Transcript
Kannibalismus beim Schwein Was kann man tun? Dr. Jürgen Hittel
Agenda • Verhalten der Schweine • Theorien zu Formen des Kannibalismus
• Welche Versuche wurden gemacht? • Fallstudien • Maßnahmen über die Fütterung
Vechta 18.6.2015
2
Verhalten der Wildschweine in der Natur • • • • • • • • • • •
Leben in Verbände mit ca. 20 verwandten Tieren Strenge Hierarchie Alles- und Synchronfresser Eber müssen nach 1 Jahr Rotte verlassen Ausgeprägtes Wühlverhalten zur Futtersuche Intensive Fortbewegung mit häufigem Standortwechsel in der Rotte sehr kontaktfreudig, suchen Körperkontakt Jungtiere üben Abwehrverhalten durch Kopfschlagen in die Flanken Sehr gute kognitive Fähigkeiten Lange Ruhephasen: 80 % der Zeit Agressives Verhalten gegen Eindrinlimge aber kein Kannibalismus beobachtet 25.06.2015
3
Verhalten der Mastschweine • • • • • • • • • • • • • •
Leben in Buchten 20 -500 Tiere männlich und weiblich (aktiver) In der Mast noch nicht geschlechtsreif Keine ausgeprägten Hierarchien in der Mast Strenge Rangordnung bei Sauen Körner- und Synchronfresser Ausgeprägtes Wühlverhalten nicht möglich Intensive Fortbewegung nicht notwendig und möglich sehr neugierig und kontaktfreudig Ferkel im Flatdeck sehr schreckhaft – Warum? Sehr gute kognitive Fähigkeiten – kritisch für Spielzeugeinsatz! Abgesonderte Kotplätze in der Bucht (Rand ;Ecken ) Lange Ruhephasen: 80 % der Zeit ; bei ml. Tieren ausgeprägt 20 % Aktivitätsphasen; davon 50 % Futter fressen Rest ??? Agressivität und Kannibalismus 25.06.2015
4
Bobachtungen bei Ferkeln Beißen der Schwänze - Spieltrieb - Neugier - kein abnormes Verhalten
Ringelschwanz – das will die Gesellschaft !
- als Zeichen des Wohlbefindens der Tiere
Ferkel mit kompletten Schwänzen
Was bedeutet glatte Schwänze? 25.06.2015
7
Qhrrandnekrosen bei Ferkeln Äußere Einflüsse • Stress beim und nach Absetzen • • • •
Rangordnungskämpfe zu kalt in neuer Umgebung Umstellung Milch auf Festfutter Zu wenig Futteraufnahme ( < 100 g/Tag) 30 % fressen erst nach 24 h • Keine ausreichende Immunisierung
Physiologisch Endotoxine im Darm durch Coli oder Mykotoxine im Futter führen zur Belastung der Leber verstärkte Durchblutung des Darmes über Pfortaderkreislauf Peripheres Gewebe wie Haut und Ohren werden schlecht durchblutet Gewebe stirbt ab
Qhrrandnekrosen bei Ferkeln Äußere Einflüsse Stress beim und nach Absetzen Rangordnungskämpfe zu kalt in neuer Umgebung Umstellung Milch auf Festfutter Zu wenig Futteraufnahme ( > 100 g/Tag) 30 % fressen erst nach 24 h Keine ausreichende Immunisierung
Physiologisch Endotoxine im Darm durch Coli oder Mykotoxine im Futter führen zur Belastung der Leber verstärkte Durchblutung über Pfortaderkreislauf Peripheres Gewebe wie Haut, Schwänze und Ohren werden schlecht durchblutet Gewebe stirbt ab Buchtgenossen werden durch Blut zum Beißen angeregt ?
Fakten aus Versuchen EFSA Studie 2007 • Datenerhebungen auf Schlachthöfen in EU 0,5% – 6,3 % Tiere ´ mit angebissenen Schwänzen • männliche Schweine werden häufiger gebissen von Blaha nicht bestätigt • Skandinavische Länder mit Kopierverbot 3-4 mal mehr Schwanzbeißen • Geringere Rückenspeckdicke und höhere MFA –mehr Schwanzbeißen
• Blut getränkte künstliche Schwänze fördern Schwanzbeißen • Effekt noch stärken bei induziertem Mineralstoff- und Proteinmangel • Metabolisch verursachte neuroendokrine Änderungen in Seretoninstoffwechsel – Tryptophanzulage – fördert Serotoninproduktion – ruhigere Tiere • Taylor 2010- Differenzierung des Beißens 1.Beißen als Erkundungsverhalten-Häufig am Trog 2. Intensiveres Beißen wenn Blut kommt 3. Typ = zwanghaftes Beißen von Einzeltieren , phatologische Ursachen
Fakten aus Feldversuchen
Blaha 2013
Ferkelaufzucht: Schwanzlängen nach der Aufzucht
Fakten aus Feldversuchen
Blaha 2013
Ferkelaufzucht : Verletzungsgrad unkupiert und kupiert
Fakten aus Feldversuchen Verluste in Ferkelaufzucht und Mast
Blaha 2013
Rote Flecken in den Flanken Sieht aus wie Flecken durch Saugen oder Lecken Auftreten ab 40 kg Lebendgewicht
Angeborene Form des Agressionstrainings beim Schwein Kann zu blutigen Stellen und Verletzungen führen Achtung nicht mit roten Flecken verwechseln (Steptokokken) Kommt und geht plötzlich
14
Vom Spiel zum Schwanzbeißen
Was sind die Ursachen?
Tiere fühlen sich nicht wohl =agressives Verhalten Was können Auslöser sein? Haltung
Physiologie
Tier
• Kälte (F) • Wärme (M) • Hohe Schadgase CO² + Ammoniak • Zu wenig Platz • Zugluft • zu geringer Luftraum • Starke Temperaturschwankungen Tag-Nacht • Zu wenig Futter • Wasserdruck
25.06.2015
16
Tiere fühlen sich nicht wohl =agressives Verhalten Was können Ursachen sein? Haltung
Physiologie
• Kälte (F) • Wärme (M) • Hohe Schadgase CO² + Ammoniak • Zu wenig Platz • Zugluft • zu geringer Luftraum • Starke Temperaturschwankungen Tag-Nacht • Zu wenig Futter • Wasserdruck
• • • • • • • •
25.06.2015
Tier
Übersäuerung im Magen Verschimmeltes Futter Rohfasermangel Mykotoxine Endtoxine Tryptophanmangel Zu geringe Darmfüllung Mineralstoffmangel
17
Tiere fühlen sich nicht wohl =agressives Verhalten Was können Ursachen sein? Haltung
Physiologie
Tier
• Kälte (F) • Wärme (M) • Hohe Schadgase CO² + Ammoniak • Zu wenig Platz • Zugluft • zu geringer Luftraum • Starke Temperaturschwankungen Tag-Nacht • Zu wenig Futter • Wasserdruck
• • • • • • • •
• Agressive Einzeltiere • Beisser sind oft rangniedere Tiere • Langweile • Krankheiten • Parasiten
25.06.2015
Übersäuerung im Magen Verschimmeltes Futter Rohfasermangel Mykotoxine Endtoxine Tryptophanmangel Zu geringe Darmfüllung Mineralstoffmangel
18
Folge für Unwohlsein = Agressivität = Schwanzbeißen
Bonitur der Schwanzverletzungen
( M.Abriel;C.Jais 2013)
Versuch Kupieren der Schwänze
LFL 2013
Versuch Wassernachlauf und Tierverhalten
LFL 2013
Versuch rohfaserreiche Fütterung
LFL 2013
Einfluß von Haltungsbedingungen von Aufzuchtferkeln auf Schwanzbeißen ( M.Abriel;C.Jais 2013 , LFL )
4 Durchgänge mit 830 Ferkeln Je 8 Aufzuchtbuchten a 10 m² Gibt es einen Einfluß ? 1. Kupieren oder nicht kupieren: Durchgang 1 + 2 2. Flächenangebot: Durchgang 3 + 4 • Standard 28 Tiere/Bucht = 0,35 m² • Versuch 20 Tiere/Bucht = 0,5 m² , mehr Beschäftigungsmaterial + offene Tränke
Bonitur der Schwanzverletzungen
( M.Abriel;C.Jais 2013)
Zeitverlauf und Häufigkeit kupierte Schwänze
Zeitverlauf und Häufigkeit unkupierte Schwänze
Maßnahme: 2 x Tag 500 g Stroh je Bucht = Reduktion Schwanzbeißen
Einfluß der Haltungsbedingungen auf Schwanzbeißen
LFL 2013 In Tierwohlbuchten trat Schwanzbeißen 2 Wochen später auf 2 x Tag 500 g Luzernehäcksel = Reduktion Schwanzbeißen
Fallbeispiel 1: 13.000 MPL in 4 Anlagen in MVP ; Danzuchtx Pi; Vormast bis 50 kg ohne Auffälligkeiten sehr gute Zunahmen Mit Umstellung auf Mast 13,4 MJ ME mit 0,95 % Lysin , 0,3 % Ameisensäure Tiere werden 14 Tage nach Umstellung agressiv , starkes Schwanzbeißen bei 2/3 aller Tiere ; 3 % Verluste Platzangebot > 0,8 m²/MS ; subjektiv gute Luft Beobachtung: Haltungsbedingungen scheinbar ohne Einfluß Theorie: Übersäuerung des Magens Tiere fühlen sich unwohl Maßnahmen:
1. Säuren ab Mittelmast raus 2. 0,2 % Natriumbicarbonat + 0,2 % Viehsalz raus (statt 0,4 % Viehsalz)
Ergebnis:
in 14 Tagen ;Bisswunden heilen ab, nur noch vereinzeltes Schwanzbeißen
29
Fallbeispiel 2: 2.000 MPL in 3 Jahre altem Stall in S-H ; Danzuchtx Pi; Vormast bis 50 kg ohne Auffälligkeiten Mit Umstellung auf Mittelmast werden Tiere 14 Tage nach Umstellung agressiv , starkes Schwanzbeißen bei 2/3 aller Tiere ; 5 % Verluste Platzangebot > 0,8 m²/MS ; subjektiv gute Luft Beobachtung: Haltungsbedingungen scheinbar ohne Einfluß Theorie: Übersäuerung des Magens Tiere fühlen sich unwohl Maßnahmen:
1. 0,2 % Natriumbicarbonat + 0,2 % Viehsalz raus (statt 0,4 % Viehsalz)
Ergebnis:
in 14 Tagen ;Bisswunden heilen ab, nur noch vereinzeltes Schwanzbeißen 30
Fallbeispiel 3: 1.500 MPL in S-H ; Danzuchtx Pi; Vormast bis 50 kg ohne Auffälligkeiten Ab 60 kg werden Tiere agressiv , starkes Schwanzbeißen ; 3 % Verluste Nachbarbetrieb mit gleichem Futter ohne Schwanzbeißen Gutes Platzangebot ; subjektiv gute Luft Beobachtung: Haltungsbedingungen scheinbar ohne Einfluß Theorie: Übersäuerung des Magens Tiere fühlen sich unwohl 1. Maßnahme: 2. Maßnahme: Ergebnis:
0,2 % Natriumbicarbonat + 0,2 % Viehsalz raus (statt 0,4 % Viehsalz) + 0,4 % Magnesiumoxyd zu 1: kein sichtbarer Erfolg nach 4 Wochen zu 2: Tiere werden ruhiger, Schwanzbeißen nicht vollständig beseitig
31
Kannibalismus – wie kann man vorgehen? • Bestand intensiv beobachten
Haltungsbedingungen
Krankheiten Physiologie
• Auslöser eingrenzen
• Checkliste abarbeiten • Maßnahmen sofort ergreifen
Futterzusätze und Kosten Maßnahme
Wirkung
Natrium
Bessere Reizleitung in Synapsen = Reduzierung Nervosität
Natriumchlorid
Zusätzliche Zulage in kg/to
2 1 kg/1000 l Wasser
Kosten €/100 kg
0,20
Natriumbicarbonat
Puffer gegen Magenübersäuerung
2
Magnesium
Muskelrelax
Magnesiumoxid
Löslichkeit ?
4
0,35
Magnesiumsulfat (Bittersalz)
Zusätzlich Schwefelzulage
4
0,50
Magnesiumfumarat Magnesiumcitrat
Hoch verfügbar
2
0,65
33
Futterzusätze und Kosten Maßnahme
Wirkung
Zusätzliche Zulage in kg/to
Kosten €/100 kg
Tryptophan
Höhere Serotoninsynthese ,Beruhigung
0,05 -0,1
0,70 – 1,40
Endotoxinbinder
Endotoxine werden gebunden
1–6
0,25 – 1,50
Mykotoxinbinder
Keine Leberbelastung
1-3
0,30 - 1,00
Trockenschnitzel
Darmfüllung bessere Sättigung
min. 15
0,30
Blutprodukte
Körpereigenes Protein Keine allergische Reaktion
5
2,00
Hydrolysierte Blutzellen
Immer Zusatzmaßnahmen umsetzen: • mehr Beschäftigung 500 g/Stroh/Heu • Licht wenn möglich reduzieren • Verletzungen desinfizieren • Beißer aus Gruppe rausnehmen 34
Fazit Kannibalismus kann mehrere Ursachen haben
Zeit für Tierbeobachtung zur Findung der Auslöser Es gibt Eingriffsmöglichkeiten, die bei richtiger Diagnose wirken ! Futtermaßnahmen (schnell und günstig) mit mehr Beschäftigung kombinieren Forschung intensivieren Erfahrungen austauschen
Fragen ? Statements ?
Vechta, 18.06.2015