Rasuren) keinen Zweifel daran, daß es sich um planmäßig durchgeführte, sekundäre Korrekturen handelt, die wohl anläßlich einer Weiter- oder Wiederverwendung der Monumente vorgenommen wurden; mehrfach ist sogar mit wiederholter Nutzung und Korrektur zu rechnen. Die systematische Durchsicht der entsprechenden Bestände des Athener Nationalmuseums (sowie einiger weiterer europäischer Museen) läßt darauf schließen, daß etwa ein Viertel der erhaltenen Naiskosstelen überarbeitet wurde, sei es hinsichtlich der Hauptfigur, sei es im Bereich der Nebenfiguren. Nicht selten wurden Frisuren ›modernisiert‹, Attribute verändert, Hintergrundfiguren (wie z. B. Dienerinnen) zugefügt, selbst das Geschlecht dargestellter Personen wurde wiederholt ›ausgetauscht‹. Neben dem praktischen Aspekt des handwerklichen Vorgehens und des Bestellens der Denkmäler bzw. der Korrekturen interessiert nicht weniger die Frage der inhaltlichen Deutung; denn es liegt auf der Hand, daß die traditionell in der Fachliteratur herausgestellte Unterscheidung von Verstorbenen und Hinterbliebenen angesichts von Korrekturen nicht selten in ihrer Eindeutigkeit fragwürdig wird: Die Deutung der Bilder rückt zwangsläufig erneut in den Vordergrund.
Dabei spielt nicht mehr so sehr die Betrachtung und Würdigung des Einzelfalls, des einzelnen Reliefs, die maßgebliche Rolle, vielmehr ist darüber hinaus ein Überblick zu gewinnen über die Figurentypen, ihre Kombination und die Bildtypen. Trotz stilbedingter Veränderungen scheint sich dabei eine Aussage abzuzeichnen zum Grundthema attischer Naiskosstelen klassischer Zeit: Gerade die Korrekturen im Bild lassen darauf schließen, daß der Bezug zum Verstorbenen selbst, seinem Alter und seinem sozialen Stand recht konkret angesprochen werden sollte. G. Platz-Horster Der Silberfund von Paternò in der Antikensammlung Berlin. Mit Beiträgen von B. Niemeyer, I. Reiche und A. Denker sowie C. de Simone Den 1909 am Fuße des Normannenturmes von Paternò am Ätna gefundenen Silberschatz hat Robert Zahn 1911-1914 für das Antiquarium der Königlichen Museen erworben. Neben den sieben nach Berlin gelangten Gefäßen gehörten noch wenigstens zwei weitere zu dem nie vollständig publizierten Komplex. Er umfaßt drei Henkelschalen, eine Eierschale, eine Muschel- und eine Spulenpyxis sowie einen Riefelbecher. Alle Gefäße sind durch Inschriften, Form und Dekor miteinander verbunden. Bis auf den Riefelbecher, der vielleicht um 400 v. Chr. in Thrakien oder Epirus entstand, finden alle Silbergefäße ihre engsten Parallelen in der Keramik von Tarent oder Apulien zwischen 350 und 300 v. Chr. Der Silberfund von Paternò ist somit der früheste Komplex an einheimischen Silbergefäßen aus Unteritalien. Für den Nachweis einer Fertigung in Sizilien fehlen vergleichbare Funde, sei es in Metall oder Keramik. Vermutlich im 3. Jahrhundert v. Chr. ging das Silber durch die Hände von drei oder vier Besitzern, unter ihnen vielleicht ein Römer aus dem Fundgebiet am Ätna. Anlaß für die Verbergung des Hortes könnten die Wirren des Zweiten Punischen Krieges gewesen sein. J. Meischner Die Skulpturen des Hatay Museums von Antakya Die Ausgrabungen der antiken Stadt Antiochia begannen während der seit 1918 bestehenden französischen Mandatsverwaltung der Provinz, im Jahr 1932. Ihre Träger waren das Nationalmuseum Frankreichs, der Louvre, sowie die amerikanischen Museen von Baltimore, Worcester, Dumbarton Oaks, Cambridge und die Universität Princeton. Die nur in wenigen Kampagnen durchgeführten Grabungen mußten mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 abgebrochen werden. Die Funde, Skulpturen und Mosaiken, gelangten, entsprechend den Abmachungen zwischen den Ausgräbern und den örtlichen Behörden zu einer Aufteilung zwischen der Stadt Antakya und den Ausgräberstaaten, in Teilen nach Paris und in die USA. Die Museen von Worcester, Baltimore und Cleveland zeigten den an sie gelangten Fundanteil in drei Ausstellungen 2000/2001. Die Antiochener Bestände der Universität Princeton wurden von T. Najbjerg vorgelegt. Der unter der Herausgeberschaft von C. Kondoleon zur Ausstellung in Worcester, Baltimore und Cleveland erschienene Katalog bietet in einem ersten Teil Essays zu zehn das antike Antiochia betreffenden Themen. Im zweiten Teil werden die in den Louvre und in die drei genannten amerikanischen Museen gelangten Funde unter Einbeziehung einiger Stücke in Antakya vorgelegt. Eine größere Anzahl des Antiochener Bestandes stammt ohne nähere Angabe entweder aus dem Stadtgebiet von Antiochia oder dessen Villenvorort Daphne. Eine Reihe von Ausstattungsstücken und Porträts wurde nicht in ihrem ursprünglichen Zusammenhang gefunden, sondern ausrangiert im Nebengebäude eines spätantiken Wohnhauses aus dem 4./5. Jahrhundert n. Chr. in Antiochia. Auch sonst sind Datierungshilfen durch stratigraphische Befunde nicht gegeben.
Die türkischen Bestände des Hatay Museums in Antakya werden in Form eines wissenschaftlichen Kataloges vorgelegt. Die verbliebenen Bestände vermögen das lange Leben der Stadt vom Hellenismus bis in die Spätantike zu spiegeln. Die späteste erhaltene Skulptur ist im 5. Jahrhundert n. Chr. entstanden. Bemerkenswerterweise ist diese eine ideale Großplastik, die man nach dem 3. Jahrhundert n. Chr. nicht mehr erwartet: ein Kopf des Ares Borghese. Die amerikanischen Grabungspublikationen belegen für Daphne eine Besiedlungsdauer vom Späthellenismus bis ins 6. Jahrhundert n. Chr. Den Skulpturenfunden sind oft lange Benutzungsphasen abzulesen. Auffallend zahlreiche Stückungen sind mit Sicherheit auf antike Reparaturen, und diese nicht nur nach den großen Erdbeben, zurückzuführen.