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Simon Lohse Thomas Reydon
Meiner
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie ; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http ://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-2986-1 ISBN eBook: 978-3-7873-2987-8
Umschlagabbildung: Fotosearch.de © Felix Meiner Verlag Hamburg 2017. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53, 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Gestaltung: Jens-Sören Mann. Satz : Type & Buch Kusel, Hamburg. Druck : Strauss, Mörlenbach. Bindung: Litges & Dopf, Heppenheim. Werkdruckpapier : alter ungsbeständig nach DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100 % chlor f rei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de
Inhalt
I. Einführung 1. Einleitung: Zur Ausdifferenzierung der Wissenschaftsphilosophie Simon Lohse und Thomas Reydon
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2. Allgemeine Wissenschaftsphilosophie und die Philosophien der Einzelwissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meinard Kuhlmann
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II. Die Philosophie der Formal- und Geisteswissenschaften 1. Philosophie der Mathematik Torsten Wilholt
2. Philosophie der Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eugen Fischer
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3. Philosophie der Literaturwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Tilmann Köppe und Tobias Klauk 4. Philosophie der Geschichtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietmar Hübner 5. Philosophie der Rechtswissenschaft Benno Zabel
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III. Die Philosophie der Natur- und Biowissenschaften 1. Philosophie der Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Christian Wüthrich 2. Philosophie der Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Joachim Schummer 3. Philosophie der Biologie Thomas Reydon
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4. Philosophie der biomedizinischen Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Lara Huber und Lara Keuck 5. Philosophie der Neurowissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Lyre
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Inhalt
IV. Die Philosophie der Ingenieur- und interdisziplinären Wissenschaften 1. Philosophie der Ingenieurwissenschaften Sven Ove Hansson
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2. Philosophie der Klimawissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Richard Bradley, Roman Frigg, Katie Steele, Erica Thompson und Charlotte Werndl 3. Philosophie der Geo- und Umweltwissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henk de Regt, Chris J. J. Buskes und Maarten G. Kleinhans
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4. Philosophie der Kognitionswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Sven Walter V. Die Philosophie der Sozial- und Verhaltenswissenschaften 1. Philosophie der Psychologie Uljana Feest
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2. Philosophie der Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfram Hinzen
475 511
3. Philosophie der Soziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Simon Lohse und Jens Greve 4. Philosophie der Ökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Julian Reiss 5. Philosophie der Politikwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Catherine Herfeld
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Personen- und Sachregister Autorinnen und Autoren
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I. Einführung
1. Einleitung: Zur Ausdifferenzierung der Wissenschaftsphilosophie Simon Lohse und Thomas Reydon
Hintergrund und Zielsetzung des Bandes Der vorliegende Band bietet eine fortgeschrittene Einführung in die Wissenschaftsphilosophie. Diese ist nicht auf spezifische Themen oder (historische) Diskussionslinien fokussiert, sondern nimmt die Philosophien der verschiedenen Einzelwissenschaften in den Blick. Dem Band liegt dabei ein Verständnis des Begriffs ›Wissenschaft‹ im deutschen Sinne des Wortes zu Grunde, nach dem Wissenschaft nicht nur die Natur- und Lebenswissenschaften umfasst (im Sinne des englischen ›science‹), sondern alle akademischen Arbeitsbereiche wie die Sozialwissenschaften, die Ingenieurwissenschaften und die Geisteswissenschaften. Dementsprechend werden in diesem Buch nicht nur gut etablierte Teilgebiete der traditionellen Wissenschaftsphilosophie berücksichtigt, die – entsprechend der angloamerikanischen philosophy of science – vor allem auf wenige Grundlagenwissenschaften wie die Physik und die Biologie zielte. Vielmehr werden auch weniger prominente bzw. bislang kaum etablierte Gebiete vorgestellt wie die Philosophie der biomedizinischen Wissenschaften, die Philosophie der Literaturwissenschaft, die Philosophie der Rechtswissenschaft oder die Philosophie der Geo- und Umweltwissenschaften. Mit diesem Buch soll eine Lücke in der deutschsprachigen Wissenschaftsphilosophie geschlossen werden. Verfügbare deutschsprachige Lehrbücher und Überblickswerke präsentieren die Wissenschaftsphilosophie typischerweise anhand von Betrachtungen klassischer Fragen und Diskussionen aus der allgemeinen Wissenschaftstheorie.1 Zu denken wäre hier etwa an die Frage nach der Natur wissenschaftlicher Erklärungen, die Diskussionen um die Reduzierbarkeit der Einzelwissenschaften auf die fundamentale Physik oder um die Rationalität des Theor iewandels in den Wissenschaften, die Frage nach der Bestätigung von Theor ien oder die Diskussionen um die Rolle von Naturgesetzen in den verschiedenen Wissenschaften sowie darüber, was Naturgesetze eigentlich sind. In der einschlägigen Literatur werden zwar mitunter auch besonders prominente Themen der Philosophien der Einzelwissenschaften vorgestellt wie das Interpre1 Zum Verhältnis der Label ›Wissenschaftstheor ie‹ und ›Wissenschaftsphilosophie‹ zueinander siehe das Kapitel von Meinard Kuhlmann.
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I. Einführung
tationsproblem der Quantentheorie oder die Frage nach der Struktur sowie dem Anwendungsbereich der Evolutionstheorie.2 Dabei liegt der Fokus allerdings fast ausschließlich auf den physikalischen Grundlagenwissenschaften und der Biologie. Die meisten anderen wissenschaftlichen Disziplinen werden kaum berücksichtigt.3 Der vorliegende Band versucht dagegen eine möglichst breit gefächerte Auswahl des State-of-the-Art der Philosophien der Einzelwissenschaften systematisch vorzustellen. Diese Grundidee des Bandes ist vor allem durch die zunehmende Ausdifferenzierung der Wissenschaftsphilosophie seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts motiviert. Zogen neben der Physik (und der Mathematik) zunächst vor allem die Biologie, die Psychologie und später Teile der Sozialwissenschaften die Aufmerksamkeit von Wissenschaftsphilosophinnen und Wissenschaftsphilosophen auf sich, so lässt sich mit der Jahrtausendwende feststellen, dass sich eine Vielzahl weiterer Wissenschaftsphilosophien in allen Bereichen der Wissenschaft ausgebildet haben bzw. gerade damit beginnen, sich auszubilden und zu professionalisieren (z. B. durch die Gründung von Forschungsnetzwerken und eigenen Fachzeitschriften). Zum Teil ist diese Entwicklung zweifellos schlicht dadurch begründet, dass sich immer mehr Forschungszweige als eigenständige Wissenschaftsbereiche mit eigenen Fachjournalen, Konferenzen usw. etablieren und somit erst als mögliche Bezugsdisziplinen in den Blick der Wissenschaftsphilosophie geraten können. Zeitgenössische Beispiele für diese Entwicklung sind die Klimawissenschaften oder auch die Kognitionswissenschaft. Als Ergebnis dieses Ausdifferenzierungsprozesses spielen sich wissenschaftsphilosophische Debatten zunehmend in den Philosophien der verschiedenen Einzelwissenschaften bzw. diese übergreifend ab. Diese Einwicklung wird in Einführungen und Überblickswerken der Wissenschaftsphilosophie u. E. bislang zu wenig in den Fokus gerückt. Der vorliegende Band soll die wissenschaftsphilosophische Buchlandschaft daher in diesem Punkt ergänzen und eine Orientierungs- und Konsolidierungsfunktion hinsichtlich der Wissenschaftsphilosophien der Einzelwissenschaften erfüllen. Dabei soll einerseits die Heterogenität der verschiedenen Wissenschaftsphilosophien gezeigt werden, etwa was spezifische Fragestellungen oder das Verhältnis zur jeweiligen Bezugswissenschaft angeht (Wissenschaftsphilosophie als begleitende Meta-Disziplin zu einer bestimmten Einzelwissenschaft vs. integrierte Wissenschaftsphilosophie). Andererseits sollen auch disziplinübergreifende Zusammenhänge sichtbar(er) gemacht werden; zu denken wäre hier etwa an die Rolle, die Fiktionalität in der Philosophie der Mathematik und der Philosophie der Lite 2 Siehe für ein Beispiel im deutschen Sprachraum die Einführung von Bartels/Stöckler (2007) sowie für ein englischsprachiges Beispiel Okasha (2002). Die meisten Einführungen in die Wissenschaftsphilosophie sind ähnlich aufgebaut. 3 Das gilt auch für englischsprachige Werke. Die einzige uns bekannte Ausnahme, die uns auch als Inspiration für den vorliegenden Band gedient hat, ist das Buch Philosophies of the Sciences: A Guide (Allhoff 2010).
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Zur Ausdifferenzierung der W issenschaftsphilosophie
raturwissenschaft spielt, an den Stellenwert von narrativen Erklärungen in den Geowissenschaften und der Geschichtswissenschaft oder auch an Ähnlichkeiten zwischen mechanistischen Erklärungen in den Bio- und den Sozialwissenschaften. Der Band soll insofern (nicht zuletzt durch das Sachregister am Schluss) auch eine zweckmäßige Ressource für das Beitreiben von komparativer Wissenschaftsphilosophie sein, die sich u. a. als nützlich für die Gretchenfrage der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie erweisen könnte: Was eigentlich ist Wissenschaft? Das Buch zielt zudem auf eine Horizonterweiterung wissenschaftsphilosophischer Diskussionen. Auch weniger prominente Disziplinen, Fragen und Diskussionen sollen in den Vordergrund gerückt und dadurch sowohl für die allgemeine Wissenschaftsphilosophie als auch für die verschiedenen Philosophien der Einzelwissenschaften einsehbar gemacht werden (vgl. dazu den Eröffnungsbeitrag zur allgemeinen Wissenschaftsphilosophie und ihrem Verhältnis zu den Philosophien der Einzelwissenschaften von Meinard Kuhlmann). Generell hoffen wir durch das vorliegende Buch einen Beitrag zur Stärkung und Ausweitung der Wissenschaftsphilosophie im deutschsprachigen Raum zu leisten. Das Buch soll einen Überblick zum gegenwärtigen Forschungsstand der verschiedenen Philosophien der Einzelwissenschaften bieten, der sowohl für avancierte Studierende und Doktorandinnen sowie Doktoranden der Philosophie als auch für praktizierende Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler mit einem Interesse an Grundlagenfragen des eigenen Faches zugänglich ist. Die einzelnen Kapitel zielen dementsprechend nicht nur auf ein Publikum, das bereits über vertiefte Vorkenntnisse der Wissenschaftsphilosophie verfügt, sondern auch auf Leserinnen und Leser, die sich zum ersten Mal intensiver mit metatheoretischen und wissenschaftsphilosophischen Themen befassen. Insofern handelt es sich hierbei um ein einführendes Überblickswerk auf fortgeschrittenem Niveau. Dadurch dass sich die einzelnen Kapitel nicht mit spezifischen Themen oder Fragen, sondern mit der Philosophie einzelner Disziplinen befassen, soll wie oben ausgeführt ein alternativer Zugang zur Wissenschaftsphilosophie geboten werden. Die Kapitel eigenen sich hierbei natürlich auch zur Ergänzung von klassischen Themensegmenten aus der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie. Darüber hinaus wird Forscherinnen und Forschern aus spezifischen Fachgebieten die Möglichkeit geboten, schnell einen Zugang zu den zentralen philosophischen Themen und Problemen ihres eigenen Faches zu bekommen und diesen über die Literaturverweise ggf. zu vertiefen.
Auswahl der Disziplinen und Struktur des Bandes Bei der Auswahl der Einzelwissenschaften, die in den verschiedenen Kapiteln behandelt werden, haben wir uns grundsätzlich von zwei Überlegungen leiten lassen. Erstens haben wir versucht, ein möglichst breites Feld von Disziplinen abzudecken, das sich von den Formal- und Geisteswissenschaften und den Naturwis11
I. Einführung
senschaften bis zu den Lebens- und Ingenieurwissenschaften erstreckt, um der Diversität des Feldes zumindest annährend gerecht zu werden. Da wir aufgrund von pragmatischen und (zeit-)ökonomischen Restriktionen nicht jede einzelne Subdisziplin hier aufnehmen konnten (s.u.), haben wir zweitens eine Mischung aus gut etablierten Wissenschaftsphilosophien (z. B. Philosophie der Physik, Philosophie der Biologie), neueren Subdisziplinen (z. B. Philosophie der Klimawissenschaften, Philosophie der biomedizinischen Wissenschaften) und auch gerade erst in Erscheinung tretenden Wissenschaftsphilosophien (z. B. Philosophie der Rechtswissenschaft, Philosophie der Politikwissenschaft) anvisiert. Diese beiden Zielrichtungen des Bandes haben zum einen die Konsequenz, dass einige Kapitel wie etwa dasjenige zur Philosophie der Politikwissenschaft einen stärker programmatischen Charakter haben als andere Kapitel, die eher einen einführenden Überblick über den State-of-the-Art geben. Zum anderen sind dadurch nicht alle etablierten Philosophien der Einzelwissenschaften im Buch enthalten. Wir glauben allerdings, dass einige Diskussionen innerhalb der Wissenschaftsphilosophien der letztgenannten Gruppe durchaus von Beiträgen verwandter Disziplinen in diesem Band erhellt oder bereichert werden können. Zu denken wäre hier etwa an die Debatten um Individualismus vs. Holismus, die nicht nur innerhalb der im Band vertretenen Philosophie der Soziologie eine wichtige Rolle spielen, sondern auch in der Philosophie der Kulturanthropologie; oder auch an Krankheitstheorien, die ähnlich wie im Beitrag zur Philosophie der biomedizinischen Wissenschaften in diesem Band auch in der von uns nicht eigens aufgenommenen – allerdings gut etablierten – Philosophie der Medizin diskutiert werden. Natürlich hat bei der Zusammenstellung der Kapitel des Bandes neben sprachlichen und zeitlichen Einschränkungen auch die Frage eine Rolle gespielt, welche Einzelwissenschaften überhaupt als Bezugsgebiete der Wissenschaftsphilosophie auftreten. Zu vielen Gebieten, die sich bislang als eigenständige Wissenschaft etabliert haben, gibt es derzeit entweder keine eigenständige Wissenschaftsphilosophie oder eine solche Wissenschaftsphilosophie befindet sich in einem so frühen Entstehungsstadium, dass noch kaum Spezialistinnen und Spezialisten zur Verfügung stehen, die als Autorinnen und Autoren eines deutschsprachigen Kapitels für das vorliegende Buch in Frage gekommen wären. Ein Beispiel der ersteren Kategorie wäre die Musikologie, zu der es unseres Wissens derzeit keine eigene Wissenschaftsphilosophie gibt. Bereiche, zu denen sich erst in der heutigen Zeit allmählich eigene Wissenschaftsphilosophien herausbilden, sind u. a. die Astrophysik, die Mikrobiologie, die Archäologie, die Pflegewissenschaft, die Computerwissenschaft und die Paläontologie. Zwar gibt es bereits erste Einführungen in diese Philosophien (zur Astrophysik: Anderl 2016; zur Mikrobiologie: O’Malley 2014; zur Archäologie: Wylie 2002; zur Pflegewissenschaft: Risjord 2010; zur Computerwissenschaft: R. Turner 2014; zur Paläontologie: D. Turner 2011), doch ist die Auswahl deutschsprachiger Autorinnen und Autoren hier eben naturgemäß begrenzt. In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, 12
Zur Ausdifferenzierung der W issenschaftsphilosophie
dass das Kapitel zur Philosophie der Geo- und Umweltwissenschaften aus dem Englischen übersetzt wurde. Dieser Sonderfall ist dem Umstand geschuldet, dass mit Thomas Reydon einer der Herausgeber dieses Bandes gute Kontakte zu den Autoren des entsprechenden Kapitels im englischsprachigen Band von Allhoff (2010) hat und wir vom Verlag dieses Bandes problemlos die Zustimmung erhielten, eine aktualisierte Fassung dieses Kapitels ins Deutsche übersetzen zu lassen und in den Band aufzunehmen. Der Band ist in fünf Teile gegliedert. Der einleitende Teil I enthält neben dieser Einführung der Herausgeber ein Kapitel, das den Zusammenhang von allgemeiner Wissenschaftsphilosophie und den Philosophien der Einzelwissenschaften thematisiert und ein besonderes Augenmerk auf das Zusammenspiel von Philosophie, allgemeiner Wissenschaftsphilosophie und Einzelwissenschaften innerhalb der Philosophien der Einzelwissenschaften legt. Dieses Kapitel ist einerseits als Fortführung dieser Einleitung gedacht und erfüllt andererseits eine Bindegliedfunktion zur allgemeinen Wissenschaftsphilosophie. Im II. Teil des Bandes werden die Philosophien der Formal- und Geisteswissenschaften vorgestellt. Darauf folgen Teil III zu den Philosophien der Natur- und Biowissenschaften sowie Teil IV zu den Philosophien der Ingenieur- und interdisziplinären Wissenschaften. Der Band schließt mit einem V. Teil zu den Philosophien der Sozial- und Verhaltenswissenschaften und einem integrierten Sach- und Personenregister. Man könnte einen naheliegenden Kritikpunkt zur Gewichtung der einzelnen Wissenschaftsphilosophien formulieren, nämlich dass für die Philosophien der Natur- und Lebenswissenschaften einzelne Kapitel aufgenommen wurden, während die Philosophie der Ingenieurwissenschaften, die ja mindestens genauso divers sind wie die Natur- und Lebenswissenschaften, in einem einzelnen Kapitel behandelt wird. Diese Entscheidung entspringt dem Umstand, dass sich zu den einzelnen Ingenieurwissenschaften, wie der Elektrotechnik oder dem Maschinenbau, bislang keine spezifischen Wissenschaftsphilosophien herausgebildet haben. Vielmehr gibt es die Technikphilosophie, die sich allerdings mit der Technik als Phänomen und nicht mit den technischen Wissenschaften befasst, und die noch sehr junge philosophy of technology, die sich als Wissenschaftsphilosophie der technischen Wissenschaften insgesamt versteht (Reydon 2012; Franssen et al. 2015). Da es sich bei den Beiträgen zu den Philosophien der Einzelwissenschaften um Übersichtsarbeiten handelt, sehen wir an dieser Stelle davon ab, einen Überblick über die einzelnen Kapitel zu geben. Wir wollen allerdings einige Aspekte hervorheben, die wir den Autoren der Kapitel als Orientierungspunkte mit auf den Weg gegeben hatten. Zu Beginn der Kapitel sollte ein konziser Abriss der Entwicklungsgeschichte der jeweiligen Wissenschaftsphilosophie erfolgen, bevor dann auf ontologische sowie epistemologische und methodologische Fragestellungen eingegangen wird. Die Kapitel sollten zudem anstreben, neben klassischen Themen mit aktueller Relevanz auch den aktuellen Stand der Forschung und neuere Entwicklungen im Feld zu behandeln und sich damit auf einer forschungsorien13
I. Einführung
tierten Ebene zu bewegen. Die Kapitel sollten schließlich mit Literaturempfehlungen der Autorinnen und Autoren enden. Wir sind davon überzeugt, dass diese groben Orientierungspunkte zur durchweg hohen Qualität und einer gewissen Vergleichbarkeit der Kapitel beigetragen haben. Gleichwohl war von uns nicht verlangt oder beabsichtigt, dass diese Punkte in jedem Fall vollständig berücksichtigt werden sollten. Vorrang hat im Zweifelsfall stets die sachliche Logik des jeweiligen Arbeitsbereiches gegeben. Ein Beispiel: Bei der noch relativ jungen Philosophie der Klimawissenschaften wäre es weder sinnvoll gewesen, auf deren geschichtliche Entwicklung einzugehen, noch möglich, umfangreiche Literaturempfehlungen zu geben.
Danksagung Für wertvolle Ratschläge zur Konzeption des Sammelbandes danken wir Nils Hoppe, Till Markus, Paul Hoyningen-Huene und Torsten Wilholt. Koko Kwisda hat uns mit einer überaus gelungenen Übersetzung des Kapitels zur Philosophie der Geo- und Umweltwissenschaften unterstützt. Beim Redigieren der Texte sowie der gesamten Manuskripterstellung haben wir sehr von der stets präzisen und aufmerksamen Unterstützung durch Leon Schäfer profitiert. Unser besonderer Dank gilt auch Marcel Simon-Gadhof vom Meiner Verlag, der uns fachkundig, zuvorkommend und mit viel Geduld bei diesem »Mammutprojekt«, wie es Sven Walter so passend ausgedrückt hat, unterstützt hat. Zuletzt möchten wir uns natürlich auch bei den Autorinnen und Autoren und bei den Peer-Gutachterinnen und -Gutachtern der einzelnen Kapitel bedanken, ohne die dieser Band nicht existieren könnte.
Literatur Allhoff, Fritz (Hg.) (2010). Philosophies of the Sciences: A Guide. Chichester: WileyBlackwell. Anderl, Sybille (2016). »Astronomy and astrophysics«, in: Humphreys, Paul (Hg.): The Oxford Handbook of Philosophy of Science, 652–670. New York: Oxford University Press. Bartels, Andreas, und Stöckler, Manfred (Hg.) (2007). Wissenschaftstheorie: Ein Studienbuch. Paderborn: Mentis. Franssen, Maarten, Lokhorst, Gert-Jan, und van de Poel, Ibo (2015). »Philosophy of Technology«, in: Zalta, E. N. (Hg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2015 Edition), http://plato.stanford.edu/archives/fall2015/entries/technology/. Okasha, Samir (2002). Philosophy of Science: A Very Short Introduction. New York: Oxford University Press.
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Zur Ausdifferenzierung der W issenschaftsphilosophie
O’Malley, Maureen (2014). Philosophy of Microbiology. Cambridge: Cambridge University Press. Reydon, Thomas (2012). »Philosophy of Technology«, in: Fieser, J. und Dowden, B. (Hg.): Internet Encyclopedia of Philosophy, http://www.iep.utm.edu/technolo/. Risjord, Mark W. (2010). Nursing Knowledge: Science, Practice, and Philosophy. Chichester. West Sussex; Ames, IO: Wiley-Blackwell. Turner, Derek (2011). Paleontology: A Philosophical Introduction. Cambridge: Cambridge University Press. Turner, Raymond (2014). »The Philosophy of Computer Science«, in: Zalta, E. N. (Hg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2014 Edition), http://plato. stanford.edu/archives/win2014/entries/computer-science/. Wylie, Alison (2002). Thinking from Things: Essays in the Philosophy of Archaeology. Berkeley, CA: University of California Press.
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2. Allgemeine Wissenschaftsphilosophie und die Philosophien der Einzelwissenschaften Meinard Kuhlmann
1 Einleitung Zunächst werde ich das Verhältnis der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie zu den heute florierenden Philosophien der Einzelwissenschaften genauer beleuchten. Die allgemeine Wissenschaftsphilosophie behandelt übergreifende Themen wie Erklärungen, Naturgesetze und Idealisierungen; Philosophien der Einzelwissenschaften sind z. B. Philosophie der Physik, der Biologie und der Ökonomie. Anschließend werde ich einen groben vergleichenden Überblick über die Hauptarbeitsgebiete der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie und der Philosophien der Einzelwissenschaften geben. Schließlich werde ich an zwei Beispielen veranschaulichen, wie sich in den Philosophien der Einzelwissenschaften Philosophie, allgemeine Wissenschaftsphilosophie und Einzelwissenschaften aufeinander beziehen. Ein Ergebnis wird sein, dass es keine kurze Antwort auf die Frage gibt, was Philosophien der Einzelwissenschaften ausmacht, sondern dass sowohl ihre Tätigkeitsfelder als auch ihr Verhältnis zu anderen Bereichen vielfältig und komplex sowie oft wechselseitig gewinnbringend sind.
2 Rolle der Philosophien der Einzelwissenschaften in der Wissenschaftsphilosophie Der Sache nach wird Wissenschaftsphilosophie seit der Antike betrieben, mit herausragenden Arbeiten von Aristoteles, Bacon, Descartes und Mill. Eine gesonderte Disziplin gibt es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gleichwohl nicht. Trotz der großen Wertschätzung, die Aristoteles der erfahrbaren Welt entgegenbrachte, steht er am Anfang einer langen Tradition, nach der gesicherte Erkenntnis ein stabiles Fundament im Denken braucht. Bacon und die späteren britischen Empiristen brachen insofern mit dieser Tradition, als sie dieses Fundament nicht mehr im Denken, sondern in den Beobachtungsdaten sahen. Was aber beide Richtungen eint, ist der Glaube daran, dass es überhaupt ein sicheres Fundament gibt, das sich zum Aufbau von Kategoriensystemen bzw. Begrifflichkeiten sowie weiteren Erkenntnissen eignet. Dies sollte sich im 20. Jahrhundert grundlegend ändern und stellt einen wesentlichen Unterschied zwischen den klassischen Empiristen 17
I. Einführung
und den logischen Empiristen des Wiener Kreises dar, welche die moderne Wissenschaftsphilosophie begründen: In der sogenannten Protokollsatzdebatte lässt die Mehrheit der Mitglieder des Wiener Kreises den epistemischen Fundamentalismus schließlich hinter sich.1 Selbst Beobachtungssätze sind prinzipiell fallibel. Der Anti-Fundamentalismus des Wiener Kreises kommt besonders schön in Neuraths Bild zum Ausdruck, in dem er Wissenschaftler mit Seeleuten vergleicht, die ihr Schiff auf hoher See reparieren müssen, ohne es je in einem Trockendock zerlegen und aus den besten Stücken neu aufbauen zu können (Neurath 1932/33, 206). Gleichwohl behalten Beobachtungssätze im logischen Empirismus epistemisch eine herausragende Position, was den empiristischen Kern dieser Richtung ausmacht, die bis in die 1960er Jahre die Wissenschaftsphilosophie entscheidend prägt. Gleichzeitig ist er die Grundlage für die hohe Wertschätzung, die die logischen Empiristen den empirischen Wissenschaften entgegenbringen. Quines (1953) stichelnde Bemerkung »Philosophy of science is philosophy enough« bringt dies später schön auf den Punkt, auch wenn er ansonsten einer der schärfsten Kritiker des logischen Empirismus ist.2 Bezüglich der Erkenntnisgrenzen der Philosophie vertraten die logischen Empiristen eine sehr strikte Position: Philosophie verhandele keine Sachfragen, sondern ihr Geschäft beschränke sich auf die Klärung der begrifflichen und methodischen Grundlagen der Wissenschaften. Aus eigener Kraft könne die Philosophie kein sachhaltiges Wissen gewinnen.3 Philosophie kann also nicht zur Wissensgenerierung beitragen, sie kann nur analytisch ergründen, was Wissenschaft tut und welche begrifflichen Grundlagen Wissenschaft implizit verwendet. Philosophie wird zur »Wissenschaftslogik« – so die von Carnap präferierte Bezeichnung. Obwohl die Wissenschaftsphilosophie als Disziplin schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit ersten Lehrstühlen institutionell vertreten ist, bleiben die Bezeichnungen für das Gebiet sowie ganz konkret die Denominationen der entsprechenden Lehrstühle lange sehr uneinheitlich, so etwa »Geschichte und Theor ie der induktiven Wissenschaften« (Mach) oder »Philosophie der exakten Wissen Nur Schlick bildet hier eine Ausnahme. In Schurz (2011) und Uebel (2011) finden sich zwei kurze, aber differenzierte Diskussionen des Anti-Fundamentalismus im Wiener Kreis. 2 Während Quine und die logischen Empiristen dahingehend übereinstimmen, dass sie eine den empirischen Wissenschaften vorgeschaltete »erste Philosophie« zurückweisen, trennen sich ihre Wege hinsichtlich der Frage, ob Philosophie überhaupt klar von den empirischen Wissenschaften zu unterscheiden ist. Quine verneint diese Möglichkeit auf Grundlage seiner generellen Zurückweisung einer eindeutigen Unterscheidung von analytischen und synthetischen Aussagen. Isaacson (2004) diskutiert ausführlich das Verhältnis Quines zum logischen Empirismus, u. a. anhand des zitierten Slogans von Quine (s. S. 245 ff.). 3 Dieses Interesse an den Grundlagen oder Fundamenten der Wissenschaften darf jedoch nicht mit einem epistemischen Fundamentalismus verwechselt werden, den der Wiener Kreis mehrheitlich zurückwies – wie oben ausgeführt. Siehe Genaueres zur naheliegenden Verwechslung bei Uebel (2011), Abschnitt 3.3. 1
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Allgemeine Wissenschaftsphilosophie und die Philosophien der Einzelwissenschaften
schaften« (Schlick).4 Eine einheitliche Bezeichnung der Disziplin als »Philosophy of Science« prägt sich erst im Zuge ihrer Internationalisierung ab den 1930er Jahren aus.5 Im Deutschen wird dagegen der Bezeichnung »Wissenschaftstheor ie« der Vorzug gegeben, was auch der mitunter explizit »anti-philosophischen« (Pulte 2004, 977) Einstellung der früheren Vertreter geschuldet sein mag. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Bezeichnung »Wissenschaftsphilosophie« zunehmend durchgesetzt. Oft wird sie ohne weitere Diskussion synonym zur früher vorherrschenden Bezeichnung »Wissenschaftstheor ie« verwendet und ist dann primär Ausdruck einer terminologischen Angleichung an das angelsächsische »Philosophy of Science«. Mitunter wird wohl auch mehr oder weniger bewusst das Wörtchen »Theorie« vermieden, was teils sachlich (Abkehr von Theor ienfokussiertheit), teils strategisch (»Wissenschaftsphilosophie« klingt heute einfach ansprechender und inklusiver als »Wissenschaftstheorie«) motiviert sein mag. Mir scheinen mit dem Wandel der Bezeichnungen jedoch noch weiter gehende inhaltliche Veränderungen in der Sicht auf das Fachgebiet sowie von dessen Inhalten und Schwerpunkten verbunden zu sein. Diese Veränderungen haben insbesondere mit der enorm gestiegenen bzw. der nach dem Ende der Dominanz des logischen Empirismus wiedererlangten Bedeutung der Philosophien der Einzelwissenschaften zu tun, was sich auch in ihrem aufgewerteten Verhältnis zur allgemeinen Wissenschaftsphilosophie wiederspiegelt.6 Dies gilt natürlich ebenso für die angelsächsische Philosophy of Science – die beiden Communities sind heute ja weniger getrennt denn je – nur konnte es dort keine entsprechende terminologische Änderung geben. Sachlich sind viele Diskussionen, die heute in Philosophien der Einzelwissenschaften betrieben werden, zwar mindestens ebenso alt wie die allgemeine Wissenschaftsphilosophie, sie wurden jedoch weitgehend separiert betrieben und waren an verschiedenen Stellen der allgemeinen Philosophie verankert, zunächst weil es die Wissenschaftsphilosophie als separate Disziplin einfach noch nicht gab. Insbesondere in den letzten etwa zwei Jahrzehnten sind die Philosophien der Einzelwissenschaften unter dem Dach der Wissenschaftsphilosophie zunehmend zusammengewachsen als gleichberechtigte, analog strukturierte und oft 4 Siehe Moulines (2008), für den etwa 1890 das »Jahrhundert« der Wissenschaftstheo rie beginnt. Er unterscheidet dabei grob die Phase der Präformation (1890 –1918), die Phase der Entfaltung (1918 – 1935), die klassische Phase (1935 –1970), die historizistische Phase (1960 –1985) sowie die modellistische Phase (seit den 1970ern). 5 Vgl. Pulte (2004), 977 f. 6 Als terminologische Alternative zur Unterscheidung von »allgemeiner Wissenschaftsphilosophie« und »Philosophien der Einzelwissenschaften« bietet sich die Unterscheidung zwischen »allgemeiner Wissenschaftsphilosophie« und »spezieller Wissenschaftsphilosophie« an. Ein Vorteil der Bezeichnung »Philosophien der Einzelwissenschaften« besteht darin, dass er unmittelbar anschließt an die heute gängigen Bezeichnungen der einzelnen Disziplinen wie etwa Philosophie der Biologie, Philosophie der Physik, Philosophie der Wirtschaftswissenschaften etc.
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I. Einführung
aufeinander bezogene Arbeitsfelder, die eigenständig in wechselseitiger Kollaboration mit der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie bearbeitet werden. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass die Musik immer mehr in den Philosophien der Einzelwissenschaften spielt.7 Die meisten Wissenschaftsphilosophen haben heute einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Schwerpunkt in einer der Philosophien der Einzelwissenschaften. Wiederum eine Folge hiervon ist, dass die Qualität der in der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie diskutierten Beispiele deutlich gestiegen ist, da es eine wachsende Anzahl von Wissenschaftsphilosophen mit sehr soliden einzelwissenschaftlichen Kenntnissen gibt. Die positive Rückwirkung dieser Entwicklung auf die allgemeine Wissenschaftsphilosophie verschafft den Philosophien der Einzelwissenschaften dann auch naheliegender Weise nachhaltig Rückenwind. Die Philosophien der Einzelwissenschaften haben wohl vor allem deshalb an Bedeutung gewonnen, weil – wie viele Untersuchungen gezeigt haben – die Wissenschaften einfach zu unterschiedlich sind, als dass man sie über einen Kamm scheren könnte. Während sich beispielsweise in der fundamentalen Physik fast alles um Naturgesetze zu drehen scheint, ist es in der Biologie fraglich, ob es überhaupt Naturgesetze im engeren Sinne gibt. Andererseits sind Mechanismen in der Biologie von überragender Bedeutung, wohingegen sie in der fundamentalen Physik keine Rolle zu spielen scheinen.8 Auch Kausalitätstheorien bieten oft sehr verschiedene Antworten, abhängig davon, ob der Fokus z. B. auf Physik, Biologie oder Ökonomik liegt.9 Ähnliches gilt für die Debatte um den Erklärungsbegriff: Während das Covering-law-Modell, nach dem wissenschaftliche Erklärungen in der Subsumption unter relevante Gesetze bestehen, in der Physik prima facie eine hohe Plausibilität hat, spielen in der Biologie und den Sozialwissenschaften z. B. mechanistische und funktionale Erklärungen eine mindestens ebenso große Rolle.10 Diese Unterschiede legen es nahe, der eigenständigen philosophischen Untersuchung von Einzelwissenschaften den Stellenwert zuzumessen, den sie heute auch haben. Zweifellos gibt es viele Gemeinsamkeiten. Es gibt aber nicht die eine richtige oder paradigmatische Wissenschaft beziehungsweise das eine 7 Siehe auch Moulines (2008, 24 f.) mit dem gleichen Ergebnis, aber einer etwas anderen Erklärung. 8 Auch bei dem gegenwärtig oft erwähnten »Higgs-Mechanismus«, der dafür verantwortlich ist, dass Elementarteilchen eine Masse haben, gibt es gute Gründe zu bestreiten, dass es sich um einen kausalen Mechanismus handelt. Anders sieht es bei der nicht-fundamentalen Physik aus: Für die Dynamik großer zusammengesetzter Systeme spielen Mechanismen eine wichtige Rolle. Eine umfassende Diskussion der Rolle von Mechanismen in der Physik findet sich in Kuhlmann (2017). 9 Als Beispiele für disziplin- bzw. bereichsspezifische Kausalitätskonzeptionen siehe Salmon (1984) und Dowe (2000) für die Physik, Reutlinger (2013) für Biologie und Sozialwissenschaften und Hausman (2009) für die Ökonomik. 10 Bartelborth (2007) diskutiert eingehend, welche disziplin- bzw. bereichsspezifischen Fragen beim Thema Erklärung auftreten.
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Ideal von Wissenschaftlichkeit, sondern diverse Wissenschaften mit ihren je eigenen Methoden, Standards und Zielen.11 Im Laufe der Zeit wurde immer deutlicher, dass es zu Fehlentwicklungen in der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie führen kann, wenn Einzelwissenschaften primär als Anschauungsmaterial für generelle Thesen herhalten und nicht hinreichend ernsthaft eigenständig untersucht werden. Das vielleicht wichtigste Beispiel hierfür ist die notorische Theorienfokussiertheit der aus dem logischen Empirismus hervorgegangenen klassischen Wissenschaftstheor ie, welche die (theoretische) Physik weitgehend unhinterfragt als Goldstandard von Wissenschaftlichkeit angesehen hat. Der Eindruck scheint nicht ganz unberechtigt zu sein, dass die Begrenztheit einer Wissenschaftstheor ie, die sich ganz auf Theor ien konzentriert, insbesondere dadurch befördert wurde, dass – pointiert formuliert – vorgefertigte Vorstellungen an die Einzelwissenschaften herangetragen wurden und dabei gezielt nach passenden Beispielen gesucht wurde, anstatt ergebnisoffen danach zu schauen, was Einzelwissenschaften tatsächlich tun. So wurden auf der dogmatischen Grundlage der durch den logischen Empirismus geprägten Wissenschaftstheorie lange Zeit ganze Wissenschaften weitgehend ignoriert, in denen es nicht primär um die Formulierung von Naturgesetzen und Theor ien geht, wie insbesondere die Biologie.12 Aber selbst im Umgang mit der Paradedisziplin Physik wurde durch die einseitige Herangehensweise – Einzelwissenschaften als Beispielvorrat – vieles verkannt. So spielen etwa Modelle nicht nur für die Didaktik eine Rolle, sondern sind ein integraler Bestandteil von Wissenschaft, und zwar auch in der Physik.13 Und es ist sogar bestreitbar, dass universelle Naturgesetze typisch für die Physik Hoyningen-Huene (2013) bietet eine umfassende Diskussion der verschiedenen Aspekte von Wissenschaftlichkeit. Dass diese Aspekte oder »Dimensionen« nach Hoyningen-Huenes Hauptthese alle unter das Dach Systematizität fallen, tut ihrer Vielfalt und Verschiedenartigkeit insofern keinen Abbruch, als sie lediglich durch Familienähnlichkeit miteinander verbunden sind. Systematizität und somit auch Wissenschaftlichkeit lassen sich also nicht durch eine bestimmte Menge an notwendigen und zusammen genommen hinreichenden Bedingungen einheitlich fassen. 12 Wolters (1999) kommt in seiner Studie zu folgendem Ergebnis: »Logico-empiricist philosophy of biology is a case of wrongful life. After conceiving philosophy of biology logical empiricism did almost everything to prevent it from becoming a healthy subdiscipline of the philosophy of science. Right from its birth logico-empiricist philosophy of biology was a defective child and it has remained so until the late sixties when antipositivistic tort-for-wrongful-life thinking together with other developments set a new philosophical stage for biology.« Hofer (2002) zeichnet dagegen ein positiveres Bild. Insgesamt ist das Verhältnis des Wiener Kreises zur Biologie wenig erforscht. 13 Die hervorragende Aufsatzsammlung Morgan/Morrison (1999) behandelt diverse Funktionen von Modellen und verschiedene Disziplinen. Cartwright (1999) ist eine vieldiskutierte Monographie zum Thema, wobei Modelle in Physik und Ökonomie im Vordergrund stehen. Frigg/Hartmann (2012) bieten einen umfassenden Überblick über die zahlreichen Facetten des Themas Modelle. 11
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sind.14 Schließlich wurde die experimentelle Seite der Wissenschaften nicht mit der nötigen Eigenständigkeit untersucht.15 Anders als beim ersten Punkt – der Diversität der Einzelwissenschaften – gilt der zweite Punkt also bereits für eine bestimmte Wissenschaft wie die Physik: Philosophie einer Einzelwissenschaft ist nicht einfach Anwendung der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie, sondern der Informationsfluss geht in beide Richtungen. Die Ergebnisse der Philosophien einer Einzelwissenschaft sind in gleichem Maße für die allgemeine Wissenschaftsphilosophie relevant wie anders herum (s. a. Abschnitt 3.1). Eine wesentliche Funktion der beiden Fallstudien am Ende des Kapitels ist es, genau diese wechselseitige Bedeutung an einer Reihe von konkreten Themen herauszustellen. Ein Beispiel ist der anscheinend unverzichtbare Einsatz mitunter sehr unrealistischer Modelle in der Ökonomie, dem man nicht gerecht wird, wenn man Modelle als Veranschaulichungen oder als vorübergehende bzw. im Prinzip vermeidbare Vereinfachungen versteht. Es ist also erforderlich, umfassender zu untersuchen, worin die Funktion von Modellen besteht. Dabei hat sich gezeigt, dass die frühere Wissenschaftstheorie die Komplexität der Thematik weit unterschätzt hat. Da diese Entwicklung ohne eine eigenständige Untersuchung von Einzelwissenschaften eventuell noch lange auf sich hätte warten lassen, macht dieses Beispiel deutlich, wie die allgemeine Wissenschaftsphilosophie und die Philosophien der Einzelwissenschaften wechselseitig voneinander profitieren können. Ein dritter wesentlicher Faktor für den Bedeutungsgewinn der Philosophien der Einzelwissenschaften ist schließlich die Rehabilitierung und wachsende Bedeutung metaphysischer Unter-suchungen, da diese wesentlich mit den Inhalten der einzelnen Wissenschaften und nicht nur mit ihren Methoden zu tun haben. Im Fahrwasser des logischen Empirismus ging es der Wissenschaftsphilosophie lange Zeit ausschließlich oder zumindest primär um erkenntnistheoretische Fragen, wie etwa das Verhältnis von Theorie und Beobachtung oder den Begriff wissenschaftlicher Erklärungen. Die früher gängigere Bezeichnung »Wissenschaftstheor ie« schien dafür passend zu sein: So wie physikalische Theorien bestimmte Wirklichkeitsbereiche beschreiben, beschreibt die Wissenschaftstheorie, wie Wissenschaft »funktioniert«. Während diese Charakterisierung für viele erkenntnistheoretisch orientierte Themen in der Wissenschaftsphilosophie auch heute noch angemessen ist, stößt sie insbesondere bei metaphysischen Fragen bezüglich der Einzelwissenschaften an ihre Grenzen. Die Metaphysics of Science beschreibt nicht, wie Wissenschaft funktioniert. Stattdessen versucht sie herauszufinden, welches Bild von der Welt zu den Ergebnissen der jeweiligen Einzelwissenschaften passt, wobei es oft um die Erarbeitung und Bewertung rivalisierender Interpretationen geht. 14 Hüttemann (2007) bietet eine sehr gelungene Einführung in die Geschichte von Naturgesetztheor ien sowie die aktuelle Debatte. 15 Wie Heidelberger (2007) herausarbeitet, ist eine gewisse Geringschätzung von Experimenten zugunsten von Theor ien sogar in Kuhns Struktur wissenschaftlicher Revolutionen zu beobachten, auch wenn das Erscheinen dieses Werkes oft als Todesdatum für den theor ienfixierten logischen Empirismus gesehen wird.
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Man greift also zu kurz, wenn man sagt, die Aufgabe der Philosophien der Einzelwissenschaften bestehe darin zu beschreiben, wie Einzelwissenschaften im Detail funktionieren, so wie die allgemeine Wissenschaftsphilosophie beschreibt, wie Wissenschaft generell funktioniert16 – zumindest wenn dies als erschöpfende Charakterisierung gemeint ist. Es gibt also insbesondere drei Gründe für den Bedeutungsgewinn der Philosophien der Einzelwissenschaften sowie ihr aufgewertetes Verhältnis zur allgemeinen Wissenschaftsphilosophie. Wie wir sahen, sind diese Gründe erstens ein gestiegenes Bewusstsein für die methodische Diversität der Einzelwissenschaften, zweitens, eng damit verbunden, das Erkennen von Defiziten einer allgemeinen Wissenschaftsphilosophie, die Einzelwissenschaften bloß als Vorrat von Anwendungsbeispielen betrachtet, und drittens die gewachsene Bedeutung metaphysischer Untersuchungen, welche die Inhalte der einzelnen Wissenschaften in den Blick nehmen und abhängig von der jeweils betrachteten Einzelwissenschaft stark divergieren. Diese Gründe lassen sich in drei Thesen zuspitzen. Erstens gibt es nicht die eine paradigmatische Wissenschaft, sondern in vielen Hinsichten verschiedene Wissenschaften, die in den Philosophien der Einzelwissenschaften eigenständig untersucht werden. Zweitens besteht die Philosophie einer Einzelwissenschaft nicht einfach in der Anwendung der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie. Und drittens ist für die Metaphysik der Wissenschaft eine detaillierte Beschäftigung mit den Inhalten der einzelnen Wissenschaften nötig.
3 Allgemeine Wissenschaftsphilosophie und Philosophien der Einzelwissenschaften: Vergleich der Arbeitsfelder Im Folgenden möchte ich für zwei Frageperspektiven etwas eingehender erörtern, in welchem Verhältnis die Philosophien der Einzelwissenschaften zur allgemeinen Wissenschaftsphilosophie stehen.
3.1 Methodologie und Erkenntnistheorie Während die allgemeine Erkenntnistheorie die Begriffe Wissen und Wahrheit, das Verhältnis von Wissen und Wirklichkeit sowie die Zuverlässigkeit und die Grenzen des Wissens ganz allgemein untersucht, thematisiert die Wissenschaftsphilosophie erkenntnistheoretische Fragen, die sich spezifisch bezüglich der Wissenschaften stellen.17 Dies kann sich wiederum auf die Wissenschaften generell oder auf bestimmte Einzelwissenschaften beziehen, während die allgemeine Vgl. Reydon/Hoyningen-Huene (2011, 131). Vgl. die ausführliche Diskussion des Verhältnisses von Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheor ie (sowie Metaphysik) in Scholz (2013). 16 17
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Erkenntnistheor ie in der Regel eher die Erkenntnis von Alltagsgegenständen betrachtet. So werden etwa in der generellen wissenschaftsphilosophischen Realismusdebatte Argumente für und wider den Realismus formuliert, die sich z. B. aus der Wissenschaftsgeschichte ergeben. So zieht etwa das Argument der pessimistischen Metainduktion (Laudan 1981) aus der faktischen Falschheit fast aller bisherigen Theorien den pessimistischen Schluss auf die hoch wahrscheinliche Falschheit der heutigen Theorien. Was die Realismusdebatte zu einem typischen Thema der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie macht, ist die Art der Argumente. Es geht nicht um irgendwelche speziellen Theorien oder Wissenschaften, sondern die Argumente stützen sich in der Regel auf die Betrachtung von Theor ien und Wissenschaften über die Jahrhunderte hinweg. Es gibt aber auch spezielle wissenschaftsphilosophische Realismusdebatten, die sich auf bestimmte Einzelwissenschaften beziehen. Beispielsweise in der Debatte zum ontischen Strukturenrealismus geht es (zumindest bisher) fast ausschließlich um die Philosophie der Physik, insbesondere die Quantenphysik.18 Wir werden einige Argumente zugunsten dieser Position im zweiten Beispiel – zur Ontologie der Quantenphysik – kennenlernen. Neben der Realismusdebatte gibt es viele weitere erkenntnistheoretische beziehungsweise methodologische Themen, die sowohl in der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie als auch in den verschiedenen Philosophien der Einzelwissenschaften behandelt werden und jeweils eine eigenständige Ausprägung haben. Bei den eng zusammenhängenden Themen Idealisierung und Modelle lässt sich dies besonders gut beobachten. Einerseits gibt es in der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie ausführliche Debatten dazu, welchen Grundtypen von Idealisierungen es gibt und welche Funktionen Modelle haben können. So besteht etwa eine Hauptform von Idealisierung in nur temporären Vereinfachungen, um komplexe Probleme rechnerisch handhabbar zu machen. Daneben gibt es aber auch Idealisierungen, die nicht nur vorübergehend sind, sondern Faktoren ausblenden, die bezüglich des Erklärungsziels irrelevant sind. Diese allgemeine Debatte degradiert Untersuchungen zu Idealisierungen in bestimmten Einzelwissenschaften jedoch keineswegs zu bloßen Anwendungen. Beim Homo-Oeconomicus-Ansatz der Wirtschaftswissenschaften etwa, nach dem Menschen in Ihrem Handeln als rationale Nutzenmaximierer mit vollständiger Kenntnis der Handlungsalternativen, klarer Präferenzordnung und unbeschränkten Rechenkapazitäten modelliert werden, ist der Status der Idealisierungen hoch umstritten. Es ist weder unmittel Worrall (1989) hat die gegenwärtige Debatte zum Strukturenrealismus mit einer epistemischen Variante eröffnet, gemäß derer wir nur Relationen bzw. Strukturen, nicht aber die Natur der Dinge selbst erkennen können, die in den betreffenden Relationen zueinander stehen. Ladyman (2014) gibt einen umfassenden Überblick zum heutigen Stand der Debatte, die er entscheidend mitgeprägt und stimuliert hat, in dem er eine ontische Variante des Strukturenrealismus vorgeschlagen hat, nach welcher der Grund dafür, wieso nur Strukturen erkennbar sind, einfach darin besteht, dass auch nur (realisierte) Strukturen existieren. 18
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bar klar, um welchen Typ von Idealisierung es sich handelt, noch, ob die gemachten Idealisierungen legitim sind. Da die Idealisierungen in vielen real verwendeten ökonomischen Modellen nur sehr schwer in die Taxonomie der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie einzuordnen sind, ist es unverzichtbar, Idealisierungen und Modelle auch spezifisch mit Blick auf die Wirtschaftswissenschaften zu untersuchen. Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt erwähnt, profitieren die allgemeine Wissenschaftsphilosophie und die verschiedenen Philosophien der Einzelwissenschaften hierbei in vielfältiger Weise voneinander, ohne dass die allgemeine und die spezifische Perspektive einander überflüssig machten. Ähnliches ließe sich bei Themen wie Theorienbestätigung, wissenschaftliche Erklärungen und Simulationen zeigen.19 Unter anderem profitieren die Philosophien der Einzelwissenschaften dadurch von der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie, dass letzterer ein viel größeres Arsenal von Wissenschaften zur Verfügung steht. Hierdurch kann sich etwa der Vorteil ergeben, dass sich Taxonomien schärfer fassen lassen, da es wahrscheinlicher ist, bestimmte Typen z. B. von Idealisierungen in Reinform anzutreffen. So kommt es der Philosophie der Wirtschaftswissenschaften erheblich zugute, dass sich Typen von Idealisierungen in der Physik oft leichter erkennen lassen und Grundlage für die Begriffsbildung in der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie sind. In diesem Fall profitiert also die Philosophie einer Wissenschaft von der Philosophie einer anderen Wissenschaft vermittelt über die allgemeine Wissenschaftsphilosophie.20 Aber es fließt auch Gewinn in die andere Richtung: Die erheblichen Probleme bei der Frage, ob und gegebenenfalls wodurch Idealisierungen in den Wirtschaftswissenschaften gerechtfertigt sind, sowie die Ansätze, mit diesen Problemen umzugehen, können ihrerseits zu einem Überdenken der allgemeinen Thematik führen. Es ist kein Zufall, dass Nancy Cartwright oft Wirtschaftswissenschaften und Physik in ein und demselben allgemeinen Zusammenhang diskutiert, seien dies Kausalität, Naturgesetze oder Modelle. Oft gerät hierbei eine weithin akzeptierte wissenschaftsphilosophische Theor ie, die ursprünglich aus der Physik abstrahiert wurde, bei den Wirtschaftswissenschaften an ihre Grenzen und führt dazu zu hinterfragen, wieweit die angestammte Theor ie bei ihrem Paradebeispiel Physik tatsächlich zutreffend ist. Ein Prozess genau dieser Art hat dazu beigetragen, dass heute ceteris paribus Gesetze nicht mehr als Ausnahme, sondern als Regel angesehen werden, und zwar auch in der Physik. Ohne das Wechselspiel von allgemeiner Wissenschaftsphilosophie und verschiedenen Philosophien der Einzelwissenschaften wäre dies eventuell nicht oder nicht so schnell passiert. Siehe zu diesen Themen Rosenthal (2007), Schurz (2011) und Weisberg (2013). Im Prinzip ginge dies auch direkt zwischen den Philosophien der jeweiligen Wissenschaften und oft passiert das auch, mitunter werden Ergebnisse bzw. Begriffsbildungen und Ansätze aus der Philosophie einer Wissenschaft aber erst dann hinreichend in anderen Bereichen wahrgenommen, wenn sie Eingang in den Kanon der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie gefunden haben. 19
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3.2 Interpretation und Ontologie Um ontologische (oder »metaphysische«) Untersuchungen in der Wissenschaftsphilosophie zu charakterisieren, sind zunächst zwei Abgrenzungen nötig, und zwar einerseits gegen die allgemeine philosophische Disziplin Ontologie und andererseits gegen die jeweiligen Einzelwissenschaften selbst. Anders als die Erkenntnistheorie beschäftigt sich Ontologie mit den Inhalten unseres Wissens, und zwar bezüglich der allgemeinsten Strukturen des Seienden. Die Ontologie sucht insbesondere nach den fundamentalen Kategorien, in die alles, was existiert, eingeordnet werden kann. Dabei geht es seit Aristoteles’ Schrift Kategorien traditionell zunächst einmal darum, aufzulisten, welche Kategorien es überhaupt gibt und wie diese zu charakterisieren sind. Aristoteles hatte als erster Philosoph klar gesehen, dass es eine ganze Reihe verschiedener Typen von Seiendem gibt und dass man (wie einige Vorsokratiker) in Widersprüche gerät, wenn man einfach alles in einen Topf wirft. Einige der wichtigsten Kandidaten von Kategorien des Seienden sind Dinge oder »Substanzen«, Eigenschaften, Relationen und (in der modernen Diskussion) Sachverhalte. Aristoteles unterschied aber nicht nur verschiedene Typen des Seienden, sondern er argumentierte auch dafür, dass Dinge bzw. »Substanzen« vor Seiendem aus allen anderen Kategorien ausgezeichnet sind. Nur Substanzen sind in dem Sinne zu eigenständiger Existenz fähig, dass sie auf nichts (bestimmtes) anderes angewiesen sind. Anders sehe dies etwa bei Eigenschaften aus, die immer Eigenschaften von etwas sind und nicht alleine existieren können. Auch heute noch stellen sich ontologische Fragen vom Typ her ganz ähnlich wie bei Aristoteles, und dies gilt sowohl für die allgemeine Ontologie als auch für speziellere bzw. bereichsspezifische Fragen in der Wissenschaftsphilosophie. Eine zweite wesentliche Aufgabe der Ontologie besteht darin zu klären, in welchem Verhältnis die Kategorien zueinander stehen. Sind Eigenschaften Teile von Dingen? Oder lassen sich die konkreten Vorkommnisse von Eigenschaften gar nicht anders fassen als über die Dinge, an denen sie auftreten? Sind Sachverhalte wie das Kochen eines Topfes Wasser nur Komposita aus Dingen und ihrem jeweiligen Verhalten oder sind Sachverhalte evtl. sogar die fundamentalen Bestandteile der Welt? Die bisherige Charakterisierung bezieht sich auf Ontologie bzw. Metaphysik ganz allgemein. Bezogen auf Wissenschaften sehen die Fragen etwas anders aus. Meist sind sie spezifischer. Dies muss jedoch nicht immer der Fall sein. Gelegentlich kommen in der Wissenschaftsphilosophie auch sehr grundsätzliche ontologische Fragen bzw. Ansätze auf, wie etwa beim oben bereits erwähnten Strukturenrealismus. »Metaphysik der Wissenschaft«21 – so eine heute sehr gängige Bezeichnung für die ontologischen Bereiche der Wissenschaftsphilosophie – kann Unter der Rubrik Metaphysics of science lief etwa 2006 – 2 010 das Gemeinschaftsprojekt »Causes, laws, kinds, and dispositions« an den Universitäten Birmingham, Bristol und Nottingham. Ganz ähnlich gelagert ist die 2009 gegründete Forschergruppe »Kausa21
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sich einerseits auf generelle Themen beziehen, wie Kausalität, Naturgesetze oder natürliche Arten, und ist dann Teil der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie. Andererseits gibt es auch zahllose metaphysische Fragen zu bestimmten Einzelwissenschaften, wie etwa die Unterscheidbarkeit und Individualität von Quantenobjekten22, die Frage, ob Gene materielle Einzeldinge sind23 oder der ontologische Status sowie die kausale Rolle von sozialen Gruppen24 . Daher wäre es auch nicht angemessen, die Ontologie nur in der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie zu verorten (wie in Scholz 2013). Tatsächlich werden klassische ontologische Fragen wie etwa die Individualität von Dingen oder das Verhältnis von Dingen und Eigenschaften in den Philosophien der Einzelwissenschaften sogar häufiger behandelt als in der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie. Wenn es sich bei den betrachteten Einzelwissenschaften um Naturwissenschaften handelt, spricht man heute im Deutschen auch oft von »moderner Naturphilosophie«.25 In der modernen Naturphilosophie geht es an erster Stelle darum, die Ergebnisse der Naturwissenschaften ontologisch zu erfassen und zu interpretieren.26 Typische Fragen der modernen Naturphilosophie sind dabei von der folgenden Art27: – Von welcher Art sind die Grundbausteine der Welt laut Theor ie T? – Existieren Raum und Zeit bzw. Raumzeitpunkte als unabhängige »Gegenstände« oder sind sie lediglich konzeptionelle Werkzeuge, um die Relationen von materiellen Dingen zu erfassen? – Unter welchen Voraussetzungen kann man sagen, dass die Entstehung von L eben mit Physik und Chemie erklärbar ist? lität, Gesetze, Dispositionen und Erklärungen am Schnittpunkt von Wissenschaften und Metaphysik« an den Universtäten Düsseldorf, Köln und Münster. 22 Lyre (2014) gibt einen detaillierten Überblick über die aktuelle Diskussion. 23 Siehe Griffiths/Stotz (2007, 2013). 24 Siehe Hollis (1995, Kap. 5). 25 Die Bezeichnung »moderne Naturphilosophie« ist u. a. als Abgrenzung von der klassischen Naturphilosophie gemeint, die oft eher als Gegenprogramm zur dominierenden Rolle der Natur- und Technikwissenschaften in der modernen Gesellschaft konzipiert war bzw. ist. 26 Eine Erläuterung davon, was es heißt, eine Theor ie zu interpretieren, sowie was der Zusammenhang von Interpretation und Ontologie ist, findet sich in Kuhlmann und Pietsch (2012). Alternativ kann Naturphilosophie auch als die Disziplin gesehen werden, die Natur als solche thematisiert, und zwar auch unabhängig davon, wie sie in den Naturwissenschaften untersucht wird. Obendrein kann dies auch z. B. ethische Fragen mit einschließen. So verstanden ist Naturphilosophie kein Teilbereich der Wissenschaftsphilosophie, sondern beide haben bestenfalls einen großen Überschneidungsbereich. Mitunter wird Naturphilosophie aber auch bewusst in Absetzung von Wissenschaftsphilosophie verstanden, so dass sie nicht nur kein Teilbereich der Wissenschaftsphilosophie ist, sondern es nicht einmal mehr einen Überschneidungsbereich gibt. 27 Bartels (1996) und Esfeld (2011) sind zwei umfassende Darstellungen moderner Naturphilosophie.
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– Sind Bewusstsein, Absichten und Gefühle auf neurobiologische Vorgänge reduzierbar? Anders als die allgemeine philosophische Disziplin Ontologie untersucht die moderne Naturphilosophie die Ontologie bezüglich bestimmter Teilbereiche der natürlichen Welt. Genau genommen betrachtet die moderne Naturphilosophie diese Teilbereiche allerdings nicht direkt, sondern mittels der Ergebnisse, die in den jeweiligen Einzelwissenschaften erzielt wurden, also z. B. in der Physik, der Biologie, den Neurowissenschaften oder der Psychologie. Die moderne Naturphilosophie steht damit insofern in der sprachanalytischen Tradition, als ihr unmittelbarer Gegenstand nicht die Welt selbst ist, sondern unsere Sprache beziehungsweise unsere Theorien. Und aus eben diesem Grunde gibt es oft wichtige Zusammenhänge zwischen Überlegungen in der modernen Naturphilosophie und solchen in der allgemeinen Wissenschaftstheor ie, wenn es z. B. darum geht, die relevanten wissenschaftlichen Theorien richtig einzuordnen. Ein wichtiges Beispiel ist die Reduktionsdebatte, genauer die Reduktionsdebatten. Auf der wissenschaftstheoretischen Seite gibt es die Debatte um die Theor ienreduktion, die im Wiener Kreis als die primäre und tendenziell einzig sinnvolle Debatte angesehen wurde.28 Dabei geht es einerseits um die Frage, ob innerhalb einer Wissenschaft eine Theor ie T auf eine andere Theor ie T reduzierbar ist, indem sie entweder deduktiv aus dieser ableitbar ist oder unter bestimmten Näherungen als Spezialfall aus dieser hervorgeht. Vieldiskutierte Beispiele für das Paar T / T sind Thermodynamik /Statistische Physik sowie klassische Mechanik /spezielle Relativitätstheorie. Die Theor ien T und T müssen aber nicht aus derselben Wissenschaft stammen, sondern man kann andererseits auch die Frage stellen, ob etwa die Biologie auf die Organische Chemie oder die Chemie auf die Quantenphysik reduzierbar ist. Während z. B. das Verhalten von Kochsalz (NaCl) zu Beginn des 20. Jahrhunderts mitunter als Paradebeispiel für »emergentes« Verhalten29 galt, da seine Bestandteile, also das Metall Natrium und das Gas Chlor, ja offensichtlich völlig andere Eigenschaften haben als Salz, wurde es mit der Quantenchemie schließlich möglich, die chemische Theor ie, die 28 In einem der letzten Schachzüge in der Debatte verteidigen Dizadji-Bahmani, Frigg und Hartmann (2010) das Nagel’sche Reduktionsmodell gegen diverse etablierte Einwände. 29 Der Emergenzbegriff ist ebenfalls hoch umstritten (s. Stephan 1999). Eine gängige Position besteht darin, das Verhalten eines aus vielen Teilen zusammengesetzten Objektes dann als emergent zu bezeichnen, wenn es sich nicht aus der Angabe der Eigenschaften der einzelnen Bestandteile, der Zusammensetzungsregeln auf der Ebene dieser Bestandteile sowie der Struktur bzw. dem Bauplan des Gesamtsystems herleiten lässt (vgl. Broad 1925, 78). Ein zentraler Punkt der Debatte dreht sich um die Frage, ob die Nicht-Vorhersagbarkeit lediglich epistemischer Natur und damit abhängig vom jeweiligen Stand der Wissenschaften ist oder ob auch eine starke ontologische Lesart des Emergenzbegriffs plausibel ist. Im letzteren Falle wäre der Verweis auf einschlägige Beispiele entscheidend wichtig.
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das Verhalten von Kochsalz beschreibt, komplett auf die Quantenchemie zu reduzieren. Hier hat also eine Theorienreduktion eine ontologische Frage gelöst, nämlich die Frage, ob das Verhalten von Kochsalz ein Fall emergenten Verhaltens ist. Wie Nagel jedoch gezeigt hat, sind bei Theor ienreduktionen oft sogenannte Brückengesetze unverzichtbar, welche eine Reduktionsbeziehung zwischen Theo rien, die mit ganz unterschiedlichen Begrifflichkeiten arbeiten, überhaupt erst ermöglichen. Wie die folgende Diskussion gezeigt hat, können es diese Brückengesetze aber in sich haben. Es sind keine harmlosen terminologischen Setzungen, sondern in ihnen können ontologische (Identitäts-)Behauptungen stecken, die von entscheidender Bedeutung für die Frage ontologischer Reduzierbarkeit sind, womit wir zu einer genuin naturphilosophischen Thematik vorstoßen. Bei ontologischer Reduzierbarkeit geht es nicht um formallogische Beziehungen zwischen Theorien, sondern um die Frage, ob gegebene Entitäten oder Bereiche oder Ebenen von anderen Entitäten oder Bereichen oder Ebenen vollständig bestimmt sind.30 Natürlich können die betreffenden Entitäten durch bestimmte Theorien beschrieben sein, wie etwa Thermodynamik und Statistische Physik, so dass die Frage der Theorienreduktion eng mit der der ontologischen Reduzierbarkeit zusammenhängen kann. Dies muss aber nicht der Fall sein, z. B. dann nicht, wenn die fraglichen Entitäten gar nicht durch Theor ien beschrieben werden, die eine Form haben, die die Untersuchung formallogischer Beziehungen zu anderen Theor ien überhaupt zulässt. Eine Grundlage für die Behauptung ontologischer Reduzierbarkeit könnte z. B. darin bestehen, dass eine enge Korrelation zwischen zunächst wesensverschieden erscheinenden Vorgängen festgestellt wird. Beispiele hierfür lassen sich finden im Zusammenhang mit bildgebenden Verfahren in der Neurowissenschaft, wie der Magnetresonanztomographie (MRT). Wenn festgestellt wird, dass bestimmte Hirnregionen immer und nur dann aktiv sind, wenn sich eine Person an etwas erinnert, dann scheint es nahezuliegen, die funktionale Einheit »Gedächtnis« mit dem so lokalisierten Hirnareal zu identifizieren. Dies könnte ein Beispiel für eine ontologische Reduktion ohne Theorienreduktion sein, denn eine Vorstellung davon, wie das Gedächtnis funktioniert, liefert die MRT ja überhaupt nicht und erst recht keine ausgefeilte Theorie, die als Basis einer Theor ienreduktion fungieren könnte. Als Zwischenfazit soll an dieser Stelle ausreichen, dass die Debatte um die Theorienreduktion eine große Relevanz für die Frage ontologischer Reduzierbarkeit haben kann, aber nicht haben muss. Und dies ist eine generische Feststellung für das Verhältnis von allgemeiner Wissenschaftsphilosophie und ontologischen Untersuchungen in den Philosophien der Einzelwissenschaften. Überlegungen Ich verwende den Begriff »Entitäten«, wie in der heutigen (analytischen) Ontologie üblich, als vollkommen neutrale Bezeichnung für alle möglichen Typen von Seiendem. Beispiele für verschiedene Arten von Entitäten sind etwa Dinge, Eigenschaften und Ereignisse. 30
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der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie können eine große Bedeutung für diese Spezialbereiche haben, ob dies tatsächlich der Fall ist, hängt aber oft vom Einzelfall ab. Abschließen möchte ich mit einer kurzen Bemerkung zur Rolle von ontologischen Überlegungen in Philosophien nicht-naturwissenschaftlicher Einzelwissenschaften. Obwohl die Philosophie der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wie auch die Philosophie der Geschichte im Prinzip gleichberechtigt zur Wissenschaftsphilosophie gehören wie auch die Philosophie der Physik oder der Biologie, ist es zumindest bisher ein Faktum, dass in Zeitschriften für Wissenschaftsphilosophie oder Philosophy of Science deutlich weniger zu diesen Feldern erscheint.31 Ontologische Fragen – wie zur Sozialontologie – werden auch in der allgemeinen Philosophie behandelt statt nur in der Wissenschaftsphilosophie beziehungsweise der Philosophie der Sozialwissenschaften; ganz im Gegensatz zur Ontologie der Naturwissenschaften, die einen erheblichen Teil der aktuellen Publikationen in den Philosophien der Einzelwissenschaften ausmacht und auch primär dort thematisiert wird. Nachdem wir nun ontologische Untersuchungen in den Philosophien der Einzelwissenschaften gegen die allgemeine philosophische Disziplin Ontologie abgegrenzt haben, bleibt zu klären, worin der Unterschied zu dem besteht, was die jeweiligen Einzelwissenschaften selbst tun. Kurz gesagt, ist der Fragentyp in den Philosophien der Einzelwissenschaften in zwei Hinsichten anders als in den Einzelwissenschaften selbst. Erstens sind die Fragen sehr grundsätzlich und zweitens sind sie im Normalfall nicht oder zumindest nicht unmittelbar empirisch entscheidbar. Was dies im Einzelnen bedeutet, werde ich im folgenden Hauptabschnitt untersuchen, in dem es allgemein um das Verhältnis der Philosophien der Einzelwissenschaften zu den Einzelwissenschaften geht.
4 Verhältnis der Philosophien der Einzelwissenschaften zu den Einzelwissenschaften Es gibt mindestens zwei verschiedene Sichtweisen zum Verhältnis der Philosophien der Einzelwissenschaften zu den Einzelwissenschaften. Einerseits werden Philosophien der Einzelwissenschaften als Fortsetzung der Einzelwissenschaften eingeordnet und zwar in dem Sinne, dass kein grundsätzlicher Unterschied zwischen beiden besteht. Abhängig davon, wie diese Fortsetzung gesehen wird, gibt es einige verschiedene Ansätze, die ich als »Kontinuitätsthesen« bezeichne. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass die entsprechenden Fragen zum Teil an anderer Stelle diskutiert werden. Methodologische Fragen zu den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wie auch der Rechtswissenschaft und Geschichtswissenschaft werden traditionell schon innerhalb dieser Gebiete selbst stark untersucht, was bei den Naturwissenschaften in der Regel nicht der Fall ist. 31
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