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Wie Weit Ist Es Zur Heliopause?

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Nach: Hans-Ulrich Keller: Kosmos Himmelsjahr 2015 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart 2014 Monatsthema August 2015 Wie weit ist es zur Heliopause? Bevor man sich mit der Frage beschäftigt, wie weit es bis zur Heliopause ist, sollte man erst wissen, worum es sich bei der Heliopause überhaupt handelt. Der Begriff „Heliopause“ setzt sich aus zwei altgriechischen Wörtern zusammen: ηλιος (Sonne) und παυω (beendigen, aufhören, unterbrechen). Vom zweiten Wort stammt die Pause. Die Mittagspause unterbricht die Arbeit; sie grenzt den Vormittag vom Nachmittag ab. In der Meteorologie kennt man die Tropopause. Sie ist die Grenzschicht zwischen der Troposphäre, der untersten Lufthülle, in der sich das Wettergeschehen abspielt, und der darüber liegenden Stratosphäre. Unter Heliopause versteht man die Grenzschicht zwischen dem interplanetaren und dem interstellaren Raum, kurz: die Grenze unseres Sonnensystems gegenüber den Tiefen der Sternenwelt. eher birnenförmig und leicht verdrückt. Ein Sonnenphysiker verglich die Form der Heliosphäre einst mit einem Gummiball, auf dem jemand sitzt. Auch variiert die Form entsprechend dem wechselnden Druck des Sonnenwindes. Bei aktiver Sonne dehnt sich die Heliosphäre aus. Die Heliosphäre erstreckt sich so weit in den Raum hinaus, bis der Staudruck des Sonnenwindes gleich dem Druck des interstellaren Gases wird. Dabei kommt auch der Sonnenwind zum Erliegen, seine Geschwindigkeit sinkt auf null, es herrscht Sonnenwindstille. Die Zone, in der dies geschieht, nennt man Heliopause. Sie grenzt die Heliosphäre vom interstellaren Raum mit seiner Gaskomponente und seinen Magnetfeldern ab. Die Heliopause wirkt auch als Schutzschild gegenüber der harten, hochenergetischen kosmischen Korpuskularstrahlung. Der Termination Shock Wie weit ist es nun bis zur Heliopause? Je nach Richtung und Sonnenaktivität erstreckt sich die Heliopause in einer Sonnenentfernung von 80 bis 120 AE (12 bis 18 Milliarden Kilometer), das ist die doppelte bis dreifache Plutodistanz. Dabei geht die Heliosphäre nicht langsam, also kontinuierlich, in den interstellaren Bereich über, sondern vergleichsweise abrupt. Nach neueren Erkenntnissen gibt es drei Grenzschichten der Heliosphäre zum interstellaren Bereich. Wo der Sonnenwind mit hoher Geschwindigkeit auf die interstellare Materie prallt, entsteht eine Stoßfront, in der es zu sprunghaften Änderungen von Dichte, Temperatur und Magnetfeldstärke kommt. Die Geschwindigkeit des Sonnenwindes sinkt in dieser Zone rapide auf etwa 100 km/s. Dieser Bereich wird im Fachjargon als Termination Shock (engl., Begrenzungsstoß) bezeichnet. Der Termination Shock erstreckt sich in einer Sonnenentfernung von rund 90 AE (= 13,5 Milliarden Kilometer), das entspricht der dreifachen Neptunentfernung. Durch die starke Abbremsung heizt sich der Sonnenwind enorm auf. Schematische Darstellung der Heliosphäre mit den drei Grenzschichten Termination Shock (Begrenzungsstoß), Heliopause und Bow Shock (Bugstoßfront) Zu Kopernikus' Zeiten bildete die Saturnbahn die Grenze unseres Sonnensystems. Der Saturn ist zehnmal so weit entfernt von der Sonne wie die Erde. Als Uranus 1781 entdeckt wurde, verdoppelte sich der Durchmesser unseres Sonnensystems. Mit dem Auffinden von Neptun 1846 wurde die Grenze auf 30 AE, das sind 4488 Millionen Kilometer, hinausgeschoben. Der 1930 entdeckte Pluto wandert in einer mittleren Entfernung von 40 AE um die Sonne. Jenseits der Plutobahn befindet sich der Kuipergürtel, in dem Tausende von Kleinkörpern – von Meteoroiden bis zu Zwergplaneten – die Sonne umrunden. Die Astronomen sehen heute die Grenze des Sonnensystems in dem Bereich, in dem die Dominanz der interplanetaren Materie gegenüber der interstellaren Materie endet. Der interplanetare Raum ist gefüllt mit Staub und Gas. Abgesehen von Diffusionsprozessen der Planetenatmosphären ist die Sonne Hauptlieferant des interplanetaren Gases. Die Sonne bläst ständig einen Strom elektrisch geladener Partikel – vornehmlich Protonen, Elektronen und Alphateilchen, also Heliumatomkerne, aber auch ionisierte Atome von Kohlenstoff, Sauerstoff, Silizium, Neon, Kalzium, Schwefel, Eisen, Nickel und anderen ins Weltall. Dieser Teilchenstrom, üblicherweise Sonnenwind genannt, ist elektrisch leitend, ein sogenanntes Plasma. Das Plasma strömt entlang der von der Sonne ausgehenden Magnetfeldlinien, die infolge der Sonnenrotation gekrümmt sind. In der Erdumgebung bläst der Sonnenwind mit rund 400 Kilometer pro Sekunde, das sind 1.440.000 Kilometer pro Stunde. Aufgeheizt wird das Sonnenwindplasma in der Korona, der äußersten Atmosphärenschicht der Sonne, bei Temperaturen von ein bis drei Millionen Grad. In Erdentfernung von der Sonne hat das interplanetare Gas eine Dichte von rund 10-21g/cm3. Bei heftigen Sonneneruptionen weht der Sonnenwind schon mal mit Geichwindigkeiten von 600 bis 1.000 km/s, in Einzelfällen sogar bis zu 2.000 km/s. Der Raum um die Sonne, in dem die interplanetare Materie die dominierende Rolle spielt, wird Heliosphäre genannt. Sie ist keineswegs kugelrund, wie der Name vermuten lässt, sondern Messungen durch die Voyager-Sonden Unser Wissen über die Heliopause verdanken wir in erster Linie den beiden interplanetaren Sonden VOYAGER 1 und VOYAGER 2, die nach wie vor aktiv sind und Daten funken, während PIONEER 10 und PIONEER 11, die ersten beiden Sonden, die von Menschen ins äußere Sonnensystem geschickt wurden, keine Signale mehr senden. VOYAGER 2 wurde am 20. August 1977 gestartet, kurz darauf folgte am 5. September 1977 VOYAGER 1. Alle vier Wasserstoffplaneten – Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun – wurden von VOYAGER 2 besucht. VOYAGER 1 hingegen passierte nur Jupiter und Saturn. Nach einem nahen Vorbeiflug am Saturnmond Titan in nur 4.000 km Distanz wurde VOYAGER 1 aus der Ekliptikebene nach Norden geschleudert. lnzwischen haben beide Raumsonden unser Planetensystem weit hinter sich gelassen und sind in die fernen Zonen am Rande des Sonnensystems vorgedrungen. Die Raumsonde IBEX zur Erforschung der Heliopause VOYAGER 1 durchflog 2004 den Termination Shock in 94 AE (= 14 Miliiarden Kilometer) Distanz. Wahrend sich VOYGER 1 nun nördlich der Ekliptikebene bewegt, driftet VOYAGER 2 inzwischen südlich von der Erdbahnebene durch den interstellaren Raum. - 2 VOYAGER 1 befindet sich dabei von der Erde aus gesehen im Sternbild Ophiuchus, VOYAGER 2 im Telescopium. Die Sonde VOYAGER 2 erreichte 2007 den Termination Shock in 84 AE (= 12,6 Milliarden Kilometer). Aus den unterschiedlichen Distanzen bis zum Termination Shock folgt, dass die Heliosphäre nicht kugelrund, sondern asymmetrisch ist. Jenseits des Termination Shock erstreckt sich ein Bereich, der Heliosheath, also Sonnenhülle, genannt wird. Sie ist gewissermaßen die Übergangszone zum interstellaren Raum. Die Hülle erstreckt sich bis zur eigentlichen Heliopause, in der der Sonnenwind endgültig zum Erliegen kommt. In der Sonnenhülle ereignen sich heftige Wechselwirkungen zwischen den Partikeln des Sonnenwindes und denjenigen der interstellaren Materie. Die Ionen des interstellaren Gases werden vom Sonnenwindplasma, das das solare Magnetfeld mitschleppt, auf ihrem Weg ins Sonnensystem ausgebremst. Die neutralen Atome und Moleküle dagegen werden nicht durch Magnetfelder beeinflusst und dringen tiefer in die Sonnenhülle ein. Die solare UV-Strahlung ionisiert diese interstellaren Atome teilweise. Somit werden sie elektrisch leitend und vom solaren Magnetfeld in die Gegenrichtung katapultiert. Der nicht ionisierte Rest dringt jedoch bis zur Erdbahn vor, wo man ihn untersuchen kann. Diese ENAs (Energetic Neutral Atoms) entstehen teils auch durch Ladungsaustausch der solaren Ionen mit interstellaren Partikeln. Kurz, die ENAs spüren keine Magnetfelder und werden schnurstracks auf geraden Wegen in Richtung Sonne und damit zur Erde geschleudert. Um sie zu beobachten und so mehr über die Vorgänge in der Heliopause zu erfahren, wurde der Satellit IBEX (Interstellar Boundary EXplorer) von der NASA entwickelt und gebaut. IBEX wurde am 19. Oktober 2008 in eine hohe Erdumlaufbahn geschossen. Er benötigt für eine Erdumkreisung etwas mehr als neun Tage. Die IBEX-Bahn ist um 28° zum.Erdäquator geneigt. IBEX, auch unter der Bezeichnung EXPLORER 91 bekannt, kommt im Perigäum auf 47.000 Kilometer an die Erde heran, sein Apogäum liegt bei 308.000 Kilometer, das sind 80 Prozent der mittleren Entfernung Erde-Mond. Die große Umlaufbahn wurde gewählt, damit die IBEX-Messungen nicht durch den Van-AllenStrahlungsgürtel beeinträchtigt werden. Hauptaufgabe von IBEX ist es, die neutralen Partikel aus der Sonnenhülle zu detektieren. VOYAGER 1 hat nun die Heliosphäre verlassen und ist in die unvorstellbaren Weiten des interstellaren Raumes vorgedrungen. Im Marz 2014 war sie 130 AE (= 19 Milliarden Kilometer) von der Sonne entfernt. Ihre Funksignale zur Erde brauchten dann schon 18 Stunden. Man hofft, dass VOYAGER 1 noch bis zum Jahre 2020 durchhält und Daten über die interstellare Materie und die interstellaren Magnetfelder liefern wird. Wenn schließlich VOYAGER 1 und VOYAGER 2 nach mehr als 24.000 Jahren die Oortsche Wolke, die äußerste Hülle des Sonnensystems, erreichen, werden sie keine Signale mehr zur Erde senden. Inzwischen hat IBEX zwei interessante Entdeckungen gemacht: Jenseits der Heliopause befindet sich eine als Bow Shock (engl., Bugstoßfront) bezeichnete bogenformige Zone. Es handelt sich weniger um eine Stoßfront, sondern eher um eine Bugwelle. Die riesige Heliosphärenblase bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 23 km/s relativ zum umgebenden interstellaren Gas. Die Heliosphäre spürt eine Art Gegenwind, der aus Richtung Skorpion kommt. Im Bow Shock steigen der Druck und die Temperatur des interstellaren Gases an. Das ist gut verständlich. Mysteriös hingegen ist die zweite Entdeckung von IBEX: Die ENAs fallen nicht gleichmäßig aus allen Richtungen ein, vielmehr strömen in einer Zone von 20° Breite dreimal mehr neutrale Wassersto ffatome zur Erde als aus den übrigen Bereichen. Es mangelt nicht an Erklärungsversuchen, doch keiner kann das Rätsel dieses IBEX-Ribbon (IBEX-Band) schlüssig lösen. An der Heliopause Am 25. August 2012 erreichte VOYAGER 1 die HeIiopause in 121 AE (= 18 Milliarden Kilometer) Entfernung von der Sonne. Die Plasmadichte stieg auf den vierzigfachen Wert. VOYAGER 1 registrierte einen rapiden Anstieg hochenergetischer kosmischer Strahlung. Die galaktische kosmische Strahlung dominierte eindeutig die solare Partikelstrahlung. Die Geschwindigkeit des Sonnenwindes sank auf null. In der Heliopause herrscht Sonnenwindstille. Die noch rätselhafte Ibex-Zone (Ibex-Ribbon) erhöhten Einfalls von neutralen H-Atomen aus der Heliosphäre. Man hofft, noch viel mehr über die Heliopause zu erfahren, wenn die Plutosonde NEW HORIZONS in die Heliosphäre eindringt. Aber erst im Jahre 2035 wird NEW HONRZONS den Termination Shock passieren.