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Kapitel III
Wasserstoff-¨ ahnliche Atome Dieses Kapitel1 ist dem Atom und seiner theoretischen Beschreibung gewidmet. In der Atomphysik betrachtet man quantenmechanische Zust¨ande von atomaren Schalen. Das einfachste und am meisten studierte Problem ist das Problem des Wasserstoff-Atoms. In erster N¨aherung kann man das Wasserstoff-Atom als ein nicht-relativistisches System von zwei Teilchen, ein Proton (oder allgemeiner ein positiver Kern) und ein Elektron, die miteinander durch die CoulombWechselwirkung gebunden sind, betrachten. Dieses einfaches Problem kann man mit Hilfe der Schr¨odinger-Gleichung l¨ osen, und damit die Energie-Niveaus des Wasserstoff-Atoms finden. Die Schr¨odinger-Gleichung liefert die Energie-Niveaus, die schon von dem Bohr-Modell bekannt waren. Allerdings, selbst wenn das theoretisch berechnete Wasserstoff-Atom Energiespektrum ¨ grob dem Experiment entspricht, ist die Ubereinstimmung weit von perfekt und f¨ ur eine exacte Beschreibung muss man das Problem relativistisch betrachten. Eine relativistische Beschreibung des Wasserstoff-Atoms ist durch die Dirac Gleichung gegeben. Die Dirac-Gleichung ber¨ ucksichtigt den Spin vom Elektron, ein Effekt der rein relativistisch ist. Damit kann man die Feinstruktur der atomaren Spektren erkl¨aren. Weitere Korrekturen zu den von der Dirac-Gleichung gegebenen atomaren Niveaus wie die Lamb-Verschiebung und die Hyperfeinstruktur beziehen sich auf der Kopplung des Elektrons zu dem Strahlungsfeld und dem Kernspin. Auch die Kerneigenschaften, wie z.B. seine Masse und r¨aumliche Ausdehnung k¨onnen die Spektren von Atomen beeinf¨ ussen. In den folgenden Abschnitten wollen wir eine Einf¨ uhrung in der Theorie des ein-Elektron-Systeme (also Wasserstoff-Atome oder Wasserstoff¨ahnliche Ionen) geben und einiges u ¨ber die Dirac-Gleichung und die weiteren Korrekturen, die in den Atomarenspektren zu sehen sind, erl¨autern.
III.1
Die Suche nach einer relativistischen Quantenmechanik
Die Schr¨odinger-Gleichung f¨ ur das Wasserstoff-Atom, die bereits in der QuantenmechanikVorlesung angesprochen und gel¨ ost worden ist, betrachtet nicht relativistisch das Problem eines Elektrons in einem vom positiven Kern erzeugten Zentralfeld. Dieses Problem hat eine radiale Symmetrie und kann sehr sch¨ on in Kugelkoordinaten gel¨ost werden. Damit kann man die Wellenfunktion des Elektrons erfahren, Ψ(r, θ, φ) = Rnl (r) Ylm (θ, φ), die von der Hauptquantenzahl n, der Drehimpulsquantenzahl l, l = 0, 1, 2, ..., n − 1 und der magnetische Quantenzahl ml , ml = −l, l + 1, ..., 0..., l − 1, l bestimmt wird. Die entsprechende Energie des atomaren Zustandes 1 Herzlichen Dank an Kristian Haberkorn, denn ohne seine Hilfe w¨ are dieses Kapitel nicht so sch¨ on auf Deutsch geschrieben!
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¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
ist allerdings entartet und h¨ angt nur von der Hauptquantenzahl n ab, in atomaren Einheiten, En = −
Z2 , 2n2
(III.1)
wobei Z die Kernladung ist. Um diese (l, m) Entartung zu erheben, muss man die Symmetrie des Systems brechen, was meistens mit einem Magnetfeld gemacht wird. In einem Magnetfeld spalten sich die Energieniveaus des Atoms auf, was dann zu dem Aufspalten und Polarisation von Spektrallinien f¨ uhrt, wie schematisch in Abb. III.1 dargestellt ist. Dieses Ph¨anomen, erstmal in 1896 beobachtet, tr¨ agt den Namen des holl¨andischen Physikers Pieter Zeeman, der f¨ ur seine Entdeckung mit dem Nobelpreis f¨ ur Physik 1902 belohnt wurde.
Abb. III.1: Die Aufspaltung einer Spektrallinie in einem ¨außeren Magnetfeld.
Die Aufspaltung der Energieniveaus kann man nicht-relativistisch bestimmen. Dabei muss man ber¨ ucksichtigen, dass die Kreisbewegung des Elektrons um den Kern ein magnetisches Moment erzeugt, welches mit dem externen Magnetfeld wechselwirkt. Allerdings konnten diese ¨ Uberlegungen nicht alle experimentelle Beobachtungen erkl¨aren. Man sprach von einem “normalen” Zeeman-Effekt und einem “anomalen” Zeeman-Effekt, der nur unter Ber¨ ucksichtigung des vom elektronischen Drehimpuls verursachten magnetischen Moments nicht zu erkl¨aren war. Eine Reihe von spannenden Experimenten in der Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts, gleichzeitig begleitet durch die weitere Entwicklung der Quantentheorie f¨ ur relativistische F¨alle, haben das Problem des anomalen Zeeman-Effekts gel¨ost. Der Schl¨ ussel zur Erkl¨arung war der Spin des Elektrons. 1922 haben Stern und Gerlach ein Experiment zur Bestimmung des atomaren magnetischen Moments durchgef¨ uhrt. Dabei haben sie die Ablenkung von Silberatomen in einem atomaren Strahl, der sich durch eines inhomogenen Magnetfeld bewegt, beobachtet. Da man eine willk¨ urliche Orientierung des atomaren magnetischen Moments erwartete, h¨atte ¨ die Ablenkung symmetrisch um die ursprungliche Strahlachse sein sollen. Die Uberraschung war groß zu sehen, dass die magnetischen Momente der Silberatome nur zwei Orientierungen haben, und die Ablenkung in dem inhomogenen Magnetfeld ein bestimmtes Muster formt, mit zwei getrennten Linien symmetrisch um den Null-Punkt. Diese Quantisierung der magnetischen Moment-Komponente in der Magnetfeldrichtung nennt man auch Raumquantisierung und stellt die Quantisierung des Drehimpulses um eine Raumrichtung dar. Der Stern-Gerlach-Versuch und seine Ergebnisse waren sehr verbl¨ uffend f¨ ur die Physikgemeinde, die noch dabei war, die Quantenmechanik zu entwickeln. Zwar hatte Bohr die Drehimpuls Quantisierung schon eingef¨ uhrt,
III.1. DIE SUCHE NACH EINER RELATIVISTISCHEN QUANTENMECHANIK
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aber ein Drehimplus der keine ganze Zahl ist, hatte man noch nie gesehen. Eine Erkl¨ arung kam 1925 von S. Goudsmit und G. E. Uhlenbeck, die versucht haben, die r¨atselhaften Beobachtungen des anomalen Zeeman Effekts und des Stern-Gerlach-Versuchs in einem Schlag zu erledigen. Die L¨ osung der R¨atsel war die Einf¨ uhrung eines elektronischen magnetischen Moments, welches einem Eigendrehimpuls, dem Spin, entspricht. Aus dem SternGerlach Experiment ergibt sich dann, dass der Spin des Elektrons s = 21 sein muss, w¨ahrend der Bahndrehimpuls f¨ ur die Silberatome null sein muss. W¨ahrenddessen, 1924 machte Louis de Broglie sein ber¨ uhmten Ansatz, dass der WelleTeilchen-Dualismus, der damals nur f¨ ur Photonen bekannt war, ein Wesensmerkmal nicht nur der Photonen sondern auch der Materie sei. Mit der Erkenntnis, dass alle Teilchen auch Welleneigenschaften besitzen, arbeitete de Broglie weiter an der Verbesserung des Bohr-Sommerfeldschen Atommodells. Er ordnete jedem Elektron eine so genannte Materiewelle zu, die sich auf den Bohrschen Bahnen ausbreitet. De Broglie zeigte auf diesem Weg die Beziehung zwischen der Bahnstabilitt und dem Bahnumfang der Elektronen im Bohrschen Atommodell auf, 2πr = nλ ⇔ 2πr =
nh . p
(III.2)
Ein Elektron kann sich nur ohne Energieverlust um den Atomkern bewegen, wenn sein Bahnumfang ein ganzzahliges Vielfaches seiner Wellenl¨ange ist. Diese Ans¨atze lieferten wichtige Anregungen f¨ ur Erwin Schr¨ odinger, der noch im selben Jahr seine partielle Differentialgleichung, die ber¨ uhmte Schr¨ odinger-Gleichung, aufstellte. Diese konnte das Verhalten der Elektronen in den station¨aren Energiezust¨ anden darstellen. Allerdings ist die Schr¨odinger-Gleichung, wegen seiner unterschiedlichen Ordnungen der Zeit- und Raumableitungen nicht Lorentz-kovariant, also nicht relativistisch. Ein Versuch, die Schr¨ odinger-Gleichung und den Spin des Elektrons zu vereinbaren f¨ uhrte 1927 zur Pauli-Gleichung,
1 2 ~ + eΦ |ψi = i~ ∂ |ψi , (~σ · (~ p − q A)) 2m ∂t
(III.3)
die selbst wenn immer noch nicht-relativistisch, beinhaltet schon den 12 -Elektronspin. Die entsprechende Spinoren-Darstellung kommt u ¨ber die Pauli-Matrizen ~σ , einen Satz von hermitischen und unit¨ aren 2 × 2 Matrizen, σx =
σy =
σz =
0 1
! ,
1 0 0 −i i
0
1
0
!
0 −1
, ! .
(III.4)
Die Pauli-Gleichung geeignet sich zur Beschreibung der noch nicht relativistischen atomaren Systeme wo die Elektronengeschwidigkeit noch viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist. In dem Bem¨ uhen, eine relativistische Quantenmechanik zu formulieren, hat man zun¨achst versucht, mittels des Korrespondenzprinzips eine relativistische Wellengleichung aufzustellen, die die Schr¨ odinger-Gleichung ersetzen sollte. Die erste derartige Gleichung war die von
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
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Schr¨odinger [Schr1926b], Gordon [Gord1926] und Klein [Klei1927] aufgestellte skalare Wellengleichung zweiter Ordnung, die nun den Namen Klein-Gordon-Gleichung tr¨agt. Aus der EnergieImpuls-Beziehung p E = p2 c2 + m2 c4 , (III.5) durch Ersetzung von klassischen Gr¨ oßen durch Operatoren, E → i~ p~ →
∂ , ∂t
~ ∇, i
(III.6)
erhielt man eine Wellengleichung, i~
p ∂ ψ = −~2 c2 ∇2 + m2 c4 ψ . ∂t
(III.7)
Eine offensichtliche Schwierigkeit dieser Gleichung besteht in der Wurzel aus der r¨aumlichen Ableitung, deren Entwicklung auf unendlich hohe Ableitungen f¨ uhrt. Deswegen geht man stattdessen von der quadrierten Relation E 2 = p2 c2 + m2 c4 ,
(III.8)
aus, was dann ∂2 ψ = (−~2 c2 ∇2 + m2 c4 )ψ . ∂t2 Die noch kompaktere, und offensichtlich kovariante Form mc 2 ∂µ ∂ µ + ψ = 0, ~ − ~2
(III.9)
(III.10)
ist under dem Namen Klein-Gordon-Gleichung bekannt. Hier ist xµ der raum-zeitliche Ortsvektor xµ = (ict, ~r) und der Kovariante Vektor ∂µ = ∂x∂ µ ist die vierdimensionale Verallgemeinerung des Gradientenvektors. Es wurde die Einsteinische Summenkonvention benutzt, und u ¨ber doppelt auftretende Indizes summiert. Wenn man aber eine Kontinuit¨atsgleichung aus der KleinGordon-Gleichung herleiten m¨ ochte, stoßt man auf negative Warscheinlichkeitsdichten, die unphysikalisch sind. Außerdem merkte man, dass die L¨osungen der Klein-Gordon-Gleichung sowohl positive als auch negative Energien haben, und die Energie nach unten nicht beschr¨ankt ist. Die Gleichung wurde deshalb verworfen, da sie ihr prim¨ares Ziel, eine relativistische Theorie f¨ ur das Elektron zu entwickelt, verfehlt hatte. Die richtige relativistische Theorie f¨ urs Elektron wurde ¨ von Paul A. M. Dirac 1928 entwickelt [Dira1928], der seine Uberlegungen mit ganz ¨ahnlich auf dem Korrespondenzprinzip und der Energie-Impuls-Beziehnung bezog.
III.2
Die Dirac-Gleichung f¨ ur Wasserstoff-¨ ahnliche Systeme
Die Klein-Gordon-Gleichung hat sich als ungeeignet f¨ ur die Berechnung der Warscheinlichkeitsamplitude erwiesen. Dirac, auf seiner Suche nach einer Wellengleichung f¨ ur die Warscheinlichkeitsamplitude, war der Meinung, dass man eine Gleichung braucht, die erste Ordnung in der Raum- und Zeitableitung ist. Daf¨ ur musste man mit der Energie-Impuls-Beziehnung (III.5) anfangen, was große Schwierigkeiten wegen der Wurzel stellte. Was bedeutet eine Wurzel von Operatoren? Soll man die in einer unendlichen Reihe entwickeln und dann versuchen, die dabei
¨ WASSERSTOFF-AHNLICHE ¨ III.2. DIE DIRAC-GLEICHUNG FUR SYSTEME
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entstandene sehr hessliche Gleichung iterativ zu l¨osen? Dirac hatte eine vielversprechende Idee, wie man das Wurzel-Problem entkommen kann. Er merkte, dass ∇2 −
1 ∂2 i i = (αx ∂x + αy ∂y + αz ∂z + β∂t )(αx ∂x + αy ∂y + αz ∂z + β∂t ) , c2 ∂t2 c c
(III.11)
unter der Voraussetzung, dass die ganze Mischterme ∂x ∂y verschwinden, die L¨osung seines Problems liefern w¨ urde. Dabei m¨ ussen die Koeffizienten die folgenden Bedingungen erf¨ ullen, αi αj + αj αi = 0
mit
i 6= j, i, j = x, y, z
αi β = 0 αi2 = β 2 = 1
(III.12)
F¨ ur Dirac, der zu der Zeit gerade mit der von Born und Heisenberg entwickelte Matrix-Mechanik besch¨aftigt war, wurde sofort klar, dass solche Bedingungen nur von Matrizen erf¨ ullt werden k¨onnen. Die unbekannten Koeffizienten αi und β waren also Matrizen, und es wurde gezeigt, dass sie mindestens 4 × 4 Matrizen sein m¨ ussen, um die Bedingungen (III.12) zu erf¨ ullen. Die gesuchte Wellenfunktion hat also 4 Komponenten, und nicht nur zwei, wie man es von der Pauli-Gleichung kannte. Die Dirac-Gleichung f¨ ur ein freies Elektron lautet dann i~
∂ ψ = (c~ α · p~ + βmc2 )ψ . ∂t
(III.13)
Die Matrizen α ~ = (αx , αy , αz ) und β sind 4 × 4 Matrizen, die Antikommutator-Relationen erf¨ ullen (III.12), was bedeutet, dass die Wellenfunktion 4 Komponenten hat, ψ (~r, t) 1 ψ (~r, t) 2 ψ= (III.14) ψ3 (~r, t) ψ4 (~r, t) Eine M¨ogliche Darstellung der Matrizen ist 1 0 0 0 0 1 0 0 β = = 0 0 −1 0 0 0 0 −1 ! 0 ~σ α ~ = , ~σ 0
I
0
0 −I
! ,
(III.15)
wo I die 2 × 2 Einheitsmatrix ist, und ~σ die Pauli Matrizen (III.4). Man kommt also zu den von Pauli f¨ ur die Beschreibung des Spins eingef¨ uhrte Matrizen zur¨ uck. Die Dirac-Gleichung, die ganz allgeimein aus der Energie-Impuls-Beziehung als relativistische Wellengleichung abgeleitet worden wurde, konnte die Existenz des 21 -Elektronspins best¨atigen. Deswegen ist der Spin der Teilchen als eine strikt relativistische Eigenschaft betrachtet. Die Dirac-Gleichung (III.13) in Verbindung mit den Matrizen (III.15) wird Standarddarstellung der Dirac-Gleichung genannt. Man bezeichnet die Wellenfunktion (III.14) als Viererspinor oder manchmal Bispinor, insbesondere dann, wenn ψ durch zwei Zweierspinoren dargestellt wird.
8
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
Die Auswahl der Matrizen (III.15) ist nicht eindeutig, es l¨asst sich aber zeigen, dass eine beliebige Auswahl f¨ ur α ~ und β mit den Eingeschaften (III.12) dieselbe physikalische Ergebnisse liefert. Die Dirac-Gleichung besitzt ebenso wie die Klein-Gordon-Gleichung L¨osungen mit negatives Energie, so dass f¨ ur jeden Quantenzustand mit positiver Energie E gibt es einen korrespondierenden Zustand mit der Energie −E. Der erlaubte Energiebereich f¨ ur Kontinuumzus¨ande, gegeben durch die Energieeigenwerte f¨ ur ein freies Elektron ist E < −mc2 und E > mc2 . Ein Elektron ¨ mit positiver Energie k¨ onnte durch Emission von Photonen Uberg¨ ange in beliebig tief liegende Zust¨ande mit negativer durchf¨ uhren und dabei unendlich viel Energie abstrahlen. Um dies zu verhindern, postulierte Dirac 1930 [Dira1930] dass die Zust¨ande mit negativer Energie alle besetzt sind. Diese unendliche Menge von Elektronen, die alle Zust¨ande mit negativer Energie besetzen, wurden Dirac Sea genannt, das Dirac’sche Meer also. Allerdings ist es auf Deutsch ¨ unter Dirac-See bekannt, was nicht der genaue Ubersetzung entspricht. L¨ocher in dem Dirac-See stellen Teilchen mit engegengesetzter Ladung (Antiteilchen) dar. Das Positron, das Antiteilchen des Elektrons, wurde das erste Mal von Carl Anderson 1932 experimentell gesehen. Das DiracSee Bild gibt eine anschauliche Erkl¨ arung was passiert, wenn ein Positron und ein Elektron sich ¨ treffen: das Elektron kann einen Ubergang zu dem freien Zustand von negativer Energie machen unter Emission von Strahlung. Dabei verschwinden sowohl das Elektron, als auch das Loch, also das Positron, was under Annihilation bekannt ist. Die Dirac-See Interpretation, die ursprunglich von Dirac eingef¨ uhrt wurde, ist heutzutage veraltet. Quantenfeldhteorie beschreibt das Positron als ein reeles Teilchen, nicht als Loch, und damit muss man kein Vakuum haben, welches schon eine unendliche Menge von Teilchen beinhaltet.
III.2.1
Kovariante Form der Dirac-Gleichung
Die Dirac-Gleichung (III.13) kann auch in kovarianter Form geschrieben werden, indem man versucht, dass zeitliche und r¨ aumliche Ableitungen mit Matrizen mit ¨ahnlichen algebraischen Eigenschaften multipiziert werden. Daf¨ ur kann man die Dirac-Gleichung mit −iβ/c von links multiplizieren, ~∂ (−iβ~ α · p~ − imc − β )ψ = 0 . (III.16) c ∂t Nun definieren wir neue Dirac-Matrizen, γ µ = (β, −iβ~ α)
(III.17)
womit man die Dirac-Gleichung dann die Gestalt annimmt mc (γ µ ∂µ + )ψ = 0 . (III.18) ~ Dabei wurde die Einsteinische Summenkonvention benutzt, und u ¨ber doppelt auftretende Indizes summiert. Die neue Dirac-Matrizen, die γ-Matrizen haben die Eingenschaft γ ν γ µ + γ µ γ ν = 2δ µν I . In der speziellen Darstellung (III.15) haben die γ-Matrizen die Form ! ! I 0 0 σi 0 i γ = , γ = . 0 −I −σi 0
(III.19)
(III.20)
Eine ¨aquivalente Darstellung der γ-Matrizen, die ebensfalls die algebraischen Relationen (III.19) erf¨ ullt, erh¨alt man duch γ → M γM −1 , wo M eine beliebige nichtsingul¨are Matrix ist. Andere in der Teilchenphysik gebr¨ auchliche Darstellungen sind die Majorana-Darstellung und die chirale Darstellung.
¨ WASSERSTOFF-AHNLICHE ¨ III.2. DIE DIRAC-GLEICHUNG FUR SYSTEME
III.2.2
9
Die Dirac-Gleichung f¨ ur ein Zentralfeld
Die bis jetzt erhaltene Dirac-Gleichung beschreibt ein freies Elektron. Man kann jederzeit dazu ein elektromagnetisches Feld ankoppeln durch die u ¨bliche Ersetzung pµ → pµ − eAµ , wo iΦ ~ Aµ = ( c , A) der Potential Vierervektor ist, der sowohl das skalare Potential Φ als auch das ~ beinhaltet. Damit erh¨alt man die Dirac-Gleichung Vektorpotential A (γ µ (pµ − eAµ ) − imc)ψ = 0 .
(III.21)
F¨ ur ein skalares Zentralfeld haben wir Aµ = δµ0 A0 (r) = δµ0 iΦ(r) c , und im Fall vom CoulombZe Potential, Φ(r) = 4π . Die Dirac-Gleichung f¨ u r ein Wasserstoff-¨ ahnliches System ist gegeben 0r durch (diesmal nicht in der expliziten kovarianten Form) (c~ α · p~ + mc2 β + eΦ(r))ψ = i~
∂ψ . ∂t
(III.22)
Angenommen, dass die Wellenfunktion die bekannte Zeitabh¨angigkeit hat, E
ψ(~r, t) = Ψ(~r) e−i ~ t ,
(III.23)
(c~ α · p~ + mc2 β + eΦ(r))Ψ = EΨ .
(III.24)
erhalten wir die Gleichung
Wir machen uns jetzt auf der Suche nach der L¨osungen dieser Gleichung. Wie man von der Quantenmechanik schon weiss, Operatoren, die untereinander tauschen, haben auch einen gemeinsamen Satz von Eigenvektoren. Um die Eingenvektoren des Dirac-Hamiltonian-Operators HD = c~ α · p~ + mc2 β + eΦ(r)
(III.25)
zu finden schauen wir dann zuerst nach denjenigen Operatoren, die mit ihm vertauschen. Von der L¨osung der Schr¨ odinger-Gleichung k¨onnen wir uns erinnern, dass der Bahndrehimpuls ein solcher Operator war, der mit dem Zentralfeld-Hamiltonoperator vertauschte. Allerdings ist die Situation bei der Dirac-Gleichung komplizierter, da wir mehrere Drehimpulse haben, z.B. der Spin. Das Elektron hat jetzt einen Spin, der mit dem Spin-Operator ! ~ σ 0 ~ ~= S , (III.26) 2 0 ~σ verbunden ist. Der Spin ist ein Drehimpuls, bzw. seine Komponente erf¨ ullen die Vertauschungsrelationen [Si , Sj ] = i~ijk Sk , wo ijk der Levi-Civita Tensor ist und i, j, k = 1, 2, 3. Man kann sofort das Quadrat des Spin-Operators berechnen, ! I 0 3 ~ 2 = ~2 . (III.27) S 4 0 I ~ + S. ~ Der Die Kopplung vom Spin und Bahndrehimpuls ergibt den Gesamtdrehimpuls J~ = L Bahndrehimpuls f¨ ur unser System mit Vierer-Wellenfunktion hat die Darstellung ! I 0 ~ = ~r × p~ L . (III.28) 0 I
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
10
Der Gesamtdrehimpuls ist dann J~ =
~ σ 2~
+ ~r × p~I
!
0 ~ σ 2~
0
,
+ ~r × p~I
(III.29)
~ S ~ 2] = und erf¨ ullt die Vertauschungsrelationen [Ji , Jj ] = i~ijk Jk , [Ji , J~2 ] = 0, mit i = 1, 2, 3, [J, 2 2 2 ~ L ~ ] = 0. Man kann zeigen, dass die folgenden Operatoren vertauschen: Jz , J~ , HD , S ~ und [J, noch dazu K=β
2 ~ ~ S·L+1 ~2
=β
1 ~2 ~ 2 ~ 2 (J − L − S ) + 1 ~2
=β
1 ~2 ~ 2 1 (J − L ) + 2 ~ 4
.
(III.30)
Dabei ist K der Spin-Bahn-Operator, der bei dem Umschreiben der Dirac-Gleichung auf Kugelkoordinaten auftaucht. F¨ ur das Problem des relativistischen Elektrons in einem Zentralfeld ist es vorteilhaft, genau wie bei der Schr¨odinger-Gleichung f¨ ur das Wasserstoff-Atom, die Kugenkoordinaten zu benutzen, womit die Dirac-Gleichung lautet ~ ∂ 1 ~β 2 cαr + K + mc β + eΦ(r) Ψ = EΨ . − (III.31) i ∂r r ir Hier ist die radiale Komponente der α ~ -Matrix αr =
0
σr
σr
0
! ,
(III.32)
mit σr = σx cos ϕ sin θ + σy sin ϕ sin θ + σz cos θ ,
(III.33)
oder in Matrixform σr =
cos θ
sin θe−iϕ
sin θeiϕ
− cos θ
! .
(III.34)
~ 2 und K? Daf¨ Wer sind jetzt die Eigenfunktionen zu Jz , J~2 , S ur untersuchen wir erstmal einzeln das Eigenwertproblem f¨ ur jeden Operator. Eigenfunktionen von Jz und J~2 : Von den zwei-komponentigen Eigenfunktionen erwarten wir, wie bei jedem Drehimpuls, dass die Operatoren Jz und J~2 , wo J~ in (III.29) definiert ist, die folgenden Eigenwert-Gleichungen haben, Jz Ψjm = m~Ψjm , J~2 Ψjm = j(j + 1)~2 Ψjm .
(III.35)
~ und L ~ entsteht, sollen die Eigenfunktionen Ψjm die Form haben Da J~ von der Kopplung von S Ψjm =
l X
1/2 X
(l m1
m1 =−l m2 =−1/2
1 m2 |j m)Ylm1 (θ, ϕ)χm2 , 2
(III.36)
mit den Spinoren χ1/2 =
1 0
! ,
χ−1/2 =
! 0 1
.
(III.37)
¨ WASSERSTOFF-AHNLICHE ¨ III.2. DIE DIRAC-GLEICHUNG FUR SYSTEME
11
Hier bezeichnen (l m1 12 m2 |j m) die Clebsch-Gordan Koeffizienten, die uns von der Kopplung von Drehimpulsen in der Quantenmechanik bekannt sind, und Ylm sind die Kugelfl¨achenfunktionen. Man kann dann die Eigenfunktionen von Jz und J~2 explizit f¨ ur die zwei m¨ogliche Beziehungen zwischen l und j schreiben, • l = j − 12 , also Spin und Bahndrehimpuls parallel, Ψl=j− 1 ,jm 2
1 =√ 2l + 1
r
1 l + m + Ylm− 1 (θ, ϕ)χ 1 + 2 2 2
r
! 1 l − m + Ylm+ 1 (θ, ϕ)χ− 1 . 2 2 2 (III.38)
• l = j + 12 , also Spin und Bahndrehimpuls antiparallel, Ψl=j+ 1 ,jm 2
1 =√ 2l + 1
! 1 l + m + Ylm+ 1 (θ, ϕ)χ− 1 . 2 2 2 (III.39)
r
r
1 − l − m + Ylm− 1 (θ, ϕ)χ 1 + 2 2 2
Eigenfunktionen von K: Sei es k = gegeben durch
2 ~ S ~2
K=β
~ +1 = ·L
k 0
! =
0 k
1 ~2 (J ~2
k
~ 2 ) + 1 . Der Operator K ist dann −L 4
0
!
0 −k
.
(III.40)
Wir suchen jetzt die Eigenfunktionen von k, so dass kΨ = −κΨ. Der Eigenwert von k ist also −κ. Lass uns nachpr¨ ufen, wie die Eigenfunktionen von Jz und J~2 die Eigenwert-Gleichung von k erf¨ ullen. Es l¨ asst sich leicht zeigen, dass 1 1 1 1 kΨl=j− 1 ,jm = (j(j + 1) − (j − )(j + ) + )Ψl=j− 1 ,jm = (j + )Ψl=j− 1 ,jm , 2 2 2 2 2 4 2 1 3 1 1 kΨl=j+ 1 ,jm = (j(j + 1) − (j + )(j + ) + )Ψl=j+ 1 ,jm = −(j + )Ψl=j+ 1 ,jm . 2 2 2 2 2 4 2
(III.41)
Die Eigenfunktionen von Jz und J~2 sind also auch Eigenfunktionen von k, zu den Eigenwerten κ = −(j + 21 ), bzw. κ = (j + 21 ), also κ = ±1, ±2, ±3, . . .. Wir k¨onnen jetzt die Eigenfunktionen statt mit j und l nur mit κ indexieren, Ψκm . Es unterscheiden sich wieder die zwei F¨alle f¨ ur die Orientierung der Spin- und Bahndrehimpulse: sind Spin- und Bahndrehimpuls parallel, bzw. ist κ negativ, haben wir κ = −|κ| j = |κ| −
1 , 2
l = |κ| − 1 .
(III.42)
Ein positives κ zeigt dagegen, dass die Spin- und Bahndrehimpulse antiparallel ist, und κ = |κ| j = |κ| −
1 , 2
l = |κ| .
(III.43)
Einige Beispiele von Quantezahlen f¨ ur die Dirac-Energieniveaus im Wasserstoffatom mit den entsprechenden Quantenzahlen sind in der Tabelle III.1 dargestellt.
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
12
Tabelle III.1: Relativistische Quantenzahlen f¨ ur die Dirac-Energieniveaus: Spin-BahnQuantenzahl κ, Gesamtdrehimpulsquantenzahl j, Bahndrehimpulsquantenzahlen l1 und l2 f¨ ur die obere, bzw. untere Spinor-Komponente und die entsprechenden spektroskopischen ZustandBezeichnungen. κ
j
l1
l2
Bezeichnung
–1
1/2
0
1
s1/2
+1
1/2
1
0
p1/2
–2
3/2
1
2
p3/2
+2
3/2
2
1
d3/2
–3
5/2
2
3
d5/2
+3
5/2
3
2
f5/2
–4
7/2
3
4
f7/2
+4
7/2
4
3
g7/2
~ 2 : Bis jetzt haben wir die zwei-komponentige Eigenfunktionen von K, Jz , J~2 und S Eigenfunktionen von den Operatoren K, Jz und J~2 gefunden. Mit ihnen k¨onnen wir jetzt die ~ 2 aufstellen. Sei es vier-komponentige Eigenfunktionen von K, Jz , J~2 und S ! ! Ψκm 0 1 2 Ψκm = , Ψκm = . (III.44) 0 Ψ−κm Wir pr¨ ufen jetzt nach, ob Ψ1κm und Ψ2κm Eigenfunktionen von unseren Operatoren sind, und zu welchen Eigenwerten. Man kann leicht zeigen, dass 1,2 Jz Ψ1,2 κm = m~Ψκm , 1 1 1,2 2 1,2 ~ |κ| + ~2 Ψκm , J Ψκm = |κ| − 2 2 3 2 1,2 ~ 2 Ψ1,2 S ~ Ψκm κm = 4 ! ! ! k 0 Ψκm kΨκm 1 KΨκm = = = −κΨ1κm , 0 −k 0 0 ! ! ! k 0 0 0 KΨ2κm = = = −κΨ2κm . 0 −k Ψ−κm −kΨ−κm
(III.45)
Die zwei Eigenfunktionen Ψ1κm und Ψ2κm haben f¨ ur alle betrachtete Operatoren dieselben Eigenwerte. Mit Hilfe diesen Funktionen kann man also die L¨osung der Dirac-Gleichung f¨ ur das Zentralfeld finden. ~2 Bemerkung: Die Funktionen Ψ1,2 κm sind auch Eigenfunktionen von dem Bahndrehimpuls L , aber mit verschiedenen Eigenwerten. F¨ ur κ > 0, ~ 2 Ψ1κm = l1 (l1 + 1)Ψ1κm = κ(κ + 1)~2 Ψ1κm , L ~ 2 Ψ2κm = l2 (l2 + 1)Ψ2κm = (κ − 1)κ~2 Ψ2κm . L
(III.46)
¨ WASSERSTOFF-AHNLICHE ¨ III.2. DIE DIRAC-GLEICHUNG FUR SYSTEME
13
F¨ ur Ψ1κm ist also f¨ ur κ > 0 l1 = κ, w¨ ahrend l2 = κ − 1. Man kann zeigen, dass die verschiedene Eigenwerte f¨ ur die Eigenfunktionen Ψ1,2 κm die folgende Beziehung zu κ haben ( l1 =
κ
if κ > 0 ,
|κ| − 1
if κ < 0 ,
( l2 =
κ − 1 if κ > 0 , |κ|
(III.47)
if κ < 0 .
Es kommt oft vor, dass die relativistische Wellenfunktionen mit der Gesamtdrehimpulsquantenzahl j und der Bahndrehimpulsquantenzahl der oberen Komponente l1 bezeichnet wird. Damit gibt es eine Verbindung zu der Notation f¨ ur nichtrelativistische Wellenfunktionen. Die entsprechende Werte von l1 und l2 f¨ ur verschiedene atomare Orbitale sind zusammen mit den j und κ Werte in der Tabelle III.1 dargestellt. F¨ ur die Eigenfunktionen des Dirac-Hamiltonoperators machen wir nun den Ansatz, Ψ=
g(r)Ψ1κm
+
if (r)Ψ2κm
=
!
g(r)Ψκm if (r)Ψ−κm
.
(III.48)
wo jetzt g(r) und f (r) die Radialfunktionen der oberen und unteren Komponente sind, auch als große bzw. kleine Komponente des Dirac-Spinors bezeichnet. Mit Hilfe diesem Ansatz kann man jetzt die Dirac-Gleichung f¨ urs Zentralfeld (III.24) in zwei Differenzialgleichungen f¨ ur die Radialfunktionen g(r) und f (r) schreiben. Dabei benutzen wir die Auswirkung der αr Matrix auf den Dirac-Spinor [Rose1971], αr Ψ =
−if (r)Ψκm
! ,
−g(r)Ψ−κm
(III.49)
und auch dass αr βKΨ = αr β(−κ)Ψ = −καr
g(r)Ψκm −if (r)Ψ−κm
! =
−if (r)Ψκm g(r)Ψ−κm
! .
(III.50)
Damit erh¨ alt man die beiden radialen Gleichungen wenn obere und untere Komponente getrennt geschrieben werden: df κ−1 1 − f − (mc2 + eΦ(r) − E)g = 0 , dr r ~c 1 dg κ + 1 + g − (mc2 − eΦ(r) + E)f = 0 . dr r ~c
(III.51)
Wir werden die L¨ osung dieser Gleichungen nicht explizit berechnen, da dies ausserhalb der Reichweite dieser Vorlesung ist. Die Radialefunktionen sind von konfluenten hypergeometrischen Funktionen bestimmt. Eine ausf¨ uhrliche Behandlung findet man in Ref. [Land1986]. Demn¨achst betrachten wir nur qualitativ die Asymptotik der Wellenfunktion. F¨ ur gebundene Zust¨ande erwartet man Radialfunktionen in der Form g(r) =
a1 −λr e , r
f (r) =
a2 −λr e . r
(III.52)
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
14
In dem asymptotischen Fall, wenn r → ∞ lassen sich die Radialgleichungen unter Vernachl¨assigung der r12 Terme wie folgt schreiben 1 (mc2 + E)a2 = 0 , c~ 1 −λa2 − (mc2 − E)a1 = 0 . c~
− λa1 −
(III.53)
Hat dieses Gleichungssystem in a1 und a2 auch nichttriviale L¨osungen, muss die Determinante des Systems gleich Null sein, 1 2 + E) (mc λ ~c (III.54) 1 = 0, (mc2 − E) λ ~c was dazu f¨ uhrt, dass mc2 λ=± ~c
s 1−
E2 . (mc2 )2
(III.55)
Damit g(r) und f (r) gebundene Zust¨ ande beschreiben, muss λ reel und positiv sein, was als Bedingung f¨ ur die Energie auswirkt, − mc2 < E < mc2 .
(III.56)
Die gebundene Zust¨ ande sind also in dem Energieinterval (−mc2 , mc2 ) zu finden, im Gegensatz zu den Kontinuumzust¨ ande, die sich nur ausserhalb dieses Intervals befinden, wie schematisch in Abb. III.2 dargestellt.
Abb. III.2: Das Dirac-Spektrum f¨ ur gebundene und Kontinuum-Zust¨ande Mit der Notation = E/(mc2 ), erhalten die Radialwellenfunktionen den Ausdruck √ e−λr g(r) = A 1 + , r √ e−λr f (r) = −A 1 − . r
(III.57)
¨ WASSERSTOFF-AHNLICHE ¨ III.2. DIE DIRAC-GLEICHUNG FUR SYSTEME
15
Ein Vergleich zwischen g(r) und f (r) zeigt sofort wieso sich die zwei Komponenten der DiracWellenfunktion die “große” und die “kleine” Komponente nennen. Das Verh¨altnis r g(r) 1+ =− f (r) 1−
(III.58)
wird f¨ ur ≈ 1 sehr groß, und damit die obere Komponente des Dirac-Spinors viel gr¨oßer als die untere Komponente, |g| |f |. Ein Beispiel f¨ ur radialen Wellenfunktionen f¨ ur die 2s1/2 und 2p3/2 in Wasserstoff-¨ ahnlichem Uran (Z = 92) sind in Abb. III.3 zu sehen. Die gebundenen Wellenfunktionen sind mit den schnell-oszillierenden Wellenfunktionen f¨ ur ein freies Elektron in der N¨ahe eines Uran-Kerns verglichen. 40
5 gκ(r) fκ(r)
gκ(r) fκ(r)
4
Bound rwf (au)
Bound rwf (au)
30 20 10 0 -10
3 2 1 0
(a)
(b)
-20
-1 0
1
2
3
4
5
0
1
2
Continuum rwf (au)
r (au)
3
4
5
r (au) 14 12 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6
gκ(r) fκ(r)
(c) 0
1
2
3
4
5
r (au)
Abb. III.3: Relativistische Elektronenwellenfunktionen: die radiale Wellenfunktionen gκ (r) und fκ (r) f¨ ur das 2s1/2 Orbital (a) und das 2p3/2 Orbital in Wasserstoff-¨ahnlichem Uran (Z = 92). (c) Radiale Wellenfunktionen gκ (r) und fκ (r) f¨ ur ein freies Elektron mit Energie E = 15.27 keV und κ = 2 in der N¨ ahe eines He-artigen Urans. Es wurden atomaren Einheiten (au) benutzt.
III.2.3
Diskretes Spektrum
Sowohl die diskrete Eigenwerte als auch die dazugeh¨origen Eigenfunktionen lassen sich analytisch bestimmen. Die Zust¨ ande sind mit den Quantenzahlen nljm bezeichnet, wobei n die Hauptquantenzahl ist, n = 1, 2, 3, . . . und l ist der l-Wert der großen Komponente, also l1 in (III.47), analog zu der nicht-relativistische Bezeichnungsweise. Es gilt l < n, so dass l = 0, 1, . . . , n − 1. Bezeichnet werden die Zust¨ ande mit l = 0, 1, 2, 3, 4, . . . durch die Kleinbuchstaben s (sharp), p (principal), d (diffuse), f (fundamental), g, h, . . . . Die weitere Indices m und j sind die zu dem
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
16
Gesamtdrehimpuls zugeh¨ origen Quantenzahlen, mit m = −j, −j + 1, . . . , j. Die Energieeigenwerte sind gegeben durch Enj = mc2 r 1+
1
.
(III.59)
2
(αZ) √
n−(j+1/2)+
(j+1/2)2 −(αZ)2
und sind in l und m entartet. Hier bezeichnet α die Feinstrukturkonstante, α = 1/137.035. F¨ ur den Fall, dass αZ 1, wie z.B. bei Wasserstoff, kann man die Energien in (III.59) nach αZ entwickeln, mit dem Ergebnis Enj
(αZ)2 (αZ)4 1 3 − ... . = mc 1 − − − 2n2 2n3 j + 1/2 4n 2
(III.60)
Der erste Term in der obigen Gleichung, mc2 , entspricht der Ruhenergie des Elektrons. In dem zweiten Term kann man den Eigenwert der Schr¨odinger-Gleichung erkennen, also die nichtrelativistische Bindungsenergie. F¨ ur n = 1 haben wir |E1 | =
(αZ)2 2 mc = 13, 6 Z 2 eV , 2
(III.61)
was f¨ ur das Wasserstoffatom den bekannten Wert 13,6 eV liefert. Der dritte Term in (III.60) erhebt f¨ ur die Dirac-Gleichung Eigenwerte im Vergleich zu den Schr¨odinger-Gleichung Eigenwerten teilweise die Entartung. Ein nicht-relativistischer nur von der Hauptquantenzahl abh¨angiger Energie-Eigenwert En spaltet sich in n Niveaus laut Dirac-Theorie, f¨ ur jeden Gesamtdrehimpulsquantenzahl j = 1/2, 3/2, . . . , n − 1/2. Diese Aufspaltung ist under dem Namen Feinstruktur bekannt. Die Konstante α ' 1/137, die die Skala dieser Aufspaltung kontroliert, wird deswegen Feinstruktur-Konstante gennant. Die Feinstrukturaufspaltung f¨ ur eine bestimmte Hauptquantenzahl n mit jmin = 1/2 und jmax = n − 1/2 ist gegeben durch ∆EF n = En,jmax − Enjmin = |En |(αZ)2
n−1 . n2
(III.62)
Die typische Werte f¨ ur die Feinstrukturaufspaltung f¨ ur die ersten drei atomaren Schalen sind in der Tabelle III.2 gegeben. Abb. III.4 zeigt die Schr¨odinger und die Dirac Energie-Eigenwerte f¨ ur das Wasserstoffatom. In der Dirac-Theorie haben zwei Zust¨ ande mit derselben Hauptquantenzahl n und Gesamtdrehimpulsquantenzahl j, aber mit verschiedener Bahndrehimpulsquantenzahl l = j ± 1/2 dieselbe Energie. Die Parit¨ at der Zust¨ ande ist aber von (−1)l gegeben, also haben sie unterschiedliche Parit¨ aten. Die Entartung der Energie-Niveaus nach l wird von kleinen quantenelektrodynamischen Effekten, auch Strahlkorrekturen genannt, aufgehoben. Die Strahlkorrekturen sind f¨ ur die zus¨ atzliche Energie-Verschiebung zwischen den 2s1/2 und 2p1/2 Niveaus, die LambVerschiebung, verantwortlich. ¨ Bemerkung: Die Spektrallinien, die bei Uberg¨ angen zwischen Feinstruktur-Niveaus entstehen, bilden ein Multiplett von Linien. Da die Emission von Strahlung, bzw. der Dipol-Moment ¨ nicht vom Spin abh¨ angt, sind die Auswahlregel f¨ ur Elektrisch-Dipol Uberg¨ ange immer noch diesel¨ ben, also ∆l = ±1 und ∆j = ±1. Ein Schema mit den m¨ oglichen Uberg¨ angen zwischen den n = 3 und n = 2 atomaren Schalen zusammen mit den beobachteten Spektrallinien sind in Abb. III.5 dargestellt.
¨ ¨ ¨ III.3. UBERGANG ZU SCHRODINGERAHNLICHEN GLEICHUNGEN
17
Tabelle III.2: Relativistische Quantenzahlen und Energien f¨ ur die Dirac-Energieniveaus: Hauptquantenzahl n, Spin-Bahn-Quantenzahl κ, Gesamtdrehimpulsquantenzahl j, Bahndrehimpulsquantenzahl f¨ ur die große Komponente l1 , die Schr¨odinger-Energie in |E1 |-Einheiten und die entsprechenden Feinstruktur-Korrekturen. l1
Spektr. Bez.
En /|E1 |
EF nj /((αZ)2 |E1 |)
–1
1/2
0
1s1/2
-1
–2
3/2
1
2p3/2
- 14
–1
1/2
0
2s1/2
- 14
+1
1/2
1
2p1/2
- 14
–3
5/2
2
3d5/2
- 19
–2
3/2
1
3p3/2
- 19
+2
3/2
2
3d3/2
- 19
–1
1/2
0
3s1/2
- 19
+1
1/2
1
3p1/2
- 19
1 4 1 - 64 5 - 64 5 - 64 1 - 324 3 - 324 3 - 324 9 - 324 9 - 324
κ
1 2
3
III.3
j
n
-
¨ Ubergang von der Dirac-Gleichung zu Schr¨ odinger¨ ahnlichen Gleichungen
Die Dirac-Gleichung ist linear in der Zeit- und Koordinaten-Ableitung. Wir versuchen jetzt von der Dirac-Gleichung zu einer Gleichung zu kommen, die der Schr¨odinger-Gleichung ¨ahnlich ist, also zweiter Ordnung in die Raum-Ableitung ist. Daf¨ ur starten wir von der kovarianten Form (γ µ (pµ − eAµ ) − imc)ψ = 0 ,
(III.63)
und multiplizieren von links mit dem Faktor 0
(γ µ (pµ0 − eAµ0 ) + imc) .
(III.64)
Dies ergibt 0 = ((pµ − eAµ )2 + m2 c2 )ψ −
~e µ µ0 γ γ Fµµ0 ψ , 2i
(III.65)
wo wir mit die folgende Notation benutzt haben, Fµν =
∂ ∂ Aν − Aµ . ∂xµ ∂xν
(III.66)
Der erste Teil der Gleichung (III.65) enspricht der Klein-Gordon-Gleichung, w¨ahren der zweite Term f¨ ur die Wechselwirkung zwischen dem Spin und dem elektromagnetischen Feld steht. Man definiert dabei ein Dirac’sches Moment, ! ~σ 0 ~ ~e ~e γµ γν Fµν = ~e B+ 2i ic 0 ~σ
0 ~σ ~σ
0
! ~, E
(III.67)
18
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
Abb. III.4: Feinstruktur f¨ ur das Wasserstoff-Atom. Die nicht-relativistische Werte sind links gezeigt (a), mit der Feinstruktur-Aufspaltung rechts (b). Die benutzte Abbildung-Skala ist f¨ ur jedes Niveau aus Sichtbarkeitsgr¨ unden eine andere.
welches ein elektrisches und magnetisches Dipolmoment zugleich ist. Hier wurde wieder die Einsteinische Summenskonvention benutzt. Unter der Annahme, dass die Wellenfunktion die u ¨bliche Zeitabh¨ angigkeit hat, imc2 t ψ = e− ~ ψ˜ , (III.68) erh¨alt man nach einfachen Schritten " ∂ ~ 2 (i~ ∂t − eΦ)2 ∂ ψ˜ (p − eA) ~e i~ = + eΦ − − 2 ∂t 2m 2mc 2m
# i~e ~+ ~ ψ˜ . B α ~ ·E 2mc 0 ~σ
~σ
0
!
(III.69)
Das ist eine exakte Gleichung die aus der Dirac-Gleichung hergeleitet wurde, n¨amlich die Pauli~ mischt die oberen und unteren Gleichung mit relativistischen Korrekturen. Der Term ∼ α ~ ·E 2 i~e ~ vernachl¨assigt werden, erh¨alt man die PauliKomponenten. Wenn (i~∂/∂t−eΦ) und 2mc α ~ ·E 2mc2 Gleichung f¨ ur die große Komponente. In erster Ordnung in v/c ist die Dirac-Gleichung der nur zwei-komponentigen Pauli-Gleichung ¨ aquivalent. Um von dem 4-komponentigen Dirac-Spinor auf eine 2-komponentige Wellenfunktion zu kommen, kann man versuchen, die kleine Komponente n¨ahrungsweise zu eliminieren. Daf¨ ur schreibt man die Wellenfunktion in (III.69) als ! χ ˜ ψ˜ = . (III.70) ϕ˜ Aus der Pauli-Gleichung mit relativistischen Korrekturen (III.69) kann man eine Beziehung zwischen den zwei Komponenten χ ˜ und ϕ˜ der Wellenfunktion herleiten, ϕ˜ = (2mc2 + i~
∂ ~ χ − eΦ)−1 c~σ (~ p − eA) ˜. ∂t
(III.71)
¨ ¨ ¨ III.3. UBERGANG ZU SCHRODINGERAHNLICHEN GLEICHUNGEN
19
¨ Abb. III.5: (a) Die Uberg¨ ange, die zur Balmer-alpha Linie zwischen n = 3 und n = 2 in Wasserstoff beitragen. (b) Die beobachteten relativen Intensit¨aten von den Linien (a), (b)-(g). Da (b) und (g) dieselben oberen Zustand haben, ist die Verschiebung der Linien nur aufgrund der 2p3/2 − 2p1/2 Energie-Differenz. Laut Dirac-Theorie, sollen die (d) und (e) Linien gleich sein, wie auch die Linien (f) und (g). Die Unterschiede im Spektrum tauchen aufgrund der Lamb-Verschiebung auf.
~ erhalten wir F¨ ur nicht so starke Felder A ϕ˜ '
1 c~σ · p~χ ˜. 2mc2
(III.72)
Diese N¨aherung f¨ uhr weiter f¨ ur die zwei Komponenten zu ~ ψ˜ = α ~ ·E
! ~ ϕ˜ ~σ · E = ~χ ~σ · E ˜
~ 1 2 c(~σ · p~)χ ˜ (~σ · E) 2mc ~χ ~σ · E ˜
! ,
(III.73)
was mit Hilfe der Beziehung (~a · ~σ )(~b · ~σ ) = ~a · ~b + i~σ · (~a × ~b) ,
(III.74)
und den Kreuzprodukt-Eigenschaften dann ergibt ~ ψ˜ = α ~ ·E
~ E p+ 2mc (~
i(~ p × ~σ ))χ ˜ ~χ ~σ · E ˜
! .
(III.75)
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
20
Unsere Gleichung f¨ ur die große Komponente wird dann, mit der Einf¨ uhrung vom Bohrschen −5 Magneton µB = e~/(2m) = 5, 788 × 10 eV/T, # " ∂ ~ 2 (i~ ∂t − eΦ)2 ∂χ ˜ iµ (~ p − eA) µ B B ~− ~ p × ~σ ) + ~ · p~) χ i~ − µB ~σ · B E(~ (E ˜. = + eΦ − ∂t 2m 2mc2 2mc2 2mc2 (III.76) Wegen der durchgef¨ uhrten N¨ ahrungen ist die Hermizit¨at in den beiden letzten Summanden verletzt. Die Rekonstruktion der Hermizit¨at lautet µB 1 ~ ~ · p~ − ~σ (~ ~ + i~ ~ = µB 2~σ (E ~ × p~) + i~~σ ∇ × E ~ + ~∇E ~ . ~ σ ( E × p ~ ) − i E p × E) p · E 2mc2 2 4mc2 (III.77) Jetzt kann man eine Schr¨ odinger-¨ ahnliche Gleichung f¨ ur die große Komponente schreiben, " ~ 2 ∂χ ˜ (~ p − eA) i~ = + eΦ ∂t 2m # ∂ − eΦ)2 (i~ ∂t µ B ~− ~ × p~) + i~~σ ∇ × E ~ + ~∇E ~ χ − µB ~σ · B ˜ .(III.78) − 2~σ (E 2mc2 4mc2 Das gleiche Ergebnis—eine aus der Dirac-Gleichung hergeleitete Spin-abh¨angige Schr¨odingerartige Gleichung—erh¨ alt man mit Hilfe der Foldy-Wouthuysen Transformation. Die FoldyWouthuysen-Transformation gestattet eine Darstellung der Dirac-Gleichung, bei der die oberen zwei Komponenten des Spinors m¨ oglichst wenig mit den unteren zwei verkoppeln. Dazu versucht man, die “ungeraden” (d.h. koppelnden) Anteile im Dirac-Hamilton-Operator mittels einer unit¨aren Transformation zum Verschwinden zu bringen. Ein ungerader Operator ist beispielsweise α ~ , der die oberen und unteren Komponenten vermischt. Im allgemeinen ist die v¨ollige Entkopplung nur n¨ aherungsweise m¨ oglich und nur f¨ ur die freie Dirac-Gleichung exakt durch die Transformation Hf := eiSf He−iSf = eiSf βe−iSf cβ~ αp~ + mc2 . (III.79) mit dem Operator S sei definiert durch Sf := −
i β~ αp~f (p) , 2mc
(III.80)
mit f (p) eine reellwertige Funktion des Operators p. F¨ ur die Interpretation des Terms (i~∂/∂t−eΦ)2 machen wir zuerst die Bemerkung, dass in nullter Ordnung wir die Schr¨odinger2mc2 Gleichung erhalten, ~ 2 ∂χ ˜ (~ p − eA) i~ − eΦ χ ˜= χ ˜. (III.81) ∂t 2m Wir k¨onnen also den untersuchten Term mit Hilfe des Impulses schreiben, ∂ ~ 4 (i~ ∂t − eΦ)2 (~ p − eA) = . 2mc2 8m3 c2
(III.82)
Die Entwicklung des relativistischen Energieausdrucks
~ 2 c2 + m2 c4 (~ p − eA)
1/2
= mc2 +
~ 2 1 (~ ~ 4 (~ p − eA) p − eA) − + ... 2m 8 m3 c2
(III.83)
l¨asst uns erkennen, dass dieser Term eine relativistische Korrektur der kinetischen Energie darstellt.
III.4. DIE LAMB-VERSCHIEBUNG
21
Wenn man jetzt den Ausdruck (III.78) f¨ ur den Fall eines Zentral-Feldes mit V (r) = −eΦ(r) ~ und A = 0 anwenden, erh¨ alt man ∆V , e ~. ~ × p~ = −∇Φ × p~ = 1 dV L E er dr ~ = −∆Φ = ∇E
(III.84)
Damit l¨asst sich der Hamiltonoperator der aus der Dirac-Gleichung hergeleiteten Schr¨odinger¨ahnliche Gleichung f¨ ur die große Komponente wie folgt schreiben: H=
p2 − eΦ |2m {z }
nicht−relativistisch
−
p4 3 2 |8m{zc } rel. Korrektur
+
~ ·S ~ ~2 ~2 1 dV L + ∆V . 2 2 2 2 c2 |2m c r{zdr ~ } |2m {z }
Spin−Bahn−Kopplung
(III.85)
Darwin−Term
der kinetischen Energie
Damit haben wir den vollen Ausdruck eines Hamiltonoperators, welcher mit Hilfe der Schr¨odinger-Gleichung die Ergebnisse von der Dirac-Gleichung f¨ ur das Elektron reproduziert. Die relativistischen Korrekturen k¨ onnen als St¨orung f¨ ur den nicht-relativistischen Hamiltonoperator betrachtet werden und mit Hilfe der St¨orungstheorie behandelt werden. Der erste Term nach dem nicht-relativistischen Hamiltonoperator ist die relativistische Korrektur (in v 2 /c2 Ordnung) der kinetischen Energie, manchmal auch relativistische Massenkorrektur genannt. Der zweite Term ist durch die Spin-Bahn Wechselwirkung gegeben. Der letzte Term ist eine relativistische Korrektur (wieder in v 2 /c2 Ordnung) zu dem Potential und tr¨agt den Namen C. G. Darwins, da er derjenige war, der die Rekonstruirung der verletzten Hermizit¨at (III.77) eingef¨ uhrt hat und damit die aufgetauchten Schwierigkeiten l¨osen konnte. F¨ ur Systeme mit nur einem Elektron ergibt ∆V ∼ δ(~r), so dass der Darwin-Term nur f¨ ur die Energie der Zust¨ande mit l = 0 eine Rolle spielt. Dieser Term ist auch f¨ ur die sogenannte Zitterbewegung des Elektrons zust¨ andig. Der von der Dirac-Gleichung abgeleitete Aufenthaltsort des Elektrons enth¨alt eine Schwingung in der Zeit, also eine Art Zitterbewegung mit einer Amplitude δx = ~c/m, die laut Schr¨ odinger [Schr1930], aus der Interferenz zwischen positiven und negativen Energiezust¨ anden entsteht. Die Zitterbewegung des Elektrons wurde bis jetzt nie direkt experimentell nachgewiesen, daf¨ ur aber mit einem Kalziumion simuliert [Gerr2010].
III.4
Die Lamb-Verschiebung
Strahlungskorrekturen heben die l-Entartung der Energieniveaus nach der Dirac-Gleichung auf. Experimentell wurde das erste Mal 1947 von W. E. Lamb und R. C. Retherford nachgewiesen, dass die 2s1/2 und 2p1/2 Energieniveaus in Wasserstoff nicht genau u ¨bereinstimmen. Allerdings ist diese Verschiebung sehr sehr klein, was erkl¨art, wieso es so lange gedauert hat, bis man sie experimentell sehen konnte. Tats¨ achlich wurden nach der Entwicklung der Dirac-Gleichung und der theoretischen Erkl¨ arung der Feinstruktur viele spektroskopische Experimente durchgef¨ uhrt, um die Dirac-Theorie nachzupr¨ ufen. Neben vielen Experimenten, die die Dirac-Theorie best¨atigt haben, gab es schon 1937 und 1938 einige Messungen von W. V. Houston und R. C. Williams, die angedeutet haben, dass die 2s1/2 und 2p1/2 Energieniveaus eine kleine Verschiebung hatten. Allerdings waren die Feinstruktur-Messungen von der Dopplerlinienverbreiterung so gest¨ort, dass man nichts Genaues dar¨ uber sagen konnte. Erst 1947 wurde die Frage der Verschiebung von Lamb und Retherfort endg¨ ultig gekl¨ art, weswegen die Verschiebung den Namen Lambs tr¨agt.
22
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
Die Neuigkeit bei der Messung von Lamb und Retherford war, dass sie statt optische Spektroskopie, Mikrowellen-Techniken angewendet haben, um einen direkten Radiofrequenz¨ Ubergang zwischen den 2s1/2 und den 2p1/2 Zustand zu treiben. F¨ ur Frequenzen von RadioWellen ist die Dopplerverbreiterung deutlich kleiner als f¨ ur optische Frequenzen, so dass man die im Experiment von Lamb und Retherford vernachl¨assigen konnte. Die spontane ¨ ¨ Ubergangwarscheinlichkeit ist wegen der kleinen Energie sehr klein, der induzierte Ubergang ¨ dennoch m¨oglich. Solche Radiofrequenz Uberg¨ange wurden im Experiment von Lamb und Retherford zwischen den 2s1/2 und 2p1/2 und den 2s1/2 und 2p3/2 Zust¨anden induziert. Der wichtigste Punkt bei dem Experiment ist, dass der 2s1/2 Zustand langlebig, also metastabil ist. Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass den Zerfall vom 2s1/2 Zustand zu dem 1s1/2 Grundzu¨ stand von der Auswahlregel ∆l = ±1 verboten ist, bzw. der Ubergang magnetisch Dipol ist, und f¨ ur Wasserstoff u ¨ber zwei Photonen l¨auft. Die Lebensdauer des 2s1/2 Zustandes ist 1/7 Sekunden, die vom 2p1/2 nur 1.6 × 10−9 s. Hat man also einen Strahl von Wasserstoffatomen, die zum Teil in angeregten Zust¨ anden mit n = 2 sind, zerfallen schnell die Atome, die sich in den 2p Orbitale befinden, w¨ ahrend die in 2s1/2 in diesem Zustand bleiben. Im Experiment von Lamb und Retherford wurde ein Strahl von Wasserstoffatomen in ihrem Grundzustand mit einem Elektronenstrahl mit Energien von etwa 10.2 eV gekreuzt, wie in Abb. III.6. Dies f¨ uhrte 8 zu Anregungen in die n = 2 Schale, so dass etwa ein Atom in 10 zu den 2s1/2 , 2p1/2 oder 2p3/2 Zust¨anden angeregt wurde. Die Atome in dem langlebigen 2s1/2 Zustand k¨onnen den Detektor noch in dem metastabilen Zustand erreichen, w¨ahrend die Atome in den 2p1/2 oder 2p3/2 Zust¨anden bis zum Detektor zum Grundzustand zerfallen. Ist der Detektor nur f¨ ur angeregte Atome empfindlich, kann man nur die Atome im metastabilen Zustand messen.
Abb. III.6: Schematische Darstellung des Lamb-Retherford-Experiments. Das kollimierte Strahlenb¨ undel von Wasserstoffatomen kommt aus dem Ofen. Einen kleinen Anteil der Atome wird durch Elektronenst¨ oße in die n = 2 Schale angeregt. Der Strahl wird dann durch einen Bereich mit Radiofrequenz elektromagnetischem Feld gef¨ uhrt, bevor er den Detektor erreicht. Der Detektor registriert nur Atome in Zust¨anden mit n = 2. Die Energiedifferenz zwischen den 2s1/2 und 2p1/2 Zust¨ande kann in diesem experimentellen Aufbau gemessen werden, indem man zwischen Produktion und Detektion einen Radiofrequenzfeld einschaltet. Wenn die Frequenz genau der 2s1/2 − 2p1/2 oder 2s1/2 − 2p3/2 Energiedifferenz ¨ entspricht, treibt das Feld Uberg¨ ange zwischen den Zust¨anden, entv¨olkert den metastabilen Zustand und sinkt damit die Messungsrate am Detektor. Mit dieser Methode konnten Lamb und Retherford sowohl die Zeeman-Komponenten der 2s1/2 , 2p1/2 oder 2p3/2 Zust¨anden abtrennen, als auch die von elektrischen Feldern verursachte St¨orung (den Stark-Effekt) reduzieren. Ihre Messung zeigte, dass der 2s1/2 Zustand etwa 1000 MHz oberhalb des 2p1/2 Zustandes liegt. Weitere Experimente von S. Triebwasser, E. S. Dayhoff und W. E. Lamb 1953 haben den sehr pr¨azisen Wert (1057.77±0.10) MHz f¨ ur die 2s1/2 −2p1/2 Energiedifferenz bestimmt, welche heute under den Namen Lamb-Verschiebung bekannt ist. Dieser Wert, was 4.37462×10−6 eV in Energie
III.4. DIE LAMB-VERSCHIEBUNG
23
bedeutet, entspricht etwa ein Zehntel der Feinstrukturaufpaltung f¨ ur n = 2. Eine schematische Darstellung der Energieniveaus f¨ ur n = 2 ist in Abb. III.7 dargestellt.
Abb. III.7: Feinstruktur-Aufspaltung der Spektrallinien und Lamb-Verschiebung. Die Niveaus sind nicht maßstabgerecht dargestellt.
Die Bem¨ uhungen auf der theoretischen Seite, die Lamb-Verschiebung zu erkl¨aren, f¨ uhrten zur Entwicklung der QED. Die radiativen Korrekturen zur Dirac-Theorie entstehen dann bei der Ber¨ ucksichtigung der Wechselwirkung zwischen dem Elektron und dem quantisierten elektromagnetischen Feld. Obwohl nicht alle Abweichungen von der Diracschen Theorie auf die Quantenelektrodynamik zur¨ uckzuf¨ uhren sind, werden dennoch alle diese Abweichungen unter dem Begriff Lamb-Verschiebung zusammengefaßt. Die Hauptbeitr¨age sind durch die Selbstenergie und die Vakuumpolarisation gegeben, dessen Feynman-Diagramme in Abb. III.8 dargestellt werden. Die QED, die Struktur des Kerns (Protons) und die volle relativistische Behandlung des Wasserstoffs als Zweik¨ orperproblem liefern außer der Vakuumpolarisation und Selbstenergie noch verschiedene andere Korrekturen zur Diracschen Theorie, die wir hier nach der Gr¨oße ihrer Beitr¨age zum Wasserstoffspektrum auflisten wollen: • die Selbstenergie (self-energy), • die Vakuumpolarisation (vacuum polarization), • R¨ uckstoßkorrekturen (recoil corrections), • Strahlungs-R¨ uckstoßkorrekturen (radiative recoil corrections), • Zwei- und Drei-Schleifen-Korrekturen zur Selbstenergie (two- and three-loop corrections), • Kerngr¨ oßenkorrektur (finite nuclear size effect). Die Lamb-Verschiebung wird f¨ ur jeden Zustand des Wasserstoffatoms einzeln ausgewertet. Durch die Differenz der Verschiebungen der einzelenen Niveaus ergibt sich dann der Energieunterschied, der experimentell nachgewiesen wird. Die theoretisch berechtete Lamb-Verschiebung f¨ ur das Wasserstoffatom ist laut P. J. Mohr (1057.864±0.014) MHz [Mohr1975]. Man spricht bei allen hier erw¨ ahnten Effekten von QED Korrekturen zur Diracschen Theorie, weil die Effekte klein sind und daher st¨ orungstheoretisch behandelt werden k¨onnen. Die genaue Berechnung der Lamb-Verschiebung unter Ber¨ ucksichtigung aller Beitr¨agen ist jenseits des Umfangs dieser Vorlesung. Wir geben hier nur eine qualitative Beschreibung der Lamb-Verschiebung, basierend auf die Arbeit von T. A. Welton [Welt1948]. Diese Erkl¨arung
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
24
Abb. III.8: Feynman Diagramme der Selbsenergie (a) und Vakuumpolarisation (b).
bezieht sich auf die Wechselwirkung eines nichtrelativistischen Elektrons mit den Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen Feldes. Wie schon im Kapitel ?? erw¨ahnt, hat ein quantisiertes elektromagnetisches Feld Nullpunktschwingungen, selbst wenn die mittlere Feldst¨arke null ist. Durch die Kopplung des Elektrons an das elektromagnetische Vakuumfeld entstehen mittlere quadratische Abweichungen der r¨ aumlichen Koordinate des Elektrons vom Mittelwert. Diese f¨ uhren dann zu einer effektive Ausdehnung des Elektrons, als ob es nicht mehr punktf¨ormig w¨are, sonder ein Kugel von Radius R. Da die potentielle Energie des Elektrons im Kernfeld von seiner Position abh¨ angt, ist sie durch die Fluktuationen des elektromagnetischen Feldes ver¨andert. Die Lamb-Verschiebung ist gegeben durch die Differenz in der potentiellen Energie, 1 ∆V = V (~r + δ~r) − V (~r) = δ~r · ∇V + (δ~r · ∇)2 V (~r) + . . . 2
(III.86)
Da die Vakuumfluktuationen isotropisch sind, gilt hδ~ri = 0 , 1 h(δ~r · ∇)2 i = h(δ~r)2 i∇2 . 3
(III.87)
Die Lamb-Verschiebung wird damit 1 h∆Ei = h(δ~r)2 ih∆V (r)i . 6
(III.88)
F¨ ur einen punktf¨ ormigen Kern haben wir ∆V =
Ze2 δ(~r) , ε0
(III.89)
wobei δ(~r) die dreidimensionale Dirac δ-Funktion ist. Damit erhalten wir die Lamb-Verschiebung h∆Ei =
Ze2 1 h(δ~r)2 ihΨ|δ(~r)|Ψi . ε0 6
(III.90)
Aus diesem Ausdruck k¨ onnen wir erkennen, dass die gr¨oßte Energieverschiebung bei s-Zust¨anden zustande kommt, da |Ψ(0)|2 6= 0. Unter Benutzung nichtrelativistischer Wellenfunktionen f¨ ur die s-Zust¨ande erhalten wir Ze2 1 Z3 1 h∆Ei = h(δ~r)2 i 3 3 , (III.91) ε0 6 πn a
III.4. DIE LAMB-VERSCHIEBUNG
25
mit dem Bohr-Radius a0 = ~c/(αmc2 )=0.529 ˚ a=0.529×10−10 m. Die Energie-Verschiebung des 2s-Zustands ist also positiv. F¨ ur die Berechnung der mittleren quadratischen Variation h(δ~r)2 i fangen wir mit der klassischen Bewegungsgleichung an e ~ ~ . δ~r¨ = − (E + ~v × B) (III.92) m Die Magnetfeldkomponente wird in der Regel vernachl¨assigt. Das elektrische Feld wird quantisiert, X ~~ , ~ = E (III.93) E k,λ ~k,λ
wobei ~k der Wellenvektor und λ die Polarisation der Feldmode ist. Damit k¨onnen wir die Koordinaten-Variation f¨ ur das Elektron als eine Summe der von einer einzelnen Mode verursachten Variationen schreiben, X δ~r~k,λ . (III.94) δ~r = ~k,λ
Die einzelne Variationen sind ergeben durch δ~r~k,λ =
~~ eE k,λ mωk2
,
(III.95)
und damit unsere mittlere quadratische Variationen ~2 e2 X hE~k,λ i h(δ~r~k,λ ) i = 2 . m ωk2 2
(III.96)
~k,λ
Aus der Gesamtenergie des Feldes Z 1 ~ 2 i = 1 ~ωk ~ 2 i + µ0 hH dV ε0 hE ~k,λ ~k,λ 2 2 | {z }
(III.97)
~2 i ε0 hE ~ k,λ
k¨onnen wir die Fluktuation des elektrischen Feldes bestimmen, ~2 i = hE ~k,λ
~ωk , 2ε0 L3
(III.98)
wo L3 das Quantisierungsvolumen ist. Die Summe u ¨ber die Feldmoden kann in einem Integral u ¨ber die Frequenz ω umgewandelt werden, wie schon im Kapitel ?? besprochen Z Z X 2L3 L3 3~ ... → d k . . . = ω 2 dω . (III.99) (2π)3 π 2 c3 ~k,λ
Damit erhalten wir f¨ ur die mittlere quadratische Variationen Z e2 ~ L3 ω 3 dω ~c 2 2α dω 2 h(δ~r) i = 2 = . m 2ε0 L3 π 2 c3 ω 4 mc2 π ω
(III.100)
Als obere und untere Integralgrenze w¨ahlen wir die Bohr-Radius a0 und die ComptonWellenl¨ange λc , ~ωmin = Zαmc2 , ~ωmax = mc2 ,
(III.101)
26
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
womit unser Integral lautet ωZmax
dω = ln ω
1 Zα
.
(III.102)
ωmin
Die von den Vakuumfluktuationen verursachte mittlere quadratische Variation der Elektronkoordinate ist dann ~c 2 2α 1 1 2 2 2α h(δ~r) i = = λc ln . (III.103) ln mc2 π Zα π Zα F¨ ur das Beispiel des Wasserstoffatoms (Z = 1) erhalten wir eine mittlere quadratische Variation von h(δ~r)2 i1/2 =58.4 fm und eine Lamb-Verschiebung f¨ ur den 2s Zustand von 2.76 µeV. Der Vergleich mit dem experimentellen Wert von 4.3 µeV zeigt, dass diese Rechnung nur qualitativ ist. Eine pr¨azisere Rechnung nach Bethe und Salpeter [Beth2008] oder die von P. Mohr [Mohr1975] ¨ sind in Ubereinstimmung mit dem experimentellen Wert.
Abb. III.9: Die Lamb-Verschiebung ∆E des Grundzustandes von wasserstoff¨ahnlichen Ionen als Funktion der Kernladung Z (mit α die Feinstrukturkonstante). Die ausgef¨ ullten Kreise stellen Ergebnisse von Experimenten am ESR bei der GSI Darmstadt dar, die durchgezogene Linie gibt die Theorie wieder.
Die Lamb-Verschiebung wurde auch f¨ ur andere wasserstoff¨ahnliche Systeme gerechnet und gemessen. Die Gr¨ oße der radiativen Korrekturen w¨achst schnell mit der Kernladung Z, wie in Abb. III.9 dargestellt. F¨ ur hochgeladene Ionen wo αZ groß ist, spielen auch QED Korrekturen zweite Ordnung (s. Abb. III.10) eine Rolle. Das Beispiel der verschiedenen Beitr¨age zu der Grundzustand Lamb-Verschiebung in wasserstoff¨ahnlichem Uran U91+ ist in der Tabelle III.10 dargestellt. Die Summe der berechneten Beitr¨age ergibt 463.95 eV, in guter ¨ Ubereinstimmung mit dem experimentellen Wert f¨ ur die Lamb-Verschiebung des 1s1/2 Grundzustandes 468.±13. eV.
III.5. DIE HYPERFEINSTRUKTUR
27
Abb. III.10: Links: Tabelle mit den QED Beitr¨agen bis zur zweiten Ordnung in α f¨ ur den Grundzustand des wasserstoff¨ ahnlichen Urans U91+ . Rechts: QED Korrekturen zweite Ordnung in α. Es handelt sich um zweiter Ordnung Selbstenergie (SESE) und Vakuum-Polarisation (VPVP) Korrekturen und m¨ ogliche Mischungen zwischen ihnen (SEVP) und (S(VP)S).
III.5
Die Hyperfeinstruktur
Hyperfeineffekte r¨ uhren von der Wechselwirkung des Kerns mit den Elektronen her. Solche Effekt wurden zuerst von A. Michelson 1891 und von C. Fabry und A. Perot 1897 beobachtet. Wie ihr Name schon zeigt, verursachen diese Effekte Aufspaltungen oder Verschiebungen die noch kleiner sind, als die Feinstruktur. Die Hyperfeineffekte sind in zwei Kategorien aufgeteilt. Diejenige Effekte, die zu einer Aufspaltung der Niveaus f¨ uhren, sind Hyperfeinstruktur-Effekte genannt. Die Effekte die nur eine Verschiebung der Energieniveaus im Atom verursachen sind unter dem Namen Isotopie-Verschiebungen bekannt. Die Hyperfeinstruktur-Effekte sind durch die elektromagnetischen Multipol-Momente des Kerns verursacht, im wesentlichen durch das magnetische Dipolmoment und das elektrische Quadrupolmoment. Die Isotopie-Verschiebungen treten wegen der endlichen Masse des Kernes oder endlichen Ausdehnung der Kernladung auf. Verschiedene Aspekte der Isotopie-Verschiebung und der Hyperfeinstruktur werden in dem Anhang zum Skript “Nuclear Effects in Atomic Transitions” dargestellt und werden im Skript selbst nicht behandelt. Dieser Abschnitt bezieht sich nur auf die Hyperfeinstruktur der Atome.
III.5.1
Hyperfeinstruktur durch magnetische Dipol-Momente
Noch bevor die Sache mit dem elektronischen Spin gekl¨art war, hat Pauli 1924 die Hypothese gemacht, dass der Kern auch einen Gesamtdrehimpuls besitzt, den Kernspin. Die Hyperfeinstruktur-Effekte, so Pauli, w¨ urden dann von den magnetischen Wechselwirkungen zwi-
28
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
schen Kern und den atomaren Elektronen in Bewegung verursacht. Eine Rolle dabei w¨ urde die ~ ~ Orientierung des Kernspins I spielen. Proportional zum Kernspin I hat der Kern dann auch ein ~ N , mit magnetisches Dipol-Moment M ~ ~ N = gI µN I , M ~
(III.104)
wo µN das nukleare Magneton µN = e~/(2mp ) ist, mp die Protonenmasse, und gI der nukleare gFaktor, auch Land´e-Faktor genannt. Aufgrund des Massen-Verh¨altnisses zwischen Elektron und Kern ist das nukleare Magneton 1836 Mal kleiner als das Bohr-Magneton, µN = 0.03152 µeV/T. Betrachten wir jetzt ein wasserstoff¨ ahnliches Ion mit der Kernladung Ze so dass Zα 1 ~ N . Der Hamiltonoperator f¨ und das nukleare Dipol-Moment M ur so ein System kann man als H = H0 + HM D ,
(III.105)
schreiben, wobei wir mit H0 den Hamiltonoperator in (III.85) bezeichnen, welcher sowohl die Coulomb-Wechselwirkung als auch die relativistischen Feinstruktur-Korrekturen beinhaltet. Das ~ N verursacht die St¨ Dipol-Moment M orung HM D . Da das nukleare Dipol-Moment viel kleiner als das vom Elektron ist, werden die Hyperfeinstruktur-Korrekturen im Spektrum noch viel kleiner als die Feinstruktur-Korrekturen. Wir teilen den St¨orhamiltonoperator weiter in zwei Teilen auf, HM D = H1 + H2 . (III.106) Dabei beschreibt H1 die Tatsache, dass das Dipol-Moment des Kerns ein magnetisches Feld erzeugt, welches mit der Bahn des Elektrons wechselwirkt, H1 =
e ~ A(~r) · p~e . m
(III.107)
~ r) erzeugt von einem punktf¨ormigen Dipol am Koordinatenursprung ist Das Vektorpotential A(~ gegeben durch [Jack2006] µ0 ~ 1 µ0 ~ ~ A(~r) = − MN × ∇ = MN × ~r . (III.108) 4π r 4πr3 Damit erh¨alt man f¨ ur den Hamiltonoperator H1 den Ausdruck H1 =
µ0 2 1 ~, gI µB µN 3 I~ · L 4π ~2 r
(III.109)
wobei ~l den Bahndrehimpuls des Elektrons bezeichnet. Dieser Term ist auch Kern Spin-BahnWechselwirkung genannt, und verschwindet f¨ ur elektronische Zust¨ande, die l = 0 haben, also f¨ ur die s-Orbitalen. Der zweite Term in (III.106) beschreibt die Wechselwirkung zwischen dem Elektronen-Spin (mit dem entsprechenden elektronischen Dipol-Moment m ~ S ) und dem magnetischen Feld des Kerns, ~ ~. ~ = 2µB S B H2 = −m ~S ·B (III.110) ~ Das Magnetfeld vom Kern ist gegeben durch µ 1 1 0 ~ =∇×A ~=− ~ N∆ ~ N · ∇)∇ B M − (M . (III.111) 4π r r
III.5. DIE HYPERFEINSTRUKTUR
29
Damit erh¨ alt man f¨ ur den Hamiltonoperator H2 , auch Spin-Spin Wechselwirkung genannt, den Ausdruck 1 µ0 2 1 ~ ~ ~ ~ H2 = − gI µB µN (S · I)∆ − (S · ∇)(I · ∇) . (III.112) 4π ~2 r r Nach weiteren einfachen Schritten und mit der Bemerkung, dass ∆ 1r = −4πδ(~r), erhalten wir ~ r)(I·~ ~ r) 2(S·~ 1 ~ ~ S·I − f¨ ur l 6= 0 µ0 2 r3 r2 ~ · Iδ(~ ~ r) − (III.113) H2 = gI µB µN 4π S 2 4π 4π ~ ~ ~ S · Iδ(~r) f¨ ur l = 0 3
Wir wollen jetzt die von dem St¨orhamiltonoperator (III.106) verursachte EnergieVerschiebung in erster Ordnung in der St¨orungstheorie berechnen. Dabei betrachten wir zuerst den Fall mit l 6= 0. Unser St¨ orhamiltonoperator HM D erh¨alt in diesem Fall den Ausdruck HM D =
µ0 2 1 ~ ~ ·I, gI µB µN 3 G 4π ~2 r
(III.114)
~ =L ~ −S ~ + 3(S ~ · ~r)~r/r2 benutzt haben. Analog zur Spin-Bahn-Kopplung, wo wir die Notation G ist die Diagonalisierung des St¨ orhamiltonoperators viel vereinfacht durch die Einf¨ uhrung des atomaren Gesamtdrehimpulses (also Kern und Elektron zusammen) F~ = I~ + J~ ,
(III.115)
~ +L ~ der Gesamtdrehimpuls des Elektrons. Die Eigenwerte von mit I~ der Kernspin und J~ = S 2 2 ~ F sind F (F + 1)~ und die von Fz mF ~. Aus der Additionsregel f¨ ur Drehimpulse erhalten wir die m¨oglichen Werte f¨ ur F , F = |I − j|, |I − j| + 1, . . . , I + j − 1, I + j .
(III.116)
Da F und mF gute Quantenzahlen f¨ ur die St¨orung HM D sind, konstruieren wir am besten die ungest¨orten Funktionen |lsjIF mF i als liniare Kombination von den Funktionen |lsjmj ImI i und berechnen damit die Energie-Verschiebung f¨ ur l 6= 0 in der ersten Ordnung St¨orungstheorie, ∆E =
µ0 2 1 ~ ~ gI µB µN hlsjIF mF | 3 G · I|lsjIF mF i . 4π ~2 r
(III.117)
Nach weiteren einfachen Operationen s. [Bran2003] erhalten wir ∆E = mit der Konstante C=
C [F (F + 1) − I(I + 1) − j(j + 1)] , 2
(III.118)
µ0 l(l + 1) Z3 2gI µB µN , 4π j(j + 1) a30 n3 l(l + 1/2)(l + 1)
(III.119)
mit a0 das Bohr’sche Radius. F¨ ur den Fall dass l = 0, verschwindet H1 und wir erhalten den Ausdruck des St¨orhamiltonoperators, auch Fermi-Kontakt-Wechselwirkung genannt, HM D =
µ0 2 8π ~ · I~ = − µ0 8π m ~ N δ(~r) . gI µB µN δ(~r)S ~S ·M 2 4π ~ 3 4π 3
(III.120)
Auch f¨ ur diesen Fall f¨ uhrt man den atomaren Gesamtdrehimpuls F~ an, so dass ~ · I~ = 1 [(I~ + S) ~ 2 − I~2 − S ~ 2 ] = 1 [(F~ − L) ~ 2 − I~2 − S ~ 2 ] = 1 (F~ 2 − I~2 − S ~ 2) , S 2 2 2
da l = 0 . (III.121)
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
30
Die Energie-Verschiebung hat dann den Ausdruck ∆E =
A0 [F (F + 1) − I(I + 1) − s(s + 1)] , 2
(III.122)
µ0 8π Z 3 . 2gI µB µN 4π 3 πa30 n3
(III.123)
mit der Konstante A0 =
Da f¨ ur l = 0, j = s, k¨ onnen wir die zwei F¨ alle zusammenfassen und einen Ausdruck der EnergieVerschiebung f¨ ur beliebige Werte von l geben, A [F (F + 1) − I(I + 1) − j(j + 1)] , 2
(III.124)
1 Z3 µ0 4gI µB µN , 4π j(j + 1)(2l + 1) a30 n3
(III.125)
∆E = mit A=
was unabh¨angig von F ist. Ein anderer Ausdruck f¨ ur die Energie-Verschiebung ist ∆E =
me Z 3 α2 F (F + 1) − I(I + 1) − j(j + 1) me c2 2 gI 3 α . mp n j(j + 1)(2l + 1) | 2{z }
(III.126)
13.6 eV
~ ein Feinstruktur-Energieniveau, welches den Quantenzahlen j und F¨ ur einen Kern mit Spin I, l entspricht, wird in weitere Hyperfeinkomponenten F gespalten. Da die Energie-Verschiebung nicht vom mF abh¨ angen, ist jede Hyperfeinkomponente immer noch (2F + 1) entartet. Ein Feinstruktur-Energieniveau spaltet sich in einem Hyperfeinstruktur-Multiplett mit (2j + 1) Niveaus, wenn I ≥ j oder mit (2I + 1) Niveaus, wenn j ≥ I. Dies erlaubt die Bestimmung von I wenn j groß genug ist. F¨ ur “normalen” Wasserstoff (mit einem Proton als Kern), ist der Kernspin I = 1/2 und die Hyperfeinstruktur ist f¨ ur alle j-Werte ein Doublet. F¨ ur Deuterium, ein Wasserstoffatom mit einem Proton und einem Neutron im Kern und I = 1, erhalten wir ein Doublet f¨ ur j = 1/2 und Tripletten f¨ ur alle andere Werte von j. Die Hyperfinestruktur f¨ ur die zwei Wasserstoffisotopen ist in Abb. III.11 dargestellt. Die Intervall-Regel f¨ ur die Magnetisch-Dipol Hyperfeinstruktur ist gegeben durch ∆E(F ) − ∆E(F − 1) =
A [F (F + 1) − (F − 1)F ] = AF , 2
(III.127)
also proportional zu F . Man kann auch die Energie-Aufspaltung δE zwischen den zwei ¨außersten Komponenten eines Hyperfeinstruktur-Multipletts (Fmax = I + j und Fmin = |I − j| bestimmen, ( 2 I + 1/2 f¨ ur j ≤ I , 4Z 3 α2 me2c α2 me δE = gI 3 (III.128) I(j+1/2) mp n (j + 1)(2l + 1) f¨ ur j ≤ I . j
Aus dieser Aufspaltung l¨ asst sich der nukleare g-Faktor gI bestimmen. F¨ urs Wasserstoffatom, z.B., mit Z = 1, I = 1/2, gI = 5.5883, ist die Energie-Aufspaltung δE =
me j + 1/2 gI 2α2 3 13.5 eV , mp n j(j + 1)(2l + 1)
(III.129)
was f¨ ur den Grundzustand ergibt δE(n = 1, j = 1/2, l = 0) =
8 me gI α2 13.5 eV = 5.88 × 10−6 eV . mp 3
(III.130)
III.5. DIE HYPERFEINSTRUKTUR
31
¨ Diese Ubergangsenergie entspricht 1420 MHz und einer Wellenl¨ange von 21 cm. Der von H. M. Goldenberg, D. Kleppner und N. F. Ramsey 1960 entwickelte Wasserstoff-Maser bezieht sich ¨ ¨ auf diesen Ubergang und hat einen sehr pr¨azisen Wert f¨ ur die Ubergangsfrequenz geliefert, ν = 1420405751.800±0.028 Hz. Der Vergleich mit dem theoretischen Wert ν = 1420, 45199(10) MHz zeigt, dass die obige einfache erster Ordnung St¨orungstheorie mit dem experimentellen Ergebnis ¨ innerhalb von 0.1% u ¨bereinstimmt. Mehr u ¨ber weitere Korrekturen, Uberg¨ ange zwischen Hyperfeinniveaus, die Cesium-Atomuhr und Hyperfeinstruktur-Experimente befindet sich im Anhang “Nuclear Effects in Atomic Transitions”.
Abb. III.11: Die Hyperfeinstruktur f¨ ur die n = 1 und n = 2 Niveaus von Wasserstoff und Deuterium (nicht maßstabgerecht dargestellt).
III.5.2
Hyperfeinstruktur durch das nukleare Quadrupol-Moment
Eine andere wichtige Kernstruktur-Eigenschaft ist das elektrische Quadrupolmoment, definiert als eine Summe u ¨ber alle Protonen p im Kern, X Qij = 3xpi xpj − δij Rp2 , (i, j = 1, 2, 3) . (III.131) p
~ p die Protonkoordinate im Schwerpunktsystem des Kernes. Meistens bezeichnet man Hier ist R die Gr¨oße des Quadrupolmoments als der Erwartungswert der z-Komponente in dem Zustand |I, MI = Ii, also Q = hI, MI = I|Qzz |I, MI = Ii = hI, MI = I|
X
3Zp2 − Rp2 |I, MI = Ii ,
(III.132)
p
was eine Fl¨ achedimension hat und normalerweise in barn (10−24 cm2 ) gegeben ist. Ein Kern mit einer kugelsymmetrischen Ladungsdichte hat kein elektrisches Quadrupolmoment, da Q = 0. Das Quadrupolmoment zeigt also wie weit von der Kugelsymmetrie die Ladungsdichte des Kerns ist. F¨ ur Kerne mit einer gestreckten Ladungsdichte in Richtung von I~ ist Q > 0 und man bezeichnet den Kern als prolat. Ist die Ladungsdichte abgeplattet, haben wir Q < 0 und man bezeichnet den Kern als oblat, s. Abb. III.12. Der Wechselwirkungshamiltonoperator
¨ KAPITEL III. WASSERSTOFF-AHNLICHE ATOME
32
Abb. III.12: M¨ ogliche Kernladungsdichten: kugelsymmetrisch (links), prolat (mitte) oder oblat (rechts).
zwischen dem elektrischen Quadrupolmoment des Kerns und dem von dem Elektron erzeugten elektrostatischen Potential am Kern Ve ist gegeben durch [Rams1953, Casi1963] 3~
HEQ = B 2
~ I~ · J~ + 1) − I~2 J~2 I · J(2 , 2I(2I − 1)j(2j − 1)
(III.133)
mit der Quadrupolkonstante B B=Q
∂ 2 Ve ∂z 2
,
(III.134)
mit
∂ 2 Ve ∂z 2
=
2 2 ∂ Ve 3z − r2 j, mj = j 2 j, mj = j = − j, mj = j j, mj = j ∂z r5
(III.135)
ist der Erwartungswert des vom Elektron erzeugten elektrischen Feldgradients am Kern. F¨ ur eine kugelsymmetrische elektronische Ladungsverteilung (die s-Zust¨ande mit j = 1/2) verschwindet h∂ 2 Ve /∂z 2 i und es gibt keine Quadrupolwechselwirkung. Kerne mit I = 0 oder I = 1/2 haben kein elektrisches Quadrupolmoment. F¨ ur alle andere Systeme, kann man die Energie-Verschiebung in erster Ordnung berechnen, B 32 K(K + 1) − 2I(I + 1)j(j + 1) ∆E = hjIF mF |HEQ |jIF mF i = , 4 I(2I − 1)j(2j − 1)
(III.136)
mit der Notation K = F (F + 1) − I(I + 1) − j(j + 1) .
(III.137)
Die gesamte Energie-Verschiebung kann man jetzt als Summe von der magnetischen und elektrischen Wechselwirkung in (III.124) und (III.136) schreiben, ∆E =
B 3 K(K + 1) − 2I(I + 1)j(j + 1) A K+ 2 . 2 4 I(2I − 1)j(2j − 1)
(III.138)
Da die Quadrupol-Hyperfeinstruktur der Intervall-Regel nicht folgt, hat die gesamte EnergieVerschiebung eine unregelm¨ aßige Struktur, wie in Abb. III.13 dargestellt. Das Intervall zwischen zwei Hyperfeinstruktur-Komponenten ist gegeben durch ∆E(F ) − ∆E(F − 1) = AF +
B 3F (2F 2 + 1) − 6F [I(I + 1) + j(j + 1)] . 4 I(2I − 1)j(2j − 1)
(III.139)
III.5. DIE HYPERFEINSTRUKTUR
33
Genau wie bei der magnetischen Hyperfeinstruktur, ist jedes Niveau (2F + 1)-fach entartet. Diese Entartung kann durch ein ¨ außeres Magnetfeld gehoben werden, was dem Zeeman-Effekt f¨ ur Hyperfeinstruktur-Komponenten enspricht.
Abb. III.13: Hyperfeinstrukturschema f¨ ur j = 1 und I = 3/2 f¨ ur das Beispiel des Quecksilberatoms 201 Hg. Das Feinstrukturniveau (links) wird von der magnetischen Wechselwirkung (mitte) und der elektrischen Wechselwirkung (rechts) gespalten. Verlgleich mit (III.138).